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I.
Naturstimmen  2

 

Berglied
Waldesgruß
Im Verborgenen
Im Waldesgrund
Wasserfall
Sommergrün
Abenteuer
Heiligenschein
Elisabeth
Überall
Sternblumen
Mondlied
Nachtschmerz
Nachtbild
Schutz
Blütezeit
Fallende Blätter
Eisblumen
Naturleben
Trübes Sein
Sängerneid
Ein Baum
Liederseelen
Geheimnis
Todesmorgen
Goldner Schein

 

Berglied

O Lust, o Lust, vom Berg ein Lied
Ins Land hinauszusingen!
Wie brausend es hinunterzieht,
So wie auf Riesenschwingen!

Du stiller Hauch aus lauter Brust
In Lust und Leid entrungen,
Du wirst zum Klange, unbewußt,
Für alle Welt gesungen!

O schwing' dich erd- und himmelwärts —
Der Seele klingend Sehnen! —
Und fall' der ganzen Welt ans Herz,
In hellen Freudentränen!

Was still sonst nur die Brust durchzieht,
Flieg' aus auf lauten Schwingen! —
O Lust, o Lust, vom Berg ein Lied
In's Land hineinzusingen!

Waldesgruß

Und schreit' ich in den Wald hinaus,
Da grüßen mich die Bäume,
Du liebes, freies Gotteshaus,
Du schließest mich mit Sturmgebraus
In deine kühlen Räume.

Da sink' ich an das laute Herz
Der Einsamkeit des Waldes —
Das größte Leid wird süßer Schmerz,
Auf Liederschwingen himmelwärts
Verklingt es und verhallt es.

Geheimes Flüstern hier und dort,
Verborgnes Quellenrauschen —
O Wald , o Wald, geweihter Ort,
Laß mich der Liebe reinstes Wort
An deiner Brust belauschen!

Was leise mich umschwebt, umklingt, —
Ich will es treu bewahren,
Und was in Klarheit mich durchdringt,
Will ich, vom Geist der Lieb' beschwingt,
In Liedern offenbaren!

Im Verborgenen

Wenn der Himmel noch so rein,
Wenn die Sonne golden strahlt,
Gibt es immer feuchten Grund,
Dort im Anger, hier im Wald.

Und wenn Blick und Miene hell
Und wenn froh des Herzens Schlag,
Glaubt ihr nicht, daß wo im Aug'
Sich ein Tränlein bergen mag?

Im Waldesgrund

Tief im Schatten mächt'ger Bäume
Lag ich still im Waldesgrün,
Aus den Blättern sah'n, wie Träume,
Blüten hell im Abendglüh'n!

Und die Zweige hingen nieder,
Liebeatmend, auf mein Haupt,
Und das Grün hielt mir die Glieder
Bis in's Herz hinein umlaubt.

Alles schwieg; die Luft bewegte
Nicht ein Blatt, das Kühlung gab,
Und mir war es so, als legte
Mich der Tod in's stille Grab.

Wasserfall

Durch dm dunklen Fichtenwald
Führt der Weg so grün und still,
Leise nur die Luft erschallt,
Wie ein Kind, das reden will.

Dunkler wird der Waldesraum
Aber heller wird das Licht,
Das sich drängt durch Fels und Baum,
Der mit lauten Zweigen spricht.

Da erbraust's wie Jubelschall,
Freudig stürzt vom Fels die Flut, —
Wellenglanz und Wogenschwall
Gern im Arm des Tales ruht.

Sommergrün

Überall der Sonne Glut,
Wald und Wiese trocken;
Lebensquell und Wellenflut
Will im Laufe stocken.

Nur im Friedhof lachend Grün,
Lebensvolle Sprossen, —
Gottesacker muß ja blüh'n,
Tränenübergossen.

Abenteuer

Kommt der stille Abendwind:
Sei gegrüßt, schön Rosenkind!
O du treues Liebchen mein,
Sei gegrüßt im Mondenschein!

