zum Index

zurück

Quelle:

Ghaselen Zyklus
Rollett Hermann

Wien 1870
Zweite Auflage
Druck und Verlag von Carl Gerold's Sohn.


Pflücktest oft des Sanges Blumen, bunt wie sie die Flur gereiht,
Ließest oft die Klänge schallen, wie sie die Natur gereiht;
Schwangest singend die Pokale tiefster Sehnsucht, höchster Lust,
Meist wie Gott sie dir als Schenke rasch zu froher Kur gereiht;
Sangest Lieder, leichthingleitend, lose hingehaucht im Flug, —
Sing' nun Töne, nach des Reimklangs reichster Regel nur gereiht!
Stammt aus Iran auch die Weise, glänzt manch deutscher Dichter doch,
Der die Worte seines Sanges nach so holdem Schwur gereiht.
Nicht wie Kettenklirren tönt es, weil das Lied folgt dem Gesetz,
Das in Blumenfesseln fordert, was das Herz durchfuhr, gereiht.
Hochgedanken, Hochgefühle sind verstreut in manchem Sang, —
Im Ghasel sind sie, wie Perlen, dicht an eine Schnur gereiht.
 


Ghaselen Zyklus

 


I.

Der Anfang schließt für alle Zeit
Das End' in sich von Ewigkeit.
Nur das, was ohne Anfang war,
Ist ewig auch vom End' befreit;
Und was kein Ende hat im Sein,
War ewig in des Daseins Streit.
Dies ernste Wort erklingt dir laut
Aus allem Leben weit und breit.
Vernimm's und denk' mit gutem Mut:
Dein Anfang ist vom End' nicht weit!
Vernimm's, — für deines Daseins Frist
Getrost zu edlem Tun bereit!

II.

Äonenlang wohl schlummerten die schaffenden Gewalten,
Die vor Äonen sich geregt, die Welten zu gestalten.
Im Anbeginn schon wurden wach die zwingenden Gesetze,
Die beim Erwachen herrschend gleich auch für Äonen galten.
Es drängte sich der Zelle Kern im Schaffensdrang zusammen,
Und Zelle schloß an Zelle sich zu wechselnden Gestalten.
Wir Menschen selbst sind andres nicht als ein Gebild von Zellen, —
Die wir von eines Gottes Hand uns stolz geschaffen prahlten.
Doch sind wir darum minder nicht die geistbeseelten Wesen,
Des Lebens unwert, wenn wir nicht auch wert des Geistes schalten; —
Des Geistes wert — dem edeln Duft der Nerven des Gehirnes —
Was er allewig war und ist, trotz euerm Haarespalten.
Und so bestehn die Welten fort, bis sie erkaltend stürzen —
Erkennend beugt die Menschheit sich der Urkraft strengem Walten.

III.

Die ihr der Dinge Grund erkennen wollt,
Vor allem Kraft und Stoff nicht trennen wollt!
Ihr meint die Kraft verbunden nur dem Stoff —
Des Stoffes Leben ihr sie nennen wollt!
Die Kraft ist mit dem Stoff allewig eins;
Ihr trügt euch, wenn ihr dies verkennen wollt.
Ihr trügt euch, — macht ihr euern Leib zum Herd,
Draus ihr der Seele Ziegel brennen wollt.
Der Körper ist die Ros', der Geist ihr Duft,
Das Resultat — wenn ihr's so nennen wollt, —
Der Kräfte all notwendiges Produkt.
Verkennt's, wenn ihr in Irrtum rennen wollt!

IV.

Warum nur wollt ihr nicht vom Affen stammen,
Und nur vom Gott, der euch erschaffen, stammen?
Als ob der Zelle Form — den Reih'n beginnend —
Nicht auch von Gott her müßt', ihr Laffen, stammen!
Ergebt euch drein, ihr Dummen oder Schlechten!
Man weiß, woher des Unheils Waffen stammen.
Ihr schwingt sie toll, daß euch der Sieg verbleibe,
Von euch die Wunden, die rings klaffen, stammen!
Von euerm Kampf doch gegen alles Tagen
Nicht lang mehr wird die Nacht, ihr Pfaffen, stammen.

V.

In dies Gezücht von Falschheit wirf, o Dichter, deines Wortes Witze!
Brenn' aus die nachtgeborne Brut mit deiner Zornesflammen Hitze!
Auf daß die Menschheit nur nicht schau', welch' gauklerisches Spiel sie treiben,
Erhalten sie der Völker Aug' in Blindheit mit verruchtem Witze.
Auf daß der Menschheit durst'ger Mund am Busen nicht der Wahrheit sauge,
Vergällen sie, mit bitterm Saft des Truges, ihm des Lebens Zitze. —
Doch, wie sie rings vernageln auch den freien Blick mit dicken Brettern,
Das ew'ge Licht dringt blitzend doch durch manche undeckbare Ritze.
Und was sie auch beginnen noch, sich zu behaupten auf dem Throne,
Das Wetter naht, der Blitzstrahl zuckt, der bald sie wirft vom Sündensitze.

