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Hat mich die Welt und Gott betrogen,
War der schönste Glaube Wahn —
Bin der Sonne nachgezogen
Und ich folge ihrer Bahn,
Bis das Licht am fernen Hügel
Lodernd in die Tiefe steigt
Und zur Erde ihre Flügel
Lebensmüde Liebe neigt.
 


II. Liebe

 


Kirschenbäume blühn ums Haus,
Und ein Mädchen schaut heraus,
So ein sonnenblondes Kind,
Wie im Märchen
Es die Königstöchter sind.

Bin ein junger Königsheld,
Nenne mein die ganze Welt —
Freilich nur in meinem Lied.
Nur das Märchen
Meines Reiches Grenze zieht.

Gib mir deine Kinderhand,
Denn ich brauche für mein Land
Eine Maid mit Königssinn,
Für mein Märchen
Eine Märchenkönigin.

* * *

Das war in einer hellen Sommerzeit.
Frei war die Seele und der Himmel weit,
Da sah ich dich, ein sechzehnjährig Kind —
Du warst — was weiß ich! — wie die Kinder sind.

Und in den Wald wir miteinander gingen,
Wenn Sonnenstrahlen in den Fichten hingen;
Und wo ein Bach sich in dem Grunde fand,
Half sicher dir hinüber meine Hand;

Wenn im Gesträuch ich eine Beere sah,
Dann bückt' ich mich und sagte leise: Da!
Und deine Kinderfragen fragtest du,
Und ich — ich hörte voller Andacht zu.
So gingen wir — ein seltsam stilles Pärchen,
Und uns zur Seite wandelte das Märchen.

Am Himmel fern verloht ein Wolkenbrand.
Nun gibst du mir zum Abschied deine Hand,
Wir schweigen beide und wir wissen kaum,
War's Himmelsleuchten oder war es Traum.

Nun ist verglüht der Wolke letzter Saum.

* * *

Siehe, aus dem Sündenland
Komm' ich krank und ohne Willen,
Und du willst die Sehnsucht stillen,
Und du reichst mir deine Hand?

Ohne Vorwurf gehst du mit
Auf des Lebens harter Reise,
Drückst die Hand mir leise, leise,
Wenn ermatten will der Schritt!

Jeder fände zu dem Glück,
Wenn die gute Hand ihn wiese,
Zum verlornen Paradiese
Seiner Kindlichkeit zurück.

Gut und lieb und unschuldrein
Bist du zu mir hingetreten,
Wie die Kinder muß ich beten:
"Heiliges Schutzengelein".

* * *

Nun tönt der erste Grillensang
Vor meines Städtleins Toren,
Ein blondes Mädchen hab' ich mir
Zu meinem Schatz erkoren.

Am Sonnensonntag nachmittag
Da wandern wir ins Freie
Und Frühlingsblüten pflücken wir
Gar alle nach der Reihe:

Die Leberblumen rot weiß blau,
Die Lilaosterglocken; —
Was hat die Sonne denn zu tun
Mit meines Mädels Locken?

Sie nestelt dran und flirrefitzt
Und tut das Gold entfachen,
Als wollt' sie einen Heiligenschein
Aus deinen Haaren machen.

Gib mir die Hand, mein Frühlingskind,
Keinen Heiligen ich beneide;
Denn wenn wir auch nicht heilig sind,
Sind wir doch selig beide.

* * *

Du Blondkind, gib mir deine Hand!
Warum? — Es ist der Mai im Land.

Im Mai ist Kirschenblütenschnei'n,
Und junge Menschen gehen zu zwei'n.

Ich führ' dich zu der alten Bruck,
Dort steht ein hölzerner Nepomuk.

Ein Kirschbaum ist drüber her,
Als ob er ganz von Silber wär'.

Das Silber einer Maiennacht
Sinkt in die Blütenkelche sacht.

Das Silber wird dem Baum zu schwer,
Der Blüten werden immer mehr.

Dort sitzen wortlos ich und du
Und alles Silber deckt uns zu.

