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Sonette
 

Frauenschönheit
Talent
Rat
Schuld
Schluß
Indignatio fecit

Frauenschönheit

Wer möchte schöne Frauen glücklich nennen?!
Sie sind vielmehr weit öfter zu beklagen;
Denn ach, die meisten müssen stets entsagen,
Wie heiß auch ihrer Sehnsucht Wünsche brennen.

So lernen sie allmählich nur erkennen,
Wie schwer die Schönheit an sich selbst zu tragen —
Und wie sie rechtlos ist in unsren Tagen,
Wo Sitte und Vernunft die Herzen trennen.

Wie selten kann sie Neigungen gestehen!
Und niemals darf sie göttlich sich erbarmen,
Um zu begnaden ungestümes Flehen.

Oft welkt sie, ohne selber zu erwarmen,
Anstatt in heil'gen Flammen zu vergehen,
Wie Kadmus' Tochter einst in Jovis Armen.
                                    
Blansko.

Talent

Dem Golde gleicht der Dichtkunst hohe Gabe;
Es findet nicht in Massen sich der Segen,
Nur eingesprengt, verstreut auf dunklen Wegen
Und ist oft eines Menschen beste Habe.

Doch der verschleudert sie bereits als Knabe,
Und jener weiß als Mann sie nicht zu prägen;
Dem stellt das Leben neidisch sich entgegen,
Und seine Kraft verkümmert ohne Labe.

Der Schwätzer kennt wohl alle großen Geister,
Und wie er sich gefällt in Antithesen,
Stellt er gern diesen über jene Meister.

Doch wer die Kunst erfaßt in ihrem Wesen,
Mit leisem Schmerze auch auf jene weist er,
Die sich berufen sahn, doch nicht erlesen.

Rat

Nie mit dem Glücklichen gemeinsam gehe,
Wer stets des Schicksals Ungunst nur erfahren;
Bei jedem Schritte wird sich offenbaren
Der tiefe Zwiespalt einer solchen Nähe.

Denn wie der Arme neidlos auch verstehe
Das fremde Glück und sich ihm beugt seit Jahren,
Der andre ist nur mit sich selbst im klaren,
Und nie begreift er fremdes Leid und Wehe.

Der Spruch: daß jeglichem Verdienst die Krone,
Er weiß vortrefflich sich ihn anzupassen,
Voll Stolz und Hochmut — mählich auch mit Hohne.

Verachtung wird ihn mehr und mehr erfassen
Für den, der nie gelangt zu seinem Lohne —
Und endlich wird er ihn aufs tiefste hassen.

Schuld

Hast jemals du mit schmerzlichem Erkennen
In eines Menschen Antlitz schon gelesen,
Der schaudernd steht vor seinem eignen Wesen,
Das ihn in Scham und Reue läßt entbrennen?

Und wie er dann in Qualen, nicht zu nennen,
Sich selbst verdammt: o wär' ich nie gewesen!
Vernichtung wünscht er sich, um zu genesen,
An Pforten rüttelnd, die vom Tode trennen.

O, dann — wofern du selbst ein Mensch — verzeihe!
Wie schwer auch seine Schuld zur Waage falle:
Erworben hat er sich des Unglücks Weihe.

Und nimmer streck' nach ihm des Vorwurfs Kralle,
Vielleicht kommt an dich selber bald die Reihe,
Denn schuldig bist auch du — und sind wir alle.

Schluß

Ich wollte wandeln auf dem Pfad des Schönen,
Und immer lichter, freier sollt' es werden
In meiner Brust und um mich her auf Erden
Bei meiner Leier hellen Silbertönen.

Doch bald entflohn die lieblichen Kamönen,
Es nahten sich mit widrigsten Gebärden
Harpyen mir, mein Bestes zu gefährden,
Und, mich besudelnd, schamlos zu verhöhnen.

Es kamen Leiden, nimmer zu vergessen,
Und immer tiefer, tiefer mußt' ich steigen
In einen Abgrund, dunkel, unermessen.

Wie sollt' ich noch im Liede mich erzeigen,
Da sich in Nacht verlor, was ich besessen?
Dein Morgen dämmert — und der Rest ist Schweigen.

Indignatio fecit
(Zwei Zeitgedichte)

                            I.

Ja, nie und nimmer hat die Welt am Scheine
So sehr gehangen wie in unsren Zeiten,
Da sie voran mit Wissensfackeln schreiten —
Und fest doch halten an der Blindheit Leine.

Und nie und nimmer ließ sich im Vereine
Die Menschheit so von hohlen Worten leiten,
Noch niemals sah man sie für Hohes streiten
Mit solcher Sorge um das kleinlich Kleine.

Und niemals hat das Falsche und das Schlechte
In Kunst und Leben so viel Macht gewonnen
Und nie, wie heut, verdrängt das Gute, Echte.

Und niemals hat erblickt das Licht der Sonnen
So viele Frevel — als durch all die Rechte,
In die sich jetzt das Unrecht eingesponnen.

                            II.

Drum laßt es sein, hochmütig zu verachten
Die Zeiten, so uns da voraufgegangen,
Wo noch die Menschen lebten wahnumfangen —
Und also, wie sie handelten, auch dachten.

Ja, preisen möcht' ich fast das finst're Nachten,
Wo Mächt'ge ungestraft die Schwachen zwangen,
Wo Mönche froh ihr Hosianna sangen,
Wenn sie der Scheiterhaufen Glut entfachten.

Sie glaubten sich bestimmt von Gottes Gnaden,
Der Völker Mark, der Völker Blut zu saugen,
In Flammen Ketzerseelen rein zu baden.

Zu solchem Werke mochte Blindheit taugen:
Den Abgrund sahn sie nicht an ihren Pfaden —
Ihr aber stürzt hinein mit offnen Augen!