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Gedichte 1
 

Wanderlieder
Schmerzliches, ewiges Lebewohl
Das Wiedersehen
Trost im Echo
Stille Liebe
Der Doppelfrühling
Blumen, Blätter und Mimosen
Silhouette der Einzigen
Ewiges Suchen
Der Mai der Liebe
Das Ende vom Liede
Der Stadtfrühling im Herbste
Der Kinderengel
Sternlieder
Wohin?
Frag' und Antwort
Die holde Feindin

 

Wanderlieder

An Sie

1.
Die Poesie, die Wunderfrau,
Die gibt nicht Ruh im Haus,
Des Waldes Grün, des Himmels Blau,
Des Stromes Glanz, der Schmelz der Au,
Das lockt sie stets hinaus!

Und sitze ich am Schreibetisch,
Und schreib' das Herz mir warm,
Da nahet sie aus dem Gebüsch,
Und lacht mich an, so froh, so frisch,
Und reicht mir ihren Arm;

Und führt mich über Berg und Tal,
Und zeigt mir Gottes Pracht;
Am Tag den süßen Sonnenstrahl,
Und milde Sterne, sonder Zahl,
In sanfter Mondennacht.

Da wird mir gar so wunderbar,
So wohl und doch so weh,
Wenn ich die tausend Sternlein klar,
Wie eine kleine Kinderschar
Im stillen Kreise seh.

Da schaue ich zum Sternenzelt,
Der Erde nicht bewußt,
Da ist's mit mir so froh bestellt,
Daß ich die ganze liebe Welt
Umhalsen möcht' in Lust!

So kommt es dann, ich weiß nicht wie,
Weiß nicht wie es geschieht,
Daß ich, bald spät, bald Morgens früh,
Etwas erdicht' in Harmonie,
Ein einfach kleines Lied.

Doch wenn ich wandre noch so weit,
Wie fern auch tönt mein Sang,
Bist Du mir nah zu jeder Zeit,
Und Deiner Schönheit Herrlichkeit
Ertönt mein Saitenklangl

Denn was ich fühle anderwärts,
Bezieht auf Dich allein,
Sowohl in Lust als auch in Schmerz,
Mein liebevolles treues Herz
In seinem Tun und Sein!

2.
Die Wolken an des Himmels Plan'
          Sie schau'n mich an;
Sie schau'n mich an und zieh'n fort,
          Nach jenem Ort,
Nach jenem Ort, wo sie allein,
          Gedenket mein,
Gedenket mein zu jeder Zeit
          In Lust und Leid;
O Wolken höret meine Bitt',
O Wolken nehmt mich mit!

Es zieh'n die Vöglein wohl entlang,
          Mit süßem Sang,
Mit süßem Sang nach jenem Land,
          Wo ich sie fand,
Wo ich sie fand, die bis an's Grab
          Mir Liebe gab,
Mir Liebe gab und Lieb' empfing,
          Und Schwur und Ring;
O Vöglein höret meine Bitt',
O Vöglein nehmt mich mit!

Es fließt der Bach und murmelt still,
          Ob mit ich will;
Ob mit ich will, wohin er eilt,
          Wo Liebchen weilt;
Wo Liebchen weilt und inniglich
          Nun denkt an mich;
Nun denkt an mich, und still und traut
          Ins Bächlein schaut;
O Bächlein höre meine Bitt',
O Bächlein nimm mich mit!

Gedanken stiegen, nimmer matt,
          Nach jener Stadt,
Nach jener Stadt, wo lichtumwebt
          Die Holde lebt,
Die Holde lebt, die ich errang
          Durch süßen Sang;
Durch süßen Sang, mit dem mein Lied
          In's Herz ihr zieht;
Gedanken höret meine Bitt',
Gedanken nehmt mich mit!

3.
Fern von ihr
Sitz' ich hier,
Ganz allein;
Hat nun Fried
Mein Gemüt?
Nein, ach nein!

And're Luft,
Wälderduft,
Hüllt  mich ein;
Ob die Lieb'
Von mir blieb?
Nein, ach nein!

Stilles Tal
Lockt allzumal
Mich hinein;
Bleibt mein Schmerz
Anderwärts?
Nein, ach nein!

Wo ich geh,
Wo ich steh,
Ist sie mein!
Ob ich denn
Mein sie nenn'?
Nein, ach nein!

Schmerzliches, ewiges Lebewohl

Leb' wohl, Geliebte, sieh, am Wanderstabe
      Steht der, dem Du Dein Herz geschenkt;
O flehe, daß er bald zum frischen Grabe
      Den Schritt des Lebenssatten lenkt!
Laß, o Geliebte, sie noch einmal fassen
      Die liebevolle, liebewarme Hand,
Die freundlich, lieblich, ohne Unterlassen,
      Des Lebens schönste Rosen für mich wand;
Leb' wohl und höre, wenn Dein Freund Dir spricht:
      Vergiß, o vergiß mein nicht!