Wie selig wir im Silberlicht —
Sankt Nepomuk verrät es nicht.

Im Stillen aber denkt er sich:
Die zwei sind seliger als ich.

* * *

Siehst du das reiche Sonnenglänzen,
Die Blütenwunder überall, —
Die Glückverheißung ohne Grenzen
Klingt aus des Meisenliedes Schall.

Nun sollst du deine Hand mir geben,
Wir wandern waldentlang allein,
Und hoffen, daß das ganze Leben
Ein Sonntag soll wie heute sein.

Das Glück vor uns die stillen Pfade
Durch lenzbeblühte Büsche bahnt,
Und niemand ist, der solche Gnade
In unsern Kinderherzen ahnt.

* * *

Aus des Löwenzahnes Stengeln
Flochten Kinder spielend Ketten,
Kinder, gleichend jenen Engeln,
Welche unsre Seele retten.

Und sie schlangen frohe Reigen,
Bauten sich die goldne Brücke —
In des weißen Flieders Zweigen
Klang das Märchen von dem Glücke.

Hand in Hand wir gingen beide,
Und im Wald der Kuckuck rief;
Blütenpracht in Feld und Heide —
In den Fluß die Trauerweide
Senkt die Zweige — tief, so tief.

* * *

Die Vögel singen in den Zweigen,
Der Kirschbaum läßt die Blüten wehn
Und läßt die Zweige niederneigen,
Daß keine fremden Augen sehn,
Wo hinter seinem Silberschweigen
Zwei hochbeglückte Menschen gehn

Bald Hand in Hand, bald Mund an Munde,
Bald wieder selig Blick in Blick.
Der Vögelsang gibt leise Kunde,
Als bögen Büsche sich zurück —
O seht nicht hin . . . ihr kennt die Stunde,
Wenn durch den Frühling geht das Glück.

* * *

Dann kam die fliederduftdurchströmte Nacht
Und um die Lilien die Falter flogen
Und über uns der große Sternenbogen
Ließ niederträufen seiner Lichter Pracht,
Und es erklang das älteste der Lieder:
"Ich liebe dich" . . "Und ich . . ich lieb' dich wieder."

Ein stiller Kuß, so heilig wie Gebet,
Das feierlich durch alle Himmel weht,
Bei dessen Kommen sich die Engel neigen,
Und Gott sich hebt von seines Thrones Pracht
Und spricht: Es sind zwei Seelen sich zu eigen,
Es ist der Liebe Weltgesetz vollbracht.

* * *

Einen Brief mit kurzer Frage,
Drin ein Strähn von blondem Haar —
An dem gleichen Maientage
Lese ich ihn jedes Jahr.

Weißer Flieder bog die Pforten,
Drunter ging ein junges Paar . . .
Damals ward der Brief geschrieben
Und die Frage klang vom Lieben,
Und ich weiß aus wenig Worten,
Daß ich einmal glücklich war.

Weißer Flieder — immer wieder,
Und das gleiche Maienfest
Und der Sehnsucht alte Lieder —
Und der Brief des Glückes Rest.

* * *

Gib mir die Hand, wir gehn dem Walde zu
Auf einem Weg, den nur die Kinder kennen,
Die Beeren suchen in dem tiefsten Grund.

Du bückest dich nach manchem Blumenfund
Und seltsam schweigend gehen ich und du,
Bis wir uns dann mit lieben Namen nennen.

Du siehst den Abend durch die Föhren brennen,
Wir stehen still, wie zum Gebet bereit,
Und unsre Hände wollen sich nicht trennen.

Die Liebe überwindet Raum und Zeit!
So heilig ist es, durch die Bäume brennen
Die Purpurwogen der Unendlichkeit.

Die Sterne kommen, und wir gehn zu zweit
Auf einen Weg, den nur die Kinder kennen.

* * *

Der eine Tag hat es gemacht:
Ich wand're selig durch die Nacht.