Röslein will vor Angst vergeh'n,
Denn der Liebste könnte seh'n,
Daß Johanniswürmchen klein
Schlief in ihrem Schoße ein.

Weckt den goldnen Buhlen auf, —
Müder Glühwurm hört nicht drauf;
Deckt nun seine süße Ruh'
Schnell mit roten Blättern zu.

Doch das liebe Käferlein
Glüht mit seinem goldnen Schein
Aus der Rose dunklem Schoß,
Daß es widerscheint im Moos. —

Abendwind der spricht kein Wort,
Aber zitternd weht er fort,
Kommt zurück als lauter Sturm
Und verjagt den armen Wurm.

Röslein heiß in Tränen schwamm,
Wie als Sturm der Liebste kam,
Will ihm alles frei gesteh'n —
Nimmer, schwört es, soll's gescheh'n!

Und als nun der Sturmwind sah,
Daß dem Röslein leid geschah,
Legt er sich in ihren Arm,
Noch vom Glühwurm sündig warm.

Noch mal fährt er zornig auf,
Legt sich aber bald darauf,
Flüsternd durch den frohen Strauch:
Ließ zu lang sie warten auch!

Trocknet still ihr Angesicht,
Drückt sie dann an's Herz und spricht:
So, jetzt weh' ich wieder lind, —
Sei gegrüßt, schön Rosenkind!

Heiligenschein

Dunkle Wolken in der Luft —
Und des Waldes Bäume schweigen,
Und die Blumen träumend neigen
Tief ihr Haupt, voll süßem Duft.

Und die Erde schwebt im Traum —
Nur das heil'ge Elmusfeuer
Leuchtet durch den Abendschleier,
Flammt am Berge, glüht am Baum.

Kühl umweht vom Abendwind,
Hält im Tal, aus Stein gehauen,
Sie, die reinste aller Frauen,
Auf dem Arm das Jesuskind.

Und ihr Haupt umströmt es licht —
Um der hohen Stirne Schleier
Flammet das Sankt Elmus- Feuer,
Und verklärt ihr Angesicht.

Elisabeth

Leuchtend strahlt ihr Angesicht!
Milde Himmelsbläue
Strömt aus ihren Augen, licht,
Als ein Bild der Treue.

Wenn der Armut Not und Qual
Sie mit Schmerz erfüllet,
Und des Geistes lichten Strahl
Schwarz Gewölk umhüllet,

Wandelt sie in's Tal hinein
Spendet nah' und ferne,
Ihre Augen, klar und rein,
Glühen auf wie Sterne. —

Hast es mit dem Himmel gleich,
Heilige auf Erden,
Sterne sind auch stets bereit,
Darf nur dunkel werden.

Überall

Tiefversunken in des Himmels
Zauberhafte Pracht der Sterne,
Schwelg' ich traumvoll, wonnetrunken
In der endlos weiten Ferne.

Doch, wenn ich die Blicke senke,
Zeigt mir flimmernd das Gewimmel
Leuchtender Johanniswürmchen,
Daß ja überall der Himmel.

Sternblumen

Die Augen sind Bienen,
Die Sterne sind Blumen
Im nächtlichen Blau;
Da fliegen die Blicke
Wie Bienen zu Blumen
Zur himmlischen Au.

Und oftmal entflattert
Zum blühenden Himmel
Der lüsterne Blick
Und bringt uns den Honig
Gar süßer Gedanken
Zur Erde zurück.

Mondlied

Von deinem Auge still bewacht
Hat mir das Leben einst gelacht,
Ich fühlte einst der Liebe Macht,
Von deinem Auge still bewacht.

Oft schlummerte ich selig ein
In deines Blickes mildem Schein,
Und mancher Traum hat mir gelacht,
Von deinem Auge still bewacht.