Leb' wohl, Geliebte, schenke eine Zähre
      Mir mit auf meinen finstern Pilgergang;
Und siehe, daß es nimmer lange währe,
      Daß ich die Ruhe sterbend mir errang;
Wenn Du einst hörst, daß ich im fremden Lande
      Umfangen bin vom tiefen Sehnsuchtsweh',
Daß ich an ferner Meere ödem Strande
      Nach Deinem Anblick schmachte und vergeh',
Dann höre, wenn Dein Freund von Ferne spricht:
      Vergiß, o vergiß mein nicht!

Wenn Dich dereinst in einer Zwielichtstunde
      Ein namenloses Bangen süß befällt,
So denk' Dein ferner Freund gibt Dir die Kunde,
      Daß er voll Liebe treu noch an Dir hält;
Wenn Dir dereinst die Augen überfließen,
      Und stille Wehmut Deine Seele rührt,
So denke, daß sein Leben zu beschließen
      Die güt'ge Gottheit Deinen Freund nun führt;
Daß er vom Leichenhügel zu Dir spricht:
      Vergiß, o vergiß mein nicht!

Wenn dann im Glück und Schmerz in deinem Leben,
      Ein leises Tönen stets Dein Ohr umgibt,
So wird der Geist des Freundes Dich umschweben,
      Der dort wie hier Dich treu und innig liebt;
Und wenn Dir einst am glücklichen Altare
      Ein stiller Glückswunsch wehmutsvoll erschallt,
So denke, daß Dein Freund aus seiner Bahre
      Zu Deiner Hochzeit ungesehen wallt;
Mit leis' verhallter Stimme fleht er da:
      Vergiß, o vergiß mein ja!

Das Wiedersehen

Ich sah hinauf und himmlisch angestrahlt
Ward plötzlich ich von meiner Sonne,
Wie man ihr glänzend Abbild schwach nur malt
In allen Reizen der Madonne;
Ein Schimmer war's, doch war der Schimmer milde,
Der Anmut gleich in einem Gnadenbilde.

Die heil'gen Flammen, die im Schlummerflor
In meines Herzens Tiefen ruhten,
Sie schlugen schnell erwachend nun empor,
Mit ihren nie erlöschten Gluten;
In einem Licht', das Worte nicht benennen,
Schien rings um mich das Weltall zu entbrennen.

Und als ich noch einmal hinaufgeblickt
Zum Fenster, wo die Holde weilte,
So war's, als ob Aurore, goldgestickt,
Das Licht auf ihren Wangen teilte;
Und Amorinen schienen diese holden
Und reichgerollten Locken zu vergolden.

Aus ihrem zaubervollen Wimpersaum
Sah ich den Frühlingsmorgen tagen,
Die Luft war stolz darauf, durch ihren Raum
Das süße Augenlicht zu tragen,
Und alle meine Sinne fühlt' ich schwinden,
Als dieses Licht zu mir sich wollte finden.

So ist sie da, die Holde, die allein
Mir Herz und Seele hat umfangen!
Nun ist ein heil'ger Zweck doch meinem Sein,
Und heil'ge Ursach aufgegangen;
Mein süß Geschäft, mein innigstes Bestreben
Ist es sie seh'n und ihrem Anblick leben.

Trost im Echo

Klagend über Berg und Klüfte,
Klagend, weinend ziehe ich;
Sonn' und Mond und Tal und Lüfte
Haben keinen Trost für mich!
                                                 ich.
Echo, süße Schmerzensbraut,
Du verkündest Trostessage,
Wenn den Bergen anvertraut
Ich die tiefe Liebesklage.
                                                 klage!

Wer wird diese Sehnsucht mindern,
Die mich faßt, wohin ich flieh?
Wer wird diese Gluten lindern,
Diese Liebes - Frenesie?
                                                 sie.

Welch Gefühl ist's, das mich faßt,
Das mich aus dem Weltgetriebe
Sehnend locket ohne Rast,
Daß ich einsam gerne bliebe?
                                                 Liebe!

Kann ich wehren diesen Schmerzen,
Wenn die Welt mich von ihr trennt?
Was ist einem treuen Herzen
Hoheit, Reichthum, Rang und Stand?
                                                 Tand.

So hat zwischen Weh und Lust
Süße Mischung mich getroffen!
Nimmer weiß die enge Brust,
Soll sie fürchten oder hoffen!
                                                 hoffen!

Wird sie schwanken, wird sie beben,
Wird sie zagen, bang und scheu,
Wird sie, bleiben treu ergeben,
Wenn auch Schicksal Dornen streu'?
                                                 treu!

Was ist's, das zuletzt doch siegt,
Wenn auch Hindernisse grollen?
Daß der Wunsch das Ziel erfliegt,
Wie er heiß der Brust entquollen?
                                                 wollen!

Wird sie einst dies Herz erkennen,
Dieses Herz, so treu und rein?
Werd' ich einstens mein sie nennen,
Eh' mich deckt der Todesstein?
                                                 Dein.

