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Und einst die rote Hyazinthe glühend
Ich an des Sonnengottes Tempel fand,
Zum Schöpfer hob, als seine Blume blühend,
Voll Kindesdank ich sonnenwärts die Hand.

Der Hyazinthe glich die Alpenrose
Im Wettersturm hoch ob dem Waldgerott. —
Im Sonnenschein, im Donnerblitzgetose
Die Blume sprach: Es ist derselbe Gott.

 


V. Im Birg

 

Sendung
Waldschulmeister
An meinen Pickel
Vorfrühling
Empor
Und wär' es auch zum letzten Gang
Frühlingskunde
Gottesdienst
Oben
Mittsommer
Sonnenvoll die Berge liegen
Im Kar
Reinheit

 
Wahrheit
Wunder
Im Verderben
Hintertux
Vor einem Jahr
Licht

 

Sendung


Ich will zu Berge wieder steigen.
Weg Rücksicht, enge Städtehaft,
Der Menschenohnmacht starre Zeugen,
Ich suche freie Leidenschaft!

Durchs Dorf empor! Auf steilen Pfaden
Umklungen rings vom Hochwaldbraus,
Es teilt Natur die alten Gnaden,
Die tiefgeheimen Wunder aus.

Weit unter mir sind schon die Auen,
Ich steh' auf stolzer Felsenwand —
Und über mir im weiten Blauen
Schwebt Gottes lichte Segenshand.

Von ihrem Sendungsstrahl getroffen,
Ein neuer Moses, schlag' ich hell
Aus meines Vaterlandes Schroffen
Der Poesie lebend'gen Quell.

Waldschulmeister

Ich ging durch's Tal, als mit den Feuerhänden
In das Gewölk der roten Morgen griff,
Als jubelnd zu den hellen Sonnenbränden
Ihr Sommerlied die erste Amsel pfiff.
Schon waren hinter mir die schwarzen Fichten,
Aus Tiefen rauschte noch der Wasserfall,
Vor mir die blumenübersäten, lichten
Hochweiden überklang der Glockenschall.

Nun schritt ich durch die Wiesen, die Brunellen
Lagen im Gras wie dunkelrotes Blut,
Und von den Hängen sah ich niederquellen
Die feuerlohe Alpenrosenflut.
Das Tausendschön erblühte an der Lahne,
Die Glocken blauten an dem steilen Rain,
Die Kelche sind's der blauen Enziane;
Mir fiel das Märchen von der weißen ein.

Kennt ihr es nicht? Mein zitteralter Nähne
Erzählte mir's in einer Dämmerstund';
Er strich sich aus der Stirn' die weiße Strähne
Und nahm sogar die Pfeife aus dem Mund.
Er sprach: "Mein Kind, die letzte Märchengabe
Soll von der weißen Enziane sein,
Weil ich nicht lange mehr zu reden habe:
Die Lider senken sich, ich schlafe ein.

So märchenselten ist die Wunderblume,
Es blüht nur alle sieben Jahre sie
Tiefirgendwo im Alpenheiligtume,
Und bösen Menschen blüht die Blume nie!
Nur jenen, die ihr Leben und ihr Streben
Der Heilandliebe opferfroh geweiht,
Den Menschen Wahrheit und das Licht zu geben,
Nur denen blüht die Zauberherrlichkeit."

Großvater sprach: "Nun höre, was ich mahne,
So lang noch zittert meiner Stimme Klang:
Suche auch du die weißen Enziane
Mit Gottestreue durch dein Leben lang."
Mir über's Haupt hob segnend er die Hände
Und ging zur Kammer. — Und es blitzte rot,
Es schrie ein Kauz im tiefen Bachgewände. —
Am nächsten Morgen war der Alte tot.

Ich dachte dran, als aufwärts ich gestiegen,
Als meine Hand nach ersten Rauten griff,
Und in die grauen Kare, welche schwiegen,
Ertönte grell der Murmeltiere Pfiff.
Ich dachte daran, als ich emporgedrungen
Zum wunderblauen, stillen Alpensee,
Der halb von bunten Blumen noch umschlungen
Und halb von dem smaragden Firnenschnee.