Und manches Lied aus tiefer Brust
Ertönte oft zu deiner Lust,
Und tauchte aus des Herzens Schacht,
Von deinem Auge still bewacht.

Und soll ich einst zu Grabe geh'n
Und dich, o Mond, dann nimmer seh'n, —
Dann werd' ich ruh'n in Todesnacht,
Von deinem Auge still bewacht.

Und darum ist mir nimmer bang
Um das, was ich geliebt — besang.
Es wird besteh'n in seiner Pracht,
Von deinem Auge still bewacht.

Und manches Lied, das lebensvoll
Aus meines Herzens Tiefe quoll,
Es wird bewahren seine Macht,
Von deinem Auge still bewacht.

Nachtschmerz

Es kommt die Nacht im schwarzen Kleid
So düster hergegangen,
So still und stumm, und Schmerz und Leid
Aus mondesbleichen Wangen.

In's Sternentuch gehüllt den Leib, —
Die Lüfte flüstern schaurig, —
Warum bist du, o schönes Weib,
Denn immer gar so traurig? —

O laßt mich nur im Schmerze mein!
Ich will nicht Freude lernen,
Denn all' die Tränen, die ich wein',
Sie werden euch zu Sternen!

Nachtbild

Sturmverwittertes Felsgestein
Hebt sich aus Urwaldsdunkel empor;
Hoch darüber des Mondes Schein,
Brechend aus leuchtendem Wolkentor.

Schimmernd ergießt sich die quellende Glut
Lichtmeergleich über Baum und Gestein,
Sieh'! und hoch in des Lichtes Flut
Ragt's vom Fels wie Gemäuer hinein.

Ist's ein zerfallener Riesenbau?
Ist's phantastisches Felsengebild'? —
Wohl kein Aug' erkennt es genau
Wo's Gestein wird Gemäuer wild.

Ringsum schauerlich Schweigen der Nacht;
Nur, wer des Luftgeist's Sprache versteht,
Hört eine Sage, voll Zaubermacht,
Die des Urwald's Bäume durchweht.

Schutz

In der Nacht, wenn alles ruht,
Träumend von der Ferne,
Hat der Himmel auf der Hut
Nur das Aug' der Sterne.

Doch wenn in die Welt zurück
Kehrt des Tages Wüten,
Braucht er schon den Sonnenblick,
Um sie zu behüten.

Blütezeit

Frühling sprach zum Röslein rot
Auf der grünen Heide:
Ach, du grämst dich wohl zu Tod,
Wenn ich von dir scheide?

Röslein sprach: O Frühling hold,
Wohl hab' ich dich gerne,
Liebe deiner Sonne Gold,
Deines Himmels Sterne.

Liebe deiner Lüfte Hauch,
Deiner Falter Kosen,
Doch im kühlen Herbste auch
Blühen noch die Rosen.

Und die Menschen sind ja gut,
Lassen uns nicht sterben,
Pflegen uns in treuer Hut,
Daß wir nicht verderben.

Lieber Frühling, schweige still —
Ist nicht viel dahinter,
Wer vom Herzen blühen will,
Blüht auch noch im Winter!

Fallende Blätter

                  I.

Was rauscht durch alle Zweige
Ein wehmutvoller Klang,
Als ob die Erde zeige
Ein Weh, das sie durchdrang?

Als ob ein schmerzlich Mahnen
In's Holz gezogen wär',
Das trüb mit Nebelfahnen
Den Wald umlagert schwer?

Die Bäume stehn so traurig
Im bangen Windeswehn,
Und es erfaßt sie schaurig,
Als müßten sie vergehn.

Und in den Bäumen allen
Erwacht ein tiefer Schmerz,
Und sieh — wie Tränen fallen
Die Blätter erdenwärts.

                  II.

Was wohl die Blätter — eh' sie im Schmerz
Dem Tod verfallen, dem düstern —
Am schwanken Gezweige himmelwärts
In banger Wehmut flüstern?

