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Vierter Kranz - Jubellieder
 

Dritter Kranz

Trauerlieder
 

Himmelsblumen
Jahrestag
Wehmut
Drang
Im Winter
Überzeugung
Im Verborgnen

 
Die Rosen
Rose und Nachtigall
Zweifel

 

Himmelsblumen

All' die Welten in den Himmelsräumen,
Deren Licht zu uns herniederweht,
Es sind Samenkörner, um zu keimen,
In den blauen Äther hingesät.

Und die Sonnenrose blühte gerne
Mit des Keimes schönster Macht hinauf,
Und die Mondesblume und die Sterne
Blühten freudig schon zum Himmel auf.

Auch die Erde soll zum Himmel blühen
Aus des Keimes langverschloss'ner Nacht,
Doch vergebens! all' ihr heißes Mühen
Hat es noch zur Blüte nicht gebracht.

Und sie wird wohl nie den Himmel küssen —
Wird vermodern vor des Keimes Lust,
Denn der Mensch tritt sie mit schweren Füßen,
All' ihr Gold gräbt er aus ihrer Brust.

Jahrestag

Der Morgen dämmert trüb empor,
Der Blick ist kaum erhellt,
Ein Jahr ist hin, seit ich verlor
Mein Liebstes in der Welt.

Es war ein trübes, banges Jahr,
War voll von Schmerz und Qual,
Dacht' immer nur an Totenbahr,
An Totenliederschall.

Und wenn oft schon mit reinstem Hauch
Der Trost mir Friede gab,
So dacht' ich an den Rosenstrauch
Auf ihrem stillen Grab.

Bald aber war auch er verglüht,
Der süße Friedenskuß,
Was nützt es, daß die Blume blüht,
Wenn's Auge weinen muß?

Sie gibt dir doch mit ihrem Grün
Die kleinste Hoffnung nicht,
Und ihrer Blüten farbig Glüh'n
Dir nicht zum Troste spricht.

So geh' zum Friedhof still hinaus,
Bis er entschwand der Tag,
Und grabe eine Scholle aus,
Die ihr am Herzen lag!

Ich grub die Scholle still hervor,
Die ächzend mir entfällt, —
Ein Jahr ist hin, seit ich verlor
Mein Liebstes in der Welt!

Wehmut

Wenn die Tage trübe sind,
Will kein frohes Lied gelingen;
Alles Streben, froh zu singen,
Weht dahin im kühlen Wind.

Heitert euch ihr Tage doch!
Wohl ist süß die Liedesklage,
Doch sie trübt die Jugendtage —
Trübe Tage kommen noch! —

Drang

Du hohe Macht, die mir im Herzen waltet!
Du Feuerglut der ew'gen Liederlust!
Du glühst wohl fort, bis mir das Herz erkaltet,
Bis nimmer schlägt des Sängers treue Brust!

Doch sag' mir auch, ob all' die Sturmesfluten
Nicht liebend einst ein Himmelsduft umweht?
Ob sie zum Himmel sprüh'n, die Sangesgluten —
Ob nicht der Sänger wild im Sturm vergeht?

Das Herz entbrennt für alles Wahre, Schöne,
Ist überfüllt von unbegrenzter Lieb',
Ach, wenn so einst der Schall der Liedertöne
Allein, verklungen und vergessen blieb'!?

Und Wolken seh' ich auf Wolken türmen,
Es kostet viel, daß nicht der Glaube flieht —
Ich möchte jubelnd eine Welt erstürmen,
Und es erklingt mir kaum ein frohes Lied!

Im Winter

Böser Schnee! mit Todesbangen
Hüllest du die Erde ein,
Wirfst auf ihre Blütenwangen
Düster bleichen Totenschein.

Denkst du nimmer, als im Lenze
Blütenkeim und Sonnenstrahl
Dich und deine starren Kränze
Siegend jagten aus dem Tal?