Holdes Echo! habe Dank
Für die Laute, dir entronnen;
Ach! ein Herz, das liebeskrank,
Hat durch Hoffnung schon gewonnen!
                                                 Wonnen!

Stille Liebe

Wenn der Tag den bloßen Äther
Mit des Morgens Rosen stickt,
Und den ersten Lichtverräter
Durch die dunklen Räume schickt,
Und das Heer der Gottanbeter
Aus den Zweigen singend blickt;
Öffnet Sehnsucht ihre Blüte
In dem liebenden Gemüte.

In dem liebenden Gemüte
Ist die Sehnsucht still erblüh't,
Die ich zärtlich heg' und hüte
Wie sie schmerzlich euch erglüh't;
Der ich neue Pflege biete,
Wenn sie halb auch mir entflieht;
Denn das Sehnen selbst ist eben
Götterteil aus Liebesleben!

Götterteil aus Liebesleben
Ist der Sehnsucht süßer Zug;
Dieses Zagen, dieses Beben,
Dunkler Wünsche stiller Flug,
Und der Liebe leises Streben,
Ist dem Herzen schon genug;
Sehnsucht liebt's im eignen Sinnen
Ganz sich selber einzuspinnen.

Ganz sich selber einzuspinnen
In des Herzens eig'nem Leid,
Ist der Liebe einzig Sinnen,
Und der Liebe Eigenheit;
Bald um Frieden zu gewinnen,
Bald mit ihrem Selbst im Streit,
Ist's der Liebe einzig Ringen
In sich selbst sich zu verschlingen.

In sich selbst sich zu verschlingen,
Lieben Dreie stets allein;
Sehnsucht mit den Geisterschwingen,
Und der Liebe süßes Sein,
Und das Lied vor allen Dingen
Lebt am liebsten ganz allein;
Sehnsucht d'rum und Lieb' und Lieder
Blühen ewig frisch mir wieder.

Blühen ewig frisch mir wieder
Deine Augen, sanft und mild,
Dann der Quell der süßen Lieder
Aus dem Herzen mir entquillt,
Reihen sich des Sanges Glieder
Wie's der liebe Gott gewillt;
Sagen in verschlung'nen Reigen
Was der Mund muß scheu verschweigen.

Was der Mund muß scheu verschweigen,
In dem Lied sich zu Dir ringt;
Süßem Liede ist es eigen,
Daß es zu dem Herzen dringt;
Darf der Sänger sich nicht zeigen,
Doch ein Lied sein Lieben bringt;
Trägt zu ihr die Liebeslaute
Die das Herz ihm anvertraute.

Der Doppelfrühling

Die gute Göttin Flora hat
Mit Licht gestickt der Blumen Blatt,
Hat jedes Blättchens zarten Rand
Auch ausgezackt mit zarter Hand,
Gab allen Blumen weit und breit,
Aus Knospen auch ein grünes Kleid.
Hat auch das Röschen, vielbegehrt,
Mit Dörnchen klein zum Schutz bewehrt;
Hat manche Blume, die nicht schön,
Zum Trost mit süßem Duft verseh'n,
Gab g'rad dem Veilchen, tief im Tau,
Des höchsten Himmels reines Blau.
Da legt des Winters kalter Schnee,
Sein Leichentuch auf Land und See,
Die Blümlein alle, rot und weiß,
Sie schlummern in dem Sarg von Eis.
Die Mutter Flora weint am Sarg,
Der ihre lieben Kindlein barg.
Sie weinet lang und weinet sehr,
Da kommt der liebe Frühling her,
Und trocknet ihr der Tränen Lauf.
Die süßen Blümlein stehen auf,
Sie stehen auf zum jungen Licht,
Sie schau'n der Mutter Angesicht,
Sie schau'n vergnügt zu Gott empor,
Und blühen freudig wie zuvor.

D'rum, stehst du Mensch an Grabes Ranft,
So weine wohl, doch weine sanft,
Von Gott bedarf's nur einen Hauch,
So kommt der Toten Frühling auch,
Sie steigen aus dem weißen Kleid,
Und blühen für die Ewigkeit.

Blumen, Blätter und Mimosen
aus Moritz-Ruh

Die Sternbilder

Da steht das kleine Häuschen,
Von Zweigen halb bedeckt,
Als hätt' es sich zum Scherze
Dem Aug der Welt versteckt.

So komm, du kleines Häuschen,
Im stillen Sternenschein,
Und schließ' in deiner Ruhe
Uns Dreie freundlich ein.

Denn in dir, kleine Hütte,
Bin ich alleine nie,
Mit mir ist stets die Liebe,
Mit mir die Poesie.

Wir sagen zu uns Dreien
Viel Dinge für das Herz,
Wir teilen unsre Wonnen,
Wir teilen unsern Schmerz.

Und gibt es Augenblicke,
Wo Poesie mir grollt,
Da nahet ihr die Liebe,
Macht sie mir wieder hold.

Und gibt es Augenblicke,
Wo Liebe mir entflieht,
Die Poesie mit Liedern
Mir sie zurücke zieht.

