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Und niedertropft das bleiche Licht
Des großen Sternenheeres . . .
Horch, wie die Woge seltsam spricht —
O rede nicht, o störe nicht
Das Nachtgebet des Meeres!
 


VII.
Meerlieder

 


Ins Meer die große rote Sonne sank,
Und jede Welle eine Flamme trank.
Das ewige Meer an die Gestade flutet,
Als wär' in ihm ein Gottesherz verblutet.

Es war, als ob am Grunde Rosen stünden,
Als ob Erlösung aus der Tiefe glutet,
Als wollte Gott für unsre tiefsten Sünden
Ein Rosenfegefeuer uns entzünden.

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Und nirgends eine Grenze, eine Wehr —
Das ewige Rauschen wird für uns zur Stille,
Und Sonnenglanz und Menschenblick und Wille
Sind alle fessellos — das ist das Meer.

Der Wogenschlag ist Gottes ewige Regel,
Mit der die Flut den Menschenraum umsäumt.
. . . Die Sonne sinkt, ihr loderndes Verbluten
Die Meereswogen alle widergluten,
Indessen fern ein rotes Schiffersegel
Im Purpur sich der Ewigkeit verträumt.

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Ans Strandgeklipp die blauen Wogen schlagen,
Und aus des Meeres Tosen spricht die Zeit.
Es schwankt der Kahn, ich werde fortgetragen.
Wohin, wer weiß es? — In die Ewigkeit.

Am Himmel schwebt ein Schwarm von schwarzen Schwänen,
Am Abendberg die letzte Sonne scheint,
Indes der Mond die ersten Silbertränen
In ruhelose Meereswogen weint.

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Das ist ein Tosen heut im wilden Meer —
Kein Silberglanz ist auf der weiten Fläche,
Es ist, als ob es keine Worte mehr
Vom ewigen Licht und Gottes Liebe spreche.

Die weißen Wogen stürmen an den Strand
Wie eines fernen Königs wilde Boten.
Ein de profundis hat das Herz erkannt,
Und stimmt mit ein im Hymnus für die Toten.

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Gold durchfunkelt die Pinien,
Feierlich rauschen die Wogen,
Duftende süße Glycinien
Schließen um mich den Bogen.

Ferne Glocken verklingen,
Sonnenstrahlen verwehn,
Seltsam höre ich singen —
Es müsse ein Wunder geschehn.

Herr, du willst mich begnaden —
Herr, ich will dich empfangen,
Kommst du auf goldenen Pfaden
Über das Meer gegangen.

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Nun heißt es Abschiednehmen von dem Meere,
Von seinem göttlich großen Wellenschlage,
Und ob an seinen Strand ich wiederkehre,
Ist eine große antwortlose Frage.

Die Woge, welche in den Algen wühlte,
Damit sie mich zu meinem Abschied grüße,
Aus tiefem wirrem Moosgeflechte spülte
Sie einen Meeresstern mir vor die Füße.

Vor einem Jahr, als ich am Strand gestanden
Und ich den gleichen Todgedanken hegte,
Das schaumgekrönte grüne Meeresbranden
Die Pilgermuschel vor den Fuß mir legte.

Und bin ich heute fragend hergekommen,
So kann ich heute von dem Meere lernen,
So hab ich heute Gottes Wort vernommen:
Ich solle pilgern, aber zu den Sternen.

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Blaue Ewigkeiten schlagen
An der Küste Felsenstrand
Und die Menschen sehnen, fragen
Nach dem andern schönen Land.

Möwen fliegen in den Weiten
Blauer Himmelsseligkeit,
Und ich muß die Arme breiten:
Lieber Gott — wie weit — wie weit?

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Was willst du sagen, großes Meerestosen?
Wie ist die Sternenpilgerschaft gemeint —
Weg von des Lebens schnell verblühten Rosen,
Weil doch kein Auge lange nach mir weint?

Soll für die Menschen ich nach Sternen pilgern,
Den Armen sie zu hängen an den Pfad,
Des eignen Glücks verblendeten Vertilgern,
Denen das Schicksal unbegriffen naht?

Soll ich die lichten Sterne niedertragen,
Wenn mir vergönnt dafür noch eine Frist?
Sonst soll mir Gottes Wogenantwort sagen,
Wenn bei den Sternen meine Heimat ist.

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Nur einmal noch möcht' ich zum Strande treten,
Wenn einst ein Kind, ein Knabe mit mir geht,
Im muschelreichen Dünensande beten
Beim Flutgetos zu Gottes Majestät.

Und möchte meinem Knaben alles zeigen,
Was einstens mir die Seele hier geweiht,
Des Meeres Rauschen und des Himmels Schweigen
Und beider Bläue und Unendlichkeit.

Was Licht und Freiheit ist, in Wogenworten,
In Sonnenstrahlen leuchtet und erklingt —
Jenseits des Silbers glänzen jene Pforten,
Durch welche keines Menschen Wille dringt.

Komm, Knabe, komm und suche in dem Sande,
was — eine Pilgermuschel fandest du
Und einen Stern? Der kam von jenem Strande. —
Nun pilgre hoffnungsfroh den Sternen zu.

Hörst du das Lied, das wie ein heißes Beten,
O großes Meer, ob Deinen Wogen weht —
Nur einmal noch möcht ich zum Strande treten,
Wenn einst ein Kind, ein Knabe mit mir geht.

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O Sonnenmeer mit deinem Rauschen,
Wie bist du weit, wie bist du weit,
Und muß doch deinen Tönen lauschen
In meiner Weihnachtsseligkeit.

Es fallen Lasten von den Bäumen,
Es klopft das Christkind an das Tor; —
Ich muß von Meer und Sonne träumen,
Draus Aphrodite stieg empor.

Bei roten Rosen will ich weilen
In großer Zeit Erinnerung,
Bei marmorblanken Tempelsäulen
Mit ionisch-reinem Giebelschwung.

Ein Weihnachtsbaum mit Kerzenstrahlen; —
Ich falte meine Hände nicht,
Doch heb' ich ihre offnen Schalen
Wie der Hellene in das Licht.

Es harrt am Meer ein Muschelwagen,
Es sagt der Fährmann: Steige ein!
Und silberblaue Wogen tragen
Mich mitten durch den Sonnenschein.

Und dann zum felsenblanken Strande
Er der Zypresseninsel fährt,
Ich aber schreite in die Lande,
Aus denen man nicht wiederkehrt.