Begegnung
Im Helenental
Dicht am Eingang des Tal's, an dem mir lachte das Leben,
Hab' ich — noch steht er vor mir — einmal Beethoven geseh'n. —
Streicher, derselbe, der floh mit Schiller von Stuttgart nach
Mannheim,
Wohnte allsommers bei uns, er und sein herrliches Weib.
Oftmal hört' ich ihr zu, mit ahnungdurchzittertem Lauschen,
Wenn sie auf mächt'gem Klavier spielte lustfunkelnden Blick's.
Stets, wenn ich sinnend sie frug, ob sie das selbst auch
erfände,
Rief sie: Beethoven, mein Kind, schuf uns das alles — der Gott!
—
Einstmal, als ich mit ihr, wie öfter, morgens hinausging
In die freie Natur, sah'n wir, nicht ferne vor uns,
Einen ältlichen Mann, der, wie versunken, hineinsah
In das reizende Tal, Baden's gepriesenem Schmuck.
Ruhig stand er vor uns, den Hut still haltend am Rücken,
Wie aus Marmor gehaut, so wie gegossen aus Erz.
Leise zog ihm durch's Haar, das silbern erglänzte, ein
Windhauch;
Stille war es ringsum, hörbar nur pochte ein Herz.
Die begeisterte Frau ergriff mich rasch bei der Hand gleich,
Führte an ihn mich heran, blieb, sich verbeugend, dann steh'n;
Zog, nach zögerndem Schritt, erbebend, mich nahe zu sich hin,
Flüsterte laut mir in's Ohr: —Siehe! Beethoven, mein Kind! —
Als ich in späterer Zeit, mit immer größer'm Verständnis,
Lauschte der Schönheit Meer, das seinem Geiste entbraust,
Trat mir immer vor's Aug' das Bild, das geschaut ich als Knabe;
Mächtig steht noch er vor mir, hehr mit der leuchtenden Stirn',
Mit dem Furchengesicht — o was spricht alles solch' Antlitz! —
Mit dem lichtströmenden Blick, tropfend von Wonne und Weh.
Strahlender Schein umfließt dies Bild mir immer, — wie damals
Heller Glanz ihn umfloß, da ich als Kind ihn geseh'n.
Sangeskunst
Wir üben eine schöne Pflicht,
Wir Sänger, jung und alt,
Dem Blumenduft, dem Sternenlicht
Gibt unser Sang Gestalt.
Der Lüfte Hauch, der Wellen Klang,
Des Herzens Leid und Lust, —
Und alles steigt als heller Sang
Verklärt aus unsrer Brust.
Wir finden für den stillsten Traum
Das Wort als Deuterin,
Und was die meisten ahnen kaum,
Uns liegt es klar im Sinn.
Was Tausenden das Herz umzieht
Als trüber Dämmerschein, —
Wir singen es in einem Lied
Laut in die Welt hinein!
Ein Träumer
Ja, ich bin, ich bin ein Träumer!
Aber meiner Seele Traum
Hängt am vollen grünen Leben
Wie die Blüte hängt am Baum.
Wie die Blüte, die im Lichte
Hängt am freudig grünen Baum,
Als des heiterschönsten Lebens
Heller Liebesfrühlingstraum!
Siehe!
Siehe, wie freudig die Lüftchen weh'n!
Wie sie auf leisen Füßchen geh'n!
Wie sie im lachenden Morgenschein
Lieblich flattern durch Flur und Hain!
Siehe, wie selig im Abendhauch
Still sie flüstern, durch Baum und Strauch,
Bis sie ihr liebstes Röslein am Ast
Kosend mit zitterndem Arm umfaßt!
Ja — die Lüftchen im Frühlingsschein,
Können wohl leicht so fröhlich sein,
Haben ja Flügel und suchen still,
Wo ihr Röslein erblühen will.
Aber der Mensch, in Liebe bang,
Kann nicht folgen der Sehnsucht Drang,
Hat ja nicht Flügel — muß warten still,
Bis sein Liebstes erscheinen will!
Lust und Leid
Was pochst du so bange,
Mein Herz in der Brust?
Und schlugst doch so lange
In lachender Lust!
O sage! o sage!
Du zuckendes Herz!
Woher kam die Klage?
Wohin ist der Scherz? —
Und horch! — da erklingt es
Aus bebender Brust: —
Im Herzen entspringt es
Das Leid, wie die Lust!
Die ziehen zum Herzen
Hinein und hinaus, —
Nicht Lust und nicht Schmerzen
Hielt' immer es aus!
Schmuck
O Menschenherz, du sturmbewegtes Meer,
Mit deinen stillen, märchenhaften Gründen,
In deine Wogen, trüb und kummerschwer,
Darf selten nur ein Strom der Freude münden.
Und wie das Meer, vom Sturm am Fels zerschellt,
Weißt du noch, krank, den Kummer zu entzücken,
Daß er als Träne aus dem Auge fällt,
Um sich den Schmerz mit Perlen auszuschmücken.
Einer Jungfrau
Der Zauber, der in einer Knospe ruht,
Der stille Drang zu vollem Blütenleben,
Der Ahnungstraum von naher Lebensglut,
Ist wohl im Lenz das heiligste Erheben.
Vor einer Knospe schwingt sich froh das Herz
Mit lautem Schlag hinauf zum Himmelsblaue,
Erflehend, daß der Himmel erdenwärts
In hellen Perlen auf die Knospe taue. —
Und wie die Knospe schwillt am grünen Strauch
Und glüht und drängt, die Rose zu gestalten,
So ist die Jungfrau eine Knospe auch,
Die sich zur Menschenblüte will entfalten.
Vor solcher Knospe schwinget sich das Herz
Mit lautem Schlag hinauf zum Himmelsblaue,
Erflehend, daß der Himmel erdenwärts
In hellen Perlen auf die Knospe taue.
Phyrne
Weib, mit deiner bleichen Wange,
Mit dem trüben, matten Blick, —
Bist du müde von dem Gange,
Den dich wies ein herb' Geschick?
Bist du welk, du arme Blume,
Ehe du noch auferblüht,
Eh' dein Herz im Heiligtume
Reiner Lieb' als Flamm' geglüht?
Wie sie dich mit kaltem Hohne
Hingeworfen in den Staub,
Die dir eine Dornenkrone
Gaben für den Lilien-Raub!
Wie sie dich mit falschen Steinen
Und mit Perlen reich behängt,
Der sich nun ein helles Weinen
Ins verglühte Auge drängt! —
Und du regst in Tränen leise
Hand und Mund, wie zum Gebet,
Weil es nun, nach wüster Reise
Bald im Sarg zur Grube geht. —
Sei getrost! die Bretter wissen
Nichts von deines Leibes Schuld,
Der du dich, auf weichen Kissen,
Hingegeben in Geduld;
Und die stummen Schollen schweben
Schwerer nicht auf deinem Leib,
Als auf einem, mild vom Leben
Schöner'n Pfad geführten Weib!
Willst du aber deine Hände
Falten zum Gebete mild,
O so tu' es ohne Ende —
Wenn es deinen Kummer stillt!
Leg' dich betend gleich als Leiche
Mit gekreuzten Händen hin,
Du verlorne, wehmutbleiche,
Engelschöne Sünderin!
Die Not
Mit fahlem Gesicht mit hagerem Leib,
Mit flatternd zerrissnem Gewand —
Ein hungerbringend und hungerndes Weib —
So schreitet die Not durch's Land.
Sie redet kein Wort, sie lächelt nie,
Sie läßt sich nur manchmal seh'n,
Als einer der bösen Geister, die
Vernichtend durch's Leben geh'n.
Und wenn sie erscheint mit schrecklichem Gang
Naht gern sie dem einsamen Geist,
Der Göttliches sinnt in des Körpers Zwang,
Den jubelnd die Nachwelt preist.
Doch naht sie auch gern, wo üppigvoll
Von Früchten der Liebe es quillt,
Und weilt, bis die Liebe, verkehrt in Groll,
Nicht weiß, wie den Hunger sie stillt.
Und wenn sie erscheint — rings schaudert es gleich —
Da naht sie den Feldern in Hast,
Haucht giftig sie an, macht welk und bleich
Die Halme, vom Tod erfaßt.
Sie schreitet in Hast die Höhen hinan
Wo schwellend die Reben blüh'n,
Und haucht mit versengendem Atem sie an,
Daß in bösem Brand sie verglüh'n.
Und wenn sie erscheint, die Hütten umschleicht
Im Dörflein sie heimlich zur Nacht,
Und sucht, daß ihr Hauch die Brust erreicht
Der Mutter, die säugend wacht.
