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151.
Ich lag am Meer, mit Purpurbändern
Des Abendrot's war's eingefaßt,
Es spielten Flammen an den Rändern
Der Schiffe und am hohen Mast.
Halb wachend, halb im Traume
Sah ich den Schlaf der Fluten an,
Im Silberbläschen aus dem Schaume
Kam eine Meerfee, wie im Kahn.
Sie stieg heraus mit holdem Grüßen,
Betrat geschürzt den dunkeln Strand,
Und setzte sich mit weißen Füßen
An meine Seit', im Muschelsand';
Erzählte mir viel Liebgeschichten
Vom Grund des Meer's in tiefer Schacht,
Davon ich könnte singen, dichten,
Wohl mehr als tausend eine Nacht!
In Gluten stehen dort Korallen,
Die Arme liebend ausgestreckt;
Von Lieb' der ekeln Rochenballen
Und ihrer Werbung tief erschreckt!
Prinzessin Perle hält gefangen
Ein Zauberer im Muschelschloß,
Und ringsum singen Liebverlangen
Delphine mit dem grünen Floß.
Zum Sprosser, der im Liebesharme
Sein Klaglied singt auf leichtem Ast,
Erhebt die Meernymph' weiße Arme
Voll Sehnsucht aus dem Glaspalast.
Ein Kind des Meeres ist Cythere,
Die Erde ist nur ihr Exil;
Darum wohnt auch im Grund vom Meere
Der Liebe Lust- und Trauerspiel!
152.
Zwei Herzen! Liebt Ihr Euch auch wahr?
So haltet fest zusammen!
Behaltet Euren Glauben bei,
"Die Welt" mag Euch verdammen!
Was Herz dem Herzen geben kann,
Es ist ein göttlich "Werde!"
Die Liebe ist ein Himmelreich,
"Die Welt ist nur die Erde!"
Versteht Ihr Euch, zwei Herzen, nur,
So mags "die Welt" mißdeuten,
Die Lieb' besteht aus G e n i e n,
"Die Welt" aus bloßen L e u t e n!
Zwei Herzen schlagen füreinand',
"Die Welt" schlägt in die Hände,
Die Liebe dauert ewig fort,
"Die Welt" schweigt doch am Ende!
Zwei Herzen! liebt und heiligt Euch,
Die Welt soll Euch nicht kümmern,
Denn könnt' "die Welt" zum Himmel zu,
Sie möcht' auch den zertrümmern!
153.
Morgens Früh, auf grünen Wegen,
Unter dunklen Blattgehängen,
Kommt die Holde mir entgegen
Auf dem Kiespfad, auf dem engen.
Licht und Reiz des frühen Tages
Fließt um ihre schlanken Glieder,
Laub und Blüten dieses Hages
Fallen säuselnd auf sie nieder.
Tannen, Birken, Fichten, Erlen
Schütteten den Tau der Nächte
Ihr auf's Haupt in runden Perlen
Daß sie in ihr Haar sie flechte.
Grüßt mein Lied die Morgenröte,
Und es sollte sie nicht grüßen?
Harfe, Leier, Zimbal, Flöte,
Rüstet Euch zum Gruß der Süßen!
Grüßt mein Lied doch jede Blume,
Und es grüßte sie nicht herzlich?
Gruß zum Preis und Gruß zum Ruhme,
Grüßt mein Lied sie froh und schmerzlich.
154.
Gleich dem Märtyrer stirbt der Tag,
Geht lächelnd seinem Tod entgegen,
Verströmt sein Herzblut ohne Klag',
Wie Rosen auf den Bergeswegen.
Und seine Erbin: Dämmerung,
Die blasse Mutter der Gedanken,
Streut auf sein Grab die Tränen hin,
Die ihr aus zarter Wimper sanken.
Die Finsternis, in dunkler Tracht,
Setzt an mein Bett dann still sich nieder,
Die schwarze Neger-Amme: Nacht,
Wiegt in den Armen meine Lieder.
Die Nacht bringt mir der Liebsten Bild,
Und ihre Augen wie die Lichter!
Die Nacht ist keines Menschen Freund,
Doch Freund der Liebenden und Dichter!
155.
Ich liebe Dich! mehr sag' ich nicht;
Ich sage Dir's! mehr zag' ich nicht;
Ich seh' Dich an! mehr wag' ich nicht;
Du blickst so kalt! mehr klag' ich nicht;
Bist Du mir bös'? mehr frag' ich nicht;
Denn das allein ertrag' ich nicht!
156.
Liebe ist des Gebens Rose,
Und die Eifersucht ihr Dorn!
Lieb' kann ruhen und halb schlummern,
Eifersucht wacht stets voll Zorn!
Liebe ist die Frucht des Herzens,
Eifersucht ihr bitt'rer Kern,
Aus dem Kerne aber g'rade
Treibt die Liebe wieder gern!
Liebe ist des Daseins Fürstin,
Eifersucht die Ehrendam',
Und sie gehen, sich ergänzend,
Hand in Hand durch's Duodram'!
Liebe ist ein Meer von Wonne,
Eifersucht das Salz der Flut,
Ewig frisch hält sie die Wellen
In der Sonne steten Glut.
Liebe ist des Herzens Flamme,
Eifersucht ist ihr Orkan,
Angefacht vom wilden Sturme
Steigt die Flamme himmelan! —
Ja, ich eif're mit dem Zephir,
Der die Wange ihr erquickt;
Ja, ich eif're mit der Blume,
Die ich selber ihr geschickt!
Ja, ich eif're mit dem Kinde,
Zu dem sanft das Haupt sie senkt;
Ja, ich eif're mit der Freundin,
Wenn sie zärtlich ihrer denkt!
Ja, ich eif're mit dem Buche,
Das sie fesselt und belebt;
Ja, ich eif're mit dem Blicke,
Den im Beten sie erhebt!
