Prolog
|
Schwing' dich hinauf, du lichte Morgensonne,
Und lache nieder in die Frühlingswelt,
Daß Lust und Leid zerfließ' in eine Wonne,
Bis klares Mondlicht auf die Gräber fällt!
Dir hab' ich's ja zu danken, Frührotschimmer,
Dir, grüner Lenz, mit deiner Liebeslust,
Dir, stille Nacht, die oft wie Tränenflimmer
Mit mir getrauert an der Erde Brust.
Dir danke ich des Sanges froh' Gelüsten,
Dir, klarer, lieberfüllter, freier Sinn,
Den ich gesogen aus des Lebens Brüsten,
Dir dank' ich es — wenn ich ein Dichter bin!
Und so wie Jeder eigens sich gestaltet
Nach seiner Weise seine Liederkraft,
Der Eine wie mit einem Schwerte waltet,
Und der so wie mit Segenshänden schafft,
|
So winde ich aus meinen Liedern Kränze:
Ich winde sie aus stillem Morgenrot,
Und aus den Blüten meiner Jugendlenze,
Aus Lust und Schmerz, aus Sternennacht und Tod.
Und sollte einst ein Morgen trüb erscheinen,
Und blütenleer dereinst ein Frühling sein,
Und bitt'rer Schmerz des Lebens Lust verweinen,
Und auf dem Grabe glüh'n — kein Sternenschein;
Dann ist's wohl Manchem lieb, ein Licht zu sehen,
Und wär' es auch ein schwacher Morgenglanz,
Und Mancher läßt sich gerne dann umwehen
Vom Duft aus einem Frühlingsliederkranz.
Und Mancher will auch gerne dann im Schmerze
Sich stärken durch ein freudiges Gefühl,
Und mit der Sterne ewig blankem Erze
Kauft er sich Mut für's Todeskampfgewühl.
|
Und ob sie welken werden all' die Kränze?
Das weiß der Gott, der gab des Sanges Wort —
Er schuf die Sonne, daß sie ewig glänze,
Und was er geistbeseelt — lebt ewig fort! —
|