Elegie
Kleide dich Himmel, in Grau und wirf die Stirne in Falten,
Regne Tränen herab, rufe den grollenden Sturm,
Daß er donnernden Gangs die Weite der Erde durchwandle,
Und von waldiger Höh' stürze die Eiche herab!
Nacht umwölkt mir das Haupt, es faßt mich ahnendes Grauen,
Und der zweifelnde Sinn schwankt wie das Schilfrohr im
Teich.
Tauchst du wieder empor, du längst begrabene Stunde,
Da ich bangenden Schritts eilte den Torweg hinab?
Rings schwarzäugige Nacht; die Schwingen der Hoffnung erlahmten,
Sieh, aus schwarzem Gewölk trat jetzt ein goldener Stern.
Fort ihr dämmerten Bilder! — Ich atme mit volleren Zügen,
Die ich so lange entbehrt, Freiheit, die göttliche Luft.
O, es wandelt sich schön im Garten der Erde; vertraulich
Schmiegt das wehende Gras sich um den flüchtigen Fuß.
Schon erhebt sich der Tag; vom Zweige schmettert der Buchfink
Und aus lüsternem Wald winket die Liebe mir zu.
Doch was hämmert die Brust und ringt beklommen der Atem?
Wie von Bergen die Last ruht es gewaltig auf mir.
Sonnige Hügel treten an mich; es kündigt sich plötzlich
In dem blauen Gebirg grüßend die Heimat mir an.
Heimat! Du Himmel auf der Erde! Ich habe dich wieder und lausche
An der Schwelle und jetzt — Mutter, ich öffne die Tür,
Fühle den brennenden Kuß und fühle, du hast mir vergeben,
Doch der Vater? — "Nur still! Grollend noch hält er sich
fern.
Aber nun harre getrost im Stübchen der Mutter! Nur langsam
Reift zu goldener Frucht schüchtern die Knospe am Zweig."
Stunden! Wie eilt ihr behend am häuslichen Herde! Schon fliehen
Sommer und Winter und springt jauchzend der Frühling ins
Land.
Ihr auch Stare! O pfeift und schaukelt euch lustig wie immer
Auf dem Wipfel des Baums, streue euch Wolle zum Nest.
Aber dem Dienste der Dienst! Gelangt ihr nach Norden zur Donau,
Grüßt das Liebchen von mir, zierlich an Wuchs und Gestalt.
Sinnend lehnt es am Strom und schaut die kommenden Fluten,
Sieht mit blauendem Aug' wieder zum Himmel empor.
Wünsche heben die Brust und senken sie; doch der Geliebte
Flicht im einsamen Wald sinnige Blumen zum Strauß.
Sinnend und minnend durchzog ich die laubigten Haine noch
oftmals,
Siehe, da winkte der Tag strenge gebietender Pflicht,
Heilige Stunde, da du mit zitternder Hand mir, o Mutter,
Kreuzest Stirne und Mund, tränende Perlen im Aug'.
"Groß ist die Welt und weit und schön, mein Kind, und
verführend,
Doch im verlockenden Glanz denke der Mutter daheim,
Wie sich die Alternde härmt und jeglichen Morgen und Abend,
Wenn sich das Auge vom Schlaf hebt und zum Schlummer sich
senkt,
Volleren Segen auf dich von göttlicher Mutter herabfleht."
Also sprachst du, dein Wort klang mir beständig im Ohr.
Groß ist die Welt und weit und schön und verführend, ich fühlt'
es,
Denn mit betörender Macht klang der Sirenen Gesang.
Dirnen drängten sich zu, begehrende Glut auf den Wangen,
Küsse, lüsterner Mund, nur nicht die Rosen hinweg!
Hier bachantischer Tanz in festlich schimmernder Halle,
Dort bei purpurnem Wein nächtliches Zechergelag.
Ach, schon schwindet dein Bild, o Mädchen, am Strande der Donau,
Wie der liebliche Stern mählich am Morgen verblaßt.
Auf! Die eiserne Zeit gebietet ernsteres Wirken,
Über weichlichen Schmerz siege der werdende Mann!
Tritt mit wollender Kraft ans dornige Lehramt und wahre
Für das Höchste den Sinn in der empfänglichen Brust.