Ja, ich eif're mit dem Liede,
Das ich selber ihr geweiht,
Denn das Lied, es geht ihr nahe,
Und sein Sänger steht so weit!
157.
Was ich sage, fühl' ich, was ich fühle, schreib' ich,
Eifersüchtig bin ich, eifersüchtig bleib' ich!
=x=x=x=x=x=x=x=x=x=x=x=x=x=x=x=x
Sie liebt mich nicht, das ist wohl wahr,
Sie sagte mir's schon oft und klar!
Eifersüchtig bin ich!
Zur Eifersucht hab' ich kein Recht,
Dem Ungeliebten kleid't sie schlecht,
Eifersüchtig bleib' ich!
Ich sag' mir's selbst: Du bist ein Tor!
Sie hat ja doch für Dich kein Ohr.
Eifersüchtig bin ich!
Der Eifersucht red' ich wohl zu:
"Du töricht Weib, so gib doch Ruh'!"
Eifersüchtig bleib' ich!
Liebt And're sie, was geht's mich an,
Da ich doch niemals hoffen kann?
Eifersüchtig bin ich!
Ich weiß, ihr Herz ist rein wie Licht,
Sie liebt auch einen Andern nicht.
Eifersüchtig bleib' ich!
Bleibt sie zu Haus, frag' ich: warum?
Und geht sie aus, späh' ich herum;
Eifersüchtig bin ich!
Ich weiß, sie ist zu Haus allein,
Sie hat beim Geh'n kein Stelldichein;
Eifersüchtig bleib' ich!
Wenn sie das Auge niederschlägt,
Denk' ich: ihr Herz ist still bewegt;
Eifersüchtig bin ich!
Sieht sie zur Seit', sieht sie empor,
Sie sucht Jemand, so kommt's mir vor.
Eifersüchtig bleib' ich!
Und nähme sie bei jedem Schritt,
Mein Aug', mein Ohr, mein Herz auch mit;
Eifersüchtig bin ich!
Und schlöß' ich sie im Arm auch ein,
Ihr Denken kann doch auswärts sein;
Eifersüchtig bleib' ich!
158.
Eifersüchtig, eifersüchtig
Ist das braune Weib, die Nacht,
Weil der Tag, ihr Ehegatte,
Von ihr ging in seiner Pracht.
Eifersüchtig, eifersüchtig
Ist das braune Weib, die Nacht,
Darum sind die tausend Flammen
Ihr im Busen angefacht.
Eifersüchtig, eifersüchtig
Ist das braune Weib, die Nacht,
Darum hält mit tausend Augen
Sie um Erd' und Himmel Wacht!
Eifersüchtig, eifersüchtig
Ist die Liebe, wie die Nacht,
Schlaflos, ruhlos, wie die Mutter,
Die ein krankes Kind bewacht.
Eifersüchtig, eifersüchtig
Ist die Liebe, wie die Nacht,
Hat im Busen tausend Flammen
Glühend, zehrend angefacht.
Eifersüchtig, eifersüchtig
Ist die Liebe, wie die Nacht,
Ihre tausend Augen halten
Über Erd' und Himmel Wacht.
Eifersüchtig, eifersüchtig
Ist die Liebe, wie die Nacht,
Darum geht sie lauschend, spähend,
Eingehüllt in Trauertracht!
159.
Lieb' hat eine wilde Schwester,
E i f e r s u c h t, ein wütend' Weib!
Tausend Augen, tausend Ohren
Sitzen rings um ihren Leib!
Liebe reicht die Nektarschale,
Eifersucht wirft Gift hinein,
Liebe pflanzt das Herz voll Rosen,
Eifersucht setzt Schlangen d'rein!
Liebe strömt in Liebe über,
Eifersucht hemmt ihren Lauf,
Liebe schreibt mit Rosentinte,
Eifersucht streut Spießglas d'rauf.
Dennoch ewig unzertrennlich
Bleiben Lieb' und Eifersucht,
Wenn die Eifersucht verschwindet,
Ist auch Lieb' schon auf der Flucht!
160.
Lieb' hat eine dritte Schwester
Gleich mit ihr zur Welt gebracht,
Die mit ihr an einer Wiege
Wird gewiegt so Tag als Nacht.
"T r ä n e" heißt die dritte Schwester,
Und im Aug', in dem sie liegt,
Wird sie mit der Liebe selber
So geboren als gewiegt!
Bald im Auge brennt sie bitter,
Bald das Auge sie erfrischt,
Denn sie wird von beiden Schwestern,
"L i e b" und "E i f e r s u c h t" gemischt.
Lieb' ist eine Wasserpflanze,
Nur in Tränen wurzelt sie,
Wer geliebt hat ohne Tränen,
Liebte wahre Liebe nie!
Wenn im Aug' beglückte Liebe
Strahlt von Seligkeit und Glück,
Ziehet sich die Schwester Träne
In den Winkel still zurück.
Aber wenn im Aug', dem trüben,
Liegt der Liebe Trauerflor,
Kommt sogleich aus ihrem Winkel
Schwester Träne mild hervor.
Badet sie in lauen Tropfen,
Netzt ihr das erglühte Herz,
Denn die Träne bleibt der Balsam,
Und die Liebe bleibt der Schmerz!
161.
Ein klein Gebetbuch ist die Rose,
In Seid' und Samt mit güld'nem Schnitt,
Ich schick' Dir, Holde, dies Gebetbuch,
Auch die Gebete schick' ich mit.
Daß Du des Morgens Früh erwachest,
Der Rose gleich im Gartenbeet,
Daß Schmetterling und Bien' Dich schone,—
Das, Holde, ist mein Frühgebet!
Daß Nachts Dein Haupt sich friedlich senke,
Von Gottes Engel still umweht,
Vom Strahl des Tags nicht glutermattet,
Das, Holde, ist mein Nachtgebet!
