weiter
 

Vor meinem Fenster blühn die Aprikosen
Im Winde weht ihr seidenweißer Schnee . . . .

Ich denke immer an die schweren Rosen,
Die Kinder brachen in Fiesole:
Von einer kronendunkeln hohen Pinie
Sinkt nieder ein Glycinienbaldachin,
Es will der Arno eine Flammenlilie
Im Abendscheine durch Firenze ziehn.
Vor Bildern in den Kirchen knien die Frommen,
Doch liegt der Heiland noch in dunkler Gruft,
Die blauen Tücher wurden weggenommen,
Mein Blütenschleier zittert in der Luft.
Auf einmal klingen Glocken in der Runde:
"Nun juble Mensch, wenn du verlassen bist!" —
Von Brunellescos Kuppel dröhnt die Kunde,
Daß unser Heiland auferstanden ist. —
So war es einstens, als die schweren Rosen
Die Kinder brachen in Fiesole . . . .

Vor meinem Fenster blühn die Aprikosen,
Im Winde weht ihr seidenweißer Schnee.

 


VI.
Ricordo d' Italia

 

Wo ist das Land?
Es war einmal
Pavia
Fahrt nach Genova
Campo santo
Nervi
Am Strand
Im Garten
Riviera
Rapollo
Firenze
Abendglanz
Venezia
Assunta
Vision
Grundsteinlegung
Sehnsucht
Pineta
Ravenna
Ich will nicht mehr!

 

Wo ist das Land?


Glycinienblau lag unter mir das Meer,
Als wollt' es Perlen mir zu Füßen legen;
Vom Strandgeklippe flogen Möwen her,
Still blieb die Luft bei ihren Flügelschlägen.
Der Abend schnürte sich die goldnen Sandeln,
Um heute glänzend übers Meer zu wandeln.

In den giardino goldne Sonne siebt
Der zarte Ölbaum durch die Silberkrone,
Der letzte Falter hat nun ausgeliebt,
Es schließt das Aug die blaue Anemone.
An des Palazzos marmornem Balkone,
Den gelbe Rosen prächtig überwildern,
Da fängt es stärker nun zu duften an,
Und meine Seele weilt in ferner Zone,
Die nur ein Dante mir vermag zu schildern,
Weil er dorthin einst einen Blick getan.

Wir sind im Land, wo alles ist vergessen,
Das ist die Wiese hinter den Zypressen . . .

Ich seh uns beide durch die Wiese gehen,
In der die weißen Margeriten stehen.
Ja, du und ich, wir wandeln handinhand,
Wie einstens drunten in dem Erdenland.

Weißt du es noch? — Im weißen Fliederprangen! —
Weißt du es noch? — Wie du von mir gegangen,
Ich weinte auf zum Himmel nachtbesternt.
Ich lernte damals das Entsagen, Tragen,
Ich habe damals Liebe erst gelernt:
Die größte Liebe nennt sich das Entsagen.

Wir sind im Land, wo alles ist vergessen,
Das ist die Wiese hinter den Zypressen . . .
Nun ist vorbei, was an das Land uns bannte.
Nun horche auf: Wie lieb der Mann dich hat,
Sagt dir ein jedes Margeritenblatt.
Denn du bist Beatrice, ich bin Dante,
Und wir sind alle beide blumenrein
Und schreiten handinhand zum Himmel ein.

Der Abend längst war übers Meer gegangen
Und immer schwüler dufteten die Rosen,
Und immer lauter ward des Meeres Tosen.
Die Gärten haben schlafen angefangen . . .
Es stirbt ein Lied, das letzte, irgendwo,
Die Schatten huschen in den Portico
Und die Zypressen rauschen wieder so . . .

Es ist verlöscht, des Meeres letzter Rand,
Der eben noch in hellem Golde stand,
Und zitternd frage ich: Wo ist das Land,
           Wo ist das Land?

Es war einmal

Am Strande ragt die kronendunkle Pinie,
In dem Geäst erglänzt ein weißer Pfau,
Es sinkt des Vorgebirges Märchenlinie
Sanft in des Meeres Hyazinthenblau.

Von Weitem kommt ein Läuten hergezogen
Von einer Kirche, welche bergefern,
Von einer Kirche, deren Kuppelbogen
Soeben trägt den ersten Abendstern.

