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Sieben Gedichte
Retzer Joseph Friedrich

Berlin 1806

Sieben Gedichte
 

Die Macht der Tonkunst
An den Herbst
Am Geburtstage meiner Freundin
An Röschen
Aussicht in die Zukunft

 
Maria Theresia
An Gleim
 

Die Macht der Tonkunst

1768

Schwarze Gewitter umziehn den Olymp, es rollet der Donner
Mit fürchterlicher Schwere vom
Rötlichten Blitze beseelt.

Itzund erschallt nicht der Hain vom zärtlichen Liede der Vögel,
Der sanfte Zephyr lispelt nicht,
Und das Vergnügen entfleucht.

Eichen fallen vom treffenden Keile zerspaltet zur Erde,
Worauf die freie Drossel sonst
Lieder der Zärtlichkeit sang.

Durch die lachenden Wiesen und Felder saust grimmig der Nordwind,
Die bleiche Furcht, die schwarze Nacht
Herrscht in der Stadt, und im Feld.

Endlich zeiget sich wieder die Sonn' und mit ihr das Vergnügen,
Die Furcht verläßt die goldne Stadt,
Und das schönblühende Feld;

Eben so herrschte der Schmerz in meinem zu fühlbaren Herzen,
Du wärest mir verhasset, du
Freude! du schalkhafter Scherz!

Aber der Traurigkeit dichtes Gewölke verschwand, und die Freude
Kam labend, gleich der Sonne nach
Schwarzen Gewittern zurück.

Und mein getröstetes Herz empfand die Küsse der Liebe,
Der frohen Tonkunst Allgewalt
Bei dem harmonischen Tanz.

An den Herbst
1769

Wann werd' ich vom Gewimmel
Der goldnen Stadt befreit
Dich sehen? heitrer Himmel!
Du Sitz der Herrlichkeit!
Dem frohen Zeisig ähnlich,
Dem man die Freiheit schenkt,
Die er schon lange sehnlich
Gewünscht, und sich gekränkt.

Er irret durch die Fluren
Und durch das bunte Feld,
Der lieben Mutter Spuren
Zu finden, die beseelt
Von mütterlicher Liebe
Ihr Leid dem Walde klagt,
Bewegt hört ihre Triebe
Der Widerhall und klagt.

Dann soll mein ganzes Leben
Dir Freude! heilig sein,
Ich irre zwischen Reben
Und tief im dunkeln Hain.
Hier find' ich hingegossen
Auf Rasen frohe Lust,
Dem lasterhaften Großen
In Städten unbewußt.

Ich spiel auf meiner Leier
Das Lob der zarten Flur,
Entzückt vom bunten Schleier
Der farbichten Natur.
Bald schleich ich hin wo rauschend
Durch Kiesel sich der Bach
Ergießt und sehe lauschend
Den kleinen Wellen nach.

Bald soll auf Blumenwegen
Mein Blick nach Früchten spähn,
Und deinen reichen Segen
O milder Herbst! besehn,
Der du das Haupt umwunden
Mit jungen Reben kamst,
Und schwülen Sommerstunden
Den stolzen Zepter nahmst!

Am Geburtstage meiner Freundin
Clementina v. Motter
1776

Mit heiterm Rosenangesichte steigt
Der Tag, o Clementine! dir geweiht
Von dem Olymp herab: Vergnügen herrscht,
Vermischt mit Majestät am Horizont;
Die Lerche bringt der gütigen Natur
Ihr Lied als Opfer dar: schon eilt' ich auch
Den holden Tag zu grüßen mit Gesang;
Flugs aber hört' ich deinen Genius,
Der ihn mit Amorn in die Wette sang.

                        Genius.

Sei mir, o Tag! willkommen!
Du gabst mir Clementinen;
Es strahlt' ätherisch Feuer
Aus ihrem holden Blick.

                        Amor.

Sei mir, o Tag! begrüßet,
Du gabst mir Clementinen:
Sie war selbst in der Wiege,
Wie meine Psyche, schön.

                        Genius.

So wie das schönste Veilchen,
Der bunten Flora Kinder,
So wecken ihre Reize
Der andern Mädchen Neid.
Wie unter allen Nymphen
Apollens keusche Schwester,
Glänzt unter allen Mädchen
Der Clementine Wuchs.

                        Amor.

Die Stirn vom Elfenbeine,
Und ihrer Augen Feuer,
Und ihre Rosenwangen,
Ihr Mund, wo Schalkheit lauscht.
Erheben sie zur Göttin,
Den Charitinnen ähnlich;
Wer jemals sie besitzet
Hat meiner Mutter Bild.

                        Genius.

Wie sich die Purpurrose,
Die Königin der Blumen,
An jedem heitern Morgen
Der Sonn' entgegen neigt;
So steigt in ihrem Busen,
Den Jüngling zu besitzen,
Den sich ihr Herz nur wählte,
Der heiße Wunsch empor.

                        Amor.

Von allen meinen Siegen
War dieser mir der liebste,
Da ich das schönste Mädchen
Dem besten Jüngling gab.
Kehrt wiederum der Frühling
Mit Rosen schön bekränzet,
So übergeb' ich fröhlich
Dir Hymen! dieses Paar.

                        Genius.

Kehrt wieder um mit Rosen
Der holde Lenz gezieret,
Und überziehst du Hymen
Dies neuverlobte Paar;
So singen wir vereinet
Mit Jünglingen und Mädchen
Bei raschen Reihentänzen
Das frohe Hochzeitlied.

So sangen die Unsterblichen dem dir
Geweihten Tag ein Götterlied: ich sang
Es nach. — Ein warmer Freundschaftskuß, der sich
Bis in das Innerste des Herzens dringt,
Sei dieses Liedes Lohn! Gibst du mir ihn,
So täusche deinen besten Jüngling klug.
Sonst decket Röte schamhaft dein Gesicht:
Wie jüngsthin Lalagen, der aus dem Schoß
Als unversehns die schlaue Mutter kam,
Der Apfel fiel, ein kindisches Geschenk,
Das in Geheim ihr der Geliebte gab.

An Röschen
1778

Liebenswürdige Schmeichlerin!
Kleines Röschen! der Mutter Bild,
Jetzt an Schönheit, und einst an Geist!
Vom unschuldigen Wahn getäuscht,
Nennst du, Liebste, mich Vater!

Kleines Röschen! ich schließe dich
Sanft dich wiegend in meinen Arm,
Dankbar küß' ich dein blaues Aug.
Haben Sonnen dich einst gereift,
Gibst du Küsse mir wieder!

Kleines Röschen! dein blaues Aug
Starrt mit heiterer Lust mich an,
Deine Fingerchen streicheln mich,
Küsse gibt mir dein Rosenmund,
Süß wie du, und unschuldig.

Eile, Röschen! zur Mutter hin,
Bitte, daß sie mich einmal küßt.
Kleines Röschen! von Dank erfüllt,
Geb ich reichlich für einen Kuß
Fünfzig Küsse dir wieder.

Aussicht in die Zukunft
1778

Zerreiß, o Vorhang, der du die Zukunft birgst!
Kühn, wie des Adlers Auge durch Wolken blickt,
Der Sonne Strahlenborn zu trinken,
Will ich die glückliche Zukunft schauen!

Schon seh' ich dich, o Retter der neuen Welt,
Wie Cäsar tapfer, furchtbar wie Mahomet!
Gleich wildgeschwollnen Berggewässern,
Welche die Länder umher verwüsten,

Und gleich dem Strahl des Himmels, der Eichen stürzt,
Und gleich des bangen Erdballs Erschütterung,
Die ganze Königreiche plötzlich
Tief in den flammenden Abgrund schleudert:

So kommt dein Schutzgott, armes Amerika!
Zerbricht die Fesseln, welche der Spanier
Um deinen freigebornen Nacken,
Religion auf den Lippen, Goldgier

Und Geiz und Tigerwut in der Felsenbrust,
Getäuscht vom Fanatismus, tyrannisch warf.
Nicht Christentum, nur Aberglauben,
Nur der entnervten Europa Laster,

Noch unbekannt der kindlichen neuen Welt,
Bracht' ihr der wilde Spanier Christentum
Heischt Menschenliebe: Menschenopfer
Nur und Entmenschung der Aberglaube.

Ihr, welche noch die schändliche Fessel drückt!
Durch Ihn befreit, o schüttelt sie jauchzend ab,
Nicht Sklaven mehr, nein! freie Bürger,
Jeder ein Held, und des Vaterlandes

Beschirmer! Jedes lügende Denkmal, das
Noch eurer Ahnherrn Würger als Helden preist
Stürzt in den Staub hin, unter hohen
Feiergesängen, der Wahrheit heilig!

Stürzt in den Staub die Tempel, von Ihm geführt.
In welchen eure Väter dem Christengott,
Kaum wird's die beßre Nachwelt glauben,
Grausam als Opfer geschlachtet wurden!