Nimm als Gebetbuch denn die Rose,
Und leg' sie fromm Dir an das Herz,
Denn viel Gebete steh'n in Rosen,
So für die Lust wie für den Schmerz!
162.
Du sagst, es zieht Dich hin zu mir,
Doch nahe ich mich liebvoll Dir,
So weichst Du aus und gehst allein, —
O, kann denn Lieb' so unlieb sein?
Dein Auge lacht mich freundlich an,
Und trifft mein Blick den Deinen dann,
So wendet sich sein süßer Schein,
O, kann den Lieb' so unlieb sein?
Ein Blümchen hab' ich Dir gepflückt,
Du hast's begehrlich angeblickt,
Ich sprach: "so nimm's!" Du lispelst: nein!
Wie kann doch Lieb' so unlieb sein!
163.
Meine Lieb' ist eine Schwalbe,
Bist Du kalt, ist sie entflogen,
Doch beim ersten Strahl vom Wärme
Kommt sie wieder heimgezogen.
In dem lang gewohnten Neste,
In dem Herzen wohnt sie wieder,
Kreis't mit ihren leisen Flügen
Um die Holde hin und wieder.
Lieb' und Schwalbe, fromme Wesen,
Sind stets gerngeseh'ne Gäste,
Und man hält's für Segenszeichen,
Wenn sie siedeln lang im Neste.
164.
Ich bin nicht jung, ich bin nicht reich,
Ich bin nicht schön und war es nie,
Und dennoch liebt sie mich, — warum? —
Weil sie es weiß: ich l i e b e s i e!
Ich bin nicht vornehm, nicht berühmt,
Kein Glück der Himmel mir verlieh,
Und dennoch liebt sie mich, — warum? —
Weil sie es weiß: ich l i e b e s i e!
Ich weine nicht: ich klage nicht,
Ich fall nicht aus die Knie',
Und dennoch liebt sie mich, — warum? —
Weil sie es weiß: ich l i e b e s i e!
Ein Weib, nicht so als wie der Mann,
Auf äußern Schein nur gibt,
Es liebet nur, geliebt zu sein,
Und wird geliebt und liebt!
165.
Wir gingen zusammen ganz lange,
Wir schwiegen und blickten uns an,
Es war uns so wohl und so bange,
Und Seele in Seele zerrann.
Ich folgte dem innigen Drange,
Der Glut, in dem Herzen entbrannt,
Ich küßte die goldene Spange
Am zierlichen Knöchel der Hand.
Es ritzte die goldene Spange
Die glühende Lippe mir wund,
Die ringelnde goldene Schlange
Stach blutig den gierigen Mund.
Zum Ring wenn gebogen die Schlange,
Dann ist sie der Ewigkeit Bild,
Für sie auch in ewiger Liebe
Das Blut aus dem Herzen mir quillt!
166.
Ein "Zufall?" Wohl, Geliebte,
Ich lasse einen Zufall gelten;
Doch "Zufall" wieder? wahrlich,
Zufällig kommt solch' Zufall selten!
Ich darf Dir d'rob nicht grollen,
Nur hat es mich betrübt tief innen,
Hat mir vergällt den Abend,
Hat mir verbittert all' mein Sinnen!
Mich überkam urplötzlich
Ein selbstbeschämendes Erkennen,
Vom Wahn, der mich befangen,
Soll ich — o Bitterkeit! — mich trennen?!
Vermag ich's, Dich zu meiden?
Es wird zum Tode mich betrüben!
Doch glaub', o glaub' gewiß,
Ich werde bis zum Tod Dich lieben!
167.
Bin mit ihr ich, bin ich allein,
Nie wird die Zeit mir lange,
Denn Frag' und Antwort, Dein und Mein,
Erhält die Zeit am Gange;
Im Weltgewühl, in Einsamkeit,
Verkürzt sich Liebe ihre Zeit.
Denn sitze ich und seh' sie an
Vergeß' ich alle Fragen,
Die Antwort find' ich selber dann,
Sie braucht gar nichts zu sagen,
Und so mit Fragen und Bescheid
Verkürzt sich Liebe ihre Zeit.
Und wenn sie Antwort geben muß,
Beginnt ein holdes Streiten,
Das Wort, den Blick und auch den Kuß
Will sie allein bestreiten;
Und so im süßen Zank und Streit
Verkürzt sich Liebe ihre Zeit.
Und wenn wir scheiden voneinand',
Beginnt erst recht das Plaudern,
Ich küß' ihr tausend Mal die Hand,
Sie hört nicht auf zu zaudern,
In "Lebewohl!" und "Gottgeleit!"
Verkürzt sich Liebe ihre Zeit.
Und wenn ich einsam bin zu Haus,
So schreib' ich ihren Namen
Wohl tausend Mal als Blumenstrauß
Auf Fensterglas und Rahmen,
Und so in aller Ewigkeit
Verkürzt sich Liebe ihre Zeit.
168.
Und eben weil es Herbst schon wird,
Will ich den Frühling singen,
Und weil die Rosen welken schon,
Ihr wilde Rosen bringen.
Und eben weil der Frost sich naht,
Seh' sie mein Herz erglüh'n,
Und weil so flieht die Sommerzeit,
Soll sie mir nicht entflieh'n.
Und eben weil das Alter kommt,
Halt' ich die Jugend feste,
Und weil sie meine letzte Lieb',
So ist sie auch die beste!
169.
Auch die stummste Liebe dichtet,
Lieb' ist ewig Poesie,
Wehe, wer sie lieblos richtet,
Er erkennt sie ewig nie!
Weil ich Jahre, Tage, Wochen
Nicht von Liebe hab' gesungen,
Nicht von Liebe hab' gesprochen,
Glaubtet Ihr, daß ich bezwungen
Hab' die Liebe und vernichtet?
