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IV.
Hölle

 
Eines Sünders Reuelieder
Herr Graf, du hast mich lieb gehabt
Neuer Sang mit altem Klang
Ein Streitgesang
Gott und Welt gehört zusammen
An die Naturalisten
Leute gibt es allerlei
Der Schwindel an das Publikum
Der Besessene
Der Reiche
Der Übermensch
Der Dichter und die Leute
Unterricht für moderne Poeten
Des Sängers Verzweiflung
Eine Stimme in der Wüste
Ständchen
Kräftigung
Gen Himmel hinauf
Anklage
Fürsprache
Dem Dichter

Eines Sünders Reuelieder

                             I.
Die süßeste von allen meinen Sünden,
Die hab' ich, schönes Kind, mit dir begangen;
Die härteste von allen harten Strafen,
Die hab' ich, böses Weib, um dich empfangen.

Geblendet von der Schönheit deines Leibes,
Und dann verzehrt von deiner Liebe Gluten,
So starb ich hin und ließ den Geist verlöschen,
Und ließ in Seligkeit das Herz verbluten.

Der Jüngling starb, das Weib gebar den Mann,
Zu neuer Sehnsucht und zu neuer Lust,
Doch fand er keine mehr, so süßen Wehs,
Als jenes Sterben war an deiner Brust.

Und heiß durchwühl' ich alle Lebenstiefen,
Den Funken Glücks noch einmal zu ergründen,
Und büß' mit ewig unerfüllter Sehnsucht
Die süßeste von allen meinen Sünden.

                             II.
Ach, daß ich den ersten reinen
Engelfrommen Kuß im Leben
Einem Mädchen hab' gegeben,
Schuldbefleckt, und nicht dem meinen!

Was soll ich dem Bräutchen sagen,
Wenn es schuldlos, reingesittet
Um den ersten Kuß mich bittet,
Den ich schon zu Grab getragen?

Ach; ich will mit meinen Lippen
Nun den scharfen Dornstrauch küssen,
Um das giftige Blut zu büßen,
— Dann erst an den ihren nippen.

                             III.
Ich fand in dieser Nacht dein Bette leer.
— "Beim kranken Kinde hättest du gewacht."
Ich hab' gelobt die Liebe bis zum Tod;
Mein Herz, das starb in dieser Nacht.

Die Stunden, die das Kind allein verschmacht,
Hat sie bei einem fremden Mann verbracht.
Ich hab' gelobt ihr Liebe bis zum Tod;
Mein Herz, das starb in dieser Nacht.

Ein Särglein für mein Herz und für mein Kind.
Und in der Jasminlaub' ein glücklich Paar!
Als Gott, der liebe Herr, das Weib erschuf,
Ob er wohl auch bei Troste war?

Herr Graf, du hast mich lieb gehabt

Herr Graf, du hast mich lieb gehabt;
Das arme Bauernkind,
Und dort, wo junge Dirnen auch
Von altem Adel sind.

Ich war dein lieber süßer Schatz,
Und du mein trauter Franz,
Jetzt trägst du deine goldne Kron'
Und ich den Dornenkranz.

Herr Graf, du hast mich lieb gehabt,
Wir hatten zwei ein Bett.
Wenn ich von deinen Hunden jetzt
Den Bretterkobel hätt'!

Du hast der Köche zwei und drei,
Der Kellermeister vier;
Wer reicht die harte Krume Brot,
Den Wassertropfen mir?

O Herr, du hast mich lieb gehabt,
Und unser Kind verschmacht,
Der Vater fährt ins hohe Schloß,
Die Mutter in den Schacht.

Wenn einst sich auf die Gräber tun,
Die Schlösser stürzen ein,
Dann wird, du stolzer Bräutigam,
Wohl unsre Hochzeit sein?

Neuer Sang mit altem Klang

Ich weiß ein Lied zu singen
Von einer schönen Maid,
Die hat ein weißes Hemde
Und güldenes Geschmeid.
Das güldene Geschmeide,
Das tat mir nichts zuleide.
Das Hemde war so lind.

Ich such' am linden Hemde
Daß ich den Herzschlag find',
Dann stoß' ich in den Busen
Das Messer ihr geschwind.
Der harte Stahl tat klingen,
Das heiße Blut tat springen
Mir in das Angesicht.

