Die Erscheinung
Bei beleuchtetem Hause
Ein Lichtmeer goß sich durch die hohen Hallen,
Der Blick ertrug kaum diesen reichen Glanz;
Doch ich erblickt' in dieses Lichtes Wallen
Ein einz'ges Licht nur in dem holden Kranz;
Aus süßen Augen, lieblich mir erschlossen,
Kam's wie ein Maien - Morgenstrahl geflossen!
Als ich des Auges Strahl getrunken,
Der wie ein mildes Sternbild niedersah,
War alles And're um mich her versunken;
Nur sie war in dem Kreis des Lichtes da;
Mit stillem, wunderheimlichen Verlangen
Blieb ich an ihrem Zauberantlitz hangen.
Vergangenheit mit ihrem gold'nen Saume
Stieg aus dem Reiche der Erinn'rung auf,
Wie das Gewebe, das vom Morgentraume
Der Seele malt den zaubervollen Lauf.
Der Gegenwart zerriß mein Herz die Bande,
Und flog zurück in früh're Zauberlande.
Dem Leben ist der Inhalt nun gekommen,
Das Dasein ist nun seines Preises wert;
Vom Geistesauge ist der Star genommen,
Der finsterwaltend lange es beschwert;
Ich sehe sie, und sag' mit Wonnebeben:
Die Welt ist süß und schön ist doch das Leben!
Blumenträume
Widmung
An die holdeste der Blumen an Karoline
Auch die Blumen schlafen
Wenn sie lang gewacht,
Sehnen aus der Sonne
Sich nach Mond und Nacht;
Sehnen sich im Dunklen
Ganz allein zu sein,
Sehnen sich nach Ruhe,
Schlummern sinnig ein;
Und sie träumen lächelnd
Von dem Abendwind,
Der aus Dämmerungssonne
Goldne Fädchen spinnt.
Träumen wieder lächelnd
Von dem Morgenstrahl,
Der sich gestern glühend
In ihr Knöspchen stahl;
Und mir verriet die Träume
Heut ein Schmetterling,
Der an ihren Blättern
Manche Nächte hing.
Und wie du selber, Blume!
Oft wohl träumest still,
Ich dir ihre Träume
Nun erzählen will.
Der Traum der roten Rose.
Am zarten Stengel schaukelt
Die Rose sich zur Nacht;
Verhüllt in Flor der Dämmerung
Ist ihrer Blätter Pracht.
Sie schlummert sanft allmählig,
Ihr Kopfchen wird so schwer;
Und nur die Dörnlein stehen
Als Wächter um sie her.
Sie schließt die Blätteraugen
Und neigt das Köpfchen kaum,
So steht sie schon befangen
Vom süßen Blumentraum.
Sie sieht im schönen Träume
Den Flügel-Bösewicht,
Der lose sie umflattert,
Wenn aus der Knosp' sie bricht.
Sie hört sein leises Summen,
Sie hört den Flügelschlag,
Mit den er um sie buhlet
So manchen schönen Tag.
Und kaum will sie erhören
Des Tändlers Schmeichelwort;
Da flattert er wie Westwind
Zur nächsten Rose fort.
Aus Zorn und Scham in Einem
Errötet sie in Glut,
Erwacht in ihrem Schrecken,
Getaucht in Purpurblut.
Vergebenes Suchen
Die Holde such' ich mondenlang,
Und kann sie nicht gewahren,
Mir ist so schwer, mir ist so bang,
Ist ihr was widerfahren?
O Frühling! du mein junger Freund,
Hilf mir die Süße finden,
Wir wollen dann auch, treu vereint,
Den schönsten Kranz ihr winden.
Du Frühling schickst den Blütenschnee
Zum schönsten Kranz hernieder,
Ich geb' dazu, in Lust und Weh,
Das Band der treuen Lieder.