Es breitet sich um mich ein Meer
Von himmlisch schönem Sternenglanz,
Den eines Engels Hand entfacht. —

Es ist auch gar nicht lange her,
Daß meine Seele hat so ganz,
So ganz allein ans Glück gedacht.

Ich wand're selig durch die Nacht.

Wie das nur alles kommen mag?
Mir fällt der Himmel immer ein; —
Und blüht im Jenseits mir ein Tag.
So muß er so wie heute sein.

Nur dann ich drüben glücklich bin . . .
Und leise geht mir durch den Sinn
Das Bild der Himmelskönigin.

* * *

Weißt du? — Nach jenem Sonnwendtage
Die Blütenpracht am Waldesrand,
Der jungen Herzen schöne Frage?
Wir gingen beide Hand in Hand —
Und wie in einer Frühlingssage
Voll Glück und Glanz das ganze Land.

Der Mond versilberte die Erlen,
Es fing ein großes Leuchten an —
Die heilige Nacht! — Wie helle Perlen
Die Sterne von dem Himmel sah'n.

Und Feuer flammten, regungslose,
Herab vom dunkeln Felsenknauf.
Am Busch der wilden Heckenrose
Die Funkenkäfer flogen auf.

Und weißt du, was ich leise sagte,
Du blondes Kind? — Ich hab dich gern.
Und weißt du, was ich leise fragte?
Ich fragte: Willst du einen Stern?

Dann hab' ich aus der hellen Sonnwendnacht
Auf meiner Hand ein Sternlein dir gebracht.

* * *

Das war ein Abend goldentief,
Die Ähren wogten segenschwer,
Und aus dem blauen Walde rief
Ein zweigversteckter Vogel her.

Ich sagte dir, du blondes Kind:
Dort, wo die Sonne untergeht,
Des Himmels goldne Tore sind,
Und dort ein lichter Engel steht.

Der öffnet uns das goldne Tor,
Wir wandern durch des Himmels Pracht . . .

Der Sonnenglanz sich längst verlor,
Es kam die sternenlose Nacht.

* * *

Durch des Kornfelds reiche Goldflut
Streifte deine weiße Hand,
Durch die schlanken Ährenhalme,
Bis sie eine Blume fand . . .

Meine Liebe ist gestorben,
Gib mir deine Blume nicht,
Laß den Sommertraum sie träumen,
Kraftumwogt von Ähren dicht.

Gib die Blume einem andern,
Den der Wahn noch aufrecht hält,
Denn ich höre schon die Sichel
Rauschen durch mein Ährenfeld.

* * *

Der stolze Fluß geht durch die Nacht,
Mondentfacht

Die Bäume stehen voll des Lichts,
Reden nichts.

Und schweigend schau'n die Bäume zu
Ich und du.

Lichtrosen streut die Liebe sacht
Durch die Nacht.

Es überrauscht der laute Fluß
Unsern Kuß.

Der dunkle Wassermann im Rohr
Lauscht empor . . . .

* * *

Und du sollst heute mein Gedanke sein,
Und einzig du! Kein anderer sich stehle
Mir heute in die lichtgedrängte Seele:
   Der Tag sei dein!

Jasmin und Rosen trage ich herein,
Es soll mir Frühling in die Seele quellen,
Zu deinem Bild will ich die Vase stellen:
   Der Tag sei dein!

Ein Feiertag soll in dem Zimmer sein
Und voller Angst verschließe ich die Türe,
Daß niemand mir herein den Alltag führe:
   Der Tag sei dein!

Und Eintritt haben nur der Sonnenschein,
Aus dem Holunderbusch die Vogelsänge,
Der Waldkapelle ferne Glockenklänge:
   Der Tag sei dein!

Dein Bildnis da! — "So schön und hold und rein . . ."
Ich sitze still in meinem Heiligtume
Und bete fromm: "Du bist wie eine Blume —"
   Der Tag sei dein!

* * *

Komm Kind, mit mir, der Abendschein
Schenkt uns die goldnen Lichter:
Ich wollt' ein reicher König sein
Und bin ein armer Dichter.