Dann beicht' ich meine Sünden
Und gehe zum Gericht,
Um meinen Lohn zu finden
Auf hohem Blutgerüst.
Vom Leben will ich scheiden,
Statt Liebespein zu leiden
Ob einer falschen Maid.

Ein Streitgesang

Die größte Schmach, die je mir werden kann,
Vermaledeit sei sie, tut der mir an,
Der von mir sagt, ich hätte keinen Feind.
So kläglich arm, zu haben keinen Feind!
Hat je gelebt so arm ein braver Mann?

Ich hasse keine Seele. Denn mir weiht
Den Erdensohn das allgemeine Leid.
Doch, alles Schlechte, Falsche, was da baut
An diesem Leid, ich hass' es tief und laut.
Um eitel Liebe buhl' ich nicht, ist sie
Durch fremden Schwächen huldigende List
Zu wohlfeil mir auf jedem Markt zu haben.
An heißem Haß der Schlechten mich zu laben
Ist meine Lust. Es müssen alle, alle
Die Schurken, Schleicher mich mit bittrer Galle,
Die Wichte mich mit giftigem Hohn begeifern,
Die Finsterlinge meiner fluchend eifern,
Die Knechte fliehen mich, die frevlen Herren,
Die hochmutswütigen, mir Krieg erklären.
Denn was ich will: die Menschheit neu
Verjüngt zu seh'n, und sich getreu.
Dem Menschen nicht, dem Laster künd' ich Krieg,
Und sollt es selbst im eigenen Busen sein:
Der ewige Herr im Himmel, der ist mein.
Mein auch der Streit — und sein der Sieg.

Wenn Gott mich fragt am Tage des Gerichts:
Wo sind sie, die dich lieben? — sag' ich nichts.
Doch zeig' ich zum Ersatz ihm, die mich hassen.
Und bitt' ihn um die Prüfung des Gewichts.
Ich hoff' er wird es gelten lassen.

Gott und Welt gehört zusammen

Eurer Flüche Blitzesstrahlen
Schleud're ich zurück auf euch,
Foder' Rechenschaft von allen,
Die gefährden Gottes Reich.
Pfaffen, die sich drängen zwischen
Gott und Menschheit, sie zu trennen,
Die hier fälschen und dort fischen,
Ihnen will ich Wahrheit nennen:
Gott und Volk gehört zusammen,
Heut und alle Tage, Amen.

Und auch jene Pharisäer,
Die mit ihrem flachen Wissen
Spielen sich auf große Seher
Und den Himmel wollen schließen,
Die dem Volke frech vernichten
Seinen Gott und seine Seele —
Weltgeschichte wird sie richten
Und es zeigen grausig helle:
Gott und Volk gehört zusammen,
Heut und alle Tage, Amen.

An die Naturalisten

Geister dieser Zeit, wer soll verstehen
Euch nach menschlicher Vernunft Gesetzen?
Pessimistisch haßt ihr dieses Leben,
Will jedoch die Kunst ein schönres schaffen,
Hei, wie ihr sie geifernd gleich verlästert!
Das, was aus dem Leben ihr verwünscht,
Möchtet in der Kunst ihr wiederfinden,
Nur nichts Frohes, um Gotteswillen,
Nichts, was unsre Seele könnt erfreuen,
Denn die reine Freude soll verpönt sein;
Nichts, was Lieb' und Hoffnung könnte wecken
Zu der Menschheit. Und erst Ideale!
Ideale hat nur der Philister.
Sonst ist Kunst auf lichten Höhn geschritten,
Heiter reigend um die ernstre Schwester
Religion. Sonst hat sie in Erz und Marmor,
Mit des Lieds erhabnen Weiheklängen
Unsere Helden zur Unsterblichkeit geleitet,
Unseren ungezognen Leidenschaften
Maßvoll edlere Gestalt gegeben,
Und im Spiel ein Gottesreich gestiftet,
Munter Schnippchen schlagend der Materie.
Und dies lichte Reich wollt ihr vernichten?
Just den göttlichsten der Sinne ihr verlöschen?