VI.

O brich in wilden Zorn nicht aus
Ob dieses Erdentreibens Graus!
Zerfließ' auch nicht in weiche Klag',
Erscheint die Welt als Narrenhaus!
Schlag' lieber helles Lachen aus
Ob all der Tollheit Saus und Braus!
Gieß' aus darüber Spottes Flut, —
Vielleicht ersäuft drin Mann und Maus!
Nur manchmal mit der Geißel Schwung
Beherzt in dies Gelichter saus'!

VII.

Ihr Stolzen, die erhobnen Haupts ihr durch dies Leben geht,
In manchem müßt ihr's machen doch, so wie es eben geht!
Gar oft zeigt euch die strenge Not, daß es in allem nicht
Mit vornehmdumm-verächtlichem Darüber-Schweben geht.
Es drängt euch die Notwendigkeit, daß ihr, wie wir, im Schweiß,
Mit bloßen Händen, mühevoll, den Schatz zu heben geht.
Und wollt ihr nicht, gleich uns, es tun, die wir bescheiden uns,
So müßt ihr es erleben, daß es oft daneben geht. —
Mit freiem Blick, doch demutvoll, der Edle strebt im Sein;
Er hält von allem Stolz sich frei — so hoch sein Streben geht.
Er sagt sich stets: das Leben ist ein Weg nach steilem Ziel,
Um dessen Höh' ein ewiges unheimlich Weben geht.
Vom Schwindel bleibt aus steiler Höh' wohl der nur frei, der frisch
Hinan, wie ohne Übermut, so ohne Beben geht.

VIII.

Wenn dir tief im Walde zischend eine giftige Natter droht,
Oder wenn dir böser Zunge schwerterscharf Geschnatter droht,
Schmählich nicht ist's da, zu fliehen, wirst auch mutlos nicht genannt,
Suchst du's Weite, wenn mit Teufeln — fluchend — dir ein Pater droht.
Feig doch bist du, weichst du fliehend, wenn in ernster Mahnung Wort
Mit Erwachen aus dem Traume treu dir ein Berater droht.
Feig auch bist du, willst du zaudern, auszulöschen rasch den Brand,
Wenn mit Einsturz und Verderben deiner Lüste Krater droht.
Feigheit ist's, tust du das Gute darum nur in dieser Welt,
Weil — wie deine Lehre lautet — dort ein strenger Vater droht.

IX.

Dein ganzes Tun und Lassen, Tor, wohl freilich ohne Halt ist,
Wenn deines Hirns Geweb' nicht straff, dein Herz nicht warm, nicht kalt ist.
Und beides steht in deiner Hand, du kannst dir beides schaffen,
Denn Geist und Herz — erkenn' es nur — in festen Sinn's Gewalt ist.
Und bringst du's auch nicht bis zur Höh' des himmelnahen Zieles,
So tröste dich! —du bist nicht schuld, daß Sandstein nicht Basalt ist.
Sei nur bestrebt, daß wüst nicht bleibt der Felsgrund deines Lebens, —
Laß blühen, was erblühen kann — und wenn's in einem Spalt ist.
Und sieh', daß deines Lebens Lenz ein Blühn ist deines Geistes,
Und daß dein Frühling nicht ein Trug und nicht bloß bunt gemalt ist.
Und nimm zusamm' die volle Kraft, des Seins Pokal zu schwingen,
Bevor die Seele todesmatt, das Herz zum Welken alt ist.

X.

In's tiefe Blau des Himmels tauch' voll Sehnsucht ich die Blicke
Daß, schwimmend in der Klarheit Glanz, die Seele sich erquicke.
Ich bade in der Lüste Flut mich rein vom Erdenstaube,
Befrei' mich von der Last, die stets uns haftet im Genicke,
Ich schwing' mich auf, von allem frei was niederdrückt in Schwere,
Entringe mich des Daseins Alp, den ich zum Abgrund schicke.
Und wenn ich wieder nieder muß zur Erd', der ich entflogen,
Fühl' wieder ich mich stark, daß ich die Blößen überstricke.
Die Blößen an der Menschheit Leib helf' wieder ich bedecken,
An dem ich manchen Auswuchs auch im Brand des Lichts ersticke.

XI.

Der Menschheit Blühn ist's, was dich meist bewegt;
Des Volkes Glück dir Herz und Geist bewegt.
Du spähst in Sehnsucht nach des Lebens Hauch
Der's Völkermeer, das er umkreist, bewegt.
Ausjubelnd kündest du das kleinste Land,
Das neu entstiegen sich erweist, bewegt.
In Wehmut sinkst du, wenn kein Frühlingswind
Manch Gletschervolk, gar lang vereist, bewegt.
Doch — Mut! es führt uns näher stets dem Ziel
Der Geist, den deine Seele preist bewegt.

