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VII.
Sonette

 

Heimaterinnerungen

1. Im Lärchenwäldchen

O Lärchenwäldchen, jene goldne Stelle
Im Buche der Erinn'rung, sei willkommen!
Hier ist der Knabe einst emporgeklommen,
Umschaukelt von des Grases grüner Welle.

Dann ging's hinab zur lieblichen Kapelle,
Wo ich die Hände faltete, die frommen,
Bis mich der Schoß des Waldes aufgenommen
Und jauchzend ich von Quelle sprang zu Quelle.

Wie einsam hier die hohen Tannen rauschen,
Geheime Zwiesprach mit dem Wasser haltend!
Wie unwillkürlich meine Hände faltend

Glaub' ich noch jetzt der Stimme, ach! zu lauschen,
Sich einst dem Kind als göttliche gestaltend,
Doch sind's nur Wald und Wasser, welche rauschen.

2. Auf dem Kreuzberge

Wozu das Kreuz des Dulders auf dem Hügel,
Auf dessen Haupt gewalt'ge Tannen stehen,
Um dessen Brust nur Gras und Blumen wehen,
Umschmeichelt von des Schmetterlinges Flügel!

Ich liebe nicht das leidensvolle Siegel
Des Christentums auf waldig grünen Höhen,
Ich möchte der Natur ins Antlitz sehen,
Wie in des Wassers unverfälschten Spiegel.

So trübt die Wolke mir des Himmels Bläue,
So trübt der Stein die ruhig klare Flut;
Was soll das Kreuz, wo ich mich nur erfreue?

Daß all der Leiden kaum erloschne Glut
Aufs neue in dem Herzen wiederglimme?
Hinweg vom Leben jene Todesstimme!

3. Hofwiese

Dem grünsten Teppich bist du zu vergleichen,
Mit bunten Blumen wundervoll gestickt;
So oft mein Auge sehnend dich erblickt.
Muß auch des Kummers düstre Falte weichen.

Besonnte Berge an den Saum dir reichen,
Von deren Haupt die dunkle Tanne nickt,
Das Wasser träumt, wie in den Schlaf gewiegt
Vom sanften Rauschen altehrwürd'ger Eichen.

O traute Stätte meiner Kindheit du!
Hier bin ich oft in deinem Schoß gelegen
Und schloß wie träumend meine Augen zu;

Die ganze Zukunft lachte mir entgegen —
Und nun ich wieder träumend in dir ruh' —
Wo ist der Kindheit und des Frühlings Segen?

4. Im Garten

Das war ein Tag! Der blaue Himmel glühte,
Der Brunnen plätscherte als wie im Traume,
Den Vogel schläferte auf müdem Baume,
Und schlummertrunken neigte sich die Blüte.

Mir aber war so selig im Gemüte;
Dort saß ja sie im stillen Gartenraume,
Und unter ihres Hutes gelbem Saume
Sah mich ein Auge an voll Seelengüte.

Ich küßte sie; dann sprang ich lächelnd weiter,
Wie Falter von dem Blatt fliegt, das er küßte;
Schon wartete der drängende Begleiter.

Ich sah nicht um, wie oft die Mutter grüßte;
Und nun sie schlummert in dem kühlen Grunde,
Wie möcht' ich hangen stets an ihrem Munde!

5. Vor dem Gartenhause

Ob unserm Hause liegt ein stiller Garten,
Man blickt von ihm ins lachendste Gelände;
In fernster Ferne blaue Alpenwände
Mit schroffen Zinken und geborst'nen Scharten.

Und dort, umkost von Blumen aller Arten,
Hielt ich so oft umschlungen deine Hände,
Daß ich das Liebste auf der Erde fände —
Und deine Augen schlossen sich, die zarten.

Drauf legte um die Erde sich ein Dämmern,
Daß Berg und Tal in Silbergrau verschwammen,
Die Sterne glühten auf wie Liebesflammen;

Von allen Zweigen schien es leis zu flüstern,
Die Rosen streuten ihren Duft so lüstern —
O fraget nicht! Ich fühl's noch jetzo hämmern.

