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Fünfter Kranz - Nachtlieder
 

Vierter Kranz

Jubellieder
 

Hermanns Denkmal
Lebenslied
Befreiung
Treue
Herzklopfen
Lohn
Beruhigung
Im Herbste
An Justinus Kerner
Zuversicht
Aufschub
Guter Wille
Eigne Weise
Weihe

 

Hermanns Denkmal
1841

Herbei und horchet alle, die ihr aus deutschem Land,
Und reicht zum festen Bunde euch brüderlich die Hand,
Es gilt ein edles Streben — es gilt den Ruhm der Zeit,
Herbei! es gilt ein Denkmal für alle Ewigkeit! —

Als einstens den Germanen, im Keime ihrer Macht,
Der Römer stolze Scharen Gefahr in's Land gebracht,
Da wär' es bald geschehen um unsern deutschen Sinn
Und unser Recht und Alles — und Alles wär' dahin.

Doch wie von Gott gesendet, und wie von Gott bestellt,
Ward eine Heldenseele zur Rettung auserwählt:
Ein Jüngling heiß wie Feuer, ein Jüngling fest wie Stahl,
Das Herz voll Freiheitsgluten, das Aug' voll Siegesstrahl.

Und wie sein Mut entflammet, und wie sein Busen fliegt,
Sein Deutschland war gerettet, — der Römer war besiegt.
Das war der Sieg, den Hermann, der deutsche Held gebracht,
Das war die Rettung Deutschlands, es war die Hermannsschlacht!

Jahrhunderte verflossen nun in der Zeiten Meer,
Kein Stäubchen von dem Marke gibt's in der Erde mehr,
Doch wo die Feinde fielen, wo Siegesruf erschallt',
Da grünet jetzt ein alter, ein starker Eichenwald.

Da flüstern jetzt die Zweige uns eine Wundermär'
Vom Kampf der alten Deutschen, von Hermann's Siegesspeer.
Da singen all' die Zweige im freien Sonnenlicht:
"Vergeßt der alten Brüder, und eures Retters nicht!"

Und schon seh' ich es prangen das Denkmal, das ihr baut,
Wie's in die Erde wurzelt, wie es zum Himmel schaut,
Wie es das Bildnis Hermann's, der kraftvoll einst gestrebt,
Wie's den Cheruskerfürsten zum Himmel hoch erhebt.

Schon seh ich es im Glanze vom Morgenrot umsprüht,
Vom Schlage freier Herzen, Von Treu' und Lieb' umglüht,
Darum zum Bund vereinet, und glaubt des Sängers Mund:
Uns Deutsche wird noch rühmen das ganze Erdenrund!



Lebenslied

Ihr armen, armen Sänger!
Du armes, wundes Herz!
Mit deinem Weltenjammer,
Mit dem erlog'nen Schmerz.

Da liebe ich mir Freude!
Da liebe ich mir Lust!
Ha! wie es lacht und blühet,
Wenn Freude in der Brust.

Und quält mich auch ein Leiden,
Wird's einem Lied geweiht,
Dann keimt mir aus dem Schmerze
Noch eins Seligkeit!

Befreiung

Im Lenze, wenn mit leisem Hauch
Der Frühlingsengel wallet,
Da kommt die Blüte aus dem Strauch,
Das Lied der Vögel schallet.

Der Bach, er strömt im Flug herbei,
Und Wald und Anger blühen,
Es macht ja Alles — Alles frei,
Der freien Sonne Glühen! —

So steig' denn nieder, Sonnenstrahl,
Mit deinen Jubelkerzen,
Und bring' zur Blüte auch einmal
Die Knospen uns'rer Herzen.

O ströme nieder, Himmelstau,
Als Auferweckungsregen,
Geleit' den Geist durch's Ätherblau
Dem Ewigen entgegen.

Und lache uns nur immer mild,
Du klare Himmelsbläue,
Daß laut der Brust das Lied entquillt
Der Freiheit und der Treue!

Dann wenn er einst geläutert ist,
Der Geist im Sonnenstrahle,
Dann quillt er klar, wie's Bächlein fließt
Hinaus im freien Schwalle.

Und wenn des Herzens Keime glüh'n,
Vom Himmelstau begossen,
Dann wird der Freiheit Rose blüh'n
Aus unwelkbaren Sprossen.

Wenn Herz und Geist zur Glut gefacht
Vom Hauch der Liebesschwingen,
Dann wird durch Zwang und Fesselnacht
Das freie Lied erklingen! —

Treue

Frühling ist schon wachgesungen,
Wald in hellen Liedern klingt,
Und der Bach dem Fels entsprungen,
Hell die lichten Wellen schwingt.

