Quelle:

Liederkränze
Rollett Hermann

Wien 1842
Carl Gerold

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Zweiter Kranz - Frühlingslieder

 

Erster Kranz

Morgenlieder
 

Verklungen mit dem Sternenchor
Soll des Geistes reife Frucht
Einst mit Kraft und Fülle laben,
Muß ein blütenvoller Frühling
Still vorausgeduftet haben.
Wechsel
Frühjubel
Dämmerung
Erwachen
Antwort
Stille Freude
Sonnenfalter

 
Der Sieg
Gebet
Gruß

 
Schutz
Wacher Traum
Wiedergabe

 

Wechsel

Im Osten will es leise schon ergrauen,
Die Sonnenstrahlen sich dem Tal entringen,
Die Lüfte weh'n, die Blumen zu betauen,
Und neubelebt die klaren Bächlein springen.

Der Himmel scheint in Röte zu verglühen,
Das grüne Tal in Rosen zu zerfließen,
Und über dieses Glühen und Erblühen
Die Sonnenstrahlen ihren Glanz ergießen.

Heil dir, o Licht, das kühn die Nacht besiegte!
Und doch! der Abend wird dir widerstreben;
Und was der Mondenschein in Schlummer wiegte,
Das weckt die Sonne wieder auf zum Leben.

So ist es denn im ernsten Lauf der Welten —
Ein ewiges Entstehen und Verdrängen,
Und kaum das Herz des Frohsinn's Jubel schwellten,
Ertönt die Brust in schmerzlichen Gesängen!


Frühjubel

Aus dem Lichte strömt das Leben,
Aus dem Leben quillt die Liebe,
Und der Liebe Flügel schweben
Flammend durch das Weltgetriebe.

Glüh' hinauf, du lichter Morgen,
Daß aus all' der Lebensglut,
Die im Herzen still verborgen,
Reich entström' der Liebe Flut!

Schon seh' ich den Himmel glühen
Und die Lerchen werden laut,
Lieder schallen, Funken sprühen —
Auf! mein Herz — der Morgen graut!

Dämmerung

Wohl flammet in die Lüfte
Der Morgen klar und rein,
Und Lied und Blumendüfte
Weh'n auf zum Sonnenschein.

Doch all' die Feuerfluten
Sind noch der Morgen nicht,
Der einstens aus den Gluten
Der ew'gen Liebe bricht.

Da wird es blüh'n und klingen
Im Sonnenflammenschein,
Da wird die Fessel springen
Und Alles selig sein.

Da wird die Flur zerrinnen
In milden Rosenduft,
Da wird die Sonne spinnen
Ihr Gold bis in die Gruft.

Und Alles wird sich schwingen
In Liebe himmelwärts
Und Alles wird umschlingen
Ein Sinn, Ein Geist, Ein Herz!

Und schon erglüht der Schimmer
Zu jenem ew'gen Tag,
Den alle Macht dann nimmer
Zu löschen mehr vermag.

Der Menschheit Geistesgluten
Entflammt schon leises Licht,
Des Herzens Liebesfluten
Schon aus dem Ufer bricht.

Die Blumenauen blühen
Schon auf in Himmelsduft —
Der Sänger Lieder sprühen
Schon flammend durch die Luft!

O das wird ein Entzücken —
Ein Seelenjubel sein,
Den möcht' ich noch erblicken,
Den Morgensonnenschein!

Erwachen

Tiefe Stille, leises Beben
Woget durch den Erdenraum,
Ruhevolle Wolken schweben
In den Lüften wie ein Traum.

Immer klarer weht es nieder,
Immer röter wallt's herauf,
Durch des Morgens Jubellieder
Flammt es von den Bergen auf.

Strahlen blitzen, Flammen glühen,
Hell vom Morgenrot umweht,
Wolken leuchten, Wiesen blühen —
Alles wie in Flammen steht.