Schon oftmal hab' ich dem Ton gelauscht,
Der leise weht in den Zweigen,
Und immer mußt' ich, wie schmerzumrauscht,
Das Antlitz zur Erde neigen.

Es hat mich immer ein Weh erfaßt
Wenn in des Windes Weben
Die zitternden Zweige an jedem Ast
Verhauchen ihr grünes Leben.

                  III.

Wenn leis im Herbste fallen soll
Das Laub vom stillen Baume,
Da glänzt es noch einmal strahlenvoll
Im hellsten Lebenstraume.

Da strahlt es im Sterben noch einmal
Den Glanz des Frühlings wieder,
Und fällt zur Erde mit lichtem Strahl
So wie verklärt hernieder.

                  IV.

Das Herz hat sich so froh geglaubt, —
Da kam der Herbstwind kalt,
Der hat die Bäume rings entlaubt,
Das jüngste wurde alt.
Die Blumen hat er totgeküßt,
Die Vögel wurden stumm,
Und alles welk und alles wüst
Im Tale ringsherum.

Da zürnt das Herz dem Mißgeschick
Und fühlt sich tief gekränkt,
Daß Erde auch dem wärmsten Blick
Kein einzig Blümlein schenkt;
Daß, wie der Blick auch, nimmermatt,
Sich treibt durch Wald und Schlucht,
Vergebens er ein grünes Blatt —
Ein Lebenszeichen sucht. —

So ist dem Arzte wohl zu Mut,
Wenn, in erstarrter Hand,
Das erst so volle, laute Blut
Auf einmal stille stand.
Da geht er in sein Kämmerlein
Und grübelt, prüft und denkt,
Indes man einen Totenschrein
In's stille Grab versenkt.

                  V.

Jetzt fiel das letzte Blatt vom Baum,
Der Halm im Felde regt sich kaum,
Das Vöglein schweigt am kahlen Reis,
Der Bach weint hin im Tale leis.

O banges Schweigen der Natur,
Wenn sich im Herbst des Lebens Spur
In's tiefste Innerste versenkt
Der Erde, die an's Sterben denkt! —

Und solche Stunden hab' ich auch,
In welchen, wie das Blatt am Strauch,
Der Lebensmut im Herzen sinkt,
Weil gar kein Strahl der Freude winkt.

Doch denk' ich still der Lenzespracht,
Die aus dem kurzen Tod erwacht,
Da ist es mir, als müßt' es sein,
Daß manchmal zieht die Trauer ein.

Da ist es mir, als wär es gut,
Daß Lust und Leben manchmal ruht;
Und wo ein Blatt im Welken fällt,
Da grüßt ein frisches bald die Welt.

Eisblumen

Nun stelle deinen Zweifel ein
Und all' dein Widerstreben,
Und glaube jetzt, und füge dich drein —
Es gibt ein Geisterleben!

Im Traum hat eine Nachtigall
Mir laut in's Herz geflötet,
Und mir träumte von den Blumen all',
Die der kalte Winter getötet.

Da kamen im Traume, still und bleich
Die Blumen-Geister gezogen
Und hauchten mich an und verschwanden zugleich,
Und schwebten und webten und flogen.

Und Morgens, als ich aufgewacht,
Da standen sie eisig am Fenster —
In kalter, schimmernder Geistertracht
Die weißen Blumengespenster.

Naturleben

Du glaubst, die Lüfte bewegen
Sich nur so wie im Traum
Und kommen mit Sturm und Regen
Und gehen, und wissen es kaum?

Du glaubst, die Vögel singen
Gedankenlos durch die Au?
Und du glaubst, die Glocken klingen
Bewußtlos in das Blau?

Du glaubst, die Bäche rinnen
Nur hin durch Wiese und Wald
Und weilen nicht oft, mit Sinnen,
Bei den Blumen auf grüner Hald'?