Und die Lüfte und die Wellen
Stimmen froh zum Liede ein,
Und des Waldes Schattenstellen
Wandeln sich zum Lichterhain.

Da zieht auch der frohe Sänger
Jubelnd durch der Wiesen Blüh'n,
Ließ ihn nicht zu Hause länger,
Muß ja auch in's freie Grün! —

Nachtigall hat ausgesungen,
Lenz floh übers weite Meer,
Bächleins Rieseln ist verklungen,
Blume duftet nimmermehr.

Sonne, Stern und Mond erblassen,
Schneeluft hüllt die Erde ein,
Sänger ist nun ganz verlassen,
Doch — er singt auch noch allein!

Herzklopfen

Ich saß auf der Wiese
In Blumen und Duft,
Es zogen die Sterne
Hell durch die Luft.

Die Ruhe, die Stille
War nimmer gestört,
Fast hätt' ich die Sterne
Gar plaudern gehört.

Da hört' ich ein Klopfen
Im Herzen d'rin —
Sei ruhig! Sei ruhig!
Wo willst du hin?

Und klopfst du noch immer?
Ja bist du toll?
Doch — klopfe! du bist ja
Von Liedern voll.

Ihr Lieder! Ihr Lieder!
O klopfet nur zu!
Und lasset mich nimmer
Und nimmer in Ruh! —

Ich laß euch ja Alle
Hinaus zur Lust,
D'rum singe ich immer
Aus voller Brust!

Lohn

Im heißen Kampf — in der Todesschlacht
Da glüht des Kriegers Mut,
Doch mit dem Sieg, den er gebracht,
Fließt auch das Heldenblut.

Die Liebe — dieser Engelskuß,
Wenn ihr der Himmel winkt,
Sie Bitt'res oft erdulden muß,
Denn Liebe und Treue sinkt.

Und der Frühling — dieses Hoffnungsgrün,
Dieser König an Blüten und Gold,
Bald ist auch er — auch er dahin,
Und der Donnerwagen rollt.

Das Lied doch — diese Herzensschlacht,
Dieser Liebes und Frühlingsschoß,
Das Lied ist aber doch besser bedacht,
Hat doch ein schöneres Los?

Ich glaub' es kaum! So tief es auch
Aus reinstem Herzen glüht,
Die hellste Flamme entflieht im Rauch,
Die schönste Blume verblüht.

Und dem nicht der reinste Sonnenstrahl
Der Gottheit in's Herz gelegt,
Der wohl auch seine Lieder all'
Mit sich in die Grube trägt! —

Doch laßt gewähren das heiße Lied —
Den ersten Frühlingsschein,
Und was jetzt nur als Funke glüht,
Kann einst noch Flamme sein!

Nicht lebt' ich ohne Sangeslust,
Und sei's auch kein Gewinn,
Die Seligkeit der Sängerbrust,
Gäb' ich um die Welt nicht hin.

Das Auge flammt in's All' hinein,
Das Herz ist nimmer still,
Doch — — der müßt' selbst ein Sänger sein
Der das begreifen will! —

Beruhigung

In Leid und Schmerz, in Freude und Lust
Schlug immer mir hoch das Herz in der Brust,
Und so oft ich froh, so oft mir bang,
Ich immer, immer ein Liedchen sang.

Und als ich die Lieder beisammen sah,
Mir tief im Innern hart geschah.
Wenn eines so im Sturm der Welt
Mir weinend an's Herz zurücke fällt?!

Wenn unerwiedert mein Lächeln verweht,
Und meine Träne kein Herz versteht?"
So dacht' ich — und hatte nimmer Ruh!
Doch manchmal rief ich mir tröstend zu:

Wenn ich nur sang aus treuem Mund!
Wenn ich nur tief im Herzensgrund
Erlebt und gefühlt auch, was ich schrieb,
Denn Wahrheit hat immer die Welt noch lieb!

Im Herbste

Kalte Luft durchzieht die Bäume,
Welke Blätter weh'n herab,
Und des Lenzes Jugendträume
Fanden früh ihr kühles Grab.

Nebel lagern schon im Tale,
Scheues Wild rauscht durch den Wald,
Alles eilt zum Totenmahle —
Alles trübe! Alles kalt!

Mädchen! und du bist so traurig!
Wohl ist Alles blütenarm,
Wohl ist Alles kalt und schaurig,
Doch das Herz ist liebewarm!

Laß' sie weh'n die Flut der Liebe,
Daß uns Alles frisch bekränz',
Und wir blüh'n, wenn Alles trübe,
Auf — im grünen Liebeslenz!