Der Frühling kommt, und Blüt und Blum'
Umfächelt alle Frauen,
Doch in dem großen Heiligtum
Soll ich nur sie nicht schauen!
So send' ich dich, du Tageslicht!
O sag' mir, wo sie weilet?
Doch ach, der Tag auch sagt es nicht,
Wenn er von hinnen eilet.
So sage du mir, traute Nacht!
Du schleichst in alle Zimmer,
So sage, wo die Holde wacht,
Wo labet mich ihr Schimmer?
Die böse Nacht! auch sie entflieht,
Von ihr will sie nichts zeigen,
Sie bricht mein Herz und mein Gemüt,
Doch bricht sie nicht ihr Schweigen.
Ich schicke, was ich schicken mag,
Ich schick' sie in die Runde;
Ach! Freunde, Frühling, Nacht und Tag,
Sie geben keine Kunde.
Doch, horch! da klopft ein Freund ganz fein,
Ein Freund in Lust und Schmerzen,
Er klopft, doch ruf ich nicht "herein!"
Ich ruf: "hinaus!" vom Herzen.
Es ist ein Lied, das an die Brust
Klopft an mit leisem Zagen,
Es will hinaus, um Wort und Lust
Der Holden still zu sagen.
So gehe denn, mein treues Lied,
Du einz'ger Freund im Leben,
O suche sie, und werd' nicht müd'
Der Einz'gen zuzustreben.
Und hast du endlich sie erreicht,
So sag in weichen Tönen,
Daß niemals, niemals von mir weicht
Der Liebe süßes Sehnen.
Sag' ihr mit zartem Flötenschall,
Daß ich sie heiß verehre,
Daß stets ich sie allüberall
Wie Sonnenlicht entbehre.
Sag' ihr mit holdem Zitherklang
Daß ich vor Gram vergehe,
Wenn ich sie viele Tage lang
Stets suche und nicht sehe.
O sag' mit Philomelens Ton,
O sag' es ihr doch täglich:
"Mein Leid" — doch ach! ich seh' es schon,
Mein Leid ist doch unsäglich!
Die Benennung
des Vergißmeinnichts
Zu der Göttin Flora kamen,
Um zu holen süße Namen
Von der Rosenkönigin,
Alle Rosen lächelnd hin.
Als sie alle Namen hatten:
Rose, Veilchen, Abendschatten,
Aster, Lilie, Balsamin,
Goldlack, Tausendschön, Jasmin,
Zogen sie nach Flur und Wiesen,
Wiederholten wie sie hießen
Sich im Gehen still und fein.
Nur ein Blümlein, das allein
Aus der Schwestern bunter Reihe
War getaucht in zarte Bläue,
Und auf seinem kleinen Blatt'
Abgemalt den Himmel hat,
Daß es helle Tropfen sauge
Aus des Azurs blauem Auge,
Dieses Blümlein, tränennaß,
Seinen Namen bald vergaß,
Und mit feuchtem Bitterblicke
Kam in Demut es zurücke,
Fragte mit bescheidnem Sinn:
"Wie es heiß'?" die Königin.
Flora lächelt mild und spricht:
"Ei, ei! Blümchen blau: Vergißmeinnicht!"
Die Locken-Parze
Geht nur an die braunen Schlangen,
Spielend auf des Nackens Weiß,
Wie wenn Tag und Nacht sich fangen
In des Abends Dämmerkreis.
Braune Schlangen, niederwallend,
Wühlend in dem weißen Schnee,
Lose Schlangen, abwärts fallend,
Glatt geringelt gleich der Fee.
Nicht mit Schlangen kommt Cythere
Um das schöne Angesicht;
Komm also du goldne Schere,
Geh' mit Locken in's Gericht.
Eine von den Schlangen allen,
Aus der Schwestern dunklen Schar,
Eine muß als Opfer fallen
Auf der Parze Hochaltar!
Und aus dieser einen Schlange,
Glatt und weich und süß gerollt,
Spinn' ich mir dann lange, lange
Lebensfädchen zart wie Gold.