Und die Glycinien an der grauen Mauer
Mit Rosen haben ihren Duft vermählt,
Und mich umzittert so ein süßer Schauer,
Als hätten von der Liebe sie erzählt.

Von einem Weib, geschmückt mit weißen Rosen,
Das einem hohen Gottesdienst geweiht,
Mit dunklen Augen, mit so kindergroßen,
Als sähen sie in die Unendlichkeit.

Ich möchte gerne an das Wunder glauben,
Ich könnt zu ihr auf Meereswogen gehn —
Es atmen schwerer die Glycinientrauben,
Die Rosen lassen ihre Düfte wehn.

Der weiße Pfau ist längst schon fortgezogen,
Das letzte Läuten bergher sank ins Tal,
Und leise flüsterten die Meereswogen
Das trübe Märchenwort: Es war einmal.

Pavia

Noch aus den letzten Strahlen
Füllt in die Wellenschalen
Die Sonne ein ihr Gold.

Es zieht der Nachen leise,
Des Tages letzte Weise
Vom Dom herüberrollt.

Die blassen Sterne kommen,
Drum Hand in Hand genommen,
Zum Beten sei bereit.

Wir wollen beide schweigen
Und unsre Häupter neigen
Dem Lied der Ewigkeit.

Fahrt nach Genova

Hörst du es zittern, beten, dröhnen
Und schmeicheln, lachen, zürnen, höhnen
Mit Tönen leis, mit Klängen schwer,
Der Laute Allgewalt vereinend,
Die Welt bejahend und verneinend:
Das ist das Meer, das große Meer!

Nun hat die Sonne es getötet,
Ihr Blut in tausend Wellen rötet,
Nun kommt die dunkle Nacht daher;
Es ging das Licht uns nicht verloren,
Es steigt die Sonne, neugeboren,
Empor aus blutbedecktem Meer.

Campo santo

Ich hab das Grauen hinter mir gelassen,
Ich kann nur lieben und kann nicht mehr hassen;
Der Marmor selbst in milder Sprache spricht
Im Rosenblühen und im Sonnenlicht.
Es ward die ganze Seele mir geläutert;
Die Rosen blühen um das Gräberdrohn,
Die Venus führt den Knaben mit dem Mohn,
Zypressen düstern und der Himmel heitert,
Und meine Seele selig sich erweitert
Zu einem wundersamen Pantheon.

Nervi

Sonnenlicht und Wolken streiten —
Blut durchsickert die Olive,
Und mir ist, als ob in Weiten
Irgendwer um Hilfe riefe.
Und den schweren Wolken weichend,
Einer Blutorange gleichend,
Sinkt die Sonne in die Tiefe.

Und am Felsenstrande lauschen
Ölgezweigeübergittert
Muß ich, wie im Meeresrauschen
Bang das Herz der Erde zittert.

Am Strand

Die Sterne steigen in die Frühlingsnacht
Und die Zypressen schatten immer schwerer,
Sie, der Vergängnis dunkelstarre Lehrer.
Doch eine junge Rosenpracht
Von irgendwo — aus wunderwelchen Gärten —
Sucht der Düfte  windgetragne Macht
Die finstern Todesworte zu entwerten.

Am Strandfels wallt die Woge auf und nieder,
Und tönt das Meer die ewiggleichen Lieder.

Im Garten

Im Giardinetto lieg ich bei Agaven,
Bogenumwölbt von rosigen Tamarinden.
Das Meer ist ruhig — in dem Hafen schlafen
Die Schiffersegel, unberührt von Winden.

Nur leise klingt in ferne Wellenweiten
Des großen Meeres ewige Kanzone,
Nur leise läßt in Silbertiefen gleiten
Der stille Abend seine goldne Krone.

Riviera

Es spielen blonde Kinder an dem Meer,
Die blauen Blicke leise zu mir gleiten; —
Die blauen Wogen schenken Muscheln her,
Wenn sie zurück vom Meeresstrande schreiten.
Es schenkt das Kind — was eine Unschuld gibt:
Den Dankesblick, der Gott und Erde liebt.