Phantasie! Wozu denn ward sie euch?
Wollt ihr schon verstümmeln euer Wesen:
Raubt das Aug, das Ohr, die Sprache euch,
Nicht jedoch die Kraft, die aus dem Staub uns hebt.
Frei nach allen Keimen soll entwickeln
Sich der kleine Mensch. Schildert, Realisten,
Genial den Kot, die feuchte Fäulnis,
Wühlt und schwelgt darin, Naturalisten,
Nach Belieben; auch nach dieser Seite
Muß ausleben sich die Menschheit.
Düngt den Baum, auf daß er wachse, grüne.
Warum ihn verspotten, wenn er blüht?

Menschenbaum braucht Erdreich nicht allein,
Auch Sonnenschein. Und ohne üppig Blühen
Keine Frucht. Die Jugend sei gepriesen,
Mit ihrem heitern hoffnungsfrischen Herzen! —
Gern sei euch der Würmer Reich gelassen,
Achtet, wie sie kriechen, bohren, pissen,
Schildert, bitten wir, nur recht dramatisch
Und genau, man will ja alles wissen.
Uns doch sei gegönnt, als Schmetterlinge
Hoch die sonnigen Blüten zu umgaukeln,
Dieses Sein mit Phantasie zu schmücken,
Und mit freier Seel' die Totengräber,
Die aus Knochen Kunstgebilde machen,
Manchesmal ein wenig auszulachen.

Leute gibt es allerlei

Leute gibt es allerlei
Auf der weiten Gotteswelt.
Wem die Sache nicht gefällt,
Wer da ausmarschiert, um jeden,
So nicht sein ist, zu befehden,
Der wird nimmermehr auf Erden
Mit der Fehde fertig werden.
Juden, Slaven, Atheisten,
Welsche, Philosophen, Christen,
Japanesen, Deutsche, Heiden,
Und wie noch die Massen scheiden,
Kasten, Sekten, Nationen,
Die in Gottes Licht sich sonnen,
Alles rollet hin und her
Wie der Wellenschwall im Meer.
Wie die Wässer und die Winde,
Stürmisch hier und da gelinde,
Ewig um den Erdball kreisen,
So in den Naturgeleisen
Wogt die Menschheit hin und wieder;
Schranken, die du heute aufstellst,
Brechen morgen krachend nieder.
Güter, die durch Krieg errungen,
Frieden, so durch Krieg erzwungen,
Reifen neuerdings die Saaten
Aus zu neuen Schreckenstaten.
Nicht einander jagen, schlagen,
Sondern mit Geduld ertragen
Nach dem Rate der Natur,
Ist das Omega und Alpha
Aller Bildung und Kultur.
Wer da ausmarschiert, um jeden
Fremdgesinnten zu befehden,
Der wird nimmermehr auf Erden
Mit der Fehde fertigwerden.
Wär' der letzte Feind zertreten,
Müßte er sich selber töten
Als den Rest in dem Planeten.

Der Schwindel an das Publikum

Von allen Rädern unserer Zeit,
In Werkstatt und auf Eisenbahn,
Steht als Regiererin der Welt
Das Glücksrad obenan.

Das braucht man nicht zu treten erst,
Das dreht sich selber um,
Ich kann es dir empfehlen sehr,
Verehrtes Publikum.

Pack an, pack an, ist morgen leicht
Die halbe Welt schon dein,
Und bist du klug, mein guter Freund,
Wird's bald die ganze sein.

Ei, komm doch, ich verspreche dir
Die stolzesten Paläste,
Mit Viergespann, Lakaien d'ran,
Und königliche Feste.

Der Bacchus wird als Portier
Die Gäste nicht verscheuchen,
Die Venus macht im Haus Honneurs,
Ist huldvoll ohnegleichen.

Mit Aktien und Lotterie
Mußt du dein Glück beginnen;
Verdienen ist philisterhaft,
Doch vornehm ist gewinnen.

Da ruht man auf dem Sofa aus
Und schmaucht die feinsten Zigarren,
Und läßt für sich den "Pöbel", traun,
Hübsch arbeiten und sparen.

Ei, was Gewissen, Ideal!
Das Leben ist ein Spielchen,
Und hochperzentige Wertcoupons
Sind unser höchstes Zielchen.