Im ungehemmten Laufe des Siegs nur schont
Der Menschheit Rächer, schonet das kleine Volk,
Wo Zucht und unverletzte Treue
Neben der göttlichen Freiheit herrschen!

Wie der Chinese seinem Eroberer,
Dem wilden Tartarn, wenn auch besiegt, den Geist
Der Duldung doch gab: So laßt ihr auch
Euch von den Söhnen des Penn besiegen!

Vereint mit ihnen, betet das ewige
So oft verkannte Wesen mit Ehrfurcht an,
Dem jedes Volk, als seinem Vater,
Nur in dem Namen verschieden, huldigt.

Dann steig' ein Denkmal, menschenbeglückendem
Verdienst mit reinem Herzen geweiht, empor;
Zwei Säulen: Dir, o Penn, und eurem
Großen Befreier auf immer heilig!

Maria Theresia
1780

From Tyrants and from Priests the Muses fly,
Daughters of Reason and of Liberty.
                                                  
Lyttleton

Sie starb. Der Schmerz von Millionen
Erscholl in allen Tempeln laut,
Und ganz Europa widerhallte:
Die Einzige Therese starb!

So reißt vom schroffen Eisgebirge
Sich eine Riesenmasse los,
Und deckt, im jähen Sturz vergrößert,
Mit Schutt und Graus ein Paradies.

Tief trauernd klagten alle Harfen
Die Gattin, Mutter, Herrscherin,
Der Witwen Stab, der Waisen Stütze,
Vom Aufgang bis zum Niedergang.

Doch der Erhabnen Wunder alle
Zu feiern, welche Muse wagts?
Drum soll von ihren Sternenbildern
Dies Lied nur Einem heilig sein.

Der Geistesdumpfheit öde Nebel,
Des Aberglaubens düstre Nacht,
O Östreich, bargen lange, lange
Der Wahrheit heitren Gipfel dir.

Theres kam; mit ihr der Weise,
Der, ach! zu früh der Erd' entfloh:
Da plötzlich brach durch Nacht und Nebel
Der Wissenschaften Morgenglanz.

Und Männer standen auf, und wogen,
Mit unerkaufter, sichrer Hand,
Des Zepters und des Bischofsstabes,
Der Willkür längst verratnes Recht;

Erhoben zu Theresens Herzen
Der Menschheit Weh, und lehrten laut:
Daß selbst die Fürsten Pflichten haben,
Und Priester Untertanen sind.

Therese winkt; und, seht Paläste
Empfangen ihres Adels Keim.
Hier weihn ihn Pallas und die Musen
Der Menschlichkeit und Bürgerpflicht.

Auch euch, ihr Söhne grauer Krieger,
Die, für Theresens Erbe, froh
Zum Opfer Blut und Habe brachten,
Vergaß das Herz der Mutter nicht!

Wie herrlich lohnte sie der Väter
Erhabnen Heldenmut in euch!
Dräut nicht der Pflanzort künftger Helden
Schon künftgen Feinden Tod und Schmach?

Heil Ihr, daß auch dem Hüttenwohner
(Nur Dummheit war zuvor sein Los!)
Sie goldne, nie für Perus Schätze
Zu teuer erkaufte Lehre schuf!

Doch du, von feilem Herrscherlobe
Noch unentweihter Preisgesang!
Frei töne jetzt, was oft so düster
Die Seele deines Sängers wölkt!

In manchem ärmern deutschen Lande
Blüht unbelohnte Wissenschaft,
Blüht unbelohnte Kunst, verachtet
Vom Fürsten, herrlicher als hier!

Verweigerte denn unserm Volke
Das Schicksal hohen Genius?
Nein! Undank wäre diese Klage!
Nur Freiheit, Freiheit fehlt ihm noch!

Du, Nachbild unsrer großen Mutter,
O Joseph, und ihr bester Sohn,
Und nun verwaister Nationen
Beschirmer, Vater, Trost und Stolz!

Der du mit kühnem Adlerblicke
Ins Mark der Wissenschaften dringst,
Gib deinem Volke diese Freiheit.
Den Mißbrauch treffe Schand' und Fluch!

O denke jenes echten Weisen,
(Du standst vor seinem Sterbebett')
Der kühn die edle Wahrheit lehrte:
"Wer frei darf denken, denket wohl!"