XII.

Ein neues Leben steigt empor aus wildbewegten Kampfes Flut
Schon rasselt auf des Tages Tor, umflammt von goldner Morgenglut
Die Menschheit sprang mit raschem Sprung aus langem Traum der Dämmerung;
Die Riesin Nacht die Macht verlor, — als Morgenrot verrann ihr Blut.
Nun sinkt der Geist nicht mehr zurück, der Menschheit, aus des Tages Glück,
Und immer voller bricht hervor die Blüt', die in der Knosp' geruht.
Und steigt noch manch Gewölk herauf und mancher Sturm in scharfem Lauf, —
Die Windsbraut knickt nur schwaches Rohr, der Baum besteht in Sturmeswut.
Und immer voller blüht der Baum in geistesduft'gem Blütentraum, —
Sing', Menschheit, einen Jubelchor! vergiß dein Leid mit gutem Mut!

XIII.

Oft ruht ein Aug' in Sehnsucht auf dem deinen und ahnst es nicht;
Ein Blick will sich mit deinem Blick vereinen und ahnst es nicht.
Es flammt und glüht und zittert dir entgegen in heißem Drang —
Es will als Stern der Liebe dir erscheinen und ahnst es nicht.
Du blickst vor dich in träumerischem Sinnen, nichts achtend rings,
Indes ein Aug' möcht übergehn in Weinen und ahnst es nicht.
Es zieht um dich ein Weben und ein Schweben, von Sehnsucht voll,
Ein Wehn mit Schwingen, lichten, flammenreinen — und ahnst es nicht.
Du schaust, versunken, in ein Meer der Wonne, voll lichter Glut,
Indes ein Herz in Weh fast will versteinen, und ahnst es nicht.

XIV.

Ein Herz, du liebst! du kannst es nicht verbergen!
Du kannst nicht, was so mächtig spricht, verbergen!
Des Frühlings Keim, der hebt die weiche Erde,
Kann nicht den Liebesdrang zum Licht verbergen;
So wogt die Brust dir, hebend sich in Liebe, —
Wer mag wohl auch sein best' Gedicht verbergen!
Wer mag den hellen Ausbruch heil'ger Flamme,
Die aus des Herzens Gluten bricht, verbergen!
Und wer auch soll, wenn es am schönsten leuchtet
In ew'gem Licht, sein Angesicht verbergen!

XV.

Der Zauber, der leuchtend dein Wesen umfloß — wie hat er mich berückt!
Die Wonne, die hold in mein Herz sich ergoß — wie hat sie mich beglückt!
Dein Blick, er durchzuckte mir Seele und Leib, daß innerst ich erbebt;
Dein Lächeln, dein Gang, dein Schweigen, dein Wort — wie hat es mich entzückt!
Das milde Gewähren, das Dulden des Drangs, der heiß zu dir mich zog, —
Wie hat es den Weg zum Entzücken vom Weh mir golden überbrückt!
Wie hat mich dein reiches, dein quellendes Herz, erzitternd im Schauder der Lust,
Durchschüttert mit süßer, begeisternder Huld, in Wonne fast erdrückt!
Es liegt dir im Schoß mein umleuchtetes Haupt, du schaust mich selig an,
Und dankest dem Geiste der Lieb', der so reich das Sein uns ausgeschmückt.

XVI.

Kind! wie wird dein Antlitz sein nach fünfzig Jahren?
Schmückt es noch der milde Schein, nach fünfzig Jahren?
Wird nach all' der Lust und all' dem Leid des Lebens
Es noch glühn so engelrein, nach fünfzig Jahren?
Wird noch aus den Furchen, von der Zeit gegraben,
Leuchten froh die Seele dein, nach fünfzig Jahren?
Wird der Schönheit Flamme glühn noch im Verlodern,
Überdauernd alle Pein, nach fünfzig Jahren?
Wird aus deinem Aug' süßschmerzliches Erinnern
Fallen auf den Hügel mein — nach fünfzig Jahren?

XVII.

Die Liebe aus dem Herzen bricht wie Duft der Rose,
Umwehend leis' das Angesicht wie Duft der Rose,
Der Knospe gleich erglüht das Herz im Drang des Blühens,
Das ganze Sein umschwebt es licht wie Duft der Rose.
Wer liebt, der sieht es wunderbar in Lüften weben,
Zu seinem Wesen alles spricht, wie Duft der Rose.
Wer liebt, der hört es zauberhaft in Lüften singen,
Dem ist, als kläng' ihm ein Gedicht — wie Duft der Rose.
Wer liebt, dem ist die ganze Welt ein Reich der Wonne,
Sie haucht ihn an — o stör' ihn nicht — wie Duft der Rose.