"Urquell du des ew'gen Lebens!
Kraft, der alle Lieb' geweiht!
Laß die Freude nicht vergebens,
Blick' in meine Seligkeit!

War ich auch im Drang des Schmerzens,
Kalt von Zweifel angeweht,
Diesen Jubel meines Herzens —
Nimm ihn als mein erst' Gebet!"

Und der Himmel glühte nieder,
Sah so mild, so liebevoll,
Glaube, Hoffnung, Liebe wieder
In die kranke Seele quoll.

Ach! wenn doch die Friedenstaube
Immer mir im Herzen bliebe!
Aber hofft der fromme Glaube
Nicht vergebens auf die Liebe?

Antwort

Die Sonne stieg zum Himmelsraum
Mit heller Glut hinauf,
Und Alles wacht aus seinem Traum
Zu neuem Leben auf.

"Woher hast du die Feuerpracht,
Du lichte Sonnenglut?
Und warum sankst du über Nacht
Zur kühlen Meeresflut?" —

""Die Glut hab' ich von Ewigkeit
Als Widerstrahl des Lichts,
Das mir der Liebesblick verleiht
Des Gottesangesichts.

Und in die Flut sank ich zur Nacht,
Damit ihr Menschlein nicht
Durch meines Feuers Flammenpracht
Verliert das Augenlicht.""

"Doch eins noch — ich fleh' dich an —
Nur eins noch gib mir kund:
Wann ist vollendet deine Bahn,
Wann deine letzte Stund'?"

""O! eitler Tor, der nicht einmal
Mein Angesicht verträgt,
Und so erhebt der Stimme Schall
Und so vermessen frägt —

Wälz' dich im Staub vor meinem Licht!
Du bist noch viel zu klein,
Als daß mit dir vom Ende spricht
Der gold'ne Sonnenschein!""

Stille Freude

Was weinst du, Blümlein,
Im Morgenschein?
Das Blümlein lachte:
Was fällt dir ein!

Ich bin ja fröhlich,
Ich weine nicht —
Die Freudenträne
Durch's Aug' mir bricht!

Ich frug das Bächlein:
Was rinnst du dahin
Wie ein Tränenstrom
Durch's Wiesengrün?

Da klang es heraus
Aus der Wellenbrust:
Mein Strömen ist Freude —
Ist Brausen der Lust!

Du, Morgenhimmel,
Bist blutig rot,
Als läg' deine Sonne
Im Meere tot?

Da lacht der Himmel
Und ruft mich an:
Ich streue ja Rosen
Auf ihre Bahn!

Und flammend zog
Die Sonne hervor,
Die Blumen blühten
Freudig empor,

Des Baches Wellen
Jauchzten auf,
Und die Sonne lachte
Strahlend d'rauf!

Sonnenfalter

Das Licht erstarb im Abendschein,
In Ruhe spinnt die Welt sich ein,

Und lautlos liegt sie da zur Nacht
Und träumt von ihrer Flammenpracht.

Da bricht er auf der stille Sarg,
Der so wie tot die Sonne barg —

Und in die Lüfte rein und klar
Hebt sie ihr Sonnenflügelpaar.

Der Sieg

Die Rose schläft, die Wiese ruht,
Und ruhig strömt die Meeresflut,
Und Alles schweigt im Weltenraum,
Und schlummert tief und atmet kaum.

Da rauscht es von den Feldern auf,
Und Lerchen schwingen sich hinauf,
Und flattern aus mit Sang und Schall
Wie der Drommete Schlachtsignal.

Seht hin nach Ost! wie dicht und wild
Ein Meer von dunklen Wolken quillt!
Sie lagern sich zur Todesschlacht,
Und horch! wie schon der Donner kracht.

Und grimmiger ballt die Wolkenfaust
Zum Kampfe sich, der Sturm erbraust,
Und drängt zurück das Morgenlicht,
Das glühend aus dem Himmel bricht.

Da aber strömt's vom Berge her
So wie ein goldnes Flammenmeer,
Mit Waffenglanz, mit Siegesschwall,
Mit Morgenliedern, Sang und Schall.