Lebensfädchen für den Dichter,
Goldne Fädchen werden sie,
Und er webt sie immer lichter
Ins Geweb' der Poesie.
So wird um der Schönheit Wangen
Selbst die Nacht zum schönen Licht,
Und die losen braunen Schlangen
Werden lose zum Gedicht.
Die zwei Rosen
Auf ein Bildnis in Stielers Atelier
Der Meister, der mit zauberischer Hand
Vermag den Reiz der Schönheit aufzuspüren,
Und ihn, auf tote Leinwand hingebannt,
In süßer Täuschung lebend vorzuführen,
Der Meister soll, in ihren reinsten Strahlen,
Die schönste Rose nach dem Leben malen.
Der Meister schaut das klare Angesicht,
In dem die feinsten Reize sich vermählen,
Er schwankt und zagt und weiß es lange nicht,
Wie er der Farben zarteste soll wählen,
Wie er, zum Abbild solcher Maienfrische,
Das Allspiel seiner Tinten glücklich mische.
Da sieht er, wie an ihrem Busenflor
Noch eine Rose blätterreich erwachte,
Und, zu der schönern Schwester still empor,
Errötend, aber neidlos, freundlich lachte,
Als wollte sie an sich dem Künstler zeigen,
Welch' Farbenspiel dem Urbild ist zu eigen.
Der Künstler prüfend seine Farben tauscht,
Und reizend, innig lächelnd, zart und milde.
Dem schönen Leben sinnig abgelauscht,
Erscheint das holde Antlitz auf dem Bilde.
Symmetrie und Anmut lagen offen,
Und beide Rosen fühlten sich getroffen.
Das Blumen – Bouquet
Im Glase steh'n die Rosen,
Sie stehen lieblich hier,
Sie schau'n mich an und kosen,
Und kosen mir von Dir.
Wie schelmisch sie nicht nicken,
Im lieblichen Gewand,
Es ist, als wär's ein Blicken,
Ein Blicken voll Verstand.
Die Rosen, aufgegangen
Im dunklen Purpurblut,
Von dir sind es die Wangen,
Die Wangen voller Glut.
Die Hyazinthen ziehen
Mit süßem Schein mich an,
Gleich deinem Aug' sie blühen,
Sie blühen still heran.
Die grünen Blätter spenden
Mir lieblichen Genuß,
Die Hoffnung stets sie senden,
Sie senden deinen Gruß.
So spricht ihr süßer Schimmer
Von Liebe nur zu mir,
Sie ziehen mich wie immer,
Wie immer nur zu dir.
Liebesweise
Tausend lieben so im Leben,
Eben um zu lieben bloß,
Lieben, weil sie's finden eben,
Ziehen grad' ein Liebeslos;
Einer liebt aus Langeweile,
Liebt ein Andrer aus Passion,
Einer liebet ganz in Eile,
Mancher liebt aus gutem Ton.
Es beliebet dem zu lieben
Immer was er grade schaut,
Nimmt auch Andre, nach Belieben,
Endlich liebt er bis zur — Braut.
Schöne, wären alle Frauen,
O, so lieblich doch wie Du,
Müßten Alle Eine schauen,
Ihr nur widmen ihre Ruh.
Die Eisblumen am Fenster
Es steh'n nicht mehr am Fenster
Die schönen Blumen da,
Durch welche manches Auge
Wie süße Sonne sah.
Der Winter warf sie tückisch
Von ihrem Thron herab,
Sie fielen von dem Fenster
In's frosterstarrte Grab.
Doch steigen mitternächtlich
Aus ihrem Grab sie aus,
Und suchen auf die Menschen,
Im freundlich warmen Haus.
Und schauen durch die Fenster
In's Zimmer stumm herein,
Und schauen durch die Fenster
Mit blassem Geisterschein.
