weiter
Dritter Kranz - Trauerlieder
 

Zweiter Kranz

Frühlingslieder
 

Frühlenz
Heiliges Feuer
Vorgefühl
Genesung
Stumme Sprache
Das ewige Lied
Leichte Last
Herzlied
Frühlingsgrab
Blumensprache
Lebensfrage
Ungewitter
Sehnsucht
Liederhain

 

Frühlenz

Schlummernd ruht mit starren Gliedern
Berg und Tal, in Schnee getaucht,
Noch hat nicht der Frühlingsengel
Lebensvoll das Land behaucht.

Noch zeigt nicht der Keim das Leben,
Das im Lenz in Blumen glüht,
Doch im schneebedeckten Tale
Jetzt schon eine Rose blüht.

Rauh umtobt von Winterstürmen,
Ohne milden Sonnenschein,
Blühet diese Winterrose,
Seht nur! Jägers Töchterlein.

Heiliges Feuer

Fest den Blick hinaufgerichtet,
Wenn das Leben trüb und kalt —
Bald ist Herz und Flur gelichtet,
Wenn die Frühlingsglocke schallt.

Rosen blühen in den Wäldern,
Bäche rinnen durch die Au,
Lerchen jubeln über Feldern,
Sonne lacht vom Ätherblau.

Und wir seh'n mit warmen Herzen
In die Glut der Frühlingslust,
Die mit tausend Jubelkerzen
Niedersteigt in uns're Brust.

Und wenn so ein Funke zündet
In des Dranges Seligkeit,
Steigt die Flamme gottverbündet,
Daß es leuchtet weit und breit.

Vorgefühl

Ich ahnte deine Nähe
Schon längst im Herzen mein,
Wenn ich dich kommen sehe,
Du gold'ner Frühlingsschein.

Sobald der Flur im Stillen
Das Blütenaug' entkeimt,
Hat auch der Liederschlummer
Im Herzen ausgeträumt.

Wie ihn die Erde ahnet
Im Erwachen ihrer Brust,
So ahnt der Sänger den Frühling
Im Erwachen der Liederlust.

Genesung

Was ist das für ein Wogen
Von den Bergen in's Tal hinein?
Der Frühling kommt angezogen
Mit Blumen und Sonnenschein.

Die Wälder und Laubgehege
Hat er mit Grün erfreut,
Und auf alle Wiesen und Wege
Hat er Lieder und Blumen gestreut.

Und Alles glaubt im Entzücken,
Der Lenz muß ewig sein,
Und grüne Wiesen schmücken
Im Herbst noch Tal und Hain.

Dann aber wird es düster,
Die Sonne nimmer scheint,
Es weht wie Totengeflüster,
Und Alles — Alles weint!

Und Alles sieht auf die bleiche,
Beschneite Wiese hin,
Und weint an des Frühlings Leiche:
Ach! wär' es nur wieder grün!

Da kommt er wieder gezogen.
Durchströmt von Rosenblut,
Umstrahlt vom Ätherbogen,
Und Alles ist wieder gut!

Stumme Sprache

"Hinaus! hinaus! und nichts versäumt!
Schon wacht's im Erdenraum,
Hast du denn noch nicht ausgeträumt
In deinem Winterflaum?

Die Blüten alle sprangen schon,
Die Quellen fließen zur Wett',
Das Vöglein sucht den besten Ton,
Und du im Winterbett?"

Der Frühling so durch's Fenster ruft
Mit Sang und Liederschall,
Mit Blütenschnee, mit Blumenduft,
Mit lauer Lüfte Schwall.

Er ist ein liebster Junge auch,
Der Gold und Blüten bringt,
Und hell aus jedem Busch und Strauch
Sein Rosenmund erklingt.

Jetzt lacht er laut im grünen Hain,
Und ruft mich jubelnd hin,
Da gehe ich entzückt hinein
In's liebe Waldesgrün.

Und hocherfreut und stillentzückt
Lieg' ich wo Bächlein springt,
Bis Himmel sich mit Sternen schmückt
Und Abendglöcklein singt.

Und Frühling, Blume, Sternenschein,
Und Quell und Glockenschall,
Die schlichen mir in's Herz hinein
In süßer Lebensqual.

Da plaudern sie im Herzen d'rin,
Und lassen mir nicht Ruh',
Der Duft hebt sich zu Himmel hin,
Der Quell fließt immer zu.

Und wenn ich nun ein Liedchen sing',
Verarget mir es nicht,
Daß ich die Sprach' in Worte bring',
Die stumm mein Inn'res spricht!

Das ewige Lied

Frühling kam, der Heldenjunge,
Friedensfahnen in der Hand,
Blüten zart hineingeflochten
Und ein frisches Rosenband.

Grüne Wiesen, grüne Auen,
Und die Fluren duftend blüh'n,
Grüne Bäume, grüne Kränze,
Alles — Alles ist ja grün.

Und ich ziehe liedersingend
Durch die junge Frühlingsau,
Und die lieben Wiesenveilchen
Hauchen Duft für's Ätherblau.

Doch verstummend bleib' ich stehen,
Hemmt ein Baum ja meinen Fuß
Winket mir mit Blätterhänden,
Lacht mit tausendfachen Gruß.

Und ich seh' in vor mir stehen,
Ihn — den Baum so stark und groß,
Und mir ist's, als wenn er riefe:
Komm in meinen grünen Schoß!

Und schon wollt' ich mich ergeben,
Schon nach seinem Schoße zieh'n,
Da erklangen aus den Zweigen
Wundersüße Melodien.