An Justinus Kerner

Wenn der Lenz im Tal erwacht,
Da ergrünen frisch die Matten,
Da entringt sich Licht und Schatten,
Heben sich die Keime sacht.

Und der grüne Rosenstrauch
Harret schon gebog'nen Stengels
Auf des lichten Sonnenengels
Ersten Liebesstrahlenhauch.

Einst zog in mein junges Herz
Holden Frühlings Lustgekose:
Du der Strahl — mein Herz die Rose,
Die nun duftet himmelwärts.

Zuversicht

Singen will ich — ewig singen,
Glühend soll mein Lied entflammen
Aus des Herzens Sangesauen —
Keine Macht kann es verdammen!

Denn wer wagt's zum Kampf zu ziehen
Wenn der Jüngling sich begeistert?
Möcht' ihn kennen, der des Herzens
Glutgeborne Flammen meistert.

Möcht' ihn kennen, der dem Vogel,
Der sich schwingt durch freie Lüfte,
Seinen Sang der Brust entrisse
Und der Blume ihre Düfte!?

Könnt' wohl sagen: so ist's besser!
Das macht einen schlechten Namen!
Doch das könnt' der Klügste nimmer,
Ihm sein Liederherz verdammen!

Aufschub

Mir ward noch nicht die Seligkeit,
Zu wandern durch die Welt,
Ein Hügel, frisch mit Grün bestreut,
Ein blütenvolles Feld,

Ein klarer Bach, ein stilles Tal,
Ein Sonnenuntergang,
Im Busche eine Nachtigall,
Die süße Lieder sang,

Das war die ganze Seligkeit,
Die ich bis jetzt genoß,
Kaum, daß den Blick ein Berg erfreut,
Von dem ein Wildbach schoß.

Und doch fühlt' ich schon hohe Lust,
Hab' manches Lied erdacht,
Das mir die schwache Menschenbrust
Zum Himmel hat gemacht.

Doch wenn ich erst der Alpen Eis,
Des Südens Himmel seh',
Der Wunderstädte weiten Kreis,
Ein Schiff auf hoher See,

Wenn ich dem duft'gen Orient
In's Märchenaug' geschaut,
Wenn einst die ganze Welt sich nennt
Des Sängers süße Braut,

Dann ströme, heil'ger Liederquell!
Dann heißt's hinausgerollt!
Dann zeige deine Perlen hell —
Dein Silber und dein Gold! —

Guter Wille

Wohl ist es wahr! nur allzuviel
Ertönt der Liedersang
Von Lenz und Duft, von Wogenspiel,
Von Wald und Liebesklang.

Doch gar zu hart ist euer Wort —
Ihr seid nicht liebevoll!
O sagt mir nur, in welchen Port
Das Liederschiffchen soll?

Was schön und groß zum Herzen dringt,
Das weckt die Liederlust,
Und als ein heißes Lied erklingt
Es aus der Sängerbrust.

Es schnaubt schon kühn mein Flügelroß,
Es will zum Liederstreit,
Gebt mir nur Taten kühn und groß —
Der Sänger ist bereit!

Eigne Weise

Ich kann's nicht leiden, wenn das göttlich Reine
Gespendet wird aus ungeweihter Hand,
Wenn sich ein Dichter schmückt mit fremdem Scheine,
Und mit Gefühlen, die er nie empfand.

Du bist nicht Uhland, Lenau nicht, noch Heine,
Doch glaubst du — es umschling' euch all' ein Band;
Und wenn ich größer — als ich bin — erscheine,
Was nutzt mir das geborgte Truggewand?

Was ich kann, das will ich nicht erringen,
Was ich nicht bin, ich kann es nicht erzwingen,
Doch sing' ich laut aus freier Brust heraus,

Und hör' ich auch noch oft die Fessel klingen,
Der Morgen graut, — die Bande werden springen,
Dann wohne ich befreit im eignen Haus!

Weihe

Bist du schon einmal ruhevoll gelegen
An einem frischbegrünten Wiesenhang,
Um den durch silberklaren Flutenregen
Des Baches Nymphe aus den Wellen sprang?

Das Aug' im Himmelsblaue tief versunken,
Das laute Herz vom Lerchenliederschall,
Und von der Sonne Prangen selig trunken,
Und von der Frühlingslüfte lauem Schwall? —

Ich lag einmal an einem Wiesenhange
Um den des Bächleins Nymphe lachend sprang,
Und aus des Waldes flötendem Gesange
Gar manches Lied in meine Seele drang.

Und süßer Friede floß auf mich hernieder,
Und meine Blicke flatternden hinauf,
Und es erklang — als wären's Himmelslieder —
Und hell und groß schloß sich der Himmel auf!