Sie klammern an die Scheiben
Sich sehnsuchtsvoll nun fest;
Doch naht kein liebend Wesen
Das sie ins Zimmer läßt
So harren sie und weilen,
In weißer Geistertracht,
Und blicken still ins Zimmer
Die ganze lange Nacht.
Doch sendet nun der Morgen
Den ersten Sonnenstrahl,
Da kehren sie in Wehmut
Zurück ins Grab zumal.
Sie pressen erst noch scheidend
Die Lippen an das Glas,
Noch lang ist dann die Scheibe
Von ihren Tränen naß.
Die
unzertrennlichen Schwestern
Es wohnen in Fluten und Flammen
Zwei zärtliche Schwestern zusammen,
Sie bieten sich treulich die Hand;
Sie haben sich Treue geschworen,
Und beide, im Auge geboren,
Sind "Thränen" und "Liebe" genannt.
Und fühlet die freudige Träne,
Daß glücklich die Liebe sich wähne,
Beleuchtet das Auge sie schnell;
Sie zittert in süßer Bestrebung,
Und schmückt es zur Freudenerhebung
Mit schimmernden Perlen so hell.
Und siehet die Träne, daß stummer,
Tiefquälender, heimlicher Kummer,
Der Liebe Begleiter nur sei,
Da eilt sie mit schmerzlicher Fühlung,
Der brennenden Schwester zur Kühlung
Mit lindernden Tropfen herbei.
Auch wenn dann die Träne im Auge,
Als herbe, gesalzene Lauge
Dem nagenden Kummer entquillt;
Da nahet und schmieget der Schwester
Die tröstende Liebe sich fester,
Und trocknet das Auge ihr mild.
Und fließet die Träne der Wonne,
So spiegelt die Liebe als Sonne
Sich ab in der himmlischen Flut;
Dann strahlet in Doppel-Erleuchtung
Des Auges verklärte Befeuchtung,
In welcher die Seligkeit ruht.
So wohnen in Fluten und Flammen
Die Lieb' und die Tränen beisammen,
Und trennen im Leben sich nie;
Von Liebe läßt Träne sich nähren,
Durch Träne mag Liebe nur währen,
Verschlungen durch süße Magie.
Das treue Wesen
Ein einzig Wesen ist mir treu geblieben
Als Glück und Ruhe mich verstieß,
Als Fürstengunst und süßes Lieben
Wie leerer Schimmer von mir ließ.
Als Gönnerwort und Freundesmienen
In schnöder Falschheit mir erschienen.
Es ist der Schmerz! Er hat mich liebgewonnen,
Er pflegt mich wie sein einzig Kind,
Er hat in seine Arme mich genommen,
Er ist mir väterlich gesinnt;
Und wo ich hin den müden Fuß auch wende,
Er folgt mir treu bis an des Lebens Ende.
Wenn ich geschäftig war, des Herzens Kummer
Zu nähren manche lange Nacht,
Wenn ich nach einem traumgequälten Schlummer
Zu neuen Tränen bin erwacht,
Der Schmerz, in seinem ewig treuen Walten,
Hat Wacht an meinem Tränenbett gehalten!
Wie lieb' ich diesen Schmerz, wie freundlich düster
Bespricht er die Erinnerung,
Wenn leise sie mit lieblichem Geflüster
Die bunten Schatten um mich schlung;
Und wenn das Auge schon von Tränen trocken,
Er weiß ihm stets noch neue zu entlocken.