Und, ach, da vertrocknet die Milch in der Brust,
Es fiebert der siechende Leib, —
Das Töten jeglicher Frucht macht Lust
Dem selbst unfruchtbaren Weib.
Und wenn sie verderbend erscheint, die Not,
Mit sengenden Atems Brand,
Da ruht sie nicht eher, bis Jammer und Tod
Ergriffen das — ganze Land!
Und wehe! je weiter ihr Schrecken dringt,
Um so wilder wird ihr Drang;
Und wenn auch der Segen sie manchmal bezwingt,
Die Welt bleibt in ihrem Zwang.
Fürst Winter
Auf lichtem Throne sitzt
Fürst Winter, eisumblitzt;
Sein Weib das wohnt in weiter Hall'
Von funkelndhellem Eiskristall.
Fürst Winter ist ein Greis
Sein Haar wallt silberweiß,
Um seinen Bart da klirrt die Luft
Sein Antlitz deckt ein weißer Duft.
Von Eis ist, wie sein Thron,
Auch seine zackige Kron',
Von Schneegewölk' ist sein Gewand,
Ein eisig Szepter hält die Hand.
Sein Herz ist kalt und hart,
Sein Sinn verschlagner Art;
Er tut, als wär' nur er der Mann,
Der's rechte Wetter machen kann.
Das flimmert und das glänzt
Wenn er sein Eis kredenzt;
Schneeflöcklein seine Kinder sind —
Die tanzen so wie pfeift der Wind.
Das ist ein Saus und Braus,
Als wär' die Lust zu Haus; —
Das Bächlein nur macht keinen Schritt,
Und tanzte doch so gern auch mit.
In Banden liegt der Mut
Der freiheitsfrohen Flut: —
Fürst Winter sagt zu Bächlein's Ach: —
Ein blankes Kettlein schmückt den Bach!
Es flirrt um Baum und Strauch
Ein frosterstarrter Hauch, —
Fürst Winter ruft im kalten Wind:
Die Wälder wie von Silber sind!
Ein Leichentuch hüllt ein
Der Blumen bunten Schein; —
Ich mal' euch ja — Fürst Winter lacht —
Ans Fenster schönre über Nacht!
Er schwingt den blanken Schild
Und spricht: Bin gut und mild!
Und weist dabei die Zähne her —
Die Zapfen Eis — wie Spieß und Speer.
Doch sieh' — am Himmel naht,
Auf wolkenlosem Pfad,
Der hehre Held, das Sonnenlicht,
Der bald Fürst Winters Eisburg bricht.
Es saust erklingend her
Des Lichtes goldner Speer
Und trifft im Flug, zerschmelzend heiß,
Fürst Winter in sein Herz von Eis.
Fürst Winter flieht verzagt,
Und lichte Lenzlust jagt
Den wunden, auf der schnellen Flucht,
In höchster Berge tiefste Schlucht.
Das gibt nun eine Lust! —
Die Erde schmückt die Brust
Mit Blumen sich und Blätterglanz,
Und drückt auf's Haupt sich duft'gen Kranz.
Die Vögel singen laut
Ein Lied der Frühlingsbraut;
Die Bäche rauschen hell darein
Als sollt's auf Erden Hochzeit sein.
Fürst Winter aber ruft
Herab aus hoher Kluft,
Mit Hagelwurf aus Wetterwolk': —
Nur zugejauchzt, du närrisch' Volk!
Es ist wohl nimmer weit —
Kommt wieder meine Zeit;
Dann dring' ich wieder siegreich vor
Aus meiner Klüfte Felsentor! —
Doch — ihm entgegen schallt,
Daß rings es widerhallt —
O komm' nur! — uns bleibt doch der Sieg
Willkommen, ew'ger Kampf und Krieg!
Der Gutsherr
Das war ein arger, ein böser Herr,
Der machte den Bauern das Leben schwer,
Der machte den Bauern die Tage heiß,
Daß sie ihm fluchten in ihrem Schweiß!
Sie trugen es schweigend das drückende Joch,
Sie hatten den tröstenden Glauben noch:
Des bösen Alten menschlicher Sohn
Wird einst sie befreien aus Druck und Fron.
