Mein Ideal
Ein schöneres Ideal hat noch niemand geträumt,
Als meine sehnende Seele es hegt,
Ich seh' ein Paradies auf Erden erstehn,
Das wieder die F r e u d e, die L i e b e trägt.
Ich sehe die Völker des Erdenballs
Im Glanze der glorreichen Einheit stehn,
Ich seh' auf den Zinnen der Treue, des Rechts,
Der Bildung, die Fahne des Friedens wehn.
Ich seh' nur die Waffe des Geistes gezückt
Zum Trotze dem Mordblei, zum Trotze dem Schwert;
Ich sehe das Eisen dem Baue des Felds,
Der sausenden Werkstatt zugekehrt.
Ich sehe die Frau am häuslichen Herd,
Keine Sklavin der Willkür, der Mode mehr.
Eine Priesterin, traun, der wärmenden Glut,
An der Liebe Altar, des Hauses Ehr'.
Ich ahne — ich sehe die herrliche Zeit,
Ich sehe zur Wahrheit die Schönheit sich reihn,
Die Völker in Liebe verschlungen und frei,
Ich sehe die Menschen — M e n s c h e n sein!
Wir weichen nicht von unsern
Idealen!
Wir weichen nicht von unsren Idealen,
Sie schmücken, adeln dieses Erdenwallen,
Sie ehren uns,
Der Niederträchtigen Hohn wird uns zum Ruhm.
Ums welterlösende geweihte Heiligtum
Wir wehren uns!
Der Völker, Rassen, Religionen Streit
Vergeht im warmen Glanz der Menschlichkeit.
Wir kehren uns
Zum treuen ewigen Geist, der alle zählt,
Und wehe dem, der Haß statt Liebe wählt!
Wir wehren uns!
Doch nicht mit Schwert und Feuer, wie Barbaren;
Denn unsrer Philosophen heilige Scharen,
Sie lehren uns,
Trotz Korybantenlärms von Schelm und Wicht,
Mit heiterer Ruh und lächelndem Gesicht
Zu wehren uns.
Mein Erz
Mein deutscher Sang ist euch zu zahm,
Anstatt mein geliebtes Volk zu segnen,
Soll fluchen ich der Feinde stramm,
Dem Nachbar stets mit Trutz begegnen.
Mein Herz ist froh, mein Erz ist rein,
Es dient dem Tod nicht, nur dem Leben;
Wie, muß denn alles Kanone sein?
Mag's nicht auch klingende Glocken geben?
Mein Ehrgeiz
Die Ehr' ist jenes Gut,
Das mir am höchsten frommt,
Doch nicht die flüchtige Ehr',
Die nur von außen kommt.
Ein großer Dichter, traun,
Das hört sich süß und fein,
Doch höher stünd' mein Stolz:
Ein großer Mensch zu sein.
Die Ehre, flach gewalzt
Hin über Länder weit,
Ist nichts gleich eines Menschen
Tiefer Dankbarkeit.
Wer nur um Ehre schafft,
Der ist zwar wert der Ehr',
Der äußeren bunten Zier,
— Doch sonst auch nicht viel mehr.
Wenn einst ich sterben muß,
Soll keine Trauerschar
Von Gleisnern folgen mir
Zu meiner stillen Bahr.
Nicht Nekrolog, nicht Stein,
O Gott, man kennt die Weis,
Sie ehren Tote bloß
Zu ihrem eigenen Preis. —
Nur e i n e s wollt' ich, daß
Ein Braver sagen kann
An meinem schlichten Grab:
Er war ein braver Mann.
Ein Becher,
füllt ihn Gott mit Wein
Ein Vater lag im Sterben,
Drei Söhne sollten erben.
Der eine war ein Bauersmann,
Der pflügen, säen und ernten kann,
Der erbte die Höfe, die Felder,
Die Gärten, die Wiesen, die Wälder.
Der and're war ein Hammerschmied,
Dem gab der Vater, als er schied,
Die Hämmer und all' die Geräte,
Auf daß er Werkzeug hättte.
Der dritte war ein munterer Knab'
Mit Sängerkehl' und Wanderstab,
Nach Vaterswill' dem verbliebe
Sein Menschenherz voll Liebe. —
Und als vorbei der Jahre zehn,
Da hat man schon das Ziel geseh'n.
