Maienzeit
Maienzeit! Ich greife wieder
Nach dem ausgeruhten Stab;
Bläulich duftet schon der Flieder,
Vöglein schwirren auf und ab.
Und das singt und pfeift und schmettert
Voller Liebe, voller Lust,
Wenn es in uns noch so wettert,
Zieht die Freude in die Brust.
Ringsum grünende Gehänge,
Blumenwiesen, Tannenhain;
Von der Ferne blicken strenge
Felsenkönige darein.
Aus der Tiefe nur das Tosen
Eines Waldstroms, weit und breit
Blaue Veilchen, wilde Rosen,
Träumerische Einsamkeit! —
Und aus Blumen und aus Blättern
Und aus Busch und Baum und Strauch,
Aus der Nachtigallen Schmettern
Wehte es wie Liebeshauch.
Liebe von den Bergen rauschte
Und aus Waldes grünem Dom,
Süße Liebesblicke tauschte
Selbst die Welle in dem Strom.
Und wie leises Frühlingswehen
Kam in Waldesdämmerung
Auch die Liebe ungesehen
Über mich so frisch und jung;
Und was auch die Götter senden
Mir an Freude oder Leid,
Halte ewig dich in Händen,
Um uns goldne Maienzeit!
An Dora
Daß ich auch dir, o blondes Mädchen,
Zurück das Wort der Liebe gab,
O frage nicht, du weißt ja nimmer,
Wie's in mir flutet auf und ab.
Ich habe mehr als du gelitten
Und denke noch in Liebe dein,
Wie an den süßesten der Träume:
Und dennoch, ach! es kann nicht sein.
O jener Tag, der sommerblaue,
Er steht mir ewig im Gemüt;
Denn wie ein goldner Liebesfrühling
War's mir im Herzen aufgeblüht.
Wir küßten uns, die Vögel sangen
Und um uns flüsterte der Hain —
Es wird noch lange in mir klingen,
Und dennoch, ach! es kann nicht sein.
In jenen trauten Dämmerstunden,
Wie eilte ich an euren Herd!
Ihr habt mich wie ein Kind gehalten,
Wie einen Bruder mich geehrt.
Ich lege diese goldnen Träume
Als tote in den Sarg hinein,
Ich habe viel, so viel verloren:
Und dennoch, ach! es kann nicht sein.
Wenn selbst des Frühlings leises Wehen
Von neuem wandelt durch die Flur,
Ich glaube kaum, daß ich genese
Am holden Busen der Natur.
Ich bin zu müd' und krank geworden
Und stehe einsam und allein;
Es wird mein Herz darüber brechen:
Und dennoch, ach! es kann nicht sein.
Liebesglück
Ei, was horchst du? Laß es rauschen!
Ist der Wind, der nächtlich weht.
Laß mich deinem Worte lauschen,
Wie dem heiligsten Gebet,
Und dir, Waldesblume, sagen,
Daß mein Herz wie damals liebt,
Als ich noch in jungen Tagen
Kuß an Kuß von dir genippt.
Weißt du, wie ich oft in Nächten,
Wann der Mond durchs Fenster schlich,
Dir die losgelösten Flechten
Von der Stirne heimlich strich;
Wie wir still beisammen saßen
Und der Mund am Munde hing
Und der Welt um uns vergaßen,
Die in Dämm'rung uns umfing?
Und wie damals ist es wieder;
Um uns schwebt die dunkle Nacht,
Und vom Himmelszelt hernieder
Sieht der Sterne goldne Pracht.
Doch mir ist, als ob die Sonne
Leuchtete mit hellstem Blick:
Lieben, ach, o welche Wonne,
Und geliebt sein, welch ein Glück!
Erlösung
Weißt du es noch, wenn sich so labend
Nach einem schwülen Sommertag
Herniederließ der kühle Abend
Und ich zu deinen Füßen lag:
Wie um die Stirne, die erregte,
Die an dem Busen dir geruht,
So kühlend deine Hand sich legte,
Zu sänftigen die wilde Glut.
Und jene abendliche Stunde,
Sie schwebt noch immer um mich fort,
Als harrte ich aus deinem Munde
Auf ein erlösend Zauberwort.
So hüllt die Wolke auch, die graue,
Den Himmel ein als bester Freund,
Damit sein Aug', das herrlich blaue,
Nur um so leuchtender erscheint.
Ausblick
O laß mich wieder deine Hände
Um deine Schultern legen, Kind,
Auf daß ich süßen Kuß dir spende,
Wie einst die Liebe dir gesinnt.