Und als der Alte zur Grube sank,
Da sagten die Bauern dem Himmel Dank,
Und es ward der Sohn nun der böse Herr
Und machte den Bauern das Leben schwer.
Und sie trugen es schweigend das drückende Joch,
Sie hatten den letzten Glauben noch,
Daß einmal des Himmels strafender Arm
Der armen Bauern sich erbarm'.
Sie hofften und glaubten — umsonst! was weiß
Der Himmel von armer Bauern Schweiß.
Es war der junge des alten Sohn,
Und die Bauern fluchten in Druck und Fron.
Sie trugen es lange das drückende Joch,
Sie glaubten und hofften und beteten noch —
Doch endlich die stärkste Sehne zerreißt,
Und es fuhr in die Bauern der Gottesgeist.
Der rief es aus ihnen gewaltig schwer;
Und sind wir nicht Menschen, so wie er?
Und weil er geboren in Glanz und Pracht,
Sind wir nicht zu seinen Hunden gemacht!
Ergriffen ihn zornig auf freier Flur —
Da tat er ihnen wohl manchen Schwur,
Sie aber banden ihn vor den Pflug
Und peitschten den Herrn, daß er büßte genug.
Sie trieben ihn vor dem Pflug einher, —
Die Sonne brannte, der Pflug war schwer,
Und sie waren bestürzt, als er sterbend sank,
Doch sagten die Bauern dem Himmel Dank.
Das verlassene Schloß
Umlacht von goldnen Feldern, grünen Auen,
Liegt still ein Schloß in weiten Parkes Mitte;
Willst du ein Bild voll tiefster Wehmut schauen,
So lenk' durch blüh'nde Hecken hin die Schritte.
Ein halb Jahrhundert bald steht es verlassen,
Des Daches Balken dort und hier schon sanken,
Schon füllet Schutt die öden Mauermassen,
Und mancher Stein hält nur an Epheuranken.
Durch's rost'ge Gitter, in des Parkes Mauer,
Schaust du ein Bild — du wirst es nie vergessen, —
Ergreifend weht aus dem Gestrüpp ein Schauer
Der Einsamkeit, wo einst die Lust gesessen.
Den Gang — wo einst, durch frohumwogte Buchen,
Der schmucke Schloßherr schritt in heiter'm Sinnen, —
Den wildverwachsnen, mußt du lang erst suchen,
Versiegt ist längst der Wasser künstlich Rinnen.
Ein Moderhauch umweht dir feucht die Wangen,
Um Marmorbilder welkes Laub sich breitet —
Ein glücklich Dasein, längst dahingegangen,
Vor deiner Seele still vorüberschreitet.
Das Irrenhaus
Wenn du nicht mußt, so trete nimmer ein
In dieses Menschenelends grause Räume;
Der Schreckensanblick dringt auf dich herein,
Daß er dich noch verfolgt in deine Träume.
O meide dieses Ort's Erinn'rung auch —
Die schmerzlichste, die ich auf Erden kenne, —
Und sei bestrebt daß, ohne Qualm und Rauch,
Dir klar stets deines Lebens Flamme brenne.
Du kannst viel tun, daß sich die Flamm' nicht trübt,
Daß nicht die Seele hinbraust ohne Zügel;
Nur der bleibt Herr des Geistes, der sich übt,
Zu lenken seiner Seele wilde Flügel.
Doch selbst bei aller Sorgfalt, die du hast, —
Ach, leider — wird nicht Jedem stets sie nützen;
Der Irrsinn ist ein gleich bereiter Gast; —
Es mag das Schicksal dich vor ihm beschützen!
Du ahnst vielleicht gar nicht, wie nahe steh'n —
Die Besten oft dem wüsten Wahnsinns Schrecken;
Ein Ruck und, ach, der Riß ist auch gescheh'n,
Den keine Hand mehr helfend kann verdecken.
Auf einem grünen Hügel
Auf einem grünen Hügel
Da steht ein Röslein hell' —
Und wenn ich rot, rot Röslein seh' —
So rot wie lauter Liebe —
Möcht' weinen ich zur Stell!
Auf einem grünen Hügel
Da steh'n zwei Blümlein blau;
Und wenn ich blau, blau Blümlein seh' —
So blau, wie blaue Äugelein —
Durch Tränen ich sie schau'.
Auf einem grünen Hügel
Da liegt ein weißer Stein,
Und drunter liegt mein Jugend-Glück
Schon manches Jahr begraben
In einen, schwarzen Schrein.