Weh, schon zittert der Grund mir unter den Füßen, entgleitet
Doch der führende Stab selbst der besonnensten Hand,
Wenn die Flammer erlischt am reinen Altar der Begeistrung,
Die das krönende Ziel einzig im Ziele nur sieht.
Die ihr über den Sternen, o Ewige, wandelt, ich dank' euch,
Vor dem sicheren Sturz habt ihr mich gnädig bewahrt.
Hin zum Strauchelnden trat der Genius göttlichen Stammes
In des Freundes Gestalt, Führer dem Schwachen zu sein.
O ihr Tage, so schön, wie prangender Laubwald im Maien,
Wann zu weilender Rast schwellendes Moos uns empfing!
Wie man kundigen Griffs die zart beseitete Seele
Lauschender Jugend berührt und in das weiche Gemüt
Gold des Wissens versenkt in zierlich verständigen Formen,
Hast du mich deutend gelehrt, bis uns die Sonne entschwand.
Lange folgte dein Blick der scheidenden, ach, und es faßte
Wie mit Sturmes Gewalt mächtige Sehnsucht dich an.
Laß uns, rief ich besorgt, den dunklen Waldpfad hingehn!
Und die sinkende Nacht führte uns schweigend zurück.
Erde, du hast dich seitdem aufs neue begrünt und beblütet
Und dein wärmender Hauch locket zu Wiese und Wald,
Lockt mich Träumenden auch, den Wald und Wiese verdüstern,
Dem selbst der Lerche Gesang Klage nur wirbelt ins Ohr.
Denn du hast mir ja alles, du hast mir den besten genommen,
Ihn, den fühlensten Freund, welchen die Norne mir gab.
Zürne nicht, heiliger Geist, wenn sich die einsame Seele
Auf den Flügeln des Traums rettet in knorrigen Hain
Trutzblauäugiger Sachsen; ein göttliches Wunder begibt sich:
Aus dem Dunkel der Nacht schreitet Walfrida hervor,
Reicht die Harfe mir dar, ich schlage beherzt in die Saiten,
Und von Wodan ertönt, Donar und Ziu das Lied.
Sang's und wollte dir wieder die goldene Harfe vertrauen,
Doch dem suchenden Blick warst du, Walfrida entflohn.
Sei mir, Harfe, gegrüßt! An friedlicher Wand, wo sich Epheu
Flicht ums schimmernde Haupt Goethes und Schiller umarmt,
Sollst du künftig mir ruhn. Doch wie? Du birgst ein Geheimnis?
Sieh, aus purpurnem Band gleitet ein rosiges Blatt;
Endlich jubelt sie auf, ist mir der Geliebte gefunden,
Und ich halte dich fest, wehre der Drängenden nicht!
Kannst du zürnen dem Kind, das liebenden Zeilen nicht wieder
Zeilen der Liebe gab, da man ihm fluchend gedroht?
Nein, mir sagt das Herz, du wirst dem Mädchen nicht wehren
Und ein edles Gemüt wendet sich wieder nach mir.
Wogen schlagen ergrimmt wie einst die ragende Felsbrust,
Siegend hebt sich der Dom über die schäumende Flut.
Blumen und Bäume wie einst, wie einstens Wasser und Felsen:
Doch das liebliche Kind, zierlich an Wuchs und Gestalt
Mit dem welligen Haar und blauendem Aug' wie ein Veilchen:
Trifft mich donnender Blitz? Wandelt ein Schatten heran?
Götter, zerteilt das Gewölk und kommt auf die farbige Brücke
Aus Wallhalla's Gefild, reichet mir kühnen Entschluß!
Freya, du wendest dich zürnend, doch Wodan, der mächtige,
winket,
Und zu männlicher Tat reißt es den Schwankenden hin.
Freiheit, ich atme dich wieder und atme dich doppelt, von neuem
Kehrt der strebende Mut mir in die heilende Brust.
Phaëton
Auf zu Helios stieg, dem herrlich leuchtenden Gotte,
Phaëton einst und bat ihn um der Rosse Gespann.
Kind! versetzte bestürzt ob solcher Rede der Vater,
Nimmer begehre die Hand Wunder der göttlichen Kraft!
Was die Erde dir beut, die nahrungssprossende, nimm es,
Hebe winde den Kranz ewiger schöne um dich! —
Nicht so, fiel ihm behend der hochaufstrebende Jüngling
In das mahnende Wort: reiche die Zügel mir dar!