Und aus der Erde wallt der Duft,
Der Hain erschallt, die Glocke ruft —
Da fällt der Feind und wälzt sich tot
In seinem Blut — im Morgenrot! —

Und wenn einst so nach heißer Schlacht
Erliegt der Zweifel Wolkennacht,
Wenn einst der Menschheit Geisteslicht
Sich so die Bahn zum Siege bricht;

Wenn all' die Nacht im Blute tot
Erglüht als helles Morgenrot; —
Dann möchte ich ein Flämmchen sein
Vom Feuermeer im Siegesschein,

Dann möchte ich als Sturm der Lust
Die Erde dreh'n um meine Brust,
Dann brauste ich durch Berg und Tal
Mit Jubelton, mit Siegesschall!

Gebet

Wie ein Aug', das ausgeleuchtet,
Sank der Mond in Ruhe hin,
Und den Fluren, taubefeuchtet,
Naht die Tageskönigin.

Vater! mit dem Sonnenblicke,
Den ich tief im Herzen trag',
Leite wieder mein Geschicke,
Gib mir wieder frohen Tag!

Deinen Schutz will ich ja immer,
Und mein Herz füllt Liebe aus,
Kenne dich im Sterngeflimmer —
Kenne dich im Sturmgebraus.

Herr! und daß ich liedersingend,
Jubelnd zieh' durch deine Welt,
Daß mir oft — nach Freiheit ringend —
Manch ein lautes Wort gefällt,

Herr! das hat dich nie verdrossen!
Und dies Bißchen Freiheitslust
Hast du mir ja selbst gegossen
Liebend einst in meine Brust! —

Gruß

Sei gegrüßt, du schöner Morgen!
Blauer Himmel, sei gegrüßt!
Den, im Traum der Nacht verborgen,
Sonnenliebe wachgeküßt.

Strahle mir mit neuem Feuer
In die laute Brust hinein,
Neuerglühter, wolkenfreier,
Heller Morgensonnenschein!

Zünde mir im Herzen wieder
All' die Liebesflammen auf!
Rufe wieder meine Lieder
Liebevoll zu dir hinauf!

Nahet leise dann der Abend,
Wenn du deine Bahn vollbracht,
Grüß' ich noch den Glanz, der labend
Aus dem Mond herniederlacht.

Schutz

In der Nacht, wenn Alles ruht,
Träumend von der Ferne,
Hat der Himmel auf der Hut
Nur das Aug' der Sterne.

Doch wenn in die Welt zurück
Kehrt des Tages Wüten,
Braucht er schon den Sonnenblick,
Um sie zu behüten.

Wacher Traum

Das Lied der Nacht war ausgesungen,
Verklungen mit dem Sternenchor,
Und aus des Morgens Dämmerungen
Floß stilles Sonnengold hervor.

Noch war die Knospe mild umrötet,
Von blassen Funken kaum umsprüht,
Bis von den Hainen angeflötet,
Sie ganz als Sonnenrose glüht.

Du Herr der Freude! Herr des Lebens!
Dank dir, daß ich schon aufgewacht,
Daß all' der Jubel nicht vergebens,
Nicht mehr im Traume mich umlacht!

Da flammt es hell im Ätherblaue,
Und Lerchen wirbeln in die Luft,
Und aus dem diamant'nen Taue
Der Blumen Glockenjubel ruft.

Und ringsum schallen frohe Lieder,
Und Alles glüht und jauchzt und schäumt,
Da war mir als erwacht' ich wieder,
Als hätt' ich jetzt erst süß geträumt!

Wiedergabe

Du gold'nes Sonnenauge,
Was siehst Du mich so an?
Als hättest Du zu fordern,
Was ich nicht geben kann?

Du gibst nur Licht und Leben!
Gib es mir viel und lang!
Ich will dir's wiedergeben
Mit Morgenlieder Sang.