So stehen wir zu Dreien,
Und schau'n zum Himmel auf,
Da zieh'n, wie helle Träume
Die Sterne still herauf.

Da leuchten Wunderzeichen
In feierlicher Pracht,
Wie meines Lebens Bilder
Durch die vertraute Nacht.

Die Jungfrau mit der Ähre
Erschimmert sanft und mild,
So glänzet mir im Busen
Der Holden süßes Bild.

Die helle Ähre kündet
Vom hohen Lichtrevier:
Es reift die Saat des Glückes
Dort oben einst nur mir.

Und beide überstrahlend,
Erglänzt die Leyer hell;
Die Sphären um sie öffnen
Des Sanges Wunderquell.

Und drüben in der Straße,
Von Sternlein so weiß,
Da ziehet, still und sinnend,
Der Schwan den Silberkreis.

Es ringt der süßen Kehle
Das schönste Lied sich los,
So taucht er sterbend, singend,
In ew'ger Liebe Schoß.

So möcht' ich, gleich dem Schwane,
Verhauchen leis' und bang,
Die Seele und das Sehnen
In einem Sterbeklang!

Und endend noch umfassen
Die Leyer mit der Hand,
Mit dem gebrochnen Auge
Der Jungfrau zugewandt.

Dann, o Heißgeliebte,
Wirst Du in jenen Höh'n
Mit einem Mitleidsblicke
Das Dreigestirn beseh'n.

Der Schwan, es ist dein Sänger,
Der Himmel Moritz-Ruh,
Die Leyer deine Weihe,
Die Jungfrau klar bist Du!

Silhouette der Einzigen

                      Locken.

Wie die holden seid'nen Wogen,
Weich und golden niederwogen!
Sanfte Schlangen, krumm gebogen,
Um die Wangen hingezogen,
Welche Finger, hat die Dinger, euch gekräuselt,
Die wie Düfte, in die Lüfte hingesäuselt?
Nur behende Elfenhände, feinmanierlich,
Sie nur locken, goldne Flocken, ganz so zierlich!

                      Auge.

Himmel ist es, wenn in Weihe
Leuchtet seine Azurbläue;
Stern, wenn so hold als mild,
Liebe aus der Wimper quillt;
Tempel, wenn von Gott belebet,
Es den Blick zum Himmel hebet;
Blume, wenn ein freundlich Licht,
Aus dem süßen Kelche bricht;
Wolke, wenn von Zorn umdunkelt,
Blitz aus seinem Himmel funkelt;
Engel, wenn die Träne hell,
Steht auf diesem Mitleidsquell;
Grab für mich, wenn es sich senket,
Keinen Blick der Lieb' mir schenket!

                      Wangen.

Rose sprach zu Hermelin:
"Wollen freundlich niederzieh'n,
Milderst Du die hohe Glut,
Steig're ich die weiße Flut!"
Und sie zogen Hand in Hand,
Schwesterlich durch's ganze Land;
Wanderten auch Mondenlang,
Ruhen nun auf ihrer Wang',
Ihre Wangen zart umzieh'n
Rose stets und Hermelin!

                      Mund.

Rosenpforte, süßer Worte Heimatland!
Wo auch Lallen zu gefallen einst verstand!
Purpurgluten überfluten seinen Rand;
Es erblühen Harmonien, ungenannt,
Wenn in schönen Redetönen er entbrannt!
Es wird fröhlich, götterselig der genannt,
Dem zu Liebe ein: "ich liebe!" er bekannt!

Ewiges Suchen
An Sie

Der Morgen schickt sein freundlich Licht
Herunter von den Auen,
Ich hoffe dann ihr Angesicht
Im Zauberschein zu schauen;
Ich schicke meinen Sehnsuchtsblick
Die Herrliche zu finden,
Doch ohne sie kommt er zurück,
Um trostlos zu erblinden!
Der Morgen schickt sein freundlich Licht,
Doch meine Holde schickt er nicht!

Der Mittag schickt sein warmes Licht,
Es strömt aus allen Toren,
Ich such' das holde Angesicht,
Das ich mir auserkoren;
Ich harre fest, ich harre bang,
Ich harre auf der Meinen,
Doch harre ich auch stundenlang,
Mein Glück will nicht erscheinen.
Der Mittag schickt sein warmes Licht,
Doch meine Holde schickt er nicht!

Der Abend schickt sein mildes Licht,
Auf Gärten und auf Matten,
Ich such' das reizend Angesicht
In Lauben und in Schatten,
Ich frage jedes Blumenblatt,
Ich frage jede Dolde,
Doch keine auch gesehen hat
Die Einzige, die Holde!
Der Abend schickt sein mildes Licht,
Doch meine Holde schickt er nicht.

Die Nacht auch schickt ihr Sternenlicht,
In finstre Erdenklause,
Ich such' das himmlisch Angesicht
Im vollen Schauspielhause;
Ich such' in jedem Logenkranz,
Ob ich sie mag erblicken,
Doch will ihr süßer Schönheitsglanz
Mich nimmermehr erquicken!
Die Nacht auch schickt ihr Sternenlicht,
Doch meine Holde schickt sie nicht!

