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Quelle:

Saphir Moritz Gottlieb

Violen
Lyrische und humoristische Gedichte

München 1832
Michael Lindauer'sche Verlagsbuchhandlung


An Karoline
 


An eines tiefen See's heitern, Ranft
Blüht eine Rose. Züchtiglich und sanft
Neigt Sie das schöne Haupt zur Flut;
Und siehe, auf der klaren Welle ruht
Ihr Bildnis, und es scheint ihr zuzustreben
Wie sich die Wellen nahen oder heben.

Beschämt, verzagt schaut sie das Bildnis an,
Weil sie in Demut selbst nicht glauben kann,
Daß dieses zarte Bild ein Konterfei
Von ihrem eig'nen süßen Wesen sei;
Doch fühlt sie sich zum Bilde in den Wogen
Wie zu sich selber wundersam gezogen.

Sie schaut und schaut es wieder an und spricht:
"Ich selber, nein ich selber bin es nicht,
Doch ist's mein Wesen und mein innerst Sein,
Das sich geworfen in die Flut hinein,
Auf daß ich in den klaren Fluten-Auen
Mein eigentümlich Leben soll beschauen."

Der tiefe See es ist in meiner Brust
Die Poesie, die ew'ge Liederlust.
Die Rose, die verschämt und doch vertraut
In's Wiederspiel der Liederwogen schaut,
Auf daß zum treuen Spiegel es ihr diene,
Die Rose, Du bist's Caroline!

Und wie der Liedersee nun wird erregt,
Wie Lust und Weh die glatte Flut bewegt,
Und welch ein Lied dem See sich auch entringt,
Ein jedes Dir dein holdes Abbild bringt;
Und wie Du horchst dem Fluten und dem Rauschen,
Du wirst darin Dich selber nur belauschen!

                                                              Saphir.