Eos hatte indes die purpurne Pforte erschlossen
Und voll feuriger Kraft stürmten die Rosse heran.
Stolz und bangend zugleich ersah der göttliche Vater,
Wie von des Wagens Gestühl glänzte des Sohnes Gestalt.
Phaëton! rief er; umsonst. Schon öffnete Thetis die Schranken
Und in unendlichen Raum riß es es den Jüngling hinab.
Ach, da fehlte die Kraft des wegekundigen Führers,
Dem gebrechlichen Sohn zitterten Hände und Herz.
Hierhin schwankte und dorthin der leichtbeflügelte Wagen,
Vor den grausenden Blick traten die Wunder der Welt.
Da entglitten der Hand die angstbeklommenen Zügel,
Und zur Erde hinab stürzte des Phöbus Gespann.
Hellauf brannten die Berge, es brannten Wälder und Flüsse,
Aus der wallenden Flut tauchte Poseidon empor.
Ja selbst Pluto erschrak und sah bekümmert nach oben,
Wo durch klaffenden Spalt drängte die Sonne herein.
Endlich erhob auch Gäa das altehrwürdige Antlitz,
Das versengte, und bat Zeus um der Erde Bestand.
Und es sandte sofort der Fernhintreffer den Blitzstrahl,
In des Eridanos Flut sank der Entseelte hinab.
Nymphen fanden in dort am fremden Ufer und gruben
Lautaufjammernd sodann ihm das verfrühte Grab.
Also geht es auch dir, gewaltig ringende Seele.
Nach erhabenstem Ziel wendet dein Flug sich empor;
Aber die Schwinge erlahmt, und in die Öde des Lebens
Wirft ein feindlicher Gott dich ohn' Erbarmen zurück.
Dionysius
Hurtig tanzte das Schiff auf silbernem Schaume der Seeflut,
Und dem heiteren Gott lachte der wonnigste Tag.
Horch, da raunten sie schon und sah'n mit lüsternem Auge
Nach der weichen Gestalt und dem geringelten Haar.
Doch im selben Moment, als das begehrliche Schiffsvolk
An die schimmernde Hand eherne Fesseln ihm gab,
Brach die Kette entzwei und Epheuranken und Reben
Schlangen um Segel und Mast sich vor dem göttlichen Haupt.
Siehe, da hemmt' sich der Lauf des vorwärts strebenden Kieles
Und aus dämmerndem Grund stieg Amphitritens Geleit.
Golden tönte ihr Lied, daß Wind und Welle ihm lauschten;
Nur den Schiffern erbebt bis in das tiefste das Herz.
Und sie sprangen entsetzt vom hochgebordeten Fahrzeug
In die schäumende Flut, wo als Delphine sofort
Sie den Furchen des Schiffs, des raschhineilenden, folgten,
Das im höchsten Triumph trug den geretteten Gott.
An die Musen
Musen, die ihr auf lichtumflossener Höh' des Parnasses
Schwebt im seligen Chor unter der Saiten Getön,
Da tief unten der Wald im sanften Hauche des Windes
Antwort lispelt, und leis' rauscht der melodische Quell:
Ach, vergesset nicht ganz des einsam weilenden Sängers,
Den das düstere Grau nordischen Nebels umfängt!
Wem ihr, Göttliche, naht mit holdem Gruße, dem senkt sich
Bald das sonnigste Licht über das sinnende Haupt.
Genien tragen ihn fort, es weicht die Sorge des Tages,
Und der Beglückte wacht oben am Throne des Zeus.
Doch vergeblicher Wunsch! Gleichwie das Vöglein verschüchtert
Vor dem lärmenden Tag flieht in verborgenes Gebüsch,
Also flüchtet auch ihr vor dem Getöse des Marktes,
Denn es lauschet umsonst euch ein beseeltes Gemüt.
Phintias
Mädchen, o sage, wie kommt's, daß mir in jeglicher Stunde
Dein holdseliges Bild leuchtet bei Tage und Nacht?
Selber im Traume erscheinest du mir, dem lebhaft Erregten,
Und ich höre entzückt, was du mir leise versprichst.
"Komm! es flimmert der Mond," begannst du heute; es pochte
Bei dem lieblichen Wort dir in dem Busen das Herz.