Was Arbeit, Narr, das Glücksrad her,
Das dreht sich selber um,
Ich kann es dir empfehlen sehr,
Verehrtes Publikum!

Der Besessene

Mir graut, ich bin besessen,
Besessen von dem Gelde hier,
Mein Schaffen, selbst mein Sinnen,
Mein Träumen wird zu Gelde mir.
Was meine Hand berühret,
Wird märchenhaft zu Gelde mir,
Die Sehnsucht meines Herzens
Wird eingelöst mit Gelde mir.
Ich dürst' nach Lieb' und Freundschaft,
Nach Mut, nach Frohsinn, Ehr' und Ruhm,
Mein heißer Drang nach Tugend,
Er setzt sich schnöd in Gelde um,
Vor meiner Türe wimmern, ach,
Die Hungernden und Armen,
Und ich bin nicht im Stande, ach,
Mich ihrer zu erbarmen.
O Brüder, liebe Brüder,
Wie teil' ich euch von Überfluß,
Da ich doch selber mitten
Im schnöden Gelde darben muß.
Das Geld als Segen Gottes,
Das habe nie besessen ich,
Doch bin von schlechtem Mammon
Seit Jahr und Tag besessen ich.
Und weil vor dem Verlieren
In Angst und Sorg' ich beben muß,
So hab ich Not und Elend
Vom Geld, so lang' ich leben muß.
Und wenn ich's einst verlassen soll,
Wird doppelt hart das Sterben,
Und schmähen einen Geizhals mich
Die tief verhaßten Erben. —
O grauenhaftes Schicksal, du,
Den Mammon zu verfluchen,
Und ihn mit Hungers Hast und Gier
Doch immer müssen suchen.
Dem Armen das Verschmachten
Für seine Seele frommen muß,
Dieweil die meine jämmerlich
Im gold'nen Bann verkommen muß.
O Gott, wie wird das enden noch,
Was soll mich Ärmsten laben,
Wenn ich den goldnen Becher leer
In lahmer Hand werd' haben!
Noch einmal möcht' für Göttliches
Auf Erden ich erwarmen.
Erlöse von den Banden mich,
Erbarmen, Herr, Erbarmen!

Der Reiche

Ach, wir armen Reichen werden
Oft der Lästerzungen Beute!
Und wir sind, bei Licht betrachtet,
Doch die allerbesten Leute.

Was! ich nicht getreu der Pflicht?
Hab' geschworen, reich zu werden;
Schuft, der seinen Eidschwur bricht
Und verachtet Gott auf Erden!

Was! ich hätt' nicht Religion?
Gott ist auf die Welt gekommen,
Glaub' ich fromm, und hat im Gold
Irdisch Wesen angenommen.

Was! ich hielt' auf Ehre nicht?
Darum brauch' ich Geld in Haufen,
Daß ich, wo die Ware feil,
Auf dem Markt kann Ehre kaufen.

Also ist es lustig leben!
Meine Schäden zu verhüllen
Eilt der eine, und der andre
Meine Wünsche zu erfüllen.

Hei, wie ist's doch schön auf Erden!
Wo man alles kann erwerben. —
Einer nur läßt lang sich suchen,
Einer, der für mich will sterben.

Der Übermensch

Da sitzt ein armer Sünder
Auf einer harten Bank,
Wie Rosen blühn die Wangen
Des Jünglings, stark und schlank.

Ein freies Leben führte
Der junge Nimmersatt,
Er tat zwar nichts aus Liebe,
Doch liebte er die Tat.

Er hat geraubt gemordet,
Sonst Unheil viel getan,
Ein Berg von Missetaten
Begräbt den jungen Mann.

Ein Meer von heißen Tränen
Ist über ihn geflossen,
Und wo sein Fuß gewandelt,
Kann keine Blume sprossen.

Nun steht er vor den Richtern
In aller Ruhe da.
Man fragt: "Hast du's begangen?"
Er sagt gelassen: "Ja."

Er weint nicht und er lacht nicht.
Und einer, der noch glaubt,
Fragt: Ob er nicht bereue?
Er schüttelt kühl das Haupt.

Man führt herein die Mutter,
Der er den Sohn erschlagen,
Sie stummt und starrt ins Leere,
Kann nimmer weinen, klagen.

Man führt herbei die Schwestern,
Die nach dem Bruder schrein;
Man trägt den zarten Säugling,
Der mutterlos, herein.

Der Jüngling, kalten Auges
Blickt er die Opfer an,
Als fragte er: Was weiter?
Ihr seht, ich hab's getan.

Nur einmal strahlt sein Auge,
Das kalte Auge, licht,
Als die Gerichtsverhandlung
Der Abend unterbricht.

Wohlan, jetzt kommt das Süpplein
Und dann der gute Schlummer,
Er schläft die sieben Stunden,
Ohn allen Gram und Kummer

Die Qualen unsrer Seele,
Dir sind sie nicht bewußt,
Beneidenswertes Untier
Mit deiner hohlen Brust.

Der Erde heiße Herzglut,
Sie kann dich nicht erreichen,
Des Lebens wilde Schmerzflut
Dich nimmermehr erweichen.

Das wilde G'jaid der Not,
Das um den Erdball hetzet,
An dem sich jedes Herz
Langsam zum Tod verletzet,

Du bist davor gefeit.
Das Stöhnen in der Brust
Des Nächsten ist dir, traun,
Ergötzlichkeit und Lust.

Dich bindet keine Sitte
Und keine Menschlichkeit.
Immun bist gegen Liebe,
Immun auch gegen Leid.

Dein Sittensprüchlein lautet:
's gibt weder Gut noch Schlecht.
Wer siegt, das ist der Herrscher,
Wer stark ist, der hat recht. —

Des andern Tags die Richter
Erörtern das Gesetz;
Dich langweilt "dieses öde
Und müßige Geschwätz".

Von Gut und Böse jenseits
Bist du durch nichts beenget,
Kein Mitleid, kein Gewissen
Je dein Gemüt bedränget.

Die Macht war deine Gottheit. —
Nun hat sie sich gewandt,
Der Stärkre hat den Schwächern
Vor das Gericht gebannt.

Wirst du es auch nicht spüren,
Du eisenharter Mann,
Wenn sie an dir vollführen,
Was andern du getan?

Vielleicht kommt doch zum Vorschein
Bei dir ein bißchen Herz,
Wenn du dich hebst das erstemal
Im Leben — himmelwärts.

Im Saale auf die Richter
Das Volk mit Bangen harrt.
Der Knab' schaut in die Runde
Und streicht den jungen Bart.

Es will ihn fast befremden,
Daß jetzt die Frauen weinen
Und bangen, als die Richter
Zum Urteilsspruch erscheinen.

Nun wird es dumpf und schwül
Als wie in einem Grab.
Der Richter hebt sich hoch —
Tritt vor — und bricht den Stab.

"Zum Tod!" haucht es, "zum Tode!"
Dann alles stumpf und stumm. —
Der Mörder blickt mit Staunen:
"Zum Tode? — Wen? — Warum?

"Zum Tode mich?!" er ruft's,
"Zum Tode durch das Strängen?
Der einzige starke Mensch
— Und wollen ihn jetzt hängen!"

Der Dichter und die Leute

Wir säen Samen,
Es wachst nix.
Wir schreiben Dramen,
Es wirkt nix.
Wir erzählen Geschichten,
Es tut nix.
Wir dichten Gedichten,
Es hilft nix.
Wir sprechen Sprüche,
Es nutzt nix.
Wir fluchen Flüche,
Es schad't nix.

Unterricht für moderne Poeten

Dichter, wenn du für die Leute
Dichten willst, so sei gescheute,
Baue, sollst du etwas gelten,
Ihnen pappendeckne Welten,
Helden, die mit Spagatschnüren
Hübsch sind durch den Plan zu führen.
Dichte Gärten, wo die Grillen
Statt zu zirpen Flöten spielen.
Und zur schönen Augenweide
Dichte Rosen fein aus Seide,
Daß sie duften, Herr Verfasser.
Dichte Tau aus Kölnerwasser.
Mit Magie und Zauberstücken
Magst du ihren Kopf berücken.
Lorbeerkranz wird zwar nicht echt sein,
Doch aus Gold wird er dir recht sein. —
Eins nur, laß die Leute schauen
Nie in deines Herzens Auen.
Deines Gartens schönste Blüte,
Holde Rosen im Gemüte
Würden sie auf Graswert messen
Und mit plumpen Schnauzen fressen.