Da sah ich einen Mann in der Moräne.
Ich kannte ihn. Wer kennt den Alten nicht?
Wer lauschte nicht mit stummzerdrückter Träne,
Was still und gut der Waldschulmeister spricht? —
Wer konnte so mit heiligen Worten künden,
Vom Berge predigend, dem Heiland gleich,
Das Gift der Welt, des kleinen Dorfes Sünden,
Der Erde Segen und das Himmelreich?

Nun steigt er aufwärts zur vereisten Spitze —
Es steht ein Kreuz am einsam hohen Knott.
Nun kniet er nieder. — Gold'ne Sonnenblitze
Umglühen ihn — ich weiß, jetzt sucht er Gott. —
Nun bückt er sich und nimmt den Hut vom Haupte —
Was für Gebet wohl seine Lippe spricht?
Ein Dankgebet an's Höchste, was er glaubte,
Ein Dankgebet ist's an das ewige Licht!

Nun stieg er nieder — graudurchmischt die Haare,
Wie Kinderblick das Auge gut und klug;
Sein Leuchten trübte nicht die Last der Jahre,
Die mühelos die Schulter heute trug
Heut' stand er an des sechzigsten Vollendung,
Die Enziane nickt vom Hut herab,
Die weiße, die für treuerfüllte Sendung
Gott seinem alten Wahrheitbringer gab.

An meinen Pickel

Nun aus dem Winkel, Eisenpickel,
Zu Ende ist die Winterrast,
Nun geht's empor zur Bergaurikel
Und zu dem Alpenseidelbast!

Ich höre fernes Lahnentosen,
Die Berge werden hurstbefreit
Und die entschlaf'nen Alpenrosen
Im Traume flüstern: "Es ist Zeit!"

Und du sollst wieder mich begleiten
Bis in den Firnensonnenschein;
Ich fühle alle Seligkeiten,
Einsam ein freier Mensch zu sein.

Und sollte an den Felsenstufen,
Am himmelblauen Firnenspalt
Mir eines Herren Stimme rufen
Ihr unverweigerliches Halt,

Und sollte mich die Tiefe wollen,
So sei das Opfer gern gebracht;
Der letzte Blick gilt noch der vollen
Sonnenumglühten Heimatpracht.

Was mag es schaden, mag es frommen?
Ich liege in der Tiefe still —
Es wird wohl wieder einer kommen,
Der so wie ich zur Höhe will.

Du, Pickel, warst mit treu im Streite,
Du bist des Ehrenplatzes wert,
Du sollst mir liegen an der Seite,
Mein altes, treues Alpenschwert.

Vorfrühling

Entschlafen ist der wilde Föhn,
Der Sterne Bahn sich nieder neigt . . .
Ein Frühlingsmorgen, goldenschön,
Vom Zackengrat der Berge steigt.

Vom Felsen bricht das letzte Eis,
In Tränen stirbt der Wintergroll;
Und die begrab'ne Blume weiß,
Daß sie nun wieder blühen soll.

Empor

Nun schwingt der Lenz die blauen Fahnen,
Lawinen donnern in das Tal,
Und golden blühen an den Lahnen
Aurikeln auf mit einemmal.

Die Alpenrose steht am Wege,
Der Gießbach von der Freiheit spricht,
Nun wird die alte Sehnsucht rege,
Der alte Drang empor zum Licht.

Zur Firnenwarte will ich gehen,
An der der Sonnenstrahl zerbricht,
Und meinen Herrgott will ich sehen
Von Angesicht zu Angesicht!

Und wär' es auch zum letzten Gang

Gebt mir die nagelstarken Schuhe,
Den alten Pickel wieder her,
In meine Seele fließt die Ruhe
Aus eiserstarrtem Urweltmeer.

Ich lese Gottes Schöpfungskunde
Brunellenblutrot auf der Trift,
Und auf dem firnenweißen Grunde
In himmelblauer Spaltenschrift.

Und aus des Himmels blauer Seide
Das weiße Wort des Sonnenscheins
Sagt mir: "Die dumpfe Tiefe meide,
Dann bist du mit dem Herrgott eins!"

Und schreite ich die letzten Schritte,
Gebt mir nicht Ölung, nicht Latwerg! —
Sei es die allerletzte Bitte:
Führt mich auf einen Heimatberg!