Auf einem grünen Hügel
Da singt ein Vögelein;
Mir ist, als säng's: Wer niemals Leid —
Recht großes Leid erfahren,
Wird nie recht glücklich sein!
Schmerzgesänge
I.
Wie schön wär' doch das Leben
In dieser Welt,
Wenn aller Menschen Streben
Wär' gut bestellt!
Die Menschen doch sie trüben
Den Sonnenschein,
Was sie zumeist verüben
Ist Qual und Pein.
Sie gönnen sich, voll Neides,
Das kleinste nicht,
Der bleiche Zug des Leides
Aus allem spricht.
Wie einsam muß hier stehen
Ein liebend Herz,
Man möcht' in Gram vergehen
Ob all' dem Schmerz!
II.
Wozu dies Leben,
Voll Lust und Qual?
Dies flüchtige Schweben
Im Sonnenstrahl?
Wozu dies Jagen,
Ohn' Rast und Ruh',
Wer kann es sagen —
Wozu — wozu?
Warum dies Ringen,
Voll Haß und Lieb',
Wenn im Verklingen
Nichts übrig blieb?
Wer kann es sagen? —
Ist alles stumm? —
Es drängt, zu fragen —
Wozu — warum?
Wohin, o Leben,
Wenn du entschwebst,
Und im Entschweben
Den Leib begräbst? —
Die Wogen jagen
Im Meere drin, —
Wer kann es sagen —
Wohin — wohin? —
Auf diese Fragen
Bleibt alles stumm; —
Will niemand sagen:
Wozu — warum?!
Ich faß' es nimmer,
O Menschenkind,
Daß wir nicht immer
Recht traurig sind!
An die Weltseele
Der du in jeder Blume wohnst,
In jedem Tropfen Tau,
Der du auf jeder Wolke thronst
Im ew'gen Himmelsblau.
Der du aus jeder Träne blinkst,
Den alles jubelnd preist,
Wenn du als Segen niedersinkst, —
Weltseele, Gottesgeist, —
Zu dir, zu dir erhebt mein Lied
Der Liebe reinsten Klang,
Und meine Seele klingend zieht
Zu dir als Liebesdrang!
Zu dir, den Jude, Heide, Christ
Nur mit dem Herzen preist,
Zu dir erhebt der "Atheist",
Anbetend, seinen Geist!
Er spürt in allem, was da lebt,
O Weltgeist, deinen Hauch,
Zu dir er sich erkennend hebt,
Nicht trüb als Opferrauch;
Er taucht sich in die Kraft des Seins
Entzückt, mit Geist und Herz,
Und fließt mit dir zusamm' in Ein's —
Ewig und allerwärts!
Ritornelle
1.
Wenn sich der Geist geheimnisvoll verborgen
In Herzensnacht, da feiern die Gedanken
Im Liede ihren Auferstehungsmorgen.
2.
Aus zarten Blättern haucht den Duft die Ranke,
In kleinen Tropfen taut's vom Himmel nieder,
Aus wenig Worten leuchtet der Gedanke.
3.
Horch! wie die Nachtigall im Haine flötet!
Kein Lüftchen weht und alles lauschet schweigend,
Und Freude hat den Himmel gar gerötet.
4.
Die Quellen steigen aus dem Schoß der Erde,
Und rinnen wieder in das Meer zusammen,
Damit, was einig war, auch einig werde.
5.
Der See erbraust, es stürmen wild die Wogen,
Da lacht der Himmel blauen Auges nieder, —
Und Ruhe herrscht in seinem weiten Bogen.
6.
Bewahre deine Tugend, Engelsmädchen!
Das nenn' ich Kraft, das Schwere zu ertragen,
Was leicht nur hängt an einem dünnen Fädchen.
7.
Es dämmerte in deinen bleichen Wangen,
Als ich dich küßte, stille Morgenröte —
Es schwand die Nacht, die noch dein Herz umfangen.
8.
Wenn einst der Geist der schweren Traube gleicht,
Das Wort dem Honigseim, dann will ich rufen:
Gelobtes Land — nun hab' ich dich erreicht!
Frühlingsfahrt
1.
Hei! mit Stock und hellem Kleide,
Und das lichte Hütlein auf,
Schreit' ich über Berg und Heide,
Wandre frei und fröhlich drauf!