Die Mitternacht schickt Finsternis,
Die ist allein mir labend,
Den ganzen großen Weltenriß
In ihren Schoß begrabend!
Da bringet aus der dunklen Nacht,
Vom Grund der dunklen Räume,
Die Holde mir, in aller Pracht,
Der süße Gott der Träume!
Die Mitternacht sie bringt gewiß
Die Holde mir durch Finsternis!

Der Mai der Liebe

Die Rose wollt' ich bittend zu ihr senden,
Und meine Tränen fielen auf das Blatt;
"Geh hin," sprach ich, "versuch ihr Herz zu wenden,
Frag', ob sie mich denn ganz vergessen hat?
Ob Brief und Wort, und süßer Grüße Spenden,
Und Blickes Botschaft nimmer finde statt?"
Da sprach die Ros', und beugt das Haupt hernieder:
"Der Liebe Mai blüht einmal und nicht wieder."

Den Zephir wollt' ich bittend zu ihr schicken,
Der zu dem holden Antlitz von mir strebt;
"Frag' sie, ob meine Sehnsucht zu erquicken,
Kein Liebesodem mehr die Brust ihr hebt?
Ob mit Erinnerung sie zu bestricken
Der süße Gott das Herz ihr nicht belebt?"
Da sprach der Zephir aus dem Blatt der Flieder:
"Der Liebe Mai blüht einmal und nicht wieder!"

Den Stern, der mild uns labt im Abendscheine,
Wollt' ich ihr schicken mit dem Gruß der Lieb';
"Frag sie: warum der Liebesstern, der reine,
In ihrem Herzenshimmel klar nicht blieb?
Warum er mir sein freundlich Licht verneine?
Welch Nachtgewölk den Stern so ganz vertrieb?"
Da sprach der Stern, und flimmert freundlich nieder:
"Der Liebe Mai blüht einmal und nicht wieder!"

Das Lied wollt' ich nun schicken, reich an Tönen,
Das oft ihr Herz und Sinn und Ohr bestrickt;
"Geh hin, du einz'ger Lohn und Preis des Schönen,
Du Freund, den ich oft liebevoll geschickt;
Frag' sie, ob Sang und Gruß auch der Camönen
Ihr Herz nicht mehr der kalten Haft entstrickt?"
Da sprach der Gott des Sanges und der Lieder:
"Der Liebe Mai blüht einmal und nicht wieder!"

Nur einmal blüht der Götter-Mai der Liebe!
Nur einen Frühling hat das Menschenherz!
Nur einmal treibt der edelste der Triebe
Des Fühlens Erstlingsrose himmelwärts!
Nur eine Morgenstunde hat die Liebe,
Vergoldet von des Frührot's reinem Erz!
Nur einmal zuckt der Himmelsstrahl hernieder:
"Der Liebe Mai blüht einmal und nicht wieder!"

Das Ende vom Liede

Ich sah' sie an, als erst sie mir erschienen,
     Und nicht mehr weiß ich, wie mir da geschah;
Es hing mein Blick an ihren Engelsmienen,
     Die ich so hold, so reizend niemals sah;
Es schien, als wär in diesem Wonnesehen
Ein Himmelswunder plötzlich mir geschehen!

Sie sah mich an, und gold'ne Lichteswogen
     Entströmten ihres Auges süßem Tag;
Den dunkeln Vorhang fühlt' ich weggezogen,
     Der über meinem Lebensdrama lag,
Und in des vollen Lichtes schöner Leitung,
Sah ich des Lebens höhere Bedeutung!

Ich sprach sie an, und meine Lippen bebten,
     Mein Herz erbebte süßerschrocken nach,
Und wie die Worte aus dem Herzen strebten,
     Zerflossen sie in ein verhauchtes Ach!
Der Mund schien liebeschüchtern zu verzagen,
Unsäglich's unverhohlen ihr zu sagen.

Sie sprach mich an und volle Harmonien
     Umrauschten mir das wollusttrunk'ne Ohr;
Ich mußte stillanbetend niederknien,
     Denn offen schien des Himmels heil'ges Tor;
Ich schloß entzückt die Hand vor meinen Augen,
Um ungestört den Wohllaut einzusaugen.

Ich küßte sie, und Vesta's Feuer brannte
     Auf ihrer Lippen züchtigem Altar;
Es war, als ob die Seelen sich erkannten
     In diesem Kuß, der rein wie Engel war;
Und Mund auf Mund im flüchtigen Berühren
Schien Herz um Herz dem Andern zu entführen!

Sie küßte mich, mir schwindelten die Sinne,
     Und tränenperlend schloß mein Auge sich,
Ich wußte nimmer, was ich nun beginne,
     Aus seiner Haft entstrebte mir mein ich;
Geschlossen war mein Aug', doch konnt' ich sehen,
Ich fühlte mich halb sein und halb vergehen.

Ich sagte "Du", im kleinen Wörtchen lagen
     Die Zauber aller Herzens - Sympathie,
Ich sprach es aus mit Beben und mit Zagen,
     Mit Beben und mit Zagen hörte sie;
Und wie das "Du" der Lippen sich entwunden,
Hatt' ich des Wortes Lust erst recht empfunden.

Sie sagte "Du!" mit Nimmersatten Zügen
Trank ich des kleinen Wörtchens Wohllaut ein,
Die Liebe zog mit ihren schönsten Siegen
In meines Herzens tiefsten Tiefen ein,
Und "Du" und "Du", das waren alle Worte,
Und doch erschlossen sie die Himmelspforte.

Ich sprach: "leb'wohl!" und bittre Schmerzenstränen
     Benetzten ihr Gesicht und Hals und Hand;
Geteilt in Schmerz und Lieb' und heißem Sehnen,
     War Herz und Mund und Auge mir entbrannt;
Ich fühlte es mit wollustvollem Schauern:
Ich werde diesen Schmerz nicht überdauern.

Sie sprach: "leb' wohl!" und schaut nach einem Andern
     Mit tränenschwerem feuchten Blick sich um;
Muß auch der Eine weit von hinnen wandern,
     Ein schönes Mädchen grämt sich nicht darum;
Die Welt ist groß, es gibt der Männer viele,
Und jeder Mann ist recht, führt er uns nur zum Ziele.

Der Stadtfrühling im Herbste

Sei willkommen mir von Herzen,
Herbst, mit deinem kühlen Hauch;
Du ertötest Blüt und Rosen,
Du entblätterst Baum und Strauch.

Und die schönen Frauen alle,
Die das Land gefesselt hat,
Jagst Du mit dem kalten Odem
Wieder zu uns in die Stadt.

Und ein neuer Frühling blühet
In der Stadt nun rings herum,
Und in allen Häusern blühet
Eines Frühlings Blütentum.

Und an allen Fenstern glühet
Nun ein voller Blumenstrauß;
Schauet, lächelt, blühet, duftet
In das Leben frisch hinaus!

Bald die Rose voll und üppig
Glühet durch der Scheibe Schein,
Bald die Lilie, zart und sittig,
Schauet in die Straß' hinein.

Bald ein Knöspchen, süß und milde,
Durch die hellen Scheiben schaut,
Wie ein Sternchen, sanft und lieblich.
Seine Strahlen niedertaut.

Bald zwei Äuglein wie die Veilchen
Flimmern durch des Vorhangs Spalt,
Daß mein Herz vor süßer Ahnung,
Und vor Wehmut überwallt.

Bald die stolze Tulipane
Durch die Jalousine blitzt,
Und auf jedem ihrer Blicke
Ein ganz winz'ger Amor sitzt.

Überall nur Mai und Frühling
Wo das Auge hin jetzt blickt,
Ja der Herbst hat uns nur Rosen
In die liebe Stadt geschickt.

Sei willkommen mir von Herzen
Herbst mit deinem kühlen Hauch;
Ach, vielleicht bringst du dem Sänger
Doch sein holdes Blümchen auch.

Der Kinderengel

Welch ein Kind mit gold'nen Löckchen
     Hält die Holde auf dem Schoß!
Windet kaum dem süßen Döckchen
     Aus den Ärmchen klein sich los!
Und das Kind mit zarten Händchen
Wühlt im Wangen - Rosenländchen.

Doppelreiz in einem Bilde,
     Wie erhebst du meine Brust!
Junger Schönheit Himmelsmilde,
     Und des Kindes Augenlust!
So in einem Bild sich malen:
Frührotlicht und Tagesstrahlen!

Wie die zarterblühte Rose
     Schaukelnd ihre Anmut mißt,
Und im süßen Liebgekose
     Schwesterlich die Rose küßt;
So auch ihre Rosenlippen
An dem Kinde küssend nippen.

Ihre milden Blicke sinken
     Auf das Kind so inniglich,
Und die süßen Strahlen trinken
     Unschuldsfreuden sanft in sich;
Sieht im Kinderäuglein – Flimmern
Eigne Anmut wiederschimmern.

O bewahre, holde Blüte,
     Ewig diesen Kindersinn!
Himmel ist er dem Gemüte,
     Und dem Herzen Hochgewinn;
Nur das reine, kindlich Schöne
Ist es wert, daß Gott es kröne!

Sternlieder

1.
Die Jungfrau

Flüchtend aus dem ew'gen Sinnenstreite,
Aus der Leidenschaften engen Haft,
Hat zu Dir, Du Reine, Unentweihte,
Sich mein Tränenblick emporgerafft;
Fühlt von deinen milden Strahlenwogen
Wie bezaubert sich stets angezogen.