Ich sehe Gott im Kinderaugenglanz,
Ich höre ihn in stetem Wogenrauschen;
Und jetzt erst fasse ich die Wunder ganz:
Ich sehe Ewigkeiten Schätze tauschen
Und jede Frage ist für mich vorbei,
In welcher Ewigkeit er größer sei.

Rapollo

Und blühende Glycinien drängen
Sich an der Friedhofsmauer vor,
Und um die dunkeln Pinien hängen
Sie ihren schleierzarten Flor.

Der Abend schwebt mit roten Flügeln
Und finster die Zypressen drohn,
Und über stillen Totenhügeln
Stirbt einer Glocke letzter Ton.

Firenze

Firenze, deine Kuppeln leuchten
Im goldnen Abendscheine da —
Ein schönes Märchen sie mich deuchten,
Seit ich die stolzen nicht mehr sah.

Firenze, die Glycinien drängen
Schwülduftend aus dem Garten her,
Und gelbe Rosen niederhängen,
Es war der Segen viel zu schwer.

Nun ist vorbei das bange Trauern;
Und fragt ihr mich, wohin ich geh —
Ich schreite zwischen Gartenmauern
Stillfreudig nach Fiesole.

Nun weil die Rosen sich entglommem,
Sind auch die Kinder wieder nah,
Die Kinder, jene augenfrommen,
Die ich zum ersten Male sah.

Nun sollen sie mir Rosen geben,
Soviel die kleine Hand umspannt,
Und für ihr Glück will betend heben
Zu Gott empor ich meine Hand.

Nun kann ich in die sündenlosen
Glücklichen Kinderaugen sehen . . .
Mir ist, als sollt' mit ihren Rosen
Ich gradaus in den Himmel gehn.

Abendglanz

Fern der Werkeltag verleiert,
Meine Stunden stille ziehn,
Fern verblaut der Appenin . . . .

Es wird ein Abendfest gefeiert,
Lilablütenüberschleiert
Vom Glycinienbaldachin. —

Es duften schwer die blassen Dolden,
Der Abend seine Rosen zündet
An eines Tempels Marmorzier;
Die Sonne alles will vergolden,
Was mit dem letzten Blick sie findet;
Und selbst die dunkelnden Zypressen,
Die Totenbäume über mir,
Hat ihre Liebe nicht vergessen.

Venezia

Gondeln wiegen sich in dem Canale,
Und die Sonne schenkt an die Paläste
Helles Gold, — in jede Wellenschale
Legt sie still des letzten Glanzes Reste.

Nun beginnt das Meer, mir zu erzählen
Von den marmorweißen breiten Treppen,
Von den goldgeschmückten hohen Sälen,
Von dem Rauschen roter Seidenschleppen:

Maler malen tizianblonde Haare,
Donnen, die wie Königinnen schreiten, —
Mühen sich, der Himmel soll, der klare,
Auf die Märchenstadt herniedergleiten.

Silberteller aus dem Grunde schimmern,
Die man nach dem Mahl ins Meer versenkte,
Goldenglühend sah den Ring ich flimmern,
Den der Braut der stolze Doge schenkte.

Es verrauschen eines Festes Lieder,
Fackelträger warten in den Hallen; —
Einer sieht, daß vom Balkone nieder
Eines Persergartens Rosen fallen.

Immer dunkler wird des Himmels Bläue,
Mandolinen zittern noch verstohlen; —
Ritornelle klingen von der Treue . . .
Dolche warten und die Giftphiolen.

Offen weiß ich einen Löwenrachen . . .
Irgendwo ertönt ein Degenklirren . . .
Irgendwo erklingt ein Mädchenlachen . . .
Irgendwo erwarten mich die Sbirren . . .

Und mir ist's, als ob mich einer bände,
Daß die Gondel wende sich zum Meere,
Daß der ganze Zaubertraum zu Ende,
Daß ich nie zur Insel wiederkehre . . .

Assunta

Die schwarze Gondel leiseleise
Durch sonnengoldne Wellen geht,
Und eine Mandolinenweise
Verzittert wie ein Nachtgebet.

Die goldnen Wellen lautlos schlagen
Die schwarzen Planken deines Kahns,
Und über Klagen und Verzagen
Und über Tragen und Entsagen
Und über diese Welt des Wahns
Die Seele aufwärts wird getragen,
Gleich der Assunta Tizians.