O wär' die blonde Königin
Bei mir am goldnen Throne,
Ich sagt' ihr, daß ich glücklich bin
Mit oder ohne Krone.

Was kümmert mich der goldne Tand?
Ich seh den Himmel glänzen,
Ich halte deine kleine Hand —
Mein Reich hat keine Grenzen.

Weißt du, daß deine Hand dir lenkt
Ein König ohne Ahnen,
Und siehst du, wie der Abend senkt
Vor uns die Purpurfahnen?

* * *

Ein kleines Stübchen. Schräge Sonnenstrahlen
Versickern dir in deinem blonden Haar,
Ich halte deine Hände, deine schmalen,
Des Fensters Nelken duften wunderbar.

Wir schauen uns nach kleiner Kinder Weise
Mit großen Augen seltsam schweigend an . . .
Es tickt die Uhr . . . wir hörens nicht . . . und leise
Hat unser Glück die Türe aufgetan.

Kindchen, das ist der Ort, den ich als Knabe
Im Traume irgendwo gesehen habe.

* * *

Und es flicht um meine Laube
Purpurrot der wilde Wein,
Und ein längst verträumter Glaube
Stellt sich leuchtend wieder ein.

Von dem letzten Sommertraume
Singt die Drossel irgendwas,
Und die letzte blaue Pflaume
Sinkt in das gemähte Gras.

Und es rufen die Gedanken
Stumm ein blondes Weib herbei . . .
Hinter diesen Purpurranken
Ist ja Raum für zwei.

* * *

Ich hab ein armes Glück bei mir. —
Vielleicht vernichtet es die nächste Stunde.
— — — — — — — — — — — — — — — — —
Und gelt, das Glück ist auch bei dir?
Ich will es küssen dir von deinem Munde . . .

Die Sonnenfunken niederflocken
Aufs Blütenbrett am Fensterrand,
Ich greife dir in deine Locken
Und habe Gold in meiner Hand.

Die Blumen haben alle Seelen,
Und wissen möcht' ich eines nur,
Was alles sie von uns erzählen . . .
Und schlummermüde tickt die Uhr.

Horch nicht darauf! . . . Du mußt es glauben,
Wenn unsre Zeit vorüber dann,
Daß unsre Seligkeiten rauben
Uns keine andre Stunde kann.

* * *

Am Bergrand war ein Abend im Vergilben,
Im Hochschnee glomm das letzte Gold verirrt,
Am Fenster schrieb die ersten Blumensilben
Der bleiche Frost, der durch die Gassen klirrt.

Ich dachte dein. — Und dunkel ward's im Raume,
Des Tages Sorgen flohen nach und nach. —
Ich aber weiß es, daß im schönen Traume
Ich glücklichleise deinen Namen sprach.

Die Sonne stieg. — Ich sah, als ich erwachte,
Am Fenster eine Blume silberfein,
Ein wunderschönes Hauchbild, daß ich dachte:
Das muß in Blumenschrift dein Name sein.

* * *

Du bist bei mir, die Berge halten Wacht!
Doch sprich mir ja von uns'rer Liebe nicht,
Der Widerhall verkündigte mit Macht,
Daß unten jemand von der Liebe spricht.

Es kann der Hall uns die Lawinen wecken,
Den droben in gespalt'nen Felsenmauern
Der Weltvernichtung böse Geister lauern,
Mit einem Grabstein unser Glück zu decken.

* * *

Das waren leuchtende Oktobertage,
Die Sonne dachte der vergess'nen Pflicht
Und an der Menschen bange Winterklage:
Aus allen Bornen loderte das Licht.

Ich flocht die spätgebor'nen Krokusglocken
Mit bleichen Händen dir ins dunkle Haar,
Und dachte zitternd an die ersten Flocken,
Und wußte plötzlich, seelentief erschrocken,
Daß unser Glück ja doch nicht Frühling war.

* * *

Es will dein Blick nicht mehr in meinem weilen
Nur zögernd deine Hand in meiner bleibt;
Der Herrgott herzlich seine Sternenzeilen,
Aus denen die Geschicke glänzen, schreibt.