Hab' den Gram zurückgelassen
Und den bittern Schmerz der Zeit, —
Will die Freude nur umfassen
In des Frühlings Freudigkeit.
Lang genug hab' ich gerungen.
Ohne Dank und ohne Preis,
Nun die Knospen sind gesprungen
Drängt's auch mich zur Freude heiß.
Will mir eine Rose pflücken
Von dem nächsten grünen Strauch,
Will sie an die Brust mir drücken —
Und wie sie erglühen auch.
Und vom hohen Bergessaume
Seh' ich kaum die dunkle Stadt,
Wenn ein Blatt vom nächsten Baume
Grün mein Aug' umzittert hat.
Winde dann von Eichenblättern
Um den Hut mir einen Kranz,
Und wie sel'ge Lerchen schmettern
Lust und Lied zum Himmelsglanz.
2.
Durch's Dörflein zieh' ich wohlgemut
Mit hellem Wandergesange,
Mit Frühlingsblumen geschmückt den Hut,
Erblüht in freudigem Drange.
Da schaut ein Mägdlein zum Fenster heraus,
So lieblich wie eine Rose,
Und ich sende meine Blicke aus
Wie Schmetterlingsgekose.
Das Mägdlein aber hat, rosenrot,
Das Köpfchen zurückgezogen,
Und, ach, — mein Sehnen in banger Not
Ist einsam um's Fenster geflogen.
Da lächelt das Mägdlein, im Dunkel versteckt,
Auf den wandernden Sänger herunter,
Und bald hat mein Auge das Röslein entdeckt,
Und ich lachte und flüsterte munter: —
Ei, ei! du liebes Mägdelein,
Verborgen am blumigen Fenster, —
Verhüllst mir den Stern der Augen dein,
Doch aus dem Dunkel glänzt er!
Verbirgst mir dein lachendes Angesicht,
Doch aus dem Dunkel strahlt es
Wie helles, freudiges Morgenlicht,
Wie die glühendste Rose des Waldes!
O blick' nur heraus, du liebes Kind,
Und mach' dir keine Sorgen,
Die Sänger kommen wie Frühlingswind
Zur schlummernden Rose am Morgen.
Sie sausen als wilde Stürme nicht,
Sie kosen lieber und küssen;
O komm' nur, du liebliches Angesicht,
Du wirst's nicht bereuen müssen! —
Und als der Sänger vom Dörflein ging,
Da trug er an seinem Hute
Ein Röslein an dem ein Tropfen hing,
Erglühend im Rosenblute.
Und sinnend am Fenster ein Mägdlein stand,
Süß träumend von seligen Stunden, —
Sah schweigend hinaus in's grüne Land,
Wo der Wand'rer, der Wand'rer verschwunden.
3.
Und wenn ich tagüber gewandert bin,
Mit klingender Brust, mit fröhlichem Sinn,
Da leuchtet der liebe Mondenschein
Mir Abends in die Schenke hinein.
Am Pförtlein küß' ich die rosige Magd —
Die lächelt und grüßet mich unverzagt;
Die muntere Wirtin erkennt mich fast,
So freundlich komm' ich als fremder Gast.
Der Wirt der nimmt mir vom Leib den Staub,
Das Mägdlein vom Hut die Rose im Laub',
Die stellt sie in kühles Wasser hinein,
Mir aber bringt sie hellglühenden Wein.
Der blitzt so feurig, der blinkt so klar
Wie helles Auge, wie goldiges Haar, —
Behaglich streck' ich die Glieder aus,
Und ich fühl' in der Schenke mich bald zu Haus.
Und Morgens, beim ersten dämmernden Strahl,
Da zieh' ich hinunter in's duftige Tal,
Und seh' erst tief unten, in Bächleins Flut,
Ein Vergißmeinnicht bei der Rose am Hut.
Weingruß
Nach Hans Rosenblut
Nun grüße dich Gott, du edler Trank!
Erfrisch' mir mein Leben — es ist krank —
Mit deiner erquickenden Flüssigkeit,
Du kannst mir verscheuchen all mein Leid!
Gepriesen der Bauer, der dich baut!
Gepriesen die Hacke, die dich haut!
Gepriesen, der dich in Keller trägt;
Gepriesen, der dich in Kübel legt!