Dann will ich noch die Firnluft trinken
Und warten an dem Gletschertor
Bis auf das letzte Sonnensinken —
Und dann zu meinem Gott empor!

Frühlingskunde

Die Soldanellen in die Berge klettern
Und künden dort: der Frühling ist im Tal!
Im Moose schreiben Azaleenlettern
Das rosige Märchenwort: Es war einmal.
Jochfinken neu des Lichtes Lied beginnen,
Das Schneehuhn läßt zurück das weiße Kleid. —
Willst du, o Mensch, dich nicht zurückbesinnen
An deines Frühlings Märchenseligkeit?

Es war einmal — und es wird wieder kommen
So hell und frei und prächtig, wie es war.
Nicht eine Blume hat der Herbst genommen,
Und es ist alles wie vor einem Jahr.
Nur du, o Mensch, willst an Vergängnis denken,
Als wär' nicht ewig dieser Berge Bau,
Als ob nicht Enzianenglocken tränken
So gern wie einst des Himmels tiefstes Blau?

Denk' an die Blume, sternenunvergänglich,
Die himmelher auf Felsenzacken sank:
Sei blumenheilig, sonnenlichtempfänglich,
Und jub'le zu dem Lichte deinen Dank!
Hörst du das Lied des Hähers in den Zerben?
Ein Beten ist's. — Voll Andacht höre zu
Und bete gläubig mit: Es können sterben
Wir beide niemals, Sonne: — ich und du.

Gottesdienst

Es blüh'n die weißen Felsenpulsatillen
Und an den Lahnen blaut das Tausendschön.
Nun will ich wieder meine Sehnsucht stillen,
Mir wieder holen einen Sonnenwillen
Von firnumglänzten freien Felsenhöh'n.

Ihr unten stammelt zitternd monotone
Anbeteformeln, und ihr alle glaubt,
Daß Gott in einem gold'nen Kasten wohne.
Ich lege eine Alpenblumenkrone
Zu meinem Gottesdienst mir auf das Haupt.

Ich sehe Gott das ganze All erfüllen,
Und seh' ihn leuchten über Tal und Höh'n.
Und Blumenworte aus der Seele quillen,
Als sprächen Tausendschön und Pulsatillen
Mit das Gebet: O Herr, die Welt ist schön!

Oben

Bin dem Lärm der Stadt entflohen
Auf die Firnen blank und klar,
Wo der Morgensonne Lohen
Noch einmal so wunderbar,
Wo der Felsen, Schöpfung zeugend,
In Vergangenheit versenkt,
Und der Himmel niederbeugend
Alles Licht ins Herz mir lenkt.

Nun die letzten Firnenstufen!
Hoch ob allem Angstrevier
Kann ich tiefbeseligt rufen:
Nichts als Licht ist ober mir!
Eine tiefe, fromme Weise
Harft mir durch die Seele lind,
Und das Herz schlägt leise, leise,
Wie das Herz von einem Kind.

Mittsommer

Nun ist herabgetost die letzte Lahne,
Das Schneehuhn seine neuen Schwingen probt,
Mit ihrem blauen Kelch die Enziane
Die ausgetrunk'ne Himmelsbläue lobt.

Vom dunklen Ast ein treuer Sonnenspäher
Trägt eine Kunde in die Täler weit,
Der Herold ist der graue Zirbelhäher,
Die Kunde lautet: Es ist Sonnwendzeit!

Brunellen zu fliegt der Apollofalter,
Und scheu erblüht das erste Edelweiß,
Vom Gott-Erhalter seinen Schöpfungspsalter
Singt leiseleis das blaue Fernereis.

Die Menschen wieder in die Berge steigen
Und baden in dem blanken Sonnenschein
Und in dem regungslosen Höhenschweigen
Sich ihre sündenvollen Seelen rein.

Was einst versank, die große Blumenwiese,
Des Friedens Garten, welcher einst verschwand:
Hier oben blüht gleich neuem Paradiese
In seiner Herrlichkeit der Unschuld Land.