Wie der Dichtung allerkeuschste Blüte,
Von der Muse Zauberhand gewebt;
In dem reinen offenen Gemüte
Als ein magisch Wunderrätsel lebt,
Daß es tiefergriffen, lauschend leise,
Ewig horcht der schmeichelvollen Weise;

So auch zittert deine Lichteswelle
In das Herz immer wundersam herein,
Schafft es um zu friederfüllter Zelle,
Mit dem sanften, blütenmilden Schein;
Blickt durch meiner Seele trüben Schleier
Freundlich durch, wie ein geläutert Feuer.

Heilig Sternbild! ewig unverändert
Spielt am Blau dein unbeflecktes Licht,
Wie auch Wolkenzug sich, schwarzberändert,
Oft um deinen Strahlenmantel sticht;
Ungemindert in dem eig'nen Glanze
Strahlst du himmlisch in dem Sternenkranze.

Jungfrau, die Du in dem Erdentale
Bist des heil'gen Sternes Ebendild,
Glänzend in demselben Schimmerstrahle,
Der von seinem Borne niederquillt;
Hüt' in deines Herzens Heiligtume
Dieses Strahles züchtigliche Blume!

Leuchte durch des Lebens dunkle Bahnen
Selbst dir vor mit deinem Unschuldsglanz;
Ehre deines Herzens dunkles Ahnen,
Doch erforsch' es nie und nimmer ganz;
Trübe nie der Seele zarte Welle,
Denn auf ihr nur spielt des Lichtes Helle!

2.
Die Leyer

Das klingende Gewölk ist fortgezogen,
Der Schleier fiel vom abendlichen Blau,
Der Himmel trägt den azurreinen Bogen,
Mit aller seiner Klarheit nun zur Schau;
Und in der umgestürzten Saphirschale
Verschwimmt der Lyra Bild im hellen Strahle.

Hell ausgespannt die zarten Strahlen - Saiten,
Rings an des Himmels rundgewölbten Schiff,
Erfunkelt es nach allen Erdenseiten
Mit seinem lichtumwebten gold'nen Griff;
Jedoch kein Ohr, das hier auf Erden lebet,
Vernimmt den Ton, der seinem Spiel entbebet.

Nur ahnen kann ich, welche heil'gen Töne
Dem Strahlen-Saitenspiele keusch enttönt,
Wenn es sich labt am Anblick nackter Schöne
Und Reiz der Schöpfung, vor ihm ausgedehnt;
Wenn sich, sein Spiel mit Heiligkeit zu füllen,
Die Rätsel der Naturen ihm enthüllen.

Im reinen Äther lebt die Himmelsleyer,
Nicht Erdenschwere zieht sie stets herab,
Sie glühet ewig fort, jedoch ihr Feuer
Wird nicht in Asche bald ihr eignes Grab;
Die Saiten, die in reinen Lüften schwimmen,
Kann dieses Lebens Brodem nicht verstimmen.

Die Leyer, die der Mensch versucht zu schlagen,
Erdrückt des Erdenkörpers dumpfe Luft;
Es ist ein ew'ges Streben, Sehnen, Zagen;
Er atmet Qualen, wo er gehofft auf Duft,
Und in die Saiten, die er zart soll hüten,
Tobt das Geschick mit Zerren und mit Wüten!

Wie soll der Sang der Sänger-Brust erblühen,
Wenn sich um jedes Ohr ein Nebel zog?
Wie soll in Freudigkeit sein Lied erglühen,
Wenn Leben, Liebe, Freundschaft ihn betrog?
Wie soll der Himmel quellen aus den Saiten,
Wenn sie die Erd' zerreißt mit Schlechtigkeiten?

Wohin?

1.
Wohin bist du mit deinem frischen Kranze,
Du meiner Jugend süßes Wonnesein?
Du Lebensfrührot, das mit mildem Glanze,
Und mit des Frühlings gold'nem Morgenschein,
Mich einlud zu der Jahre buntem Tanze,
Und zu der Horen gaukelhaftem Rhei'n?
Wohin bist du, du flücht'ger Schaum vom Leben,
Genommen mir, als du mir kaum gegeben?

Sie ist dahin! verblichen sind die Farben,
Die einst geschimmert in dem Lebensstrahl;
Die vollen Blüten alle sie erstarben
Mitsamt der Frucht, die sich aus Knospen stahl;
Geblieben ist ein trocknes bißchen Garben,
Ein Bündel Jahre, farbenlos und fahl,
Ein mattes Nachspiel froher Morgenträume,
Ein Sehnen nach dem Grün verblühter Bäume!

2.
Wohin bist du, o du Geschenk von Göttern,
Du Hoffnung, trostbegabtes Himmelskind?
Die mich umgab in trüben Lebenswettern
Mit ihrem Lilienstengel, mildgesinnt;
Und wenn der Sturm tobt wütend in den Blättern,
Zum Trost auf süße Melodien sinnt;
Wohin bist du, o fromme Himmelstaube,
Gesandt, daß unser Herz an Glück stets glaube?

Sie ist dahin, dem Herzen scheu entflogen,
Weil die Gewitterschläge sie gestört!
Aus öder Seele ist sie ausgezogen,
Die sie nur allzuoft betört;
Die süße Zunge hat so oft gelogen,
So oft als sie mein lauschend Ohr gehört;
Ich habe weinend sie zu Grab getragen,
Ein Hoffnungswitwer nun den künft'gen Tagen!