Gepriesen der Büttner, gepriesen die Hand,
Die sorglich mit Reifen dich umwand,
Und die dir ein hölzern' Haus gemacht!
Gepriesen der Wirt, der's Schenken erdacht!
Gepriesen auch, der dich bringt und schenkt!
Verdammt, der kleines Maß erdenkt!
Behüt' dich nun Gott vor Hagel und Frost,
Du ganze Labung, du halbe Kost!
Und alle die sollen gepriesen sein
Die gern da trinken Wein, ja Wein!
Und Trank und Speis' sei dem beschert,
Allzeit, der stets den Wein verehrt!
So will ich auch gleich der Erste sein
Der rechte Ehr' erweis't dem Wein,
Will's machen wie ein Trinker echt,
Und einen Trunk tun wohl und recht!
Tanzlied
Hellauf nun, ihr Geigen,
Und spielet den Reigen!
Wir wiegen
Und schmiegen
Uns, fliegend, dabei;
Wir dreh'n uns im Kreise
Zur lustigen Weise,
Wir springen
Und singen:
Jucheisa — juhei!
Wir tanzen den Reihen
Wohl zwischen den Maien,
Wir heben
Im Schweben
Und Schwingen uns frei;
Es wiegt sich die Linde
Dazwischen im Winde —
Wir springen
Und singen:
Jucheisa — juhei!
Hei, Jungfern! die Zöpfe
Umfliegen die Köpfe!
Es wiegen
Im Fliegen
Die Röcke sich frei!
Es flattert hernieder
Manch' Röslein vom Mieder, —
Wir springen
Und singen:
Jucheisa — juhei!
Liedlose Zeit
1853
Warum so lange still
Der laute Liedermund?
Wer's lauschend hören will,
Dem geb' ich's leise kund.
Es geht ein Geist herum,
Der rings die Saat zertritt;
Da wird das Vöglein stumm
Im Herzen, das viel litt.
Ein zehrend Feuer loht,
Es ras't ein wilder Sturm,
Es nagt der Wurm der Not, —
Das ist ein arger Wurm!
Des Liedes lichter Strahl
Quillt nur aus Leid und Lust, —
In banger Sorge Qual
Verstummt des Sängers Brust.
Keplers Weib
Von Geistesglut durchblitzt,
Im kleinen Kämmerlein
Der große Kepler sitzt.
Umglänzt vom Abendschein.
Es steigt in seinem Geist
Die Ahnung leuchtend auf,
Die ihm Gesetze weis't
Von ferner Welten Lauf.
Und wie er forschend sinnt,
Erfassend Zeit und Raum,
Und wie Gestalt gewinnt,
Was ihn umzog als Traum;
Da poltert in's Gemach
Sein hold lebendig Weib,
Und was sie alles sprach,
War nur zum Zeitvertreib.
Mit Mühe hält er fest,
Was er im Geist geschaut, —
Bis es vom Plaudern läßt,
Wie war das Weib so laut. —
Welch' Weib sich wert erweist
Des Geist's Genoß zu sein? —
Der schöpferische Geist
Bleib' einsam und allein!
Der Hofschnupfen
Alte Tierfabel
Der Wolf rief einstmal im Gemach
Des Löwen: —Wie's hier stinkt!
Und als dies kaum der Frevler sprach,
Er schon im Blute sinkt.
O! — sagte bald darauf der Bär —
Wie riecht es hier so gut!
Da fällt gleich über'n Lügner her
Der Leu und trinkt sein Blut.
Darauf ward nun der Fuchs gefragt,
Was seine Meinung sei; —
Ich hab' den Schnupfen! Füchslein sagt,
Und schleicht sich rasch vorbei.
Einer Menschenknospe
1860
I. Am Tag der Geburt
Des Lebens größten Schmerz
Hab' einst ich arg empfunden;
Es blutete mein Herz
Aus tiefgeheimen Wunden.
Doch als mir Liebe bot,
Urplötzlich, reiche Garben,
Begann der Wunden Not
Allmählig zu vernarben.
Im liebumwogten Leib
Die Seele mußt' genesen,
Das allerbeste Weib
Erfüllte treu mein Wesen.
Jetzt aber wurde mir
Das höchste Glück auf Erden,
Als ich verjüngt in dir
Sah, Töchterlein, mich werden.