Ich weiß es, daß ich dich verloren habe:
Kalt niedersinkt der Weltgesetze Schein.
Gib einmal noch die Hand — und dann zum Grabe
Die stille Straße wandre ich allein.

* * *

Weißt du es noch, das Sternenfunkeln,
Das an dem Maienabend war,
Als trüge Lilien aus dem Dunkeln
Der Engel unsichtbare Schar.

Weißt du es noch, wir sprachen leise
Und glücklich unser erstes Du —
Verklungen ist die fromme Weise,
Der nur die Engel hörten zu.

Und wenn wir heute uns begegnen,
So grüßen wir uns scheu und stumm. —
Die Engel, welche wollten segnen,
Die fragen leise sich: warum.

* * *

Ich weiß nicht, wo auf einmal so
Mir Glück und Ruh verblieb —
Ein blondes Mädchen irgendwo
Hat einen Andern lieb.

Und weil sie morgen Hochzeit hat —
Ich segne sie feierlich:
Gott weiß es, wer sie lieber hat,
Der Andre oder ich.

* * *

Wie ein Märchen hat es angefangen,
Über uns der Glanz des Himmelsblau's;
Unter Blüten sind wir hingegangen,
Während helle Kinderstimmen klangen
Von der Wiese und von Hof und Haus.

Und wir haben nie es eingestanden,
Daß die beiden Seelen sich geliebt,
Uns're Augen aber Worte fanden,
Lichtgeborene aus fremden Landen,
Die's in keiner Erdensprache gibt.

Wie im Mai mit seinen Blütenprangen,
Mit dem Glanze seines Himmelblau's,
Unter Blüten komme ich gegangen;
Wie ein Märchen hat es angefangen,
Wie ein Märchen ging es aus.

* * *

Ich habe heute wieder dich gesehen,
Und eine Frage starb in mir: Bist du's?
Dann kam ein schweigendes Vorübergehen,
Kaum merklich ein Sichindieaugensehen
Und dann ein Gruß, — nicht wert des Namens: Gruß:

Ich dachte an das Sommersonnenbranden: —
An grauen Zäunen rote Malven standen,
Zwei gute Menschen freuen sich des Lichts
Und ihre Hände oft einander fanden.
Und nun? — Vorbei. — Wir wissen beide nichts.

* * *

Die Lampe brennt — ich bin allein,
Im Hintergrund ein Uhrenschlag;
Erinnerung tritt leise ein
An einen lieben Wintertag.

— — — — — — — — — — — — — —

An einen Ort, wo's niemand sah,
Da hatte ich dich hinbestellt;
Verschüchtert, wartend standst du da
Und hast dich schweigend mir gesellt.

Um uns lag weicher, weißer Schnee,
Du sprachst wenig, ungeschickt,
Vom Wetter und vom Eislaufsee,
Und hast mich zagsam angeblickt.

Der Weißdornstrauch am Wegesrand
War kahl, wie meine Seele war.
Ich faßte leise deine Hand,
Und mir erging es wunderbar.

Ja, meine Seele war verarmt
Und glaubte nicht an Liebe mehr,
Da hat der Herrgott sich erbarmt
Und sandte dich zu helfen her.

Es kam das Dorf, wir kehrten ein
Und saßen nahe beieinand,
Und klangen an mit rotem Wein,
Und drückten untertisch die Hand.

Noch immer floß die Rede nicht,
Da hat das Glück bei uns geklopft,
Und junger Liebe Frühlingslicht
Durch unschuldvolle Seelen tropft.

Und von der Kindheit sprachen wir,
Vom winkeligen Vaterhaus,
Vom Rodeln, von der Christbaumzier
Und von dem heiligen Nikolaus.

Vom Wildmann und den Spielen all,
Und von der Rute Regiment,
Vom Eislauf und vom ersten Ball . . .
Von allem, was man Jugend nennt.

Und Zeit und Stunde ich vergaß. —
Du drängtest heim — und an dem Fluß . . .
So dunkel war's — und niemand sah's,
Da gabst du mir den ersten Kuß.