Und ich zog mich stumm zurücke,
Lauschte fern der Liederflut,
Ewig durch die Zweige klingend —
Ach! wie war mir da zu Mut!? —

Leichte Last

Wenn der Frühling wiederkehret,
Kehr' ich wieder auch in's Tal,
Und ich blicke wie verkläret
Auf zum jungen Sonnenstrahl.

Und wie ich so einsam schreite,
Kommen lachend, frisch und jung,
Die Gedanken als Geleite
Auf der Frühlingswanderung.

Einer spricht von Rosenauen,
Der von heißer Liebesglut,
Der vom Himmel, von dem blauen,
Und von kühler Wellenflut.

Und sie halten mich gefangen,
Aber liebend, leicht und lind
Kühlen sie mir nur die Wangen
Wie ein leiser Abendwind.

Ohne Ende — zahllos ranken
Sie mit ihrer Last heraus,
Doch mit allen den Gedanken
Zieh' ich leicht und froh nach Haus!

Herzlied

Ich saß an einem Bache,
Der rieselte so mild,
Und neben blühten die Bäume,
Vom Vogelsang erfüllt.

Mein Haupt, es lag am Busen
Der Allerliebsten mein,
Ich hörte ihr Herzchen schlagen,
So leise, doch so rein.

Es schlugen die Nachtigallen
Mit ihrem Herzen zur Wett',
Und meine Augen schlossen
Sich auf dem Busenbett'.

Doch nicht des Baches Rieseln,
Nicht Vöglein sang mich müd,
Es sang ihr schlagend Herzchen
Mir sanft ein Schlummerlied.

Frühlingsgrab

Tief im Schatten kühler Bäume
Lag ich still im Waldesgrün,
Durch der Blätter dunkle Räume
Zogen meine Blicke hin.

Und die Zweige hingen nieder,
Liebeatmend auf mein Haupt,
Und das Grün hielt mir die Glieder
Bis in's Herz hinein umlaubt.

Alles schwieg! — die Luft bewegte
Nicht ein Blatt, das Kühlung gab,
Und mir war es so als legte
Mich der Tod in's stille Grab.

Blumensprache

O wie glücklich, der des Lebens
Seligkeit und Liebeswahn,
Der die Qualen jedes Strebens
Sprechend sich versüßen kann.

Arme Blumen! arme Bäume!
Die ihr ewig schweigen müßt,
Ob euch Liebesglück umträume,
Ob euch Schmerz und Qual begrüßt.

Aber horch! was flüstert leise
Durch die bunte Wiese hin?
Und wie süße Liebesweise
Tönt es durch das Wäldergrün.

Sprache ist es! Blumensprache!
Flüsternd in der Abendluft,
Daß er lebe, daß er wache,
Weht der Baum im Blütenduft.

Und der Kelche süßes Wallen,
Und der Farben buntes Licht,
Und der Blüten Weh'n und Fallen,
Alles lebt und Alles spricht!

Mit der Blätter grünen Zungen
Ruft ihr Blumen laut hinaus:
Auf ihr Menschen! auf! der Frühling
Kam zu euch in's Erdenhaus!

Lebensfrage

Stand am Bach ein Kranz von Eichen,
Daß sich Lieb' mit Lieb' vermähle,
Jedes Blatt ein Lebenszeichen,
Jede Blüte eine Seele.

Horch! da kommt der Sturm geflogen,
Streift die Blüten ab vom Baume,
Und er glaubt sich nun betrogen
Um das Glück im Frühlingstraume.

Aber immer mehr entfaltet
Sich die Spur der Blütenstelle,
Bis sich reif die Frucht gestaltet
An des Lichtes Sonnenquelle! —

Und wenn uns'res Lebens Blüte
Einst der Tod vom Baume streichet,
Wenn das Herz, das erst erglühte,
Stiller wird — und kalt erbleichet;

Ach — ob sich auch dann entfaltet
Jene Spur der Blütenstelle,
Bis sich reif die Frucht gestaltet
An des Lichtes Sonnenquelle?!

Ungewitter

Hell durchblinkt die Frühlingsauen
Sonnengold und Blütenpracht,
Doch am Himmel wie ein Räuber
Schleicht herauf Gewitternacht.

Und mit wildem, dunklem Blicke
Späht herab die Wolkenlast —
Tauesperlen, Sonnenstäubchen
Hangen noch an Blatt und Ast.

Und der Räuber in den Lüften
Seht sich nach dem Schmuck und Gold,
Und er greift nach seinem Rohre,
Blitze sprühen, Donner rollt.

Sehnsucht

Sehnsucht ist ein süßes Wesen,
Hat die Freude stets im Bund,
Wenn das Aug' in Tränen schimmert,
Lächelt doch der bleiche Mund.

Denn die Freude der Erfüllung,
Sie durchglühet schon das Herz,
Ehe noch der Seelenengel —
Die Erlösung — nimmt den Schmerz.

Auf den Gräbern lacht der Frühling,
Und die Grabesrose glüht,
Wie ein Zeichen stiller Sehnsucht,
Das aus totem Herzen blüht.

Wenn ich auf den Friedhof denke,
Kommt mir immer in den Mund:
Sehnsucht ist ein süßes Wesen,
Hat die Freude stets im Bund!

Liederhain

Hab' sie nicht herbeigerufen
Meine Seele — meine Lieder,
Wie die Flöte von den Felsen,
Tönen Herz und Seele wieder.

Hab' gesungen wie sie waren
Mir in's Herz gesät die Keime,
Frei entsprossen sie dem Herzen,
Die nun blüh'n, die Liederbäume.

Könn' euch kühlen in den Schatten
Meiner hingesung'nen Aue,
Aber daß mir auch nicht Einer
In die heil'gen Stämme haue!