Und wir gingen hinaus in den Wald. Da standen die finstern
Tannen, kaum irrte das Licht glitzender Sterne herein.
"Pst!"
So
flüsterst du, "mir ist, als ob es sich regte."
Aber es war nur der Wind, der in den Zweigen gerauscht.
Ringsum war es so still; balsamisch wehten die Lüfte,
Sieh, da legtest du sanft mir um die Schulter den Arm.
Wie uns in glühender Liebe das schwellende Moos dann empfangen
Und dem Kusse der Kuß folgte in fliegender Hast —
Liebchen, ich weiß es nicht mehr; doch als ich plötzlich
erwachte,
War es ein Kissen, mit dem Amor, der Schalk, mich geneckt.
Und so wandelt dein Bild mir, ach, in jeglicher Stunde
Vor den trunkenen Sinn; aber du selber entfliehst,
Wie ein schüchternes Reh bei jedem Säuseln des Windes,
Und ich fühle umsonst, Götter, die werdende Kraft.
Damon und Phintias
Rede immer so fort, verständig plaudender Junge!
Wie dem rieselndem Bach gerne der Wanderer lauscht,
Also lausche ich dir, doch spielt ein schmerzliches Lächeln
Mir um die Lippe, und fast wird es im Auge mir feucht.
Herrlich bist du fürwahr und jung und reif zu genießen,
Ja, manch schimmenderes Aug' ruhet verlangend auf dir.
Doch nahe vom Baume die goldene Frucht dir erglänzet,
Die zwar lüsterne Hand weichet erbangend zurück.
Ach, wie steh' ich beschämend vor dir, dem weiseren Jüngling,
Der gealterte Mann; rufe vergebens nach ihr,
Der entschwundenen Zeit, da dunkles Haar mich umrahmte,
Und die wachsende Kraft mählich im Busen mir schwoll.
Aber so sieget der Quell im gierig saugenden Sande,
Und die Rose verwelkt unter dem sonnigen Brand.
Laß! Du redest zu spät. Doch mag mein Kummer dich lehren!
Glücklicher Jüngling, wie jetzt, sei auch im Alter beglückt!
Phintias an Damon
Klage die Jugend nicht an und nicht das ernstere Alter!
Blüht nicht jeglicher Baum, eh' er verwelket und dorrt?
Aber die Blüte war schön, und selbst die alternde Krone
Streckt manch grünenden Ast noch in den Himmel empor.
Freilich schweiget dein Herz; kein holdes Mädchen belebt es,
Und es gleitet ihr Blick stumm an dem deinigen ab.
Aber ist's Liebe allein, die uns das Leben beseligt?
Haben die Himmlischen nicht bessere Gaben für uns?
Wer doch schöpfet, wie ihr, so tief vom Borne des Wissens
Und empfänget so oft göttliche Musen zu Gast?
Wenn auch Erato flieht, doch Klio reichet die Rolle
Und Urania winkt mit dem verheißenden Stab.
Blühende Kinder umgeben den Mann und zaubern ihm nochmals
Längsterloschenen Glanz eigener Jugend herauf.
Ist das Leben nicht auch ein Buch der Rätsel, das nimmer
Stürmischer Jugend, sich nur weiserem Alter erschließt?
Klage, o Damon, nicht und danke lieber den Göttern,
Die nach frommem Gesetz teilen das himmlische Gut!
Geheimnis
Wie die Kirschen so schwarz, so lachten die munteren Augen,
Und das bräunliche Haar fiel ihr in Ringeln herab;
Also fand ich sie einst; sie sang ein reizendes Liedchen,
An das Gitter gelehnt, welches die Rebe umspann.
Aber ich schlich mich herbei und schloß ihr heimlich die Augen,
Und mit entstellender Stimm' fragte ich: Mädchen wer ist's?
Doch sie atmete tief und ließ es ruhig geschehen,
Während vom nahen Gezweig Nachtigall schlug an das Ohr.
Ach, wie flattert behend von einem Aste zum andern
Weibchen, bauend das Nest. Wie uns das Tierchen beschämt!
Ist nicht duftender Mai, wo liebend die Knospen sich öffnen
Und der kosende Wind heimlich die Rose umbuhlt?
Mädchen! — O fraget nicht mehr! Doch hat uns Amor belauschet,
Und der liebende Gott stehet der Antwort bereit.