"Dein Bild mir morgen nicht vergiß,
Leb' wohl" — Es flockte silbersacht.
""Und du das deine"" — "Ja, gewiß",
""Die Mutter wird heut'! — Gute Nacht"".

— — — — — — — — — — — — — — —

Und heute steht dein Bild noch da,
Auf dem sich mancher Kuß verlor,
Das Schicksal weigerte sein "Ja"
Und ich bin einsam wie zuvor . . .

Die Lampe brennt — ich bin allein,
Im Hintergrund ein Uhrenschlag;
Erinnerung tritt leise ein
An einen lieben Wintertag.

* * *

Und du hast mich verlassen,
Ich mußte weiterzieh'n;
Ich kannte keine Gassen
Und hatte kein Wohin.

Da ward mein Auge klarer,
Und ich ersah den Pfad.
Du müder Wanderfahrer,
Es ist dein Weg gerad.

* * *

Nur einmal noch in blanken Fliedertagen
Will ich ein blondes Kind im Herzen tragen,
"Hast du mich lieb?" will ich es leise fragen.

Ich will ihm Flieder von den Zweigen biegen,
Und rings um uns soll helle Sonne liegen,
Und Tauben sollen in der Höhe fliegen.

Wir stehen auf . . . Es flieh'n erschreckt die Tauben . .
Dann kannst du, Herr, mir meine Jugend rauben,
Nur einmal noch laß mich an Liebe glauben.

* * *

Der graue Himmel mit dem Lichte kargt,
Sie stehn am Friedhof, denn sie alle haben
Ja etwas Liebes einmal eingesargt,
Ja etwas Fröhliches dereinst begraben.

Die Kerzen leuchten und herüberweht
Rauh der Novemberwind von den Arkaden
Eintönig ein zerrissenes Gebet
Um eines frohen Wiedersehens Gnade.

Ich bete nicht und rücke nicht den Hut,
Ich habe keine Kerzen angezündet,
In meinem Herzen ein Erinnern ruht,
Wie anders mir sich hat der Tod verkündet.

Vergessen ist nicht schwer, wenn man begräbt!
Wie alle muß auch ich ein Totes haben . . .
Sie ist nicht blaß, denn meine Tote lebt,
Nur in dem Herzen kann ich sie begraben,

In jenem Herzen, das sie einst geliebt:
Ein Grab, um das die Liederkerzen stehen,
Ein Grab, aus dem's kein Auferstehen gibt —
Und keine Inschrift von dem Wiedersehen.

* * *

Kein Kind wird meine Züge tragen,
Weil du, der alles war geweiht,
Der Sehnen Tat, des Herzens Schlagen,
Mir nahmest meine Männlichkeit.

Kein Kind wird meine Worte künden;
Das ist vorbei — ich bin allein,
Und glaubte doch, ich werde finden
Im Kinde das Unsterblichsein.

Kein Kind wird folgen meinen Lehren
Und trinken meinen Freiheitdrang,
Die Menschen lieben und bekehren
Und singen den Rebellensang.

Kein Kind wird an dem Lehnstuhl hangen,
Kein Kind vor meiner Strafe fliehn . . .
Denn du bist von mir weggegangen,
Und ich . . . ich habe dir verziehn.

Kein Kind wird bittend zu mir kommen
Um eines Märchens Poesie. —
Daß du mir hast das Kind genommen,
Nur das verzeihe ich dir nie.

Kein Kind wird mir am Todbett stehen,
Was warte ich noch lange Zeit?
Ich kann ja heute sterben gehen,
Ich habe keine Ewigkeit . . .

* * *

Sind alte Träume, längst verträumt,
In meiner Seele aufgewacht —
Wie Sonne noch die Wolken säumt,
Wenn vor der Pforte steht die Nacht.
Wenn vor der Pforte steht die Nacht,
Gib mir noch einen letzten Blick —
Du warst ja doch mein einzig Glück,
Das drüben mich noch selig macht.