Du glaubst, die Blumen weinen
Gefühllos den Tau der Nacht?
Und du glaubst, die Sterne scheinen
Und haben es nicht bedacht? —

Wie kam' es dann, daß Lüfte
Schon oft so schmerzlich geweint,
Und daß man oft im Geklüfte
Seufzer zu hören meint!

Wie könnt' es dann geschehen,
Daß oft eine Nachtigall
Zerschmelzend muß vergehen
In ihres Liedes Schall!

Wie kam' es, daß Glocken springen,
In Schmerz und in Freudigkeit,
Daß den Blumen die Blütenschwingen
Oft welken vor der Zeit!

Und wie kam' es, daß Sternenfunken
Oft fallen mit flammendem Strahl,
Und daß Bächlein, wie liebetrunken,
Die Arme strecken in's Tal?!

Der Lüfte schmerzliches Sehnen,
Und Vogel- und Glockengesang,
Und Himmels- und Blumentränen
Und alles ist Liebesdrang!

Trübes Sein

Es ist doch recht ein trübes Sein,
Bei aller Freudigkeit,
Das Auge glänzt in Jubelschein —
Im Herzen schlummert Leid.

Es ruht so still, es schläft so leicht
Das Leid in Herzensnacht, —
Wenn nur um's Aug' ein Wölkchen schleicht,
Ist gleich der Schmerz erwacht.

Oft denk' ich mir: wie wär' es gut,
Ein Baum im grünen Hain,
Ein Bach mit lichter Wellenflut,
Eine Blume im Feld zu sein.

Der Bach erreicht das tiefe Meer,
Die Tanne ist immer grün,
Und wenn ich eine Blume wär',
Wie könnt' ich freudig blüh'n!

Wie könnt' ich manches Herz erfreu'n
Mit glühender Blütenlust,
Und freudig Keime des Lebens streun,
Hinwelkend unbewußt.

Doch immer schweben in Lust und Leid,
Von drohenden Wolken umkreist, —
O Gott, trüg' ich ein Blumenkleid,
Ich wäre ja auch dein Geist!

Sängerneid

Um was ich dich beneide,
Du trauernde Nachtigall, —
Daß du immer in deinem Leide
Findest den rechten Schall,

Und daß du für deine Trauer
Immer findest ein Herz —
Den ewigen Waldesschauer
Für deinen ewigen Schmerz.

Ein Baum

Im grünen Walde steht ein alter Baum
So wie versenkt in schmerzliche Gedanken;
Sein Frühling schwand, — nur wie ein Jugendtraum
Umarmen seinen Stamm noch grüne Ranken.

Ihn rühren nicht mit ihrem hellsten Sang
Der Frühlingssänger jubelvolle Lieder,
Und auf des Baches frohen Wellendrang
Schaut ungerührt der alte Träumer nieder.

Er mag nicht blühen mehr — kaum daß er grünt,
Die Zeit hat ihm das Mark schon ausgesogen,
Sein Geist, der oft des Winters Schuld gesühnt,
Ist längst als Duft ins All dahin geflogen.

Du alter Baum! was blickst du so voll Gram
Auf all die Rosen rings im grünen Tale,
Warum willst du nur, wenn der Frühling kam,
Dich nicht vermählen mit dem Sonnenstrahle?

Verjünge dich im kühlen Morgentau,
Erstarke in des Waldbachs klaren Wellen,
Und blick' hinauf in's milde Himmelsblau,
Und lasse dich vom Stürmen nicht zerschellen! —

Da rauscht es durch die Zweige wunderbar
Mit geisterstillem, märchenhaftem Klingen,
Und aus dem Baum hört' ich's wie Worte klar
Mit leisen Tönen mir entgegen singen:

Ich bin ein Zeuge der Vergangenheit!
Derselbe Sturm, der in verklung'nen Tagen
Die Asche deiner Väter hat zerstreut,
Hat meinen Keim an diesen Ort getragen.