6. An der Krems

Die Zeit der Jugend war's, die träumerische:
Einschläfernd schlug das Wasser an den Strauch,
Libellen wiegten sich in Windes Hauch,
Im kühlen Grunde spielten sich die Fische.

Ich wartete in goldig grüner Nische,
Dahingestreckt nach Müßiggängers Brauch;
Die Zweige rauschten, und schon kamst du auch
In deiner ganzen jugendlichen Frische.

Und wie die Vöglein über uns auch sangen
Und sich die Sonne durch die Blätter stahl,
Ich sah nur dich und deiner Augen Strahl

Und hielt dich liebend mit dem Arm umfangen,
Indes zu Füßen schlummerten die Fluten,
Das Bild zu spiegeln, wie wir selig ruhten.

An J. Gm.
(Julie Gmeinwieser)

Ein sinnend Mädchen sah ich oft dich lehnen
An das Staket, von Rosen überrankt,
Wann wieder mit der Mutter du gezankt,
Das Auge noch gerötet von den Tränen.

Nach blauen Bergen sahst du voller Sehnen
Und hast auf meine Grüße kaum gedankt;
Denn wie die Rose in dem Sturme wankt,
So mochtest du dich sturmergriffen wähnen.

Dann brachten selbst die unschuldvollen Reime
Des Knaben dir kein Lächeln auf den Mund,
Nur immer mehr versankest du in Träume.

Und unergründet, wie des Bergsees Tiefen,
War deine Seele, deren tiefster Grund
Von einem dunklen Schmerze war ergriffen.

An Ant. S.

Die Sonne ist zur Ruhe schon gegangen,
Nur noch die Berge leuchten auf wie Gold,
Bis Göttin Nacht ihr Schlummertuch entrollt,
Die Erdenwiege liebend zu umfangen.

Nun läßt sie ihre Silberampel hangen,
Und so ein armes Menschenherze grollt,
Dem Stern an Stern sie aus der Tiefe holt,
Das tröstend sie dem Schlummerlosen prangen.

So war um mich auch schlummerlose Nacht.
Doch von dem armen Kinde niemals weichend,
Hast du mich stets, der holden Göttin gleichend,

Mit deinem Blick so mütterlich bewacht
Und gleich den Sternen, nie im Glanz erbleichend,
Wohltaten mir, unzählige, gebracht.

Laibach
Auf dem Schloßberge

Das Haupt umwölbt von grünem Blätterschilde,
Siehst du am Fluß, der sanft hinuntergleitet,
Die graue Stadt, wo buntes Leben schreitet,
Und weiterhin ein grünendes Gefilde:

Kastanien, die in des Lenzes Milde
Den reichen Schmuck der Blätter ausgebreitet,
Waldhügel dort, die Pfad an Pfad durchleitet,
Fernhin der Alpen zackige Gebilde.

Ich lege meinen Wanderstab zur Seite
Und lehne sinnend an dem Stamm der Buche,
Die Blicke sendend in die duft'ge Weite.

Ist es die Heimat, die ich irrend suche?
Was strebst du fort! Unschuldig an dem Streite
Ist dieses Land und an der Götter Fluche.

Stimmung

O süßer Tod! Du einz'ger Trost im Leben,
Wann wirst du die ersehnte Tröstung bringen
Und mir das Haupt mit deinen weißen Schwingen,
Du Genius des Friedens, einst umschweben?

Ich bin so müde von dem ew'gen Streben,
Und nicht des Geistes unstät Vorwärtsdringen,
Nicht Frau'n und Freunde, noch der Harfe Klingen
Erheitern mich, nicht Rosen und auch Reben.

Nur Eines ist, was mir auf Erden lächelt:
Des Grabes Blumen, die der Frühling fächelt.
Wie ihre Wurzeln in die Erde ragen!

Als ob die vielen ungelösten Fragen,
Die meine arme Seele hier bedrängen,
Nur Lösung fänden in dem Grab, dem engen.