XVIII.

Besorge nichts! dich wird nicht diese Luft ersticken!
So schön der Tod auch wär', in Rosenduft ersticken.
Lausch' ohne Furcht dem Sang, der überquillt von Rosen, —
Dir ist es nicht bestimmt, in Rosengruft ersticken.
Kein Stündlein früher wirst durch meines Sanges Duften,
Als dich mit kaltem Hauch das Schicksal ruft, ersticken.
Sei lieber auf der Hut vor'm Sumpf auf deinem Wege,
Du könntest sonst fürwahr in arger Kluft ersticken.
Wenn Lüge Stickluft wär', entrauchend falschem Munde,
In seinen Worten müßt manch heil'ger Schuft ersticken.

XIX.

Vergnüglich ist's oft, kleinen Scherz zu treiben;
Doch frevelhaft, mit Herzen Scherz zu treiben.
Wie furchtbar ist die Qual des armen Herzens,
Das du das Herz hast, kalt in Schmerz zu treiben!
O Schreck! statt eines Duftpfeils von Entzücken,
Tief in ein Herz ein Schwert von Erz zu treiben!
Statt leidenschaftlich glühn in holdem Ernste,
Frech mit dem Heiligsten nur Scherz zu treiben;
Und, statt in süßen Wahnsinn lichter Liebe,
In der Verzweiflung Nacht ein Herz zu treiben!

XX.

Der Seele Sehnen, o es stiegt so gern
In ew'ge Fernen, wo sich's wiegt so gern!
Und in des Träumens erdverlornem Flug
Dem Ew'gen es am Herzen liegt so gern.
Das Unnennbare sucht's im Weltenraum,
Wo heiß es sich an Sterne schmiegt so gern.
Dem Kind gleich es sie langend haschen will,
Dem sich der Himmel niederbiegt so gern.
Und der Gedanke, daß des Lebens Trug
Nicht flücht'ges Spiel nur sei, er siegt so gern!

XXI.

Horch! Frühlingssturm! Im weiten Kreis erbeben
Die Höhn, die bis zur Tiefe leis' erbeben.
In Wald und Tal erwacht ein zitternd Drängen;
Des Lichts Geschoß macht tief das Eis erbeben.
Es klingt und schmilzt; und alle Zweige, knospend,
Mit allem, was geküßt sich weiß, erbeben;
Und Feld und Hain vom Sang der Schwingenträger
Aus ewig heil'ger Macht Geheiß erbeben;
Und im Entzücken tönend auch die Saiten
Der Seele laut zu deren Preis erbeben.

XXII.

Willst du dichten, fange sinnend in der Schönheit goldnes Netz
Die Gedanken und Gefühle, folgend holdem Sprachgesetz.
Sammle dich in heitrer Andacht und vertiefe deinen Geist,
Daß dein Wort, wie Lebens Urquell, Lauschers trunkne Seele letz'.
Wie dem Keim der Blütenstengel schlank entwachse dir das Lied,
Indes Gottes hehrem Tempel Leichtsinn nicht den Schnabel wetz'.
Form und Inhalt sanft verschmelzend laß erklingen den Gesang;
Wohllaut die Gedanken binde, Ungeschmack sie nicht zersetz'.
Wer in Willkür Worte kuppelt und in Mühsal Reime quält,
Nie wird ein Gedicht der schaffen, nur ein klirrend Wortgehetz.

XXIII.

Ein segenbringend Wetter ist das Wort,
Und oft ein kühner Retter ist das Wort.
Doch stumpfe Wehr ist es in manchem Mund,
Und oft nur ein Gezeter ist das Wort;
Denn ohne Wahrheit, Klarheit, ohne Mut
Und Geist nur tote Letter ist das Wort.
Nur in der rechten Stund, im rechten Mund
Ein zwingender Vertreter ist das Wort;
Und auf den stummen Trümmern falschen Scheins
Ein siegendes Geschmetter ist das Wort.

XXIV.

Wer Gold und Edelstein im Berge hat,
Und wer im Dienst getreue Zwerge hat,
Der braucht zu klopfen nur an dem Gestein —
So blitzt zu Tag, was er im Berge hat;
Und mit der Frachtfahrt übers Traumes-Meer
Wohl keine Not des Geistes Ferge hat.
Doch, wer statt Goldesstufen taub' Gestein
Und nichts als blinden Wahnes Särge hat;
Wer, statt Juwelen und Geschmeide, nur
Die heiße Lust, daß er sie berge, hat;
Umsonst durchwühlt der gierig Herz und Haupt,
An ihm nur Lust des Hoffens Scherge hat.

XXV.