Erwartung
Welch ein bitterer Hohn! Man nennt euch tanzende Horen,
Die ihr kränzegeschmückt schlingt den lustigen Reih'n.
Glücklicher Grieche, dem so die reizenden Stunden entschwanden,
Aber mir schleichen sie träg', bleiernen Fußes dahin.
So ich blättre im Buch, ich leg' es ruh'los von dannen,
Selbst das schönste Gedicht tönet mir öde und schal.
Ängstlich geh' ich zu Türe und lausche klopfenden Herzens:
Von der unteren Flur hallt es wie Tritte herauf.
Ach, es rüttelt der Sturm denn schlecht verriegelten Balken,
Und ich kehre bestürzt wieder zum Fenster zurück,
Öffne die Flügel, doch sieh, dem sehnsuchtsvolleren Auge
Ruhig lächelt der Mond fast wie verspottend ihm zu.
Endlich! Der Liebende ist's! O rüttle immer die Mauern,
Nächtlich brausender Sturm, mächtiger tönet sein Wort,
Bald durch Küsse erstickt, indes die lauschende Luna
Sich in heimlicher Scham hinter den Wolken verbirgt.
Italien
Als ich die Adria sah, die weithinblauende, war mir,
Als ob jegliches Bild, welches verschwommen bisher
Vor der Seele mir stand, an schärferem Umriß gewänne,
Doch ich kehrte zu bald wieder nach Norden zurück.
Götter, o laßt mir nur eins, o laßt mich Italia schauen,
Wo aus tieferem Blau Phöbus, der leuchtende, sieht
Um den marmornen Gott die blühende Myrte sich windet
Und das purpurne Meer bläuliche Berge umsäumt!
Nichts als Träume
O, wie war ich so froh, wenn ich in Tagen der Jugend
Aus dem dumpfen Gemach floh in den grünenden Wald,
Wo ich dem Sturze des Baches, des übermütigen, lauschte
Oder dem klopfenden Specht, hangend am kräftigen Stamm.
Wie goldschimmernde Falter um Blumenkelche, so schwebten
Dann, o glückliche Zeit, goldene Träume um mich.
Sah als Sieger mich jetzt auf stolz sich bäumendem Rosse
Unter dem Jauchzen des Volkes und der Posaunen Getön;
Oder ich baute auf ragender Höhe mir Zinnen und Türme,
Und die goldene Kron' blitzte vom lockigen Haupt.
Träumend zog ich zu Tale, allwo die niedliche Hirtin
Über Blumen gelehnt sich in den Wellen besah.
Doch das liebliche Kind samt Quell und Blumen verschwanden
Und die blühende Au wurde zur Bühne sofort;
Gleich dem tosenden Strom erscholl nicht endender Beifall
Und der herrlichste Kranz senkte sich leise aufs Haupt.
Aber wie silbern Gewölke im sonnigen Äther zerfließet
Und der Lerche Gesang sich in den Lüften verliert,
So zerann und verklang ein lieblicher Traum um den andern
Und am Schlusse, was blieb? Sehet, ein Schulmeisterlein,
Das gebückt und gekrümmt bei spätem Schimmer der Lampe
An dem einsamen Pult Hefte um Hefte beschaut.
Und doch gäbe ich gern die schönsten Träume der Jugend,
Wären die Blüten des Baums alle zur Frucht sie gereift,
Gäbe die ragende Burg, des Siegers rühmliche Laufbahn,
Grünenden Lorbeer, selbst dich, ach, um ein liebendes Herz!
Daheim
Laß den lärmenden Markt, in dem die Wut der Parteien
Raubt den ruhigen Blick und das befriedete Herz;
Flüchte lieber zu ihm, dem traulich knisternden Herde,
Wo ein sorgendes Weib dich an der Schwelle empfängt,
Und zwei Hände nach dir, zwei kindlich bittende, streben,
Sie, vor denen sofort jegliche Sorge entsinkt.
"Schau nur Vater!" So tönt's aus lieblich plauderndem Munde,
Und ich folge entzückt über die Schwelle ihm nach,
Wo das schelmische Kind sich Haus an Häuschen gebauet
Und die Steine voll Lust übereinander getürmt.
Spiele immer fort, ob auch dein heiteres Spiel mich
All der Träume gemahnt, die ich als Jüngling gepflegt.