Doch hab' ich in Dämmerungen
Tausend Lieder fein gesichtet,
Auch die stummste Liebe dichtet!
Lieben, dichten ist ja Eines,
Schweigsam sind all' Beide sie;
Schweigsam Beide oder Keines,
Eines spricht ohn' And'res nie,
Schweigt auch Liebe spät und früh,
Ist's ein Schweigen nur des Scheines,
Lieb' ist ewig Poesie!
Lieben! dichten! Zwillingstropfen,
Die auf's Herzblatt sich ergießen,
Durch des Herzens leises Klopfen
Weinend ineinander fließen;
Wehe, wer sie falsch bezichtet,
Wer aus ihren Tod will schließen,
Weil sie auf das Lied verzichtet,
Wehe, wer sie lieblos richtet!
Niemals red' von Lieben, Singen,
Wem kein Liedchen selbst gedieh,
Wem der Liebe Sehnen, Ringen
Niemals einen Schmerz verlieh,
Dem ein lautes Liedersingen
Liebe niemals noch verzieh,
Er erkennt sie ewig nie!
170.
Ein Kind war ich einst, mit fliegendem Haar,
Am Tage die Äuglein vor Fröhlichkeit klar,
Am Tag' unbewußt,
Voll Spiel und voll Lust,
So wohlig die Brust;
Und Abends, und Abends, wie lieb und wie fein,
Da wiegte mit Märchen mich Mütterchen ein! —
Auf einmal da sagten sie: Mutter sei tot!
Ich weinte die blinzelnden Äuglein mir rot,
Da hab' ich voll Schmerz zu vergehen gemeint,
Die erste, die bitterste Träne geweint.
Als Jüngling da liebt ich ein Mägdlein gar sehr,
Sie war mir die Erde, der Himmel und mehr,
Welch' süßer Verband,
Durch Aug' und durch Hand,
Durch Brief und durch Band.
Da kam das Geschick mit dem eisernen Schritt',
Nahm Liebe und Erde und Himmel mir mit!
Da hab' ich, in Schmerz und in Sehnsucht vereint,
Die zweite, die heißeste Träne geweint!
Als Mann, da hatt' ich mein Hüttchen gebaut,
Auf heimischen Boden, so lieblich, so traut,
Wie klang da mein Lied
Von Ruh' und von Fried',
Durch Rain und durch Ried!
Da mußt ich verlassen mein väterlich Land,
Vom Herd' und vom Altar' der Heimat verkannt,
Da hab' ich am Grenzstein, von Dornen umzäunt,
Die dritte, die schmerzlichste Träne geweint.
Und jetzt geht das Leben an mir so vorbei,
Mir grünet kein Frühling, mir blühet kein Mai,
Der Tag hat nicht Pracht,
Nicht Trost bringt die Nacht,
So einsam durchwacht!
Und taub ist mein Ohr, und taub ist mein Herz,
Und stumm ist die Lippe, und starr ist der Schmerz,
Wie gerne, wie gerne hätt' oft ich geweint,
Doch leider dem Aug' ist die Träne verneint!
171.
Vom Himmel fiel ein Brief hernieder,
Geschrieben schön von Gottes Hand,
Mit gold'nen Worten hin und wieder,
Mit Huldgedanken bis zum Rand.
Der Schöpfung herrliche Vollendung
Dem Götterbrief ist aufgedrückt; —
Sie ist's, und ihre Erdensendung:
Es sei ein Herz durch sie beglückt!
Ein And'rer hat den Brief gefunden,
Ein And'rer nahm ihn mit nach Haus;
Der Briefes Geist bleibt unempfunden,
Er lies't die Schönheit nicht heraus!
Von Ferne nur, von weiter Ferne,
Warf auf den Brief ich einen Blick,
Und wie vom Zelt der gold'nen Sterne
Kam er, mit Licht gefüllt, zurück!
Der Himmel hat an mich geschrieben,
Auf Erden traf der Brief mich nicht,
Ich weiß es, wo der Brief geblieben,
Und leiste doch auf ihn Verzicht.
Einst, wenn der Himmel wird begehren
Den Brief zurück von dieser Welt,
Wenn unsere Seelen sich verklären,
Wird mir der Brief dort zugestellt!
172.
Ich weiß nicht, ob Du's weißt,
Daß ich Dich lieb' allein,
Doch weiß ich's, wenn Du's weißt,
Wird's Dir gleichgültig sein!
Ich seh' nicht, ob Du's siehst,
Wie ich nach Dir nur blick',
Doch seh' ich, wenn Du's siehst,
Blickst Du sogleich zurück!
Ich hör' nicht, ob Du hörst,
Daß Du die "Rose" bist,
Doch hör' ich: unerhört
Dein Sinn, Dein spröder ist!
Ich fühl' nicht, ob Du's fühlst,
Daß Liebe töten kann;
Doch fühl' ich, wenn Du's fühlst,
Du denkst an mich sodann!
173.
Fragt nicht, was ich tu', beginne,
Fragt nicht, was mein Herz erfüllt,
Fragt nicht, was ich dicht' und sinne,
Fragt nicht, was im Aug' mir quillt;
Fragt nicht um den Quell der Zähren,
Kann's den Fremden nicht erklären,
Fremd bleibt Fremden Freud' und Leid,
Nur von sich weiß man Bescheid!
Wer nicht selbst entflammt vom Funken,
Wem der Gott nicht selbst erscheint,
Wer den Kelch nicht selbst getrunken,
Wer nicht selbst die Nacht durchweint,
Wem nicht selbst das Brot des Schlummers
Ward getaucht in's Salz des Kummers,
Kennt sie nicht die Schmerzenszeit,
Nur von sich weiß man Bescheid!