Jetzt hat die höchste Lust
Des Lebens mich entzückt,
Als ich an meine Brust,
Mein Kind, dich heiß gedrückt.
II. Auf dem Lebensweg
Blühe denn freudig in's Leben hinein,
Ahnungsvoll knospende Rose!
Küsse dich lachender Sonnenschein!
Schwellender Hauch dich umtose!
Schmück' dich mit Blüten des Lebens Lenz,
Daß du das Leben auch schmückest!
Hold im Entzücken dein Aug' erglänz',
Daß du auch lieblich entzückest.
Stürme, sie bleiben dir sicher nicht aus —
Laß' du die Schwächlichen schwanken!
Stehe du mutig im Lebensgebraus,
Wenn dir auch Sterne versanken!
Lauschend will ich, so lang ich noch bin,
Sorgsam dir hegen und pflegen
Blühendes Herz und freudigen Sinn.
Heiter zu Edlem dich regen.
Wenn meine Hand einst entgegen dir streckt
Rosen aus bergendem Hügel,
Schwinget der Geist, den in dir ich erweckt,
Schützend, um dich seine Flügel.
Totenschau
Vor meiner Seele taucht oft empor
Des Vaters Gestalt, den längst ich verlor,
Der starb, nach edelster Lebensmüh',
Den ich verloren zu früh, zu früh!
Vor meiner Seele taucht oft empor
Der Schwestern Bild, die schwer ich verlor;
Zwei liebliche Jungfrau'n, knospend das Herz,
Und eine mit zuckendem Mutterschmerz.
Vor meiner Seele taucht oft empor
Ein leuchtendes Bild, das der Jüngling verlor;
Es schwankt vor der Seele; ich weiß es kaum,
Ist's Wahrheit, ist's ein verklingender Traum.
Ein Held
Nicht dort im blut'gen Feld,
Im lauten Pulverdampf, —
Er sank als wack'rer Held
Im stillen Lebenskampf.
Sein Herz war echt und treu,
Sein Geist war edel, klar,
Sein Tun war ohne Scheu
Wie's all' sein Denken war.
Er sprach in mildem Ton: —
Nun geht, laßt mich allein,
Und wer mich liebt, verschon'
Mich mit des Scheidens Pein!
Und hört! verschont mich auch,
In dieser letzten Frist,
Mit eurer Kirche Brauch,
Der nicht für jeden ist.
Nur dem, der ihn begehrt,
Wird er zum Trost zumal, —
Wer sie nicht sucht, dem kehrt
Die Tröstung sich in Qual.
Laßt keinen mir herein,
In dieser letzten Frist,
Der Priester sollte sein,
Doch meist ein Pfaffe ist.
Und wär's ein Priester auch —
Was sollte er denn mir,
Der ich den letzten Hauch
Getrost verhauche hier.
Denn die Unsterblichkeit
Von der die Kirche spricht —
Den Lohn für alle Zeit —
Glaub' und verlang' ich nicht.
Unsterblich bin ich nur
Wenn edel ich gestrebt,
Wenn meines Lebens Spur
Hell durch die Menschheit bebt.
Unsterblich bin ich, weil,
Was lebte, nie vergeht,
Weil jeden Daseins Teil
In neuer Form ersteht.
Mit Blumen und mit Sang
Legt mich in Grabesruh',
Und will's der Sitte Zwang — —
Da fiel sein Auge zu.
Das Leben
Es ist ein Ebben, Fluten
Dies Leben, ein Verbluten
In ewig neuer Schlacht,
Du Ärmster! der sich härmend —
Ob schweigend oder lärmend —
Den Kampf noch schwerer macht!
O sei dem kurzen Leben
Nicht unbedacht ergeben —
Als währt' es ew'ge Zeit;
Lern', Weisheit dir erwerben,
Denk', schwer ist nur das Sterben,
Der Tod ist Seligkeit.
In heiter'm Selbstbeschränken
Such' treu zur Lieb' zu lenken
Des Lebens Wanderstab; —
Dem Leben, voll Entbehrung,
Bringt Liebe nur Verklärung
Und Frieden nur das Grab.
Verlorner Klang
Es klingt mir oft im Herzen
Wie ein verlorner Klang,
Der sich vergebens sehnet
Zu tönen im Gesang.
Ich kann das Lied nicht finden,
Für das er taugen mag, —
Er wird wohl still verklingen
Im letzten Herzensschlag.
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