Vision

Nun sorge, daß dein Zauber wieder spiele,
Du unvergleichliche Lagunenstadt;
Ich wählte dich zu meiner Fahrten Ziele,
Weil keine andre so viel Märchen hat.

In einer Gondel, deren Eisen blinken,
Will fahren ich ins mondscheinbleiche Meer,
Vergangenheit und Ewigkeit zu trinken,
Die schwelgt und rauscht und leuchtet um mich her.

Der Mann am Uhrturm holt zum zwölften Schlage
Mit seinem schweren Bronzehammer aus,
Der Mondschein irrt wie eine Geisterklage
An Marmorwänden still von Haus zu Haus.

Ich ließ die Blicke in die Tiefe sinken
Vom Ruder, das voll Silbertropfen hing,
Sah in den Algen etwas gülden blinken:
Das ist der meerversenkte Dogenring.

Horch, wie die Schlüssel knarren in den Toren!
Wer ist es, der um Mitternacht erwacht? —
Der Doge ist es und die Senatoren,
Die Pagen tragen Fackeln durch die Nacht.

Und stumm sie über die Piazza schreiten. —
Am Meeresstrande steht der Doge still:
"Ich lasse keinen Ring mehr niedergleiten,
Weil ihn das große Meer ja nimmer will.

Wir wollen nicht mehr durch die Hallen schreiten,
Das Lied nur soll noch in die Zukunft wehn; —
Vorüber sind Venedigs große Zeiten,
Und seine Wächter wollen schlafen gehn!

Was soll die Hut? — Venedig ist am Ziele" —
Der alte Doge tiefbekümmert sprach: —
"Es sank in Schutt der stolze Campanile,
Die andern Prächte folgen langsam nach.

Seerose du! — Du blühtest ein Jahrtausend,
Von dir wird singen noch das fernste Lied;
Was willst du klagen, wenn die Meerflut brausend
Jetzt alle Pracht in stille Tiefe zieht?"

Der Bucentoro legte an am Strande
Und alle bleichen Schatten stiegen ein; —
Das Goldschiff zog in unbekannte Lande,
In fernem Dunkel starb der Fackelschein.

Noch einmal mußt' ich seinen Tönen lauschen,
Das aus den Marmorsäulengängen brach,
Hoch über mir erklang ein Flügelrauschen:
San Marcos Tauben flogen alle nach.

Nun war es still und in die Hallen legte
Das bleiche Silber sich des Mondenscheins,
Der Mann am Uhrturm seinen Arm bewegte,
Und schwer und dumpf und klagend schlug es eins.

Grundsteinlegung

Es wehen Fahnen von dem Zedernmaste,
San Marcos Löwe flammt auf Purpurseide,
Und vor der Dogen marmornem Palaste
Die Menschen stehen heut im Feierkleide.

Wo einst die Loggia Sansovinos stand,
Die Palmen heute ihre Fächer breiten,
Die Märchenstadt läßt ihre Glocken läuten,
Und ihren Tönen horchen Meer und Land.

Der Erzbischof den neuen Grundstein weihte,
Auf dem erstehen soll der Campanile,
Daß er, dem toten gleich, zu hohem Ziele
Aufwärts den Sinn der Venezianer leite.

Auf allen Lippen bebt die leise Klage:
Es fiel der Turm. Der neue, den wir bauen,
Wird er, ein treuer Wächter, auf uns schauen?
Auf allen Lippen schwebt die bange Frage:

Ist auch ein frommer Segensspruch geschehn,
Hallt auch am Meer Kanonenschußgetöse,
Wird mit dem Turme auch Venedigs Größe
Aus tiefem Meere wieder auferstehn?

Sehnsucht

Das längst Entschlafene ist wieder da:

In Silberschlaf gewiegt Venezia
Vom Lied des Meeres an bebenden Gestaden;
Dort des Tirolers Grabstatt Mantua,
Und dort Florenz mit roten Rosengnaden!

Vom Rosenhimmel eine Priesterhand,
Die mir die meine fast zur Asche brannte,
Ins Tal mich führte, das in Flammen stand:
Zu den Verdammten leitete mich Dante.