An Gleim
Bei Übersendung meines und des Herrn von Sonnenfels Bildnisses.
Berlin, den 20. April 1798

Vier schlossen aus dem Zirkel meiner Freunde
In Einem Jahr das Aug' auf ewig zu,
Verachtend meine boshaft dummen Feinde
Sucht' ich im Schoße neuer Freundschaft Ruh.
Beklemmt eilt' ich durch Schlesiens Gefilde,
Gedüngt von Östreichs Blut, woraus der Keim
Von Friedrichs Lorbeer sproß, mit meinem Bilde
Das du begehrtest, zu dir, Vater Gleim!
In Breslau's Mauern zog ich ein, zufrieden.

Schon hörte Manso'n mein entzücktes Ohr,
Den Dichter, der bald Bernard, bald Oviden
Und Tasso bald, zum Muster sich erkor.
Doch Garven ach! noch drückt mein Aug die Zähre,
Die über dieses Edlen Schicksal floß,
Ihn sah ich nicht, der jüngst der Weisheit Lehre
Wie Rom sie schöpft, in deutsche Herzen goß!
Nah den vom Viadrus bespielten Auen
Wo Frankfurt die Bewundrung an sich reißt,
Konnt' ich in Einer Stadt vereinigt schauen,
Des Handels Blüte, mit dem Heldengeist!
Im Brudergarten mir entgegen strahlte
Dein Auge, Friedrich du Einziger!
Der erste Sonnenstrahl, der es bemalte,
War prachtvoll und erhaben, so wie Er.
Am Monumente Leopolds verweilte
Ich ehrfurchtsvoll, denn welcher Fürst erwarb
Mehr Ruhm als Er, Er, der zu retten eilte
Und als ein Held in dem Erretten starb?

Ich stand am Grabe Daries des Weisen,
Der manches Vorurteil danieder schlug,
Ihn wird die spätste beßre Nachwelt preisen
Trotz seiner Neider Heuchelei und Trug.
Die Nessel pflückt ich an der Todesstätte
Des Menschenfreundes und des Dichters Kleist,
Dir Gleim sei sie geweiht, wer anders hätte
Wie du vereint, des Toten Herz und Geist!
So dacht' ich, hingerissen vom Getümmel
Der Phantasie, die Alles hehr uns malt;

Urplötzlich teilte sich der Wolkenhimmmel,
Und vor mir stand des Dichters Luftgestalt.
Sei, sprach er, mir an meiner Gruft gegrüßet,
Als Kind schon, weiß ich, hast du mich geehrt,
Die Träne, die dir von der Wange fließet,
Ist meines wärmsten Bruderkusses wert.
Zeuch ruhig hin zur Königin der Städte,
Der Ehr' und Freuden manche warten dein,
Schließ dich an Nicolai's Freundschaftskette
Und seiner Trauten herrlichen Verein.
Umarme dort auf königlicher Veste
Den edlen Langhans, Schlesiens Vitruv
Der an der Spree des stolzen Roms Paläste,
Athenens Propyleen wieder schuf.
Sanft ruhest du an Gediken's und Biesters,
Und liebevoll in deines Goeking's Arm.
Ein Kuß von Tellern, derben Stolz des Priesters
In Weisheit sucht, macht deine Wange warm.

Und Zoellnern, Spalding, doch wie kann sie nennen,
Die Edlen Alle, dein dankbares Lied!
Du wirst sie an dem Druck der Hand erkennen,
Durch Sympathie, die ihre Brust durchglüht.
Doch Ramlern, den du hoffst in wenig Stunden
Zu sehn, entzieht das Schicksal deinem Blick',
Er ist als Schwan vom Erdenkreis verschwunden,
Ihn ruft nicht Denis Brief noch Kuß zurück.
Auch Gleim wirst du nicht sehn; Dein Bild geleitet
Von Goekingk's Hand, ist glücklicher als du!
Es kommt zu Gleim, von Sonnenfels begleitet!
Sieh nun mit Gleichmut deinen Feinden zu.
Wenn Eudämonia unter Volksverkehrer
Durch eines Hoffmanns Wahn getäuscht dich zählt,
Veracht' es, da dich Sonnenfels, dein Lehrer,
Als Dichter schätzt, als Mensch zum Freunde wählt.
Gleims Beifall drücket der Verachtung Stempel
Tief deinen Feinden aus, nimm in den Reih'n
Der Dichter itzt in seinem Freundschaftstempel
Das dir von ihm bestimmte Plätzchen ein.
Mein Stolz ist, daß ich Deutschland angehöre,
Und dieser Stolz sei auch dein Eigentum.
Wie Friedrichs Glorie, zu Deutschlands Ehre
Unsterblich, bleibet Gleims und Ramlers Ruhm.