Nur das Salz der eig'nen Tränen,
Nur die selbst durchweinte Nacht,
Nur das Weh vom eig'nen Sehnen,
Nur des eig'nen Kummers Macht,
Nur das Blut der eig'nen Wunde,
Nur die Klag' vom eig'nen Munde
Find't zur Teilnahm' uns bereit,
Nur von sich weiß man Bescheid!
Zier der Welt und Schönheitsblume!
Meine Sonn' und meine Welt!
Dir allein zum Heiligtume
Hab' ich Lied zu Lied gesellt;
Weil ich Dir bin ganz ergeben,
Weil Du bist mein eigen Leben,
D'rum von meinem Herzeleid
Weißt Du wie ich selbst Bescheid!
174.
In der Hand und auf den Wangen
Bringt sie mit des Frühlings Fahnen:
Blumen, Nelken, Hyazinthen,
Weiße Rosen und Cyanen.
Was sind Blumen? Was sind Rosen?
Dies zu sagen ich nicht säume:
Wenn die Erd' in Liebe schlummert,
Sind die Blumen ihre Träume.
Wenn sie träumt vom Liebes-Zagen,
Wird das Traumbild zur Mimose,
Wenn sie träumt vom Glück der Liebe,
Wird der Traum zur roten Rose.
Wenn sie träumt vom Brautgeschmeide,
Quillt als Myrte er zum Lichte,
Wenn sie träumt vom Trennungsschmerze,
Wird er zum Vergißmeinnichte.
Wenn sie träumt vom bittern Leide,
Wird der Traum zur Colloquinte,
Wenn ihr Traum ist voll Erhörung,
Blüht er aus als Hyazinthe!
Sind die Blumen, die heut' Abend
Du zum Strauße auserlesen,
Wilde Rose! Deine Träume
In der letzten Nacht gewesen?
Dann hast Du die Qual und Schmerzen
Nicht geträumt, die ich erleide,
Denn es fehlt die Trauerblume,
Und der Zweig der Tränenweide!
175.
Oft frag' das eig'ne Herz ich still,
Wie's ihm geglückt, Dich zu gewinnen?
Da schwillt mein Herz und lacht mein Herz,
Und kann sich nicht besinnen!
Dann frag' das eig'ne Herz ich still,
Wie es Dein Lieben ließ entrinnen?
Dann schwillt mein Herz und weint mein Herz
Und kann sich nicht besinnen!
Dann frag' das eig'ne Herz ich bang',
Was ohne Dich es will beginnen?
Dann schwillt mein Herz und bricht mein Herz
Was ist da zu besinnen!
176.
Der Ball ist aus, sie fährt dahin,
Im Wagen halb verborgen;
Ich aber geh' zur Stadt hinaus,
Bis daß erwacht der Morgen.
Mir ist so wohl, mir ist so weh,
So wonnig und elendig,
Ich hab' geweint, ich hab' gelacht,
Vor Lust und Leid inwendig.
Was sie gesagt, erfüllte mich
Mit Freuden und mit Schmerzen,
Ich hörte mit den Augen nur,
Ich sah nur mit dem Herzen.
Zugedeckt mit Mondenschein
Seh' ich die Straßen leuchten,
Mein volles Herz sucht volles Wort,
Mir ist's als müßt ich beichten.
Die Sterne glühen oben aus,
Mit ihrem Licht, dem blanken,
Und wandern lächelnd hin und her,
Wie liebende Gedanken.
Von Ferne rauscht der Donaustrom
Ich lausche hin und wieder,
Er singt von Lieb' und Zärtlichkeit,
Er singt die Jugend-Lieder.
Bekannt sind diese Weisen mir,
Sie tönen aus den Fluten,
Wie Vögel, die zur Kinderzeit,
Mir an dem Busen ruhten;
Sie wollen in das Herz hinein,
Zum Nest, das sie geboren,
Jedoch das Nest steht leer, allein,
Hat Laub' und Lieb' verloren!
177.
Eine Rose seh' ich blühen,
Aber nicht für meine Brust,
Eine Blüte seh' ich glühen,
Aber nicht zu meiner Lust;
Einen Engel seh' ich walten,
Aber nicht für mein Geschick,
Einen Stern seh' ich entfalten,
Aber nicht für meinen Blick.
Und ein Auge seh' ich brennen,
Aber mir nicht strahlt sein Licht,
Einen Namen hör' ich nennen,
Doch es ist mein Name nicht.
Auch ein Lächeln seh' ich sprießen,
Doch es lacht nicht in mein Herz;
Eine Träne seh' ich fließen,
Doch sie fließt nicht meinem Schmerz!
Einen Boten hör' ich kommen,
Aber nicht mit Herzbescheid!
Einen Ruf hab' ich vernommen,
Aber nicht von dieser Seit'.
178.
Wir sind getrennt durch Brauch und Satzung,
Nicht durch Gefühl und Neigung!
Wir sind getrennt durch Glück und Zufall,
Und nicht durch Will' und Überzeugung!
Wir sind getrennt durch Raum und Menschen,
Und nicht durch Zweifel, Schwanken,
Wir sind getrennt von Aug' und Munde,
Doch nicht von Herz und Gedanken!
Wir sind getrennt für Kuß und Umarmung,
Doch nicht für Träumen, Lieben,
Wir sind getrennt für hier und jetzund,
Doch nicht für Einst und d'rüben!
179.
R o t e R o s' auf frischen Wangen
Glüht und blüht ein Liebeleben,
Mit dem Leben aufgegangen
Und vergangen mit dem Leben!
W e i ß e R o s' auf blassen Wangen
Malt uns stets ein Seelenleben
Und ein seliges Verlangen,
Herz in Herz nur zu verweben!
Treu ist weißer Rose Walten,
Ewig ihre Liebesgabe,
Denn die Liebe wird noch halten
Weiße Ros' auf unser'm Grabe!
180.