Des Sängers Verzweiflung
Während eines blutigen Krieges.

Am erstbesten Eichbaum zerschlag' ich die Leier! —
Zerberste, Zerschelle in schnöde Scherben,
Stöhne, schrille im Sterben zum letztenmal falschen Gesang! —

Da sangen die Saiten
Von grünender Erde! —
Rot muß sie sein, von Menschenblut rot sein!
Schießt und stecht und schlaget sie nieder
Die Menschen, die elenden, wo ihr sie findet!
Auf furchigen Feldern,
Bei goldenen Garben,
Heiteren Herzens im Schäferhaine;
In brausender Werkstatt voll regen Fleißes,
Auf rollenden Rädern,
Auf wogenden Wellen in Handel und Wandel;
Auch zwischen den Wänden der Schule, des Wissens,
Im Tempel der göttlichen Kunst, erglühend
Im Schönen und Wahren.
Wo ihr sie findet, trotzig sich freuend, die Menschen,
Schießt und stecht und schlaget sie nieder!

Was soll sie, die flackernde Flamme
Am häuslichen Herde?
Befreit sie und pflanzt die lebendigen Fahnen
Auf Türme und Dächer,
Auf prangende Zinnen stolzer Paläste!
Was lohet und leuchtet entfachet zu Lunten,
Gebilde der Menschen schmelzt ein in den Gluttopf.
Da sangen die Saiten
Von blauem Himmel voll Sonnen und Sterne!
Rot muß er sein, der herrliche Himmel muß rot sein!
Tauchet die Pinsel in brennende Städte;
Malet mit lohen Gluten den Himmel;
Wölbet mit Wolken des wogenden Rauches
Den Flammenofen über der Erde,
Daß keine der sengenden Sonnen, der stechenden Sterne
Keiner uns trübe das Schauspiel!

Da sangen die Saiten
Von rosigem Antlitz der Jugend.
Sie sangen von Liebe im Herzen, von Lust in der Brust wohl,
Von trautester Treue, bis einstmals der Tod trennt. —
Fehde den lugvollen, trugvollen, gleißenden Saiten!
Im Herzen ist Haß.
In der Brust brausen Brände!
O reißt auseinander die liebeträumenden Leben.

Das Weib mag weinen und welken,
Der Mann muß erbleichen — und brechen die Liebe.
Reißet den Sohn vom sehnenden Herzen der Mutter,
Einsam sollen sie sterben und starrenden Auges verwesen!

Haß dem Guten, dem göttlich Gerechten,
Haß dem Hohen und Holden!
Im Herzen ist Haß,
Entfachet zur flammenden Tat ihn:
Die Lebenden tötet, die Toten rächet,
Daß ewige Rache die Menschheit richte! —

Da sangen die Saiten
Von Leben und Liebe,
Von Friede und Freude,
Von wahrer, erhabener Menschenvollendung!
— — — —— —— —— —— —— —— —— —— —
Am erstbesten Eichbaum zerschlag' ich die Leier!

Eine Stimme in der Wüste

Es mußt' ein wildes Schlachten kommen,
Du, Welt, verträgst den Frieden nicht,
Du schreist nach ihm, und naht er schüchtern,
So schlägst du ihm ins Angesicht.

Ich sah noch keinen Tag erstehen,
Der nicht entfacht vom Reinen war,
Und keine Sonne sah ich sinken,
Die trüb nicht vom Gemeinen war.

O dummes, bettelhaftes Prahlen
Mit deines Fortschritts großen Siegen,
Wenn unter den brutalen Füßen
Zermalmt die Ideale liegen.

Zermalmt ist mit den Götzenbildern
Auch Jovis hehre Lichtgestalt,
Und deine neuen Lichter leuchten,
So wie der Fäulnis Phosphor strahlt.

Du weißt so viel und bist nicht weise,
O sage, Welt, ob dir denn wohl ist
Bei deiner krausen Hochkultur, die
Außen bunt und innen hohl ist?

Den Hexentanz des Lebens tanzt
Die Kunst getreulich mit; die Taube
Entsank den reinen Himmelshöhen
Und flattert halbbetäubt im Staube.