Mit grüner Lust trieb ich zum Himmelsraum,
Umkos't von Lüftchen und von Nachtigallen,
Auch ich erträumte meinen Frühlingstraum
In schattenkühlen, grünen Blätterhallen.

In meines Dunkels stiller Einsamkeit
Hat manches Vöglein sich ein Lied ersonnen,
Und manches Herz hab' ich zur Lieb' geweiht,
Wenn ich es still mit meinem Grün umsponnen.

Ich wuchs heran, ich wurde groß und stark,
Da fühlt' ich's heiß durch meine Adern dringen,
Ich jauchzte schon, daß meiner Äste Mark
Ein kühner Arm als Lanze würde schwingen.

Ich sah entzückt schon meiner Zweige Grün
Als Siegesschmuck in kampfgeweihten Händen,
Und meiner Krone traumerfülltes Blüh'n
Dem schönsten Kranze Duft und Blüte spenden.

Ich armer Baum! Ich träumte mir ein Glück,
Das hier im Walde ward den Bäumen allen, —
Nur mich allein ließ man im Schmerz zurück,
Als Sarg nicht einmal durfte ich zerfallen.

Und nicht einmal in Stücke klein zersägt,
Durft' ich ein Kämmerlein mit Glut erwärmen,
In dem ein müdes Haupt sich träumen legt,
Um auszuruhen von des Tages Lärmen.

Und ich erhebe, tief in Schmerz getaucht,
Zum Himmel meiner Zweige dürre Arme,
Daß sich ein Blitz, in dem mein Geist verraucht,
Des morschen Baum's im grünen Wald erbarme!

Liederseelen

Wenn sich tief im Heiligtume
Der Natur mein Blick verliert,
Jede Wolke, Welle, Blume
Eines Liedes Seele wird.

Und die stillen Liederseelen
Flattern leis um meine Brust,
Und sie drängen und sie stehlen
Sich in's Herz mir, unbewußt.

Und in einsam lichten Stunden
Manche Liederseele zieht
Mit dem Leib, im Wort gefunden,
Aus der Brust — als helles Lied.

Geheimnis

Ausgelodert hat die Flamme,
Ausgeschlagen hat das Herz,
An des Friedhofkreuzes Stamme
Weint sich aus des Lebens Schmerz.

Totenstille, trübes Schweigen,
Und die Lüfte wehen kaum,
Gar die Blumen alle neigen
Ihre Kronen, wie im Traum.

Grabesrose! ewig stumme!
Öffne liebend mir den Mund,
Deinem Sänger, süße Blume,
Gibst du sonst ja alles kund!

Friedhof — spricht die Grabesrose —
Ewig wohl sein Schweigen hält,
Denn es ruht in seinem Schoße
Das Geheimnis, dieser Welt!

Todesmorgen

Wenn einst der Morgen, lichtumweht,
Auf meinem Grabe aufersteht,
Dann möcht' ich wohl die Blumen sehn,
Wie sie dem Glanz entgegenweh'n.

Dann möcht' ich sehn die Rosenglut,
In deren Schutz der Sänger ruht,
In deren Duft das Sängerherz
Noch freudig woget himmelwärts.

Denn all die reiche Liederschar,
Die noch in meinem Herzen war
An Sonnenpracht, an Morgenluft,
Verhaucht das Grab als Rosenduft.

Goldner Schein

Im Osten stieg herauf ein goldner Schein,
Ein heller, flammenvoller goldner Schein;
Und Flur und Au und Fels und Wellenflut
Und Aug und Herz umfloß ein goldner Schein,
Es zwang zum Liede manches Sängerherz
Des blauen Morgenhimmels goldner Schein;
Das flog durch's Tal mit wunderbarem Klang —
Um's Haupt des Sängers zog ein goldner Schein,
Die Sonne sank, am Himmel starb das Licht,
Doch aus dem Lied quillt ewig goldner Schein.