Als Amphion schlug die Saiten
Einst durch Feld und Flur und Haine,
Da bewegt von Nah und Weiten
Wurden Bäume, Felsen, Steine!
Darum singe ich die Klänge
Vor Dir her auf allen Wegen,
Ob es etwa mir gelänge,
Dir Dein Steinherz zu bewegen!
Ein Amphion bin ich nimmer,
Säng' ich Dir auch stündlich, täglich,
Stein bleibt Stein, wie eh' und immer,
Und Dein Herz bleibt unbeweglich!
181.
Tausend gold'ne Kerzen brennen
An dem Wunderbaum der Nacht,
Sterne kommen still und fragen:
Wer da schläft und wer da wacht.
Und die Nacht erwidert leise:
Glück und Freude schlafen süß,
Nacht ist ihnen Pfühl und Kissen
Wunderweich und wundersüß!
Nur das Unglück und die Liebe,
Nur der Liebe Weh und Ach,
Bleiben unter'm Wunderbaume
Ewig munter, ewig wach!
Und die Sterne sind verglommen,
Und das Morgenrot erscheint,
Und die ersten Strahlen fallen
Auf ein Auge, rotgeweint.
182.
Kelch der Liebe, frisch kredenzet,
Laß' Dich leeren ohne Zittern,
Wie ich freute mich des Süßen,
Will ich freuen mich des Bittern:
Nippen will ich nur am Rande,
Einen Tropfen nur genießen,
Und das andre soll den Göttern
Als ein Opfer überfließen.
Zweien Göttern soll er schäumen,
Schäumen seine klarsten Schäume;
Erst dem Gott der spitzen Pfeile,
Dann dem Gott der zarten Räume!
Denn wer singt, ist nie allein,
Wer da liebt, ist niemals einsam,
Lieb' und Prosa geh'n geschieden,
Lieb' und Dichtkunst geh'n gemeinsam!
183.
Die Leier ist erklungen
Gar oft in meiner Hand,
Ich habe Dir gesungen,
Die Lieder allerhand; —
Die Leier ist verklungen
In langer Jahre Lauf,
Ich häng' sie, ausgesungen,
Am Tannenzweig Dir auf!
Mein Herz hat heiß geschlagen,
Geweint, gejauchzt es hat!
Es trank an Schmerz und Klagen,
Es trank an Glück sich satt; —
Das Herz hat ausgerungen,
Die Leier ist verklungen
In langer Jahre Lauf,
Ich hänge sie, verschlungen,
Am Tannenzweig Dir auf!
Ein Sternlein war erglommen
Am Lebensabend mir,
Wie lieblich war sein Kommen!
All' meines Lebens Zier!
Das Sternlein ist zersprungen,
Das Herz hat ausgerungen,
Die Leier ist verklungen
In langer Jahre Lauf;
Ich häng' sie, schmerzdurchdrungen,
Am Tannenzweig Dir auf!
184.
Sei gedankt, Du Abendregen,
Denn von Wald und Wiesengrüne
Schickst Du schalkhaft meinetwegen
Sie herein zum Spiel der Bühne!
Wenn es nur die Holde wüßte,
Daß als Sonn' sie mir erscheinet,
Wenn die Weltsonn' geht zu Rüste,
Und ihr Licht der Welt verneinet.
Welch' ein Schauspiel liegt im Kreise
Ihres Aug's, des inhaltsreichen!
Wenn sich hebt sein Vorhang, leise,
Welch' ein Drama sonder Gleichen!
Welche Fülle süßer Rede!
Welche Sprache voller Bilder!
Bald ein Epos voller Fehde!
Bald ein Lied wie keines milder!
Auf dem Antlitz dann, dem blassen,
Weilt mein Blick mit süßem Bangen,
Bis vom Aug', dem tränennassen,
Nur ein Tropfen netzt die Wangen!
Späte Tränen! letzte Tropfen!
Frühlingstau im Herbst des Lebens!
Herz, mein Herz, ach laß Dein Klopfen!
Klopfst zu spät, es ist vergebens!
185.
Was soll ich Dir sagen
Und Du wüßtest's nicht schon?
Was soll ich Dir klagen
Und Du fühltest's nicht schon?
Was soll ich Dir bringen
Und Du hättest's nicht schon?
Was soll ich Dir singen
Und Du hörtest's nicht schon?
Was soll ich Dir schildern, wie zu Mut mir ist?
Was soll ich Dir schwören, wie lieb Du mir bist?
Stimmt nur Herz und Herz überein,
Wird die Red' vonnöten nicht sein!
Daß zu Dir ich trachte,
Ich weiß, daß Du's weißt,
Daß nach Dir ich schmachte,
Ich weiß, daß Du's weißt;
Daß Dein ich verlange,
Ich weiß, daß Du's weißt,
Wie um Dich mir bange,
Ich weiß, daß Du's weißt!
Was soll ich Dir suchen Wort, Schrift oder Bild?
Was soll ich Dir senden, daß mehr Dir noch gilt?
Stimmt nur Herz und Herz überein,
Wird die Red' vonnöten nicht sein!
Tief in Schmerz versank ich,
Und Du achtest es nicht;
Bitt're Tränen trank ich,
Und es rührte Dich nicht;
Sehnsuchtsqual verheert mich,
Und das kümmert Dich nicht;
Eifersucht verzehrt mich,
Und Du änderst Dich nicht!
Was soll ich Dir schreiben Zeilen bitterlich?
Was soll ich Dir singen Lieder inniglich?
Stimmt nicht Herz mit Herz überein,
Wird alle Rede vergebens sein!
186.
Krank an Körper, krank am Herzen,
Bin im Hause ich verschlossen;
Schmerz und Klage, Leid und Sehnsucht
Meine einzigen Genossen!
Schmerz und Klage, Leid und Sehnsucht
Gehen mit mir auf und nieder;
Schlafen eng mit mir im Bette,
Und erwachen mit mir wieder.