Die selbst den Gott im Dichterbusen tragen,
Die scheu'n sich, Andrer Schaffen anzuklagen.
Nur Mißgunst, Hochmut oder Schreibknecht-Treiben
Beschimpft das Dichten Andrer mit Behagen.
Weil Manchem selbst kein Lorbeerblatt will grünen,
Sucht er als Wurm an Andrer Kranz zu nagen.
Statt froh den Wert in deinem Werk zu sehen,
Treibt solchen Wicht es, Mängeln nachzujagen.
Statt dich vielleicht mit klugem Wink zu fördern,
Dreht lieber er dir meuchlings um den Kragen. —
Doch — die den Kuß der Gottheit selbst empfangen,
Die werden niemals dir in's Antlitz schlagen.
Sie sehn den Gott in dir —und sei's verschleiert, —
Die selbst den Gott im Dichterbusen tragen.

XXVI.

Schütze, Künstler, dein Gebilde
Mit der Schönheit keuschem Schilde!
Kannst du nicht Gewalt'ges schaffen,
Gib ihm Wert durch klare Milde,
Kannst du nicht als Sturmwind brausen,
Zieh' als Dufthauch durchs Gefilde.
Kannst du Löwen nicht erlegen,
Folg' doch nur dem Edelwilde.
Lieber Diener sei der Gottheit
Als der Herr gemeiner Gilde.

XXVII.

Zu jedem hochgesungnen Ton eilt ihr herbei in Scharen;
Zu jedem Tanz Einbeiniger! —ihr seid mir schon die Wahren!
Dem Mimen, der des Dichters Werk erträglich nur euch schildert,
Dem werft ihr einen Kranz oft für sein Meisterstück von — Haaren.
Dem list'gen Virtuosen, der euch narrt, daß Saiten springen,
Dem spannt ihr gar die Pferde aus, daß ihr ihn selbst könnt fahren
Den Schöpfern doch im Reich der Kunst, den gotterfüllten Bildnern,
Den Dichtern, die in Wort und Ton das Höchste offenbaren;
Den Sternen in der Wissenschaft geht blöd ihr aus dem Wege; —
Habt recht, daß ihr das Reine wollt von euerm Schmutz bewahren!

XXVIII.

Dem See gleich — wild bewegt im tiefsten Grund,
Ist oft das Herz erregt im tiefsten Grund.
Im See haust ein Nixe (sagt die Mär'),
Die heiße Liebe hegt, im tiefsten Grund.
Wenn arglos naht ein blühend Menschenkind,
Fährt auf sie, flutumfegt, im tiefsten Grund.
Der See braust auf in lautem Wogenschwall, —
Den Schiffer bleich er liegt, im tiefsten Grund.
Im Herzen haust wohl auch so dunkle Macht,
Die wilder Lieb' oft pflegt im tiefsten Grund.

XXIX.

Kein Wunder, daß manch' Aug' in Tränen steht,
Wenn's auch nicht eben Unglückshauch umweht.
Verborgen stets das Leid im Herzen haust,
Wenn ihr's auch immer nicht als Träne seht.
Und manchmal drängt es sich in's Aug' hervor,
Wenn auch kein Sturm des Lebens Fähnlein dreht.
Wer wirklich las im Lebensbuch, der weiß,
Daß er vergebens wahres Glück erfleht;
Dem blüht nicht Lust, wenn's hoch kommt — Heiterkeit,
Im tiefen Weh', das durch dies Leben geht.

XXX.

Des Dichters abgrundtiefes Weh —ihr kennt es nicht;
Das Feuer, das sein Herz durchzuckt — euch brennt es nicht.
Ihr habt im Sein wohl auch des Leidens viel,
Doch euer Herz so wild durchrennt es nicht.
In Tränen strömt ihr aus all euer Weh, —
Doch alle Klag' vom Dichter trennt es nicht.
Die Wunde, die euch allen bald vernarbt,
Ihn schmerzt sie fort — sein Singen nennt es nicht.
Mit Rosen überdeckt sein Lied das Leid —
Ihr mögt es ahnen, doch — ihr kennt es nicht.

XXXI.

Der Abend naht, die Lüfte wehen stiller, immer stiller;
Sie flüstern, eh' sie schlafen gehen, stiller, immer stiller.
Die Wolken, die im Winde wallten, halten ein im Fluge
Und ziehen, bis sie stille stehen, stiller, immer stiller.
Der Waldsee, der erbrausend wogte, wird — im Traum versinkend, —
Noch leis' geküßt von durst'gen Rehen, stiller, immer stiller.
Es haucht und weht durch Strauch und Bäume, wunderbar umleuchtet,
Es geht ringsum, so wie auf Zehen, stiller, immer stiller.
Das Herz, das laut in Wonne bebte, wird — gewiegt in Ruhe, —
Als wär's um seinen Schlag geschehen, stiller, immer stiller.

XXXII.