Der eine sorgte Tag und Nacht,
Bis endlich er's zu Geld gebracht;
Der andre sorgte Stund' um Stund',
Daß nur sein Haufen Geld nicht schwund
Der dritte zog von Sorgen frei
Mit Sang an Not und Geld vorbei,
Und schöpft' mit Wonne, teilt' mit Lust
Die Lieb' aus seiner Dichterbrust,
Und streut' ohn End' von Haus zu Haus
Die Gab' an Arm' und Reiche aus. —
Ein Becher, füllt ihn Gott mit Wein,
Wird ewig unerschöpflich sein.
Ewiges Lied
Im tiefen, dunkeln Felsental,
Da rauscht ein ewiger Wasserfall.
Ein Wanderer horcht der Melodei,
Es wird im wohl und weh dabei,
Und kann doch nichts verstehen.
Er macht ein feines Sinngedicht,
Das klar die schönsten Worte spricht.
Doch sieh, ob dieser Poesei
Wird keinem wohl und weh dabei,
Und kann es doch verstehen.
Und — eh das Jahr von hinnen zieht
Ist schon verstummt des Sängers Lied.
Was man verstand und nicht empfand,
Das klingt nur einmal durch das Land.
— Ewig rauschen die Wasser.
Die Harfe
Unser Herz ist eine Harfe,
Eine Harfe mit zwei Saiten.
In der einen jauchzt die Freude,
Und der Schmerz weint in der zweiten.
Und des Schicksals Finger spielen
Kundig drauf die ewigen Klänge,
Heute frohe Hochzeitslieder,
Morgen dumpfe Grabgesänge.
Die Hand an meiner
Rechten
Die Hand an meiner rechten Seiten
Ist lobenswert zu jeder Stunde,
Sie holt das Brot aus allen Weiten
Und führt es zärtlich mir zum Munde.
Und ballt die Linke, Unerzogne,
Sich hinterm Rock, wenn Gäste nahen,
So weiß die Rechte, Wohlgepflogne
Mit edlem Anstand zu empfahen.
Und nahen schlechtgesinnte Mächte,
So greift sie rührig zu den Waffen,
Und weiß mit ritterlichem Rechte
Mir Schutz und Frieden zu verschaffen.
Und weil sie gütig von dem Hehren
Als treue Freundin mir gesendet,
So ist sie auch in allen Ehren
Der Küsse wert, die man ihr spendet.
Und trotzdem leider ist sie heute
Der Linken weit zurückgeblieben,
Denn dreist hat sie, und nicht gescheute,
Ihr eigenes schales Lob geschrieben.
Meine Taschenuhr
Wie fühl' ich dich an meinem Herzen schlagen,
Du starkes, reges, goldnes Herz der Zeit!
So wandern wir selbander sonder Zagen
Den dunklen Stundenweg der Ewigkeit.
Der Zeiger kreist stetig in der Runde,
Ein Sinnbild, wie das Weltenuhrwerk kreist;
Dein H e r z, o Mensch, ist endlich wie die Stunde,
Unendlich wie die Runde ist dein G e i s t.
Ungeduld
O lieber Gott, wo werden jene Stunden sein,
In welchen mir der Lorbeer wird gewunden sein!
"Ha, suche dir die Zweige!" spricht die kluge Welt,
"Denn jedes Glück will mühevoll gefunden sein."
Ich darf es nicht, die strenge Pflicht hält mich zurück.
Warum muß ich durch Sorg' und Not gebunden sein?
Vielleicht, daß man mir einst die schweren Bande löst,
Doch wird bishin schon Kraft und Will' verschwunden sein.
Und bis man mir zu Lab den milden Balsam beut,
O, können Wohl vernarbt die heißen Wunden sein.
Und wenn man jauchzend einst den vollen Becher reicht,
Kann der Verschmachtete schon längst tief unten sein.
Der süße Tropfen, der sein einsam Grab benetzt,
Wird, traun, vom Schläfer wohl nicht mehr empfunden sein.
Wilder Waldespsalm
Ihr Häupter in goldiger Morgenglut
O blicket aus Himmelshöh' nieder
Zum Sänger, der sinnend im Moose ruht,
Euch feiernd durch harmlose Lieder.
Wie lodert dort oben der Gletscherschein,
Wie flüstert im Schatten die Quelle:
O schenkt mir von eurer Herrlichkeit ein,
Bis trunken die sehnende Seele.
Als einst ich verloren die ganze Welt,
Den Glauben, die Hoffnung, die Liebe,
Und als mir die glitzernden Freuden vergällt
Im wüsten Weltgetriebe;
Und als ich mein junges Leben verpraßt,
Weil es ohne Reiz mir und Wert war,
Und als ich den Mann auf der Straße gehaßt,
Weil er wie ich auf der Erd' war.