Wenn mir das Herz in Sehnsucht will vergehen,
Wenn ich der Einzigen gedenk',
Wenn sich mein Geist ihr nahet, ungesehen,
Wenn ich das Haupt voll Kummer senk',
Wenn ich der Nächte lichtberaubte Räume
Erleucht' mit ihres Zaubers Strahlensäume;
Wenn, weinend vor dem nie verlaß'nen Bilde
Die falsche Hoffnung mich beschleicht,
Im Gaukelflug, mit gutgemeinter Milde,
Des Augenblickes Trug mir reicht,
Wenn Wort und Schwur dem heißen Mund entquellen,
Als könnten ihrem Ohr sie sich gesellen;
Dann naht der Schmerz, dem Trug mich zu entrücken,
Die Wahrheit führt er an der Hand,
Die Wahrheit, die von jeher das Entzücken
Zu töten gar zu wohl verstand;
Verscheucht den Traum, und schließt zu neuem Harme,
Mit Freundeskuß mich innig in die Arme!
Wohlan denn, ich will fest an dir mich halten,
Du ewig alt und
ewig neu!
Ich liebe dich in deinem dunklen Walten,
Du bist zwar Schmerz, doch bist du treu!
Die Treue ist das zärtlichste im Leben,
Und Schmerz ist Lust von Treue uns gegeben!
Sehnsucht nach blauen
Augen
Die Luft ist rein, das Klima mild,
Das Wetter ist hier lauer,
Ein weicher Westwind niederquillt,
Der Himmel ist hier blauer:
Doch freut mich nicht das Wetter lau
Doch freut mich nicht der Himmel blau,
Mich freuet nicht das Sonnenlicht,
Seh ich ein blaues Auge nicht!
Ein Auge, das nordhimmelblau
In sanften Strahlen leuchtet,
Dem Veilchen gleich, vom Morgentau
Im stillen Tal befeuchtet;
Ein blaues Aug', in dem die Flut
Des himmelreinen Azurs ruht.
Ein blaues Auge ganz allein
Kann mir mein blauer Himmel sein!
Ein blaues Auge, dessen Licht
Wie Äther niederwehet,
Das still und zart: "Vergißmeinnicht!"
In sanfter Demut flehet;
Ein blaues Auge, dessen Schein
Ist milde, wie der Lasurstein;
Ein blaues Auge ganz allein
Kann mir mein blauer Himmel sein.
Ein blaues Aug', das mild entbrennt,
Wenn Liebe d'rin sich malet,
Wie in dem blauen Firmament
Der Abendstern strahlet;
Ein blaues Aug' bescheidentlich,
Das still erglüht, doch inniglich,
Ein blaues Auge ganz allein
Kann mir mein blauer Himmel sein!
Ein blaues Aug', in dessen Grund
Der Sehnsucht Träne flimmert,
Die, wie der Perle süßer Fund,
Durch blaue Fluten schimmert;
Ein blaues Auge, dessen Ring
Den Saphir hält in süßer Schling',
Ein blaues Auge ganz allein
Kann mir mein blauer Himmel sein!
Die Muse
Ein Thron ist Samt, doch dumpf ist oft sein Dröhnen;
Die Kron ist Gold, doch schwer drückt oft die Last;
D'rum schenkt' ich Dir die Liebe der Kamönen,
D'rum hat die Dichtkunst liebend dich umfaßt,
Dem süßen Lebensreiz Dich zu versöhnen,
In stiller Stunden langersehnter Rast;
D'rum schick' des Wohllauts heil'gen Geist ich nieder,
Dich zu beschenken mit der Gunst der Lieder.
Die Huldigung der Eiche
Sei mir gegrüßt du Eiche,
Du Stamm voll Mark und Kraft,
Seid mir gegrüßt ihr Zweige,
Dem Stamme kühn entrafft!
Wie Riesenschlangen winden
Sich Schatten um den Baum,
In ihrem Ernst verbinden
Sich Wirklichkeit und Traum.
Ein König unter Bäumen
Ist deine Stirn umlaubt,
Des Lichtes Strahlen säumen
Dein tatensinnend Haupt!
So dienest du zum Bildnis
Von König Ludwig auch,
So paart sich Ernst und Mildnis
In Seinem Liederhauch;
So strömt von Seiner Krone
Uns Schutz und Labung aus,
Und wölbt ob Seinem Throne
Dem Volke sich zum Haus! —
Du Eiche bist zwar düster,
Und doch ein Kinderfreund,
Darum dein Blattgefiüster
Den Kindern süß erscheint.