Die Güte und die Menschenwürde,
In heißen Kämpfen dir errungen,
Ist fremd geworden deinem Herzen;
Ein Schmuck nur wortelustiger Zungen.

O, nichts vom vorigen Jahrhundert
Hast du dir, Welt, gemacht zu Nutzen,
Als bloß die Kunst, mit frechem Flunker
All deine Torheit aufzuputzen.

Die graugelockte Weisheit schweiget,
Die unerfahr'ne Jugend spricht;
Besiegt, ruft sie, sind Elemente! —
— Die Leidenschaften sind es nicht.

Von Hohn und Geifer der Parteien
Seh' ich mein Vaterland befleckt,
Die Führer blind und taumelnd, bis sie
Ein grauses Menetekel weckt.

Und mitten in der wilden Drangsal
Wird männiglich die Welt verfluchen,
Doch ringend mit den Nachtdämonen
Den Flug in lichtere Höh'n versuchen.

Das stete Glück macht Sünder, Toren,
Und kleines Unheil Weltverhöhner.
Die maßlos schwere Not allein ist
Der große Sühner und Versöhner.

Ständchen

In einer Winternacht
Hab' ich dies Lied erdacht,
Es sei als Minnesang
Der Mitwelt dargebracht. —
Ihr Menschen seid nicht wert,
Daß man euch liebt und ehrt,
Daß man sein Herzblut gibt
Für das, was ihr begehrt.
Denn euer Wunsch ist Wahn,
Und schief ist eure Bahn,
Und jeden steinigt ihr,
Der euch ein Gut gewann.
Der euch ein Gut gewann,
Und euch ein Heil ersann;
Und es geschieht ihm recht,
Denn er hat schlecht getan.
Wer eure Laster schürt
Und euch zum Abgrund führt,
Dem euer schändendes
Und falsches Lob gebührt.
Für dies Geschlecht des Kain
Kann Abscheu nur allein,
Statt Lieb' und Opferlust,
Die rechte Gabe sein.

Kräftigung

Was ich suchte, konnt' ich lang' nicht finden,
Was ich liebte, tat zu schnell entschwinden,
Was ich haßte, wollt' mich überwunden.

Doch, was linde Lieb' nicht mochte wagen,
Das hat droher Trotz zurückgeschlagen,
Und der Kampf hat mich zur Kraft getragen.

Gen Himmel hinauf

Die Menschen bauen, die Menschen zerstören,
Sie lieben, umarmen und schlagen sich tot;
Sie schwärmen von Schönheit, Tugend und Ehren
Sie klimmen hinan mit großer Not.
Doch sind sie oben nahe dem Ziele,
So stirbt der Drang, es kehrt sich der Wille —
Sie stürzen sich wieder hinab in den Kot.
Das ist der Geschichte ewiger Lauf,
Wir können's nicht wenden,
Nicht ändern und enden,
Uns're Bestimmung ist ewiges Ringen
Gen Himmel hinauf.

Anklage

Wenn die wilden Wetter schlagen
Und die giftigen Seuchen toben,
Welch ein grauses Heulen, Klagen
An den hohen Himmel oben!
Großer Gott, für solche Armen
Hätt' ich wahrlich kein Erbarmen.
Hemmest du die bösen Wetter
Und die giftgeschwellten Seuchen,
Machen sie mit Kriegsgeschmetter
Aus sich selber tausend Leichen.

Fürsprache

Doch, was auf Erden keimt,
O laß es reifen,
Und was im Menschen ruht,
Das laß erstehn.
O Gott, laß dieses irrende,
Nach deinen Höhen ringende,
Dies arme, herrliche Geschlecht
Nicht untergehn!

Dem Dichter

Mein Sänger, laß' den Widerpart
Und sing' ein lustig Liedel,
Und lade sie zur Himmelfahrt
Mit einer hellen Fiedel.

Es ruft den einen zwar der Herr
Mit dumpfem Donnerkrachen,
Den andern lockt er noch vielmehr
Mit heiterem Sonnenlachen.

Der eine folgt den Elegie'n,
Der andre frohen Stanzen;
Man kann wohl in den Himmel knien
Man kann auch hinein tanzen.