Trink', o Seele, gleich der Blume, holder Nacht Entzücken!
Laß durch ihren stillen Zauber innerst dich beglücken!
Wenn des Mondes milde Leuchte sendet süße Strahlen,
Laß das Antlitz mit dem reinen Silberglanze schmücken!
Laß den Lichtkranz goldner Sterne, lieblich dich umblinkend,
Von der Nacht geheimen Geistern auf das Haupt dir drücken!
Laß im leisen Sehnsuchtwehen, das die Nacht durchhauchet,
Deines Daseins tiefen Abgrund träumend überbrücken!
Laß, verschwimmend in der Wonne, die vom Himmel tauet,
In den Schoß allew'ger Ruhe schlummernd dich entrücken!

XXXIII.

Traue nur, Lieb', dem verheißenden Licht — Nacht ist verschwiegen, verratet dich nicht!
Traue dem Stern, der die Wolke durchbricht, — Nacht ist verschwiegen, verratet dich nicht!
Sitzt auch ein Vöglein daneben am Baum, wo du dich lagerst in wonnigem Traum, —
Lauschendes Vöglein sagt weiter es nicht, — Nacht ist verschwiegen, verratet dich nicht!
Weile nur heimlich im Talgrund entzückt, wo du dein Liebchen an's Herz dir gedrückt,—
Mondlicht dich schweigend mit Strahlen umflicht, — Nacht ist verschwiegen, verratet dich nicht!
Flüst're nur selig im Arme der Lieb', — bis dir kein Wörtlein zu sagen mehr blieb, —
Nacht vom Geheimnis der Liebe nicht spricht, — Nacht ist verschwiegen, verratet dich nicht!
Schling' um den Hals der Geliebten nur warm, bebend im Kuß, den verlangenden Arm, —
Kennst du auch nimmer das strenge: Verzicht! — Nacht ist verschwiegen, verratet dich nicht!

XXXIV.

Schwinge dich, Jugend, auf fliegenden Sohlen,
Flutende Lust dir im Tanze zu holen!
Schlinge den Arm um die wogende Schöne,
Die dich umgarnte mit Blicken verstohlen!
Leit' sie mit Zartheit im treibenden Klange,
Die dir ihr Wesen in Freude besohlen!
Wahre die Knospe — erblüht dir in Händen, —
Brennt es im Herzen auch heiß dir, wie Kohlen!
Fällt' ihr kein Blättchen im Schweben und Schwingen
Bebt dir das Herz auch, daß zittern die Bohlen!
Jubelnd verscheuch' so die eifernden Frömmler,
Die euch mit Krächzen umflattern, wie Dohlen!

XXXV.

Laßt uns den weingoldhellen Becher schwingen!
Laßt uns den Hut, ihr frohen Zecher, schwingen!
Umleuchtet von der Rosen duft'gen Flammen,
Laßt uns der Wonne weichen Fächer schwingen!
Laßt sorglich Kühlung fächeln, wenn wir glühen,
Daß wir uns toll nicht über Dächer schwingen!
Doch laßt des Trunkes Labung euch nicht rauben
Durch Netze, die gar schlaue Schächer schwingen!
Für jeden Becher, den sie uns vergällen,
Laßt einen neuen uns als Rächer schwingen!

XXXVI.

Die Gläser in freudiger Runde geschwungen!
Und fröhlich in lachender Stunde gesungen!
Das Leid in Gesang und in duftigem Wein
Mit jauchzend erschallendem Munde bezwungen!
Aus flüssiger Goldflut umdämmerndem Schein
Ist ewig die lieblichste Kunde geklungen.
Die Freude des Lebens ist leicht nur allein
Dem Weingold in blinkendem Funde gelungen,
Genesung der Seele wird sicher dir sein,
Ist Weinduft ihr sanft in die Wunde gedrungen.
Nur herzhaft getrunken! — schläfst trinkend du ein,
So hast du nach seligstem Bunde gerungen!

XXXVII.

Bevor dir winkt dies Erden-Sein, liegst du im Schoß der Liebe;
Und schaust du dieses Lebens Schein, liegst du im Schoß der Liebe.
Der Mutter Auge dich bewacht, ihr Arm an's Herz dich drücket,
Und froh gedeihend ohne Pein, liegst du im Schoß der Liebe.
Nun wirst du groß, dein Blick wird weit, dein Herz steht bald in Flammen;
Da trinkst du des Entzückens Wein — liegst du im Schoß der Liebe.
Und mit der Liebe kommt das Leid, die Rosen haben Dornen,
Doch aller Schmerz erscheint dir klein, liegst du im Schoß der Liebe.
Zuletzt greift starr des Todes Hand dir kalt in's warme Leben;
Und sinkt hinab dein schwarzer Schrein, — liegst du im Schoß der Liebe.

XXXVIII.