Drum naht sich dir auch innig
Der Englein treues Bild,
Die wie der Vater sinnig,
Und wie die Mutter mild.
Es neigen deine Äste
Sich wirtlicher zum Dach,
Wird dieser holden Gäste
Herzinnig Leben wach.
Der Zweige ernstes Rauschen
Verstummt im Blattasyl,
Um ungestört zu lauschen
Dem holden Kinderspiel.
Der Zephir sanft erschrocken
Von seinen Blumen stiegt,
Und auf den goldnen Locken
Den sanften Fittig wiegt.
D'rum, edler Baum! erquicke
Der zarten Kinder Kreis,
Und milde Kühlung schicke
Aus Zweig und Blatt und Reis.
Der Adler zieht in Eichen
Die junge Schar sich auf,
Damit sie Beiden gleichen
In ihrem Lebenslauf!
Sehnsucht
an Sie
Vorwärts rollt der rasche Wagen,
Rückwärts wendet sich der Blick;
Und die Gedanken, ach, sie tragen
Immerwährend mich zurück.
Ihren dunkeln Trauerschleier
Schlingt um mich die milde Nacht,
Durch die stille Abendfeier
Nur das Aug' der Liebe wacht.
Wehmutsvoll im bleichen Schimmer
Sieht der stille Mond herab,
Wandert um die Erde immer
Wie um ein geliebtes Grab.
Stille legt sich um die Fluren,
Nirgends eine Lebens Spur,
Durch das Schweigen der Naturen
Spricht der Liebe Sehnsucht nur.
Sehnsucht gab mir das Geleite,
Als ich von der Teuern schied;
Sehnsucht sitzet mir zur Seite,
Wenn der Wagen rasch entflieht.
Sehnsucht heißt mich hier willkommen,
In dem tobenden Gewühl,
Was ich Schönes auch vernommen
Führt zur Sehnsucht mein Gefühl.
Und so ist sie mein Gefährte,
Der ich mich noch nie entwöhnt,
Denn die Sehnsucht, die bewährte,
Selbst den Trennungsschmerz verschönt.
Wo ich bin und wo ich weile,
Reicht die Sehnsucht mir die Hand,
Führet mich in süßer Eile
Hin nach ihrem Heimatland.
Öffnet mir die Rosenpforten
Himmlischer Vergangenheit,
Spricht mich an mit leisen Worten
Aus der längst entschwund'nen Zeit.
Weht mit ihrem Zauberflügel
Liebeswehmut mir stets zu,
Bis der stille Grabeshügel
Mich und Sehnsucht bringt zur Ruh!
Gleichnisse: pro und
contra
Er.
Gleich dem Mondschein sind die Frauen,
Mit erborgtem Glanze labend;
Gleich dem Epheu ist ihr Lieben
Im Umschlingen untergrabend;
Gleich dem Felsen ist ihr Willen,
Den Vernunft und Rat nicht zwingen;
Gleich dem Regenbogen ist ihr Lächeln
Nur nach Stürmen zu erringen!
Sie.
Gleich dem Mond sind uns're Herzen,
Mild in Schwermutsnächten waltend;
Gleich dem Epheu uns're Liebe,
Selbst im Sturze fest noch haltend.
Gleich dem Fels ist uns're Treue,
Auch in Stürmen nicht zu brechen;
Gleich dem Regenbogen unser Lächeln,
Heitern Himmel zu versprechen.
Er.
Gleich der Schwalbe, Sonne buhlend,
Die mit Sommer zieht vorüber,
Ziehet von uns Frauenliebe,
Wenn des Glückes Sonne trüber.
Sie.
Gleich der Schwalbe beim Erscheinen,
Bringet Wärme, Duft und Blüte,
Kündet Frauenliebe Wärme,
Blüt' und Frühling dem Gemüte.