Schmerz und Klage, Leid und Sehnsucht
Nehmen sich zu jeder Stunde
Träume, Märchen und Gedichte
Von der Holden aus dem Munde!
Schmerz und Klage, Leid und Sehnsucht
Weilet stets in meiner Nähe,
Daß die Teure, Vielgeliebte,
Euch bei sich nur niemals sähe!
187.
Schmerz und Lieb' sind selt'ne Freunde,
Nähren beide sich vom Herzen,
Süßer Schmerz nährt bitt're Liebe,
Süße Lieb' nährt bitt're Schmerzen.
Schmerzenslieb' ist darum wonnig,
Weil sie ihrem Liebeszecher
Wehmutsüßen Gram kredenzet
Selbst im vollen Wermutsbecher.
Liebesschmerz ist darum wonnig,
Weil er hält im Salz der Tränen
Ewig frisch das Liebeleben,
Liebelust und Liebesehnen!
188.
Grub in Sand ich ihren Namen,
Ward verweht er bald vom Winde,
Schnitt' in Baum ich ihren Namen,
Wuchs darüber neue Rinde.
Schrieb in Wasser ihren Namen,
Welle litt nicht, daß er bleibe;
Schliff in's Fenster ihren Namen,
Und ein Luftstoß brach die Scheibe.
Schnitt in's Herz mir ihren Namen,
Wo die süßen Schläge pochen,
Und der Name wird nicht brechen,
Bis das Herz ist mir gebrochen!
189.
Das Schicksal ist ein Arzt,
Ein großer Anatom,
Denn es zerschnitt mein Herz
In vollem Lebensstrom,
Zerschnitt es bloß darum,
Damit die Menschheit seh'
Sein allertiefstes Leid,
Sein allertiefstes Weh,
Damit die Menschheit lern',
Wie so ein Herz leicht bricht,
Wenn es mit Inbrunst liebt,
Und findet Liebe nicht!
190.
Das Kind ist krank, dem Kind ist weh,
Es tut kein Äuglein zu;
Die Mutter sitzt an seinem Bett,
Und weint und singt dazu.
Zum Sang ist sie wohl nicht gestimmt,
Doch singt sie Tag und Nacht,
Und singet, wenn das Kind voll Schmerz
Die Nächte krank durchwacht,
Und weint und singt die Nacht entlang
Mit blassem Angesicht,
Bis unter lautem Lied und Sang
Das Aug' des Kindes bricht. —
Mein Herz ist krank, ihm ist so weh,
Es hat nicht Rast noch Ruh,
Ich sitz' am kranken Herzen nun,
Und wein' und sing' dazu.
Zum Sang bin ich wohl nicht gestimmt,
Doch sing' ich Tag und Nacht,
Und singe, wenn mein Herz voll Weh
Des Lebens Tag durchwacht,
Und sing dem Herzen Lieder vor,
Mit Gram im Angesicht,
Bis unter lautem Lied und Sang
Das kranke Herz mir bricht. —
191.
Sah sie sitzen in der Oper,
Und sie schien mir blaß und leidend,
Sinnend senkte sie das Auge,
Meinen Anblick schmerzlich meidend.
Töne rauschten, Töne schollen,
Und sie sangen gold'ne Lieder,
Doch aus meinem heißen Auge
Fielen Tränen leise nieder.
Und ich mußte mir die Augen
Mit der hohlen Hand verhüllen,
Denn ich fühlte, daß von neuem
Sie sich stets mit Tränen füllen.
Still saß ich und unbeweglich,
Durfte kaum das Haupt bewegen,
Denn es tropfte auf die Brüstung
Leis' herab der Tränenregen.
Als die Träne war versieget,
Konnt ich einmal nach ihr schauen,
Und sie hob den Wimpervorhang
Von dem Aug', dem ätherblauen.
Als ich diesen Wimpervorhang
In die Höh' sah langsam gehen,
War ein Trauerspiel, ein großes,
In dem Auge ihr zu sehen.
192.
Zwei Gäste kamen spät mir, Abends;
Die Lebenssonne war im Niedergehen,
Da ließ im Herzen sich die Liebe,
Die Träne ließ sich in dem Auge sehen.
Empfangen hab' ich gastfrei Beide,
Im offnen Auge und im offnen Herzen;
Bewirte Beide reichlich, fürstlich,
Und nähre sie mit Gram und Leid und Schmerzen!
193.
Mit Eisen muß man in die Felsen schreiben,
Mit Feuer in die Rinde edler Bäume,
Mit Nadelspitz' auf Rosenblätter-Säume,
Mit Fingern aus die taubenetzten Scheiben.
Mit was soll ich an sie die Lieder schreiben,
Die Tau und Stein und Ros' und Fels zusammen?
Ach, unversehrt von Eisen und von Flammen
Wird Tau und Stein und Ros' und Fels stets bleiben.
194.
Holde Nacht, Du Mohrenfürstin,
Hast um Hals und Haar und Wangen
Tausend Sterne, wie die Perlen,
Und wie Diamanten hangen.
Holde Nacht, Du schwarze Rose,
Trägst auf Deinen dunkeln Blättern,
Gleich des Glühwurms mildem Leuchten,
Viele tausend Sternenlettern!
Holde Nacht, Du Tageswitwe,
Eingehüllt im schwarzen Schleier,
Hast als Trauerkerzen brennen
Sterne bei der Totenfeier.
Glücklich dennoch, denn beim Scheiden
Küßte Tag doch Deine Lippen,
Kommt er wieder, wirst Du fliegend,
Flüchtig seinen Kuß doch nippen.
Doch die Nacht in meinem Herzen
Wird von Sternen nicht durchglänzet,
Und kein Gestern und kein Morgen
Hält mit Dämm'rung sie umkränzet!