3.
Wohin bist du, geliebtes Weh des Lebens,
Du Liebe, honigsüße Bitterkeit?
Du heimlich Wickelkind des Widerstrebens,
Du Himmelstrostgestalt in Schmerz und Leid,
Du Sinngedicht des reizenden Ergebens,
Du Muse einer süßverträumten Zeit;
Wohin bist du mit deinem Licht, das holden
Des Lebens Kerkerstäbe soll vergolden?

Sie ist dahin; sie hat sich losgerungen,
Als mir das Herz im tiefen Gram zersprang;
Ihr Scheidegruß ist schmerzlich mir erklungen,
In meinem Herzen ist es öd und bang;
Die Saiten meiner Leyer sind gesprungen,
Weil Liebe nur aus ihrem Silber klang;
Wem Liebe nicht mehr blüht im frohen Busen,
Ist sich ein Klaglied und ein Grab den Musen!

Frag' und Antwort

Willst Du nicht herunterschicken
Deine Blicke niederwärts,
Daß sie inniglich erquicken
Auge mir und Sinn und Herz;
Daß sich meine Seele labe
An des Auges süßen Gabe?

Bitte! nicht herabzuschicken
Deine Blicke niederwärts,
Wenn sie jetzt mich auch erquicken,
Quälen später sie mein Herz;
Was mir jetzt die Seele labe,
Wird mir später Todesgabe.

Willst Du nicht ein Zeichen geben,
Daß mein Liebesgram Dich rührt,
Daß des Zephirs leises Beben
Meine Seufzer zu Dir führt?
Daß es nicht Dein Stolz verwehret,
Wenn mein Herz Dich still verehret?

Nein, kein Zeichen sollst Du geben,
Daß Dich meine Liebe rührt,
Weil dann dieses Wonnebeben
Nur zur Raserei mich führt;
Weil mir zum Besitz verwehret,
Was mein Herz in Glut verehret.

Willst Du nicht ein Wörtchen sagen,
Nur ein Wörtchen süß und mild;
Soll kein Ton sich zu mir tragen,
Der von Deinen Lippen quillt,
Der beschwör' mit Zauberklange
Mir das Herz, so voll und bange?

Nicht ein Wörtchen sollst Du sagen!
Schweigend bist Du süß und mild!
Könnte nicht die Lust ertragen,
Die aus Deiner Rede quillt;
Wär' mir nach dem Götterklange,
Ewig, ewig schmerzlich bange.

Willst Du nicht dem Liede lauschen,
Das durch Lüfte zu Dir dringt,
Wenn mit leisem, leisem Rauschen
Abendwest die Flügel schwingt;
Daß Du fühlest hell und sinnig,
Wie mein Lieben tief und innig?

Nein, sollst nicht dem Liede lauschen,
Weil's dann neu stets zu Dir dringt,
Würd' zum Wahnsinn mich berauschen,
Wenn es Deine Gunst erschwingt;
Und ich sänge, liedersinnig,
Bis zum Tode Dir nur innig!

Wirst Du eine Träne schenken,
Eine Träne winzig klein,
Wenn sie mich hinunter senken
In das stille Kämmerlein;
Und nicht eine einz'ge Zähre
Mir aufs Grab geweinet wäre?

Nein, sollst keine Träne schenken,
Auch nicht eine, noch so klein;
Auch nicht Eine, wenn sie senken
Mich hinab in's Kämmerlein:
Wäre sündig diese Zähre,
Als ob dort kein Jenseits wäre!

Die holde Feindin

Weil dein Vater feindlich mir gewogen
     Und du selbst mich hassest lang,
Fühl' ich innig mich zu dir gezogen
     Mit der Sehnsucht süßem Drang.

Weil du senkst die schönen Augen,
     Wenn ich sie in Liebe such',
Möcht' ich ewig süße Strahlen saugen
     Aus der Blicke Himmelsbuch.

Weil du schließ'st die holden Lippen,
     Wenn mein Ohr dir liebend lauscht,
Möcht' ich stets den Himmelston nur nippen,
     Der von deinem Munde rauscht.

Kurz, weil du gelobet, mich zu hassen,
     Haß von deinen Lippen schallt,
Möcht' ich liebewütend Dich umfassen
     Mit der Minne Allgewalt!

Wohnt in solchem Bau der schönen Glieder
     In solchen Körpers Tempelpracht,
Wohnet da des Haßes wilde Hyder,
     Und der Feindschaft finst're Nacht?

Nein, dein Auge ist der Milde Stempel,
     Und dein Antlitz ist so mild,
O gewiß, in deines Herzens Tempel
     Thronet nur der Güte Bild.

Nimm denn hin die Liedes-Huldigungen,
     Hasse nicht mein treues Lied,
Hasse den auch nicht, der es gesungen,
     Wie es im Herzen ihm erblüht.