Da zog ich hinaus wie ein dachloser Hund,
Mich selbst und das Dasein verfluchend,
Da schritt ich verloren, im Waldesgrund
Einen luftigen Baumast mir suchend.
Doch siehe, da war kein Ast mir recht,
Der war mir zu hoch, der zu nieder,
Ein dritter zu gut, ein vierter zu schlecht,
Ein fünfter mir anders zuwider.
Und ein jeder tat so geheimnisvoll
Und flüsterte leis mit dem Nachbar;
Sie machten sich über mich lustig wohl,
Daß ich so elend und schwach war? —
O nein, nur die Welt verspotteten sie
Und schmiedeten eine Verschwörung;
Der Wald und die Welt, die vertragen sich nie,
Ob letzterer tiefen Betörung.
Drum sagten die Bäume: 's wär alles wohl recht,
Die Vorzeit, die Zukunft, das Heute,
Selbst der Himmel ist gut und die Erde nicht schlecht,
Doch die Leute — die argen Leute!
Die Leute, die liegen sich alle im Haar
Und raufen, daß es ein Skandal ist,
Und spielen in Übermut mit der Gefahr
Solange, bis jeder am Fall ist.
Und wenn sie zu Füßen den Abgrund sehn,
Dann schwindeln sie fluchend und taumeln,
Ja, dann erst will mancher zum Walde gehn,
Und — daß er nicht fallen kann — baumeln.
Oh, kämet ihr früher zu uns in den Wald
Mit jugendlich heiteren Sinnen,
Ihr wäret mit "Siebzig" noch immer nicht alt,
Und wüßtet gar zärtlich zu minnen!
So sagten die Bäume und flüsterten fort,
Erzählten sich sondre Geschichten;
Ich habe verstanden ein jegliches Wort
Und weiß mich darnach nun zu richten.
Und kriegt mir die Fröhlichkeit jäh einen Sprung,
So kratze ich Waldharz und leime,
Und sprudle und jauchze und bin wieder jung,
Und schmied' ein paar hinkende Reime.
Das Geheimnis
Im Walde Frieden. Zwei Hummeln läuten.
Der Tag ist schon neigend.
Da nahen Gestalten aus fernen Zeiten,
Die stille Reife der alten Bekannten,
Sie grüßen mich schweigend,
Sie winken mir stumm ein Geheimnis zu
Und schwanken vorbei.
. . . Ich hab' nichts verstanden.
Allseliges Leid
Was glänzen doch dem die Augen so hell?
Und birgt in der Brust eine dämmernde Seel',
Und hüllet in staubige Spinnenweben
Geheimnisvoll sein glosendes Leben.
— Weiß es einer, wie wohl sie tut,
Die einsame Glut?
Was brennen doch dem die Wangen so rot?
Er ist ja kalt, er ist ja tot!
Er scherzt nicht mit Freunden, er kost nicht mit Frauen,
Er kann keine lustigen Leute schauen.
— Weiß es einer, wie weh kann sein
Die einsame Pein?
Und weiß es einer, wie wohl es tut,
Wenn glühend das Herz in sich selber ruht,
Und weiß es einer, wie hart es kann sein —
Der schleiche vorüber und laß' ihn allein,
Den Mann mit in seinem allseligen Leid
Der Einsamkeit.
Erprobter Rat
Magst du wissen, wann du sollst gesellig
Und wann einsam sein?
Willst du F r e u d e, suche Menschen,
Willst du G l ü c k, so bleib' mit dir allein.
Wisse, wann dein Werk am schönsten
Und am reinsten mag gedeihn:
In der A r b e i t suche Menschen,
Doch im S c h a f f e n bleib mit dir allein.
Wie's auch jeder hält nach seiner Weise,
Lasse eins gesagt dir sein:
Wenn du hassest, meide Menschen,
Wenn du liebst, bleib' n i c h t mit dir allein.
Dichters Wunsch
Ach, wie gerne möcht' ich wissen
Oft, zu wem mein Sprüchlein spricht!
Hunderttausend Leser hab' ich,
Aber e i n e n hab' ich nicht.
Hunderttausend Leser heißen
Publikum, und ihre Zahl
Wird willkommen der Verleger
Heißen hunderttausendmal.
Einen möcht' ich, e i n e n haben,
Den ich kenn', von dem ich weiß,
Daß er jede meiner Zeilen
Liest mit Liebe und mit Fleiß.