Haut dir das Schicksal in's Herz, stäubt es wie Funken hellauf;
Gießt es dir Freude hinein, singst du wie trunken hellauf.
Drangsal versetzt dich in Zorn, Glückshauch erhebt dich in Lieb';
Sterne besingst du entzückt, wenn sie dir prunken hellauf.
Hat sich der Himmel umwölkt, o wie vergißt du so bald,
Daß dir Gestirne geglänzt, eh' sie versunken, hellauf,
Hörst du der Nachtigall Sang, jauchzest du wonnig in Lust;
Kaum ist verklungen ihr Lied, hörst du nur Unken hellauf.
Wäre wohl besser, dein Herz dächte an Freude im Leid,
Dächt' an der Sterne Vergehn, streu'n sie noch Funken hellauf!

XXXIX.

Was not tut in der Welt, das ist nur eins;
Und wer sein Spiel verliert, vergißt nur eins:
Mit Lächeln ruhig stehn in diesem Sein,
Das von uns fordert ewig, wißt, nur eins.
Und wenn du alles hast — es fehlt dir viel,
Du Ärmster, wenn dein Herz vermißt nur eins!
Dies Eine ist das Alles. O erstreb',
Mit deines Geistes ganzer List, nur eins —
Das heitre Lächeln in des Lebens Drang,
Wo's gilt, daß mit dir selber bist nur eins!

XL.

Ein Geist, der jählings außer Rand und Band ist,
Wird nie zum Geist, der stets in deiner Hand ist.
Die Leidenschaft — der Gottheit heil'ge Flamme —
Frommt nur, wenn sie ein gut bewachter Brand ist.
Wohl schal wär', ohne Leidenschaft, dein Streben,
Doch heillos ist's, wenn stets sie übern Rand ist.
Der rennt wohl sicher ein sich seinen Schädel,
Der blindlings durch will dort, wo harte Wand ist.
Bewachte Leidenschaft ist höchstes Leben,
Und alles andre nur lebend'ger Tand ist.
Glutspeiende Vulkane laut dir's künden,
Daß wilde Leidenschaft nur Unverstand ist.
Und ein Orkan hat Recht nur, wenn vom Gifthauch
Todschwangrer Dünste rings erfüllt das Land ist.

XLI.

Wenn heut' ich fall' im Lebensstreit — ich bin bereit;
Und ist's auch früh noch an der Zeit — ich bin bereit!
Wohl hab' mit Rosen ich mir rings bepflanzt den Weg,
Doch auch durch Blumen wird's oft weit — ich bin bereit!
In sanftem Alter still verlöschen, wie ein Licht, —
Wer rief da nicht in Freudigkeit: ich bin bereit!
Ach, meist doch bricht das bange Aug' in Schmerz und Qual;
Viel lieber rasch vom Sein befreit! —Ich bin bereit!
Ein schneller Tod, wie Blitzesstrahl; — o schönes Los,
Sei tausendmal gebenedeit! — ich bin bereit!
Die Zuversicht, daß reicher stets die Menschheit blüht,
Gibt mir ein frohes Grabgeleit — ich bin bereit!

XLII.

Wenn höchste Höh'n wir auch erstiegen gleich,
Wir sind doch nur den Eintagsfliegen gleich;
Sind Stäubchen in des Erdenlebens Kreis,
In welchem wir auch Stäubchen wiegen gleich.
Die Erde selber ist ein Stäubchen nur,
Wenn wir auf ihm auch prahlend liegen gleich.
Und wenn wir auch in unsrer Einfalt arg
Uns aus dem Stäubchen oft bekriegen gleich.
Es wird vergehn, wie größ're noch vergehn,
Vermeinen wir auch oft, zu siegen, gleich.

XLIII.

Als Pessimisten wollt ihr nimmer gelten,
Ihr laßt euch lieber Optimisten schelten.
Nun, wenn's euch tröstet, mag der Schein euch trügen,
Der hier euch weist die beste aller Welten!
Die schärfer in der Dinge Wesen schauen,
Sind freilich wohl wie weiße Schwalben selten;
Nicht Grämlinge doch sind sie, Weltverachter,
Weil sie der Wahrheit Ernst sich nicht verhehlten —
Der Wahrheit Ernst, daß freien Willens Flügel
Uns niemals wachsen, wie sie stets uns fehlten.
Uns still ergebend in den ew'gen Willen,
Wir heiter wohnen in des Daseins Zelten.

XLIV.

O Mensch, du mächtig rührend Sein!
Du Schatten in des Lebens Schein!
Du Lichtpunkt dieser Welt zugleich,
Umnachtet von der Mühsal Pein!
Entstammt der Liebe Flammenglut,
Fällst bang in's Dasein du herein.
Du strebst und hoffst bis bald der Haß
Dir arg vergällt des Lebens Wein.
Du schleppst in Qual dich hin und sehnst
Zuletzt dich nach der Ruh im Schrein.
Du kommst und gehst — ein flücht'ger Traum
O Mensch, du mächtig rührend Sein!