Sonnenvoll die Berge liegen

Sonnenvoll die Berge liegen
Und die Firne leuchten hell,
Alle Angst des bangen Lebens
Spült hinweg des Lichtes Quell.

Auf durch wilde Felsenklüfte,
Wo nur mehr die Gemse geht! . . .
Höhensehnsucht . . . Höhensehnsucht. —
Jeder Schritt wird zum Gebet.

Im Kar

Und ein Firnwind streicht durchs Haar.
Totenstill ist's weite Kar.

Fern ein wilder Geierschrei.
Steingekrach . . . Es ist vorbei.

Wieder still. — Der Himmel schwer
Lastet über'm Tale her.

Und die bange Seele schreit,
Zitternd vor der Ewigkeit.

Reinheit

Rings die weißen Gletschermassen,
Rings ist Größe, Licht und Reinheit; —
Aber ich in meiner Kleinheit
Hab' das Tal zurückgelassen,
Hab' den Weg heraufgefunden,
Und inmitten des Gefunkels
Steh' ich, das Prinzip des Dunkels; —
In des Eises blanke Unschuld
Schlag' ich mit dem Pickel Wunden.

Wahrheit

Am Jochwald bricht der Wind die Zerben,
Die Alpenrosen blühen rot,
In meinen Bergstock schneid' ich Kerben . . .
Es endet Tod der Liebe Not. —

Du liebst mich doch bis zum Verderben,
Nach urweltewigem Gebot; —
Der Sitte Lügen müssen sterben,
Den klare Antwort will der Tod.

Wunder

Es drängen sich die Morgenröten
An eines Gletschers blankes Weiß,
Sie wollen seine Unschuld töten
Mit Rosenflammen, liebeheiß. —

Doch bald in seiner alten Reinheit
Erstrahlt der Eisdom wieder klar:
Der Unschuld und der Liebe Einheit
Wird durch das Wunder offenbar.

Im Verderben

Der Himmel sprengt des Blitzes Glut,
Und schwarze Wetter tosen;
Aufflammen sollen mir am Hut
Die roten Alpenrosen.

Es heißt, die Alpenrose zieht
Den Blitz vom Himmel nieder —
Erklinge nur, Vernichtungslied,
Für mich das Lied der Lieder.

Hintertux

Es ist so still, und ob den Schrofen gehen
Die weißen Wolken durch das blaue All,
Und halbverlorne leise Klänge wehen
Von einem felsvergrabnen Wasserfall.

Über die Dächer firnenspaltengrausend
Verworrene gefrorne Wände schau'n,
In deren Grund Jahrtausend um Jahrtausend
Muß leise in die Ewigkeit verblau'n.

Auf's Schindeldach die übermoosten Steine
Hat noch der Nähne selber hingelegt,
Seitdem ist die Verdunklung eine kleine
Am braunen Samt, den das Gebälke trägt.

Am Giebel droben wird von Holzfiguren
Manchmal im Wind ein kleines Rad gedreht,
Sonst aber melden kleine weiße Spuren,
Daß auch im Firnengrund die Zeit vergeht.

Vor einem Jahr

Vor einem Jahr — in diesen Schroffen
Trug ich des Glückes Überschwall,
Vor einem Jahr hab' ich getroffen
Allüberall den Widerhall.
Ihr schufet mir ein Lied, ihr Berge,
Ich sang es am vereisten Knott,
Da kam ein unsichtbarer Ferge
Und trug mein Lied empor zu Gott.
Und heuer kam zu euch ich wieder
Und höre lauten Firnenschall; —
Ich habe heuer keine Lieder
Und brauche keinen Widerhall!
Nur Eines frag' ich euch, ihr Berge:
Gähnt noch die Tiefe unterm Knott?
— Mein Unglück legt in eure Särge,
Damit es niemand sieht als Gott.

Licht

Ich hab' in mir den Schein der Alpenrose,
Das in den Kelch gefall'ne Sonnenblut,
Und meine Sehnsucht geht ins Grenzenlose,
Zum Gottesherzen mit der ewigen Glut.

Und stehe ich am silberblauen Firne,
Die kalte Pein als Büßer leid' ich nicht.
Zu Gott, zur Sonne wende ich die Stirne:
Nicht Sterben kann, wer einmal trank das Licht.