Er.
Gleich der Rose, die mit Purpur
Ihre Dornen überfunkelt!
Gleich dem Meere, dessen Spiegel
Auch ein Schatten schon verdunkelt.
Sie.
Gleich der Rose, die zerbrochen
Noch die Schläfe mild bekränzet!
Gleich dem Meere, das am Abend
Noch vom Wiederschein erglänzet!
Er.
Gleich dem Bildnis, das die Wahrheit
Äffend gibt in Farbenlüge,
Scheinet Seele bei den Frauen,
Was nur ist ein Spiel der Züge.
Sie.
Gleich dem Bildnis, dessen Zartheit
Nur dem Fernen kann entgehen,
Doch der Blick, der näher forschet,
Wird die Götterzüge sehen.
Er.
Gleich dem Felsstrom, dessen Woge
Jedes Zephirs Kuß berühret;
Gleich dem Vogel, den der Käfig
Nur dem Flattersinn entführet.
Sie.
Gleich dem Felsstrom, der so reiner
Fließet, weil er ungebunden;
Gleich dem Vogel, wild im Käfig,
Zahm, wo Lieb' ihn hält umwunden.
Er.
Gleich der Leyer der Erinnen,
Deren Ton Verstand ist raubend,
So in Freuden ohne Zügel,
Und im Schmerz an Gott nicht glaubend.
Sie.
Gleich der Leyer jenes Hirten,
Eines Königs Wahnsinn mindernd!
Freud' und Lust im Einklang teilend,
Und der Schwermut Klage lindernd.
Er.
Gleich der Sonne, deren Strahlen
Gute, Böse gleich erquicken,
Ist ihr Lieben: und sie suchen
Alle Herzen zu bestricken.
Sie.
Gleich der Sonne, die selbst Blinden
Milde Wärme läßt umfließen,
So wir lieben: selbst den Spötter
In den treuen Arm wir schließen.
Die rechte Zeit
Der Morgen naht in süßer Farbenmischung,
Es siegt das Licht im frühen Dämmerstreit,
Da strömt ein neues Leben, voll Erfrischung
In unsre Brust, sie atmet weit;
Den milden Schein, den rosigen, zu trinken,
Entringt mein Liebchen sich dem Schlaf.
Vergebens will die Wimper schamhaft sinken,
Als das geöffnet Aug' den Liebsten traf:
Den Liebsten kann sie nicht, das Licht nicht missen,
Es schlägt das Herz in hoher Freudigkeit;
Gewiß, der Morgen ist die rechte Zeit,
Die rechte Zeit zu lieben und zu küssen.
Der Mittag naht, ich rett' aus seiner Schwüle
Mich eilends in das flatternde Gemach,
Da sitzt die Holde in des Zimmers Kühle,
Der Wärme gibt sie und der Liebe nach;
Verstohlen durch des Fenstervorhangs-Seide,
Belauschet uns ein heller Sonnenblick;
Doch daß ich diesen losen Zeugen meide,
Führ' ich ins ferne Sofa sie zurück;
Da lehnt sie matt auf kühlen Seidenkissen,
Umfängt mich leicht im leichten Mittagskleid.
Gewiß, der Mittag ist die rechte Zeit,
Die rechte Zeit zu lieben und zu küssen!
Der Abend naht, wie seine Schatten locken!
Komm Liebste! komm hinaus ins Tal!
Getrieben wird, von leichten Wolkenflocken,
Zu Bette nun der letzte Sonnenstrahl;
Zu Ende ist des Tages lautes Treiben,
Zur Stille lädt die Dämmerlaube ein,
Im Lärmen wird die Liebe still stets bleiben,
Doch in der Stille wird sie lauter sein!
Kaum darf der Holden Aug' es wissen,
Wie Lieb' und Scham so reizend sich entzweit;
Gewiß, der Abend ist die rechte Zeit,
Die rechte Zeit zu lieben und zu küssen!