Ach, was baute ich für stolze, kühne Paläste
In die Lüfte, und nichts gab mir das Leben, dem Mann.
Nichts? — O Frevelnder, still! Ich halte ja alles in Armen,
Dich, das reizenste Kind, das mir die Götter verliehn.
Zürnt dem Glücklichen nicht und laßt im Auge des Kleinen
Eures heitern Olymps irdischen Aglanz mich sehn!
Gefunden
Endlich leuchtet das Glück; wir haben uns beide gefunden;
Wie das knospende Aug' sich vor der Sonne erschließt,
Also taute auch dir die tief verschlossene Brust auf,
Und die Liebe, sie stieg herrlich entfaltet aus ihr.
Lächelnd harrest du nun, so ich mit beflügeltem Schritte
Aus verdrießlichem Amt kehre zum häuslichen Herd.
In den Armen dir ruht der süß noch schlummernde Säugling,
Während das ältere Kind sich an die Falte dir schmiegt.
Also treten wir ein; ein trauliches Dämmer umfließt uns,
Und das Auge verspricht, was uns die Lippe verschweigt.
"Bist du glücklich? O sprich!" beginnst du zagenden Mundes,
Und ich rufe beherzt: Wahrlich, ich bin es — durch dich.
So auch ruhet das Meer gar oft in peinlicher Stille,
Und mit ängstlichem Blick schauet der Schiffer umher;
Endlich atmet der Wind, die blauende Welle erhebt sich,
Und die friedliche Bucht nimmt die Gestrandeten auf.
Die Zunge
Zunge, bald gleichest du ihr, der Königin unter den Sängern,
Die vom schattigen Zweig klagt in die einsame Nacht;
Bald dem flüsternden Wind um träumendes Schilfrohr im Teiche,
Bald dem plaudernden Bach unter der Erlen Gezweig.
Doch du gleichest auch ihm, dem mitternächtigen Sturmwind,
Der von Nordens Gefild über die Erde rast;
Gleichst dem donnernden Gott, der leuchtende Blitze entsendet,
Oder dem tosenden Strom, stürzend aus wolkiger Höh'.
Aber wie immer du tönst, ich fürchte nur eine der Stimmen,
Die wie die Natter im Sand aus dem Verborgenen zischt;
Denn sie hat mir ja alles, sie hat mir die Liebe genommen,
Und das Leben, es ist ohne die Liebe der Tod.
An einer Mädchenschule
Und da sagen sie noch, es habe der göttliche Bildner
Uns Schulmeister, o hört, einstens im Zorne gemacht.
Welch ein lügendes Wort! Mir ist, es sei der Katheder
Wie ein moosiger Fels mitten im sprossenden Wald;
Und es stünden vor mir auf hingezauberter Wiese
Blumen und Blüten, wie nur Flora, die gütige, streut:
Veilchen mit blauendem Aug' und purpurschimmernde Rosen,
Bräunliche Nelken, die stolz neben den Lilien stehn;
Auch mitunter versteckt ein Gänseblümchen und Krokus
Nebst Klatschrosen, die frech wuchern in üppiger Zahl.
Und, o Wunder, mir geht's, wie Alexander dem Großen
In dem indischen Wald: Lieblicher Vogelgesang
Tönt von Zweigen, die nie ein blauer Himmel durchbrochen,
Und aus jeglichem Kelch steiget ein Mägdlein empor.
In den zierlichsten Reihen sie schweben lachend und singend
Auf und nieder; doch weh, in den verlockensten Traum
Tönt die Gocke hinein, und gleich den Tauben des Hofes
Zieht der fröhliche Schwarm gurrend und schwirrend davon.
Auf Heinrich Leuthold
Was dem kranken Jüngling die Frühjahrssonne,
Blaues Fruchtgelände dem irren Schiffer
Und die feuchte Wolke dem Wüstenwanderer —
Sänger, das bist du
Mir, der oft in Stunden, die schwarzumnachtet,
Tröstung sucht und findet in deinen Perlen,
Die wie Mondlicht leuchten und sanften Flusses
Immerdar rollen.
Suum cuique
Laß dem Städter immer die Lust, zu wandeln
Unter schattig grünen Kastanienbäumen,
Bis ihm das so lauschig am Wald geleg'ne
Tivoli winket;
Doch ich liebe, einsam für mich zu streifen
Auf den stillen Höhen des grünen Golove,
Unten rechts das träumende Moor, zur linken
Silberne Alpen.