Wo ist hin der Sonne Schimmer?
Wo der Morgenröte Pracht?
Ach! mir ist, als wenn sie nimmer
Strahlte durch die Winternacht!

Wie der Bach sich auch gewieget,
Wie die Rose auch geglüht,
Seine Quellen sind versieget,
Und die Blumen sind verblüht.

Und im Walde braus't die Eiche,
Frostumtobt und kahl, entlaubt,
Und so hebst du Erdenleiche
Nimmermehr dein grünes Haupt?

Da ertönt es durch die Lüfte
Wie im Auferweckungston:
Neue Blumen, neue Düfte
Blühen um des Frühlings Thron!

Mag der Lenz auch wieder nahen —
Ach, die Trennung war so schwer!
Und so jung, wie wir ihn sahen,
Seh'n wir ihn wohl nimmermehr!

Überzeugung

Des Herzens Friede hat mich nie umblüht,
Der Liebe Purpur hat mich nie umglüht,
Der Seele Tiefen hab' ich nie ermessen,
Das wahre Glück — ich hab' es nie besessen!

Und ihr, die ihr in eurem Wahne glaubt,
Der Wahrheit Baum hab' euch schon grün umlaubt,
Der Hoffnung Anker sei schon fest im Grunde,
Die Liebe küsse euch mit heißem Munde,

Des Herzens Friede hat euch nie umblüht!
Der Liebe Purpur hat euch nie umglüht!
Der Seele Tiefen habt ihr nie ermessen!
Das wahre Glück — ihr habt es nie besessen!

Im Verborgnen

Wenn der Himmel noch so rein,
Wenn die Sonne golden strahlt,
Gibt es immer feuchte Stellen
Dort im Anger, hier im Wald.

Und wenn Blick und Miene heiter,
Und wenn laut des Herzens Schlag,
Glaubt ihr nicht, daß wo ein Tränlein
Sich im Aug' verbergen mag?

Die Rosen

Bin in meiner Kindheit Tagen
Über Berg und Flur gegangen,
Rosen keimten mir im Herzen
Und entblühten meinen Wangen.

Und ich horchte und ich lauschte —
Hörte viel von Liebe sagen,
Von dem Himmel ihrer Freuden,
Von der Sehnsucht ihrer Klagen.

Und ich ließ das schöne Märchen
Freudevoll zum Herzen klingen,
Ließ aus meiner Liebesrose
Tausend Nachtigallen singen.

Wundervolle Himmelsblume —
Göttliche, verklärte Liebe —
Wenn die Knospe deiner Rose
Ewig doch im Herzen bliebe!

Bin in meiner Kindheit Tagen
Blühend durch die Flur gegangen,
Ahnte nichts von den gebleichten,
Weißen Rosen meiner Wangen!

Rose und Nachtigall

Bald glüht das Sonnenauge
Im gold'nen Frühlingslauf,
Die Rose dort im Tale,
Sie wachte noch nicht auf.

Du Nachtigall, was singst du
So laut die Rose an?
Doch ja! du weißt — die Knospe
Hat ihre Freude d'ran!

Du singst sie wach, die Rose,
Die öffnet ihre Brust,
Du stürzest auf die Blüte
Und singst und stirbst vor Lust! —

So sang einst ich ein Mädchen
Wie du die Rose an —
Die öffnet Ihr Herz nicht —
Hatt' keine Freude d'ran.

Ich kann mir's wohl erklären,
Woher sie kam, die Qual —
Ihr Herz war keine Rose, —
Ich keine Nachtigall!

Zweifel

Bin ein Sänger
Im grünen Wald,
Singe wohl jubelnd,
Doch — ob es schallt?

Der Baum meiner Lieder
Wohl Blüten treibt,
Doch ob die Frucht,
Die süße, bleibt?

Du armes Lied
Wohin — wohin?
Es woget — es schwebt —
Dahin — dahin — —