XLV.

Wie Wolken durch der Lüfte Raum wir alle gehn vorüber;
Wie Blüten an des Lebens Baum wir alle gehn vorüber.
Genug, wenn wir den Wolken gleich als Segen niederfallen,
Und schwindend nicht als lust'ger Traum wir alle gehn vorüber.
Genug, wenn wir den Blüten gleich erglühn, die Früchte bringen,
Und welkend nicht, erschlossen kaum, wir alle gehn vorüber.
Beglückt vielleicht, wer blind sich wiegt in holder Täuschung Truge,
Nicht faßt, daß, wie des Abends Saum, wir alle gehn vorüber; —
Den Wissenden doch schreckt auch nicht der scharfe Schluß der Wahrheit:
Daß, wie der Wölkchen leichter Flaum, wir alle gehn vorüber.
Der starke Geist blickt heiter drein, bedenkt er, daß auf ewig —
Zerrinnend wie der Woge Schaum — wir alle gehn vorüber.

XLVI.

Du hast mich nun getäuscht genug, fahr' hin!
Du kühnen Hoffens ew'ger Trug, fahr' hin!
Die Jugend schwingt sich stolz auf's Lebensroß
Und ruft zur Sorge, keck im Bug: — Fahr' hin!
Wie bald doch solch ein Reiter stürzend sinkt,
Der laut zur Klugheit rief im Flug: Fahr' hin!
Ein Wunder fast, wenn Einer nicht zerschellt,
Der toll zur Vorsicht rief: Was, klug! — fahr' hin!
Nicht lang tobt wüst sie hin die wilde Jagd,
Die's laut umschallt im Sturmeszug: Fahr' hin!
Ist, argzerfleischt, der Reiter nicht gestürzt,
Ruft bald erkennend er: O, Lug, fahr' hin!
Zum Schritt zwingt bald er's Roß und ruft zum Trug —
Sich spannend vor der Mühsal Pflug: — Fahr' hin!

XLVII.

Jetzt, müdes Herz, jetzt laß' den Wahn — faß' neuen Mut!
Zerschellt ist deiner Sturmfahrt Kahn — faß' neuen Mut!
An Klippen hast du dich geklammert noch zur Not, —
Das Rettungsseil, o faß' es an; faß' neuen Mut! —
Du zauderst? sinnest starren Blicks auf Untergang? —
Vielleicht ist hell noch deine Bahn, — faß' neuen Mut!
Schon mancher Kämpfer fiel und hob sich kühn zum Sieg
Und schwang die schon gesenkte Fahn', — faß' neuen Mut!
Noch mehr als du verzweifeln müßten Hain und Flur:
Der Lenz an frisches Blühn dich mahn' — faß' neuen Mut!

XLVIII.

Du littest, ach, wie leicht nicht Einer litt!
Und strittest, ach, wie leicht nicht Einer stritt!
Doch kamst du auch — wenn blutend gleich — an's Ziel,
Zu dessen Höh' wohl leicht nicht Einer schritt;
Denn auf die Firn', von der verstummt man sieht
In's Herz der Welt, geht leicht nicht Einer mit.
Du rittest kühn des Schicksals wildes Roß,
Das wildeste, das leicht nicht Einer ritt.
Du trittst mit heiterm Lächeln an dein Grab
In solcher Ruh', wie leicht nicht Einer tritt.
Und mit des Lebens argem Wirrsal wird
So bald, wie du, wohl leicht nicht Einer quitt!

XLIX.

Des Daseins Rätsel trägst du tief im Innern
Als ewig unlesbaren Brief im Innern.
Und wie auch manche Stimme aus der Tiefe
Der Seele dir vernehmlich rief im Innern;
Und wie in dir auch aufzuckt manche Regung,
Die lang als stumme Rune schlief im Innern;
Unheimlich trägst du ewig das Geheimnis
Mit dir als finstre Hieroglyph' im Innern;
Des Rätsels Lösung wird dir nimmer werden,
Bis sich des Lebens Flut verlief im Innern.

L.

Im Osten aufwärts schoß ein goldner Schein;
In Flammen sich ergoß ein goldner Schein;
Und Flur und Au und Wald und Berg und See
Und Aug' und Herz umfloß ein goldner Schein.
Aufklang im Liede laut des Sängers Herz
In das sich leuchtend schloß ein goldner Schein.
Das Lied flog in die Welt mit hellem Klang —
Um's Haupt des Sängers floß ein goldner Schein.
Des Morgenhimmels Rosen sanken welk,
Die klingend übergoß ein goldner Schein.
Die Sonne schied, am Himmel starb das Licht, —
Dem Lied doch stets entfloß ein goldner Schein.