Nicht Erinnerung liegt als Gestern
Hinter ihr mit Tagesstrahlen,
Und nicht Hoffnung kann als Morgen
Vor ihr einen Lichtkreis malen!
Nur ihr Bild zerreißt zuweilen
Wie ein Blitz die Nacht, die dichte,
Daß die Finsternis, die tiefe,
Desto greller sich mir lichte.
195.
Lieb' hat eine treue Schwester;
Sehnsucht, die in Träumen sinnt;
Lieb' hat eine schöne Tochter:
Hoffnung, ein verklärtes Kind.
Hat am Hals der treuen Schwester
Sich die Liebe ausgeweint,
Kommt die Hoffnung mit dem Troste,
Der die Träne mild bescheint.
Meiner Liebe ist gestorben
Hoffnung, ihr alleinzig Kind,
Und die Schwestern alle beide
Weinen, weinen sich noch blind!
196.
Liebesglück hat tausend Zungen,
Liebesglück spricht immer fort,
Blatt um Blatt, zum Kranz geschlungen,
Und zum Liede Wort um Wort;
Nicht beglückter Lieb' ist's eigen,
Schweigend lieben, liebend schweigen.
Liebesglück in tausend Sprachen
Spricht mit seinem Gegenstand,
Blättlein, die aus Knospen brachen,
Werden Wort in Liebeshand,
Liebesglück find't aller Orten
Treuen Dolmetsch seinen Worten!
Liebesglück kann nimmer zaudern,
Auszutönen seine Lust,
Um von seinem Glück zu plaudern,
Nimmt die Welt es an die Brust;
Nicht beglückter Lieb' ist's eigen,
Schweigend lieben, liebend schweigen!
Liebesglück, in tausend losen,
Heitern Scherzen spricht sich's aus,
Putzt mit Lichtern und mit Rosen
Wie die Christnacht sich heraus,
Und es steh'n in seinem Solde
Ringe, Locken, Blum' und Dolde.
Liebesglück zieht immer wieder
Singend vor des Liebchens Haus,
Tausend kleine nette Lieder
Flattern aus dem Herzen aus;
Nicht beglückter Lieb' ist's eigen,
Schweigend lieben, liebend schweigen!
Schweigend lieben, liebend schweigen,
Stiller Mund bei stillem Schmerz!
Fremd der Lust, dem Weh zu eigen,
Toter Liebe lebt das Herz,
Will, selbst im finstern Todesreigen
Schweigend lieben, liebend schweigen.
197.
Lang' hatt' ich sie nicht gesehen
Und sie fragte kalt: "warum?"
Und mir trat die Trän' in's Auge,
Doch die Lippen blieben stumm.
Solche Antwort kann nur Liebe,
Liebe nur kann sie versteh'n,
Und so blieb denn meine Antwort
Unverstanden, ungeseh'n.
198.
Wie man schreibt ein Liebgedicht,
Das so recht gelungen?
Ach, ich weiß es selber nicht,
Obschon ich viel gesungen!
Wartet, bis von Liebesgram
Euch das Herz zersprungen,
Bis die allertiefste Nacht
In die Brust gedrungen.
Bis ihr auf die Hoffnung selbst
Hoffnungslos verzichtet,
Bis des Lebens Resonanz
Gänzlich ist vernichtet!
Hüllt dann, wie die Nachtigall,
Euch in Finsternissen,
Taucht Euch in den Stachelstrauch,
Der die Brust zerrissen.
Flößet dann aus wunder Brust
Blut in Eure Lieder,
Gebt dem Lied aus diesem Quell
Frisches Blut stets wieder!
Denn nur auf dem düstern Grund
Strahlt der Regenbogen,
Und nur aus zerriss'nem Schacht
Stürzen klare Wogen.
199.
Ich nahm von ihr ein Röschen mit,
Weiß nicht, wie ich's bekommen,
Sie gab mir dieses Röschen nicht,
Ich hab' es nicht genommen;
Und doch kam es aus ihrer Hand,
Und ich nahm's mit am Morgen,
Und tat es in ein gülden Glas,
Um stets dafür zu sorgen.
Und stand vielmal vom Schreiben auf,
Das Röschen zu befragen,
Auf welche Weis' ich meine Lieb'
Der Holden sollte sagen;
Da senkte traurig es sein Haupt
Hinunter in das Wasser;
Da sah es d'rin sein schönes Bild
Mit jeder Stunde blasser.
Es sehnte nach der Holden sich,
Ein Heimweh hat's ergriffen.
Ich habe seinen Sehnsuchtstod
Empfunden und begriffen.
So haucht es aus den letzten Duft,
Die Blätter fielen nieder,
Der Geist des toten Röschens klagt
Noch lang durch meine Lieder.
200.
Hab' mit meiner Lieb' gesprochen
Wie mit einem zarten Kinde,
Bunte Träume, bunte Wünsche
Gab ich ihr zum Angebinde!
Hab' mit meiner Lieb' gesprochen
Wie mit einem teuren Kranken,
Gab ihr Hoffnung, gab ihr Tröstung,
Um sich d'ran empor zu ranken.
Hab' mit meiner Lieb' gesprochen
Wie mit einer armen Waise,
Sang vom Himmel und von Jenseits
Ihr so manche zarte Weise.
Hab' mit meiner Lieb' gesprochen
Wie mit einer Heimatlosen,
Gab die Dichtkunst ihr zu Hütte,
Und zum Lager Kelch von Rosen.
Hab' mit meiner Lieb' gesprochen
Wie mit meiner letzten Stunde,
Gab ihr von dem bessern Leben,
Und vom Wiedersehen Kunde.
Hab' mit meiner Lieb' gesprochen,
Bis mir selbst die Sprache fehlte,
Ich mich selbst zum Kinde, Kranken,
Waisen, Heimatlosen zählte.
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