Abschied von Freistadt
O Vaterstadt! dir tönet der Saiten Gold
Als Scheidegruß vom grünenden Waldsaum aus,
Die durch der Fichten dunklen Rahmen
Freundlich du schauest aus Tales Wiege.
Uralte Linden nebst Wildkastanien
Umrauschen dich; ernstblühende Gärten ruhn
Im tiefen Graben unter grauen
Zinnen und Türmen, die langsam brökeln.
Wie kühn du stehst, ein lauender Wachsoldat,
O Festungsturm! Du wehrest die Stürme ab
Von deiner Brust; doch muntre Dohlen
Fliegen ums Haupt dir, darinnen nistend.
Und was dort schimmernd über die Dächer ragt,
O traute Stätte, Wiege des Kindes du,
Wo Mutter mich das erste Gebetlein,
Lauschende Jugend als Mann ich lehrte!
Nun ruht sie lange unter dem Hügel dort
Im öden Friedhof, der an die Kirchenwand
Zerrochene Kreuze lehnt und Steine,
Epheuumwuchert und kaum entziffbar.
O Vaterstadt, wehmütig idyllische!
Fort sind die Freunde, innig von mir geliebt,
In brauner Erd', teils in der Fremde,
Willig ich greife zum Wanderstabe.
Aus tiefster Seele rufe ich: Lebe wohl,
Du traumhaft Städtchen! Tannenumkränzte Höh'n!
Bald rauscht am Torweg mir die Linde,
Schwalben umfliegen mich, nochmals grüßend.
Wunsch
Streichle mir mit kosender Hand die Stirne
Und du träufelst lindernden Balsam wieder
Mir, o Freund, ins blutende Herz, doch frage
Nimmer: Was ist dir?
Laß, o laß ins heitere Aug' dir blicken
Und der goldnen Jugend dabei mich denken,
Die nun dein ist. Finsterer Groll umschattet
Plötzlich die Stirne.
Hingestreckt auf grünenden Samt der Wiese,
Über mir den heiteren Frühlingshimmel,
Und der Erde kräftigen Atem trinkend,
Möchte ich hingehn;
Während du mit liebender Hand das Auge
Vor der Sonne herrlichem Strahl mir schließest
Und, mein holder Genius, auch im Tode
Mich noch behütest.
Melk
Herrlich prangendes Haus auf dem erhabnen Fels,
Den die Woge bespült rollenden Donaustroms,
Das du irrendem Jüngling
Einst willkommene Stätte gabst:
Sei mir wieder gegrüßt! Weise mich fremd nicht ab,
Weil ich freiheitbeseelt griff zu dem Wanderstab,
Mit geblendetem Auge
In die schillernde Welt zu ziehn.
Wieder tauchen vor mir dämmernde Bilder auf,
Wie im schweigenden Dom abendlich goldbestrahlt
Ich in trunkener Andacht
Vor dem Kreuze des Herrn gekniet.
Ein noch scherzendes Kind, das in dem Grünen spielt,
Sprang ich von dem Altar dann in den Klosterpark,
Wo von laubigen Linden
Sich ein schattender Tempel wölbt.
Oft auch irrte der Blick leuchtendem Strom entlang
Nach dem rauchenden Schiff, das wie ein Punkt verschwand,
Und den Bergen der Heimat,
Die im silbernen Duft zerfloß.
Herrlich prangendes Haus auf dem erhabnen Fels,
Den die Woge bespült rollenden Donaustroms,
Das du irrendem Jüngling
Einst willkommene Stätte gabst:
Sei mir wieder gegrüßt! Jugend und Heimat sind
Längst verloren, und ach, irrendem Manne schließt
Wundenheilend sich nimmer
Deine heilige Pforte auf.
Kremsmünster
Wie oft auf dunklem Fittich der Sensucht fliegt
Mein Geist aus fremdem Lande hinauf zu dir,
O altehrwürdig stilles Kloster,
Du meiner Jugend geliebte Stätte!
Von grünumlaubtem Hügel siehst freundlich du,
Ein gastlich Willkomm winkend dem Wanderer,
Hinaus ins lachende Gelände
Bis zu dem Saume der blauen Alpen.
Nach ihren Häuptern blickte ich sinnend oft,
Wann sich des Abends Flimmer um Berge wob,
Und wie im Traum zog euer Bildnis
Mir vor die Seele, erhabne Meister.
Des Schicksals Huldblick oder das ernste Grab
Nahm euch hinweg; doch schwebt die Erinnerung
Um jenen Ort, wo in des Wissens
Erstes Geheimnis ihr einst mich weihet.
Das Bild der Edlen leuchtet im Leben fort
Und führt, ein holder, segnender Genius,
Wie durch des Meers erregte Fluten
Uns zu des Friedens ersehntem Porte.
Auf Amand Baumgarten
Daß ich ernsteren Sinns lausche der Lenznatur,
Wann im einsamen Wald quillet das erste Blatt
Und der Falter bedächtig
Sich ob goldener Primel wiegt;
Jetzt auf moosigem Grund unter der Tanne Zweig
Bei dem Rieseln des Bachs heimliche Zwiesprach' oft
Mit Urania halte,
Die dem träumenden Manne hold;
Dann im Drange der Welt jegliches Menschenkind,
Ob ihm traulicher Ton, den mir die Mutter gab,
Oder fremdere Sprache
Aus der purpurnen Lippe quillt,
An die fühlende Brust drücke und immer nur
In dem rauheren Kern suche das echte Gold,
Diese Tugenden dank' ich
Dir, dem edelsten Menschenfreund,
Der so einsam du stehst unter der Mönche Chor,
Seit das eh'rne Geschick Freund dir um Freund geraubt,
Von dem jüngeren Nachwuchs,
Dem dir fremden, verstanden kaum.
Und doch mag dir das Herz pochen mit lautem Schlag,
So der Vielen du denkst, die in der Welt verstreut,
Dir, dem würdigen Meister,
Andachtsvolle Erinn'rung weih'n.
Blick in die Zukunft
Wohl erröte, daß du des Ahns vergessen,
Dessen Stirne schmückte die deutsche Krone!
Stets im Bund mit dunklen Gewalten wirst du
Mählich verbluten.
Reichlich quoll vom Horne der Almathea
Einst auf dich der Segen herab, und ringsum
Klang des Sängers Lied zu dem Lied der Lerche
Wie um die Wette.
In die Gruft sank herrlichen Stamms der Letzte,
Und die Vöglein neigten das Haupt und schwiegen.
Herbstes Sturmwind zog durch das Land, es deckten
Wolken den Himmel.
Zwar noch einmal wurde er blau und brachte
Auf des Liedes Schwingen den deutschen Glauben;
Doch im Bund mit finsterer Macht bezwang ihn
Blinde Gewalttat.
Wie vom kalten Reife berührt, erschienst du
Von der Stund' an; denn von dem teuren Herde
Zogen dir die Besten hinweg mit nichts als
Hacke und Spaten.
Wie an Weltbaums Wurzel der Drache nicht nur,
Wie auch Hirsche nagen am grünen Laubwerk,
So an deinem Marke noch nagen andre
Heimliche Schlangen.
Oft in hehren Nächten ertönt ein Rauschen,
Wie von Wodans Sturmschritt ob Waldes Wipfeln,
Und empor in blauende Luft erhebt sich
Mächtig sein Adler.
Herrn Prof. Kn.
. . . und Konsorten
Unter'm Sturz des Wassers erdröhnt das Mühlrad,
Keuchend zieht das Roß den gewohnten Wagen,
Und der Pflug durchschneidet die braune Scholle —
Ewig im alten.
Und du wagst, Verblendeter, der Scharteke
Altehrwürd'ge Weisheit von dir zu lehnen,
Brütest gar wohl, trinkend aus Mimirs Borne,
Über den Büchern;
Eitler Tor! indessen die Lehrgenossen
Breit am Biertisch schwatzen, wie oft sie heute
Ausgelass'ne Jungen in Karzer sperrten,
Oder wie pünktlich
Sie nach jedem Blättchen Papier gefahndet,
Das zerstreut sie unter der Bank gefunden,
Stets ihr aufgeblasenes Wort "Professor"
Führend im Munde.
Aber fragst du: Habt ihr den "Faust" gelesen?
Mißt man dich mitleidigen Blicks und schleudert
Dir das stolz olympische Wort entgegen:
Ich bin Lateiner.
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