Und ist es Lorbeer, Weihrauch und Blut,
Was mir der letzte große Traum erzählte?
Nein! — Das ist Rom, das als ein strittig Gut
Die Welt sich und die Ewigkeit erwählte.

Wie Gott aus Nero und aus Borgia spricht
Zur menetekelbangen Weltenseele! —
Wie er sie hebt zu ewiger Liebe Licht
Durch menschgewordne Engel: Raffaele!

Der Tod, der in Pompeji schrecklich spricht,
Der dunklen Grotte wunderblaue Farbe!
Und in die dunkle Himmelsweite bricht
Titanentrotz mit seiner Feuergarbe.

Hier ist die Ewigkeit vollendet ganz,
Hier ist das größte Weltgesetz besiegelt,
Weil sich des Feuers Ewigkeitenglanz
Tief in der Ewigkeit des Meeres spiegelt.

Es sagt mein Herz ein feierliches Ja!
Nun kann ich wieder in die Ferne gehen,
Nun ist mir wiederum mein Heiland nah,
Nun hab ich wieder meinen Gott gesehen:

Das längst Entschlafene ist wieder da.

Pineta

Warst du in dem Pinienhaine,
Schautest du der Venus Bild,
Und du dachtest an die Deine,
Die dir keine Sehnsucht stillt?

Wandle fort auf dunklem Pfade,
Den kein Sternenschein beflirrt,
Bis dorthin, wo ans Gestade
Laut die Meereswoge klirrt.

Und es werden leise enden
Alle Wünsche, alle Qualen,
Welche deine Seele trägt —
Wenn der Mond mit blassen Händen
In des Meeres offne Schalen
Still sein scheues Silber legt.

Ravenna

Zwei Zypressen, dunkel und hehr,
Ragen in die schimmernde Luft;
Vogelgesang in den Pinien,
Bienengelispel in den Glycinien,
Welche lilablütenschwer
Strömen lassen ein Meer
Von Frühlingsduft . . . .

Weißt du, was die Zypressen verstecken,
Was der Epheu will verstecken,
Die Glycinien wollen umfloren
Vor den blumengekrönten Toren? . . . .
Dantes Gruft.

Ich will nicht mehr!

Ich will nicht mehr zu marmornen Palästen,
An deren Mauern sich die Meerflut schmiegt,
In deren Park aus Tamariskenästen
Sich eine rosenrote Laube biegt.
Ich will nicht mehr auf alten Tempeltrümmern
Im dunkelnden Zypressenschatten stehn,
Ich will nicht mehr im Gräberhauch verkümmern,
Will wieder in die deutsche Heimat gehn!

Du Marmorvenus, öffne deine Lippen,
Die bleichen, nicht zu einem Zauberwort! —
An Trevis Quelle will ich nicht mehr nippen,
Es hausen böse Zaubergeister dort:
Nach tiefem Süden zogen die Germanen
Und reichen Siegesruhm erwarben sie,
Und unter wehenden Zypressenfahnen
An Welschlands Giften alle starben sie.

Ich träumte auch von blassen Herzoginnen,
Den Silberdolch im tizianblonden Haar,
Und von den Mauern sah ich Rosen rinnen
Und rote Ampeln brannten am Altar,
Als wäre Blut von einem Brudermorde
In ihre Funkelschalen eingeschenkt;
Ich sah von einer schwarzen Gondel Borde
Die bleichen Leichen in das Meer versenkt.

Ich sah der Insel blaue Wundergrotte,
Ich sah den nachtdurchlodernden Vesuv,
Den Aschenturm, gebaut von einem Gotte,
Der sich das Leben, die Vernichtung schuf
Zu seinem Spiel. Vor einem Raffaele
Hab' ich geweint dereinst im Vatikan; —
Jetzt will ich nimmer in die Marmorsäle,
Denn: "Wer vom Papste ißt, der stirbt daran".

Ich will nicht mehr! Nach Norden weist mich Dante,
Der eherne, am Platze von Trient,
Im Rosengartenglühen ich erkannte,
Was stolz der Deutsche seine Heimat nennt!
Ich will wieder meine Lieder singen,
Dem deutschen Wesen gelte Sang und Preis,
Ich will von dem kühnsten Felsen bringen
Das blanke Firnenreis, das Edelweiß!