Die Nacht sie naht, und mit ihr die Erhörung,
Denn Finsternis spricht Liebenden das Wort,
Gesichert vor des Tages öft'rer Störung
Empfängt sie mich am stillverwahrten Ort;
Es sucht der Mund den Mund, und ihn zu finden
Leiht mir ihr Aug den süßen Zauberschein;
Es ist ein Flieh'n, ein Nah'n und ein Entwinden,
Das Sträuben selber spricht: "ich will'ge ein!"
Die Hände sind der Redekunst beflißen,
Im sanften Druck spricht Liebesdeutlichkeit,
Gewiß, die Nacht, sie ist die rechte Zeit,
Die rechte Zeit zu lieben und zu küssen!
Poesie Und Liebe
An Sie
(Gefängnislied)
"Ich bin gefangen,
ich bin in Banden,
Ich habe keinen andern Gesandten!"
Maria Stuart. |
Das
Herz, das liebt, ist einsam nicht,
Der Mund, der singt, ist nicht allein,
Die Brust, die hofft, ist stets voll Licht,
Der Geist, der denkt, fühlt nirgends Pein,
Aus Hoffnung, Lied und Gunst der Frauen,
Läßt sich im Kerker Eden bauen!
Ich lieb' das schönste Engelsbild,
Ich sing' manch süßes Liebeslied,
Die Hoffnung mir im Busen schwillt,
Mein Geist im hellen Lichte blüht;
Ich liebe, sing', denk', hoff' und schlafe,
Die Narren nennen dieses Strafe!
Doch Hoffen, Denken und Gesang
Sie knüpfen sich der Liebe an,
Denn jeder helle Saitenklang
Ist dieser Liebe untertan;
Und jeder Ton der gold'nen Leyer
Stimmt sich von selbst zur Liebesfeier!
Dich seh' ich Holde, wo Du bist,
Nur Dich in lieblicher Magie,
Und wo mein Auge Dich vermißt,
Malt täuschend Dich die Phantasie,
Es dringt durch Schloß und Haft und Riegel
Dein Bildnis mit dem Schönheitsspiegel!
So wie die Wolke leicht und mild,
Umzogen von dem Sonnensaum,
Vom hohen Äther niederquillt,
Gleich einem Frühlingsmorgen - Traum,
Und von der Wolke, licht bemalet,
Das Gnadenbildnis niederstrahlet;
So senket sich in Abendlicht,
Wenn küssend scheiden Tag und Nacht,
Dein süßes, reizend Angesicht,
In seiner Anmut stillen Pracht,
Auf der Begeisterung Gefieder,
Zu meiner Muse sanft sich nieder.
Und wie die Säule, die im Rot
Des Abends- und des Morgenstrahls,*
Die weichsten Seelenklänge bot
Dem wachen Echo ihres Tals,
Das Licht beim Kommen und beim Gehen
Begrüßt mit lautem Liebesflehen:
So die Erinnerung auch bricht,
Beim Morgen- und beim Abendschein,
Mit deiner Anmut Zauberlicht
In meines Herzens Grund herein,
Entringet seinen tiefsten Fluten
Die Sehnsuchtsklänge, die da ruhten.
So ringe sich denn dieser Laut,
Daß du ihn hörest, von hier fort,
Er bring', was ich ihm anvertraut,
Er bringe Dir mein liebend Wort,
Und mög' mit tönenden Gewalten
Dein Herz in Liebe mir entfalten.
Denn Schönheit ist des Sängers Preis,
Durch ihn wird sie erst hochgestellt!
Am liebsten sieht das Myrthe-Reis
Dem edlen Lorbeer sich gesellt;
Im Schatten nur von Ruhmeszweigen
Kann Schönheit sich unsterblich zeigen.
*Die
Memmons-Säule, die beim Auf- und Untergange der Sonne
wundersam ertönt.
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