Es ist wohl Nacht um mich gewesen,
Und ich war krank bis auf den Tod —
Und nun bin plötzlich ich genesen,
Und mich umströmt das Morgenrot.
Und wie der Morgen hell und heiter,
Soll es fürder um uns sein.
O blick' nicht rückwärts, blicke weiter,
Du siehst vor dir nur Sonnenschein.
Und soll dein Auge dich umdüstern,
Weil deine Lieb' mich einst verlor,
Will ich ein Wort ins Ohr dir flüstern,
Und du bist glücklich wie zuvor.
Lorbeer und Immortellen
O Lorbeer, grüner Lorbeerkranz!
Gleichwie in heitrer Sommernacht
Das Auge blickt zur Sternenpracht,
So blicke ich nach deinem Glanz.
Ersehnend dich auf dieses Haupt,
Hab' ich so früh nach dir gerungen,
Da ich als Knabe schon gesungen
Und an Unsterblichkeit geglaubt.
Doch wehe mir, dein Blatt erbleichte,
Und statt der Blüten ruhmesreich
War es ein Kranz so todesbleich,
Den mir herab ein Genius reichte.
Hinweg ihr Blumen, ach, ihr hellen!
O welch ein trügerischer Glanz!
Ich wollte dich, o Lorbeerkranz,
Und faßte euch, ihr Immortellen.
Lorbeer und Myrte
Hinweg den Lorbeer, denn er blendet!
Es schwankt der Boden unter mir,
Mir fehlt die Kraft für diese Zier,
Die nur dem Höchsten zu sich wendet.
Ich bin nicht von den Auserkornen,
Und wenn ich einst an dich geglaubt,
So ist mir jetzt, als ob mein Haupt
Mir blutete, als wie von Dornen.
Nein, nein, du sollst mich nimmer locken.
Ich aber weiß ein Liebstes jetzt,
Das mir in Lust das Auge netzt,
Ihm lausche ich wie Sonntagsglocken.
Drum nicht des Lorbeers stolze Zierde
Und auch nicht dich, o Immortell',
Ich will nur eins, des Glückes Quell:
Für meine Braut den Kranz der Myrte!
Als ich unsere Wohnung zum
erstenmale sah
Halt inne, Fuß! Zum erstenmale
Betrittst du den geweihten Ort,
Wo bei des Abends mildem Strahle
Sich uns erschließt des Glückes Hort.
O welch ein traulich stilles Dämmern!
Der Geist des Friedens weht allhier;
Ich höre schon die Wanduhr hämmern,
Das Feuer knistern neben mir.
Und sehe, wie die goldnen Schwingen
Ein Engel hält ob uns gespannt,
Wenn bei der Abendlampe Singen
Wir traulich ruhen Hand in Hand;
Und fühle schon das hehre Schauern —
Die Lippe schweigt, das Auge spricht:
O sei gegrüßt in diesen Mauern
Du ahnungssüßes Dämmerlicht!
An einem trüben
Herbsttage
Sobald im Lenz die Knospen schwellen
Und Schwalbe baut an ihrem Nest,
So auch den munteren Gesellen
Es ahnend nimmer ruhen läßt.
Er schweift hinaus zum grünen Walde,
Wo heimlich schon das Veilchen blüht
Und aus dem jungen Buchenwalde
Frau Minne ihm entgegenzieht.
Ich aber bin zum Mann geworden,
Den arg gerüttelt schon die Welt,
Und draußen ziehn vom kalten Norden
Herbstwolken über Flur und Feld.
Und dennoch, wenn in Traumes Weben
Dein Bild sich senket in mein Herz,
Ist mir, als glühte neues Leben
Und Frühling sproßte allerwärts.
Abschied von meinem
Junggesellenzimmer
So leb' denn wohl, du stiller Raum,
Wo ich für meine Wunden
Selbst in der Lyra Saiten kaum
Ersehnten Trost gefunden.
Ein armer Kranker zog ich ein
Und dachte nur an Totenschrein
Und konnte nicht gesunden.
Da im verjüngten Zauber trat
Ein Mädchen vor die Sinne;
Die ich um Liebe einstens bat,
Gab mir aufs neu die Minne.
O wohl beglückt, dem solche Maid
Voll Anmut und voll Sittsamkeit
Zuletzt wird zu Gewinne.
Und schenkst du auch, stiller Raum,
Mir manche Liedergaben,
Ich danke für die Spenden kaum,
Du kannst sie wieder haben.
Ich ziehe ins Elysium —
Ade, du Junggesellentum —
Und will mich dort vergraben.
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