Einen einzigen ganzen Menschen,
Einen ruft der Dichter an,
Dem er all sein Denken, Dichten,
Frohes Schaffen weihen kann.
Einmal hatt' ich einen solchen,
Habe nur an i h n gedacht,
Habe nur für i h n gedichtet,
Und mein Herz ihm aufgemacht.
Also sprach der Mensch zum Menschen
Traut mit leiser, warmer Stimm',
Und die hunderttausend Leser
Fanden sich in mir und ihm.
Als ich redete für einen,
Standen alle rings herum,
Red' ich allen, hab' ich keinen
Menschen — lauter Publikum.
Welch ein Los!
Welch ein Los! Im bunten Lebensgarten
Fröhlicher Genossen bin ich einsam.
Hab' mit ihnen Ziel, Geschick und Leiden,
Sprach' und Lied und Vaterland gemeinsam.
Streuen scherzend Rosen uns'ren Pfaden,
Lieben uns einander — und bin einsam.
Einsam, wenn das Blau der Fern' uns trennet,
Mitten unter ihnen bin ich einsam.
Einsam, wie der Schiffbrüchig' im Meere,
Einsam, wie der Aar im Himmelskreise,
Einsam, wie der Mann, den sie begruben
Unter Nordlichtschein im öden Eise.
Brücken schuf Natur von Aug' zu Auge,
Hängend auf des Lichtes gold'nen Stäben;
Schiffe auf dem Wellenmeer des Klanges
Zwischen Mund und Ohren heiter schweben.
Und des Blutes ehern ewige Bande
Flechten aneinander uns're Sinne;
Aber von der S e e l e n freier Zinne,
Auseinander fern sich ungemessen,
Hat Natur zu baun den Weg vergessen.
Nicht so einsam ist das Alpenröslein
An des starren Eises kalter Schwelle;
Nicht so einsam ist der Stern am Himmel,
Als in ihrem Leib die sehnende Seele.
Einsam, wenn dem Schönen sie und Reinen,
Mai im Herzen, grüne Kränze webet;
Einsam, wenn sie selige Pfade suchet
Nach dem Gottesreich, und ihnen lebet. —
Als in Tiefen mit Genossen kriechen
Ist es besser, hoch zu schweben einsam.
Größer, göttlicher gewiß — doch glücklich?
G l ü c k l i c h ist der Erdsohn nur gemeinsam.
Wie bin ich
so reich an Ehr' und Ruhm!
Wie bin ich so reich an Ehr und Ruhm!
Wie bin ich so arm an Lieb und Lust!
Den prangenden Lorbeer ums Haupt herum,
Und keine Rose an meiner Brust!
Wie bin ich so reich an Ehr und Ruhm!
Aus Erde, die andern nur Dornen beut,
Entsproßten mir Lorbeern und flechten, traun,
Ein Haus, wo kaum ich zu wohnen weiß.
Mit Lorbeern umrankt ist mein schlichter Tisch,
Mit Lorbeern das einsame Lager bekränzt,
Zu kühlen die heiße, pochende Stirn;
Und Lorbeern, zu stillen das sehnende Herz.
Ich rief dich nicht, du prangender Zweig,
Du hast dich ums Herz mir schmeichelnd gerankt,
Und wirst du bald treulos verwelken mir,
Dann steh ich, Unseliger, grau vor Gram
Auf schauerlich ödem Lebensplan.
Wie bin ich so arm an Lieb und Lust!
Ihr, die den Poeten beneidet scheel,
Um Früchte der Liebe, o hört mich an:
Den grünen, duftenden Lorbeerhain,
Ich gab ihn für eine Rose hin.
Der rosenbekränzte Becher des Glücks,
Er mied die durstige Lippe mein;
Den heißen Schweiß auf der blassen Stirn,
Ihn trocknet ermunternde Liebe nicht.
Und Liebe nicht küßt auf dem Katafalk
Die letzte Träne vom Antlitz mir.
Nimmer will ich weinen!
Ist das Glas des Fensterleins nicht helle,
Ist das Aug' umflort von einer Träne,
Schaut die Welt zu düster in die Seele.
Nimmer will ich weinen, nimmer klagen,
Niemand wischt vom Auge mir die Zähren.
Einsam will ich tragen und entsagen.
Nur dem Retter, wenn er wird erscheinen,
Leis' mir winkend mit der Friedenspalme,
Will ich eine Freudenträne weinen.
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