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Wilde Rosen 5
 


201.

Das Glas, aus dem Dein Wohl ich hab' getrunken,
Hab' ich zerbrochen dann auf immer;
Geweihet war's, und einer andern Lippe
Spend' einen Tropfen Wein es nimmer;

Mein Herz, aus dem Du Liebe hast getrunken,
Hast Du gebrochen auch auf immer,
Gebrochen bleibt's, und einer andern Seele
Spend' einen Tropfen Lieb' es nimmer!

202.

Am Grabe meiner Mutter möcht' ich knien
Nur eine Nacht entlang,
An einem treuen Herzen möcht' ich ruhen
Nur die Minute lang!

Den Traum der ersten Jugend möcht' ich träumen,
Ein Mal noch kurze Zeit,
Wie einst die Welt ich sah, möcht' ich sie sehen
Im rosenroten Kleid!

Gefühle, längst erkaltet, möcht ich fühlen
So glühend wiederum,
Die Lieder, die zerflattert, möcht' ich bitten:
O, kehrt noch einmal um!

Wo Jemand weint, da möcht' ich mit ihm weinen,
Wenn er voll Kummer wacht;
Ist Jemand einsam, möcht' ich ihm erscheinen
In stillverhüllter Nacht!

Die Kerkertore alle möcht' ich öffnen
Für die in Haft und Band,
Die Fernverbannten alle möcht' ich führen
Zurück in's Heimatland!

Die Herzenswunden alle möcht' ich heilen,
Die Haß und Falschheit schlug,
Den Duldern möcht' die Krone ich erteilen,
Die einst der Gottmensch trug!

Den Erdenfürsten möcht ich kniend lehren
Der Völker Herz versteh'n,
Die Völker alle möcht' ich weinend bitten
Den Liebesweg zu geh'n!

Die holde Dichtkunst möcht' ich zwingen können:
"Verlaß nur Du mich nicht!"
Und meines Kindes Antlitz möcht' ich sehen
Bis Tod das Aug' mir bricht!

Und eines sanften Todes möcht' ich sterben,
Mit ungetrübtem Geist,
Der noch mit reinem Abschiedskusse
Von dieser Welt sich reißt!

Und jene Seele möcht' ich jetzt schon kennen,
Die dann mir gibt Geleit,
Und jene Seele, die mein Grab besuchet
Zur Allerseelen-Zeit!

Und ruh'n möcht' ich am grünen Schattenorte,
Im Grabe schlicht und g'ring,
Und auf dem Grabstein möcht' ich nur die Worte:
"Er kam — und litt — und ging!"

203.

Ein Strahl der Sonn' für mein Auge,
Ein Strahl des Glaubens für's Gemüt,
Ein Strahl der Freiheit für die Seele,
Ein Strahl Begeist'rung für das Lied;

Ein Strahl der Liebe für das Leben,
Ein Strahl der Hoffnung für den Tod —
Das, Vater unser, hoch im Himmel,
Bescher' mir als mein täglich Brot!

204.

Namen haben alle Blumen,
Die der Gärtner zieht und pflegt,
Weil man eigens gern bezeichnet,
Was man sorgsam zärtlich hegt.

Namen haben alle Sterne
In dem blauen Himmelszelt,
Dieweil jeder den bezeichnet,
Den er für das Leben wählt.

Namen haben alle Heil'gen,
Die man anruft im Gebet,
Weil das Beten dann vom Herzen
Desto glaubensreicher geht.

Du mein Stern, Du meine Blume,
Meine Heilige auch Du,
Möchte wissen Deinen Namen,
Ruf' mir Deinen Namen zu,

Daß ich wisse, wem ich danke
Lebensglanz und Lebenslicht,
Daß ich wisse, wen ich anbet'
Im Gebet und im Gedicht.

205.

Du hast das Herz mir verführt,
Daß es um Dich sich nur kränkt;
Du hast den Kopf mir verführt,
Daß er nur Deiner gedenkt;
Du hast das Aug' mir verführt,
Daß es nach Dir nur stets schaut';
Du hast den Mund mir verführt,
Daß er für Dich nur wird laut;
Du hast den Traum mir verführt,
Daß er Dein Bild mir nur bringt;
Du hast das Lied mir verführt,
Daß es stets Dich nur besingt;
Du hast den Weg mir verführt,
Daß er um Dich sich nur kreuzt;
Du hast das Ziel mir verführt,
Daß mich Dein Lob nur noch reizt!
Wie in dem strahlenden Lenz
Das Licht die Pflanze verführt,
So, unbewußt, ungewollt,
Hast Du mein Wesen berührt!
Laß' mich die Pflanze denn sein,
Du aber sei mir das Licht;
Wenn sie nach Dir sich nur dreht,
So groll' der Pflanze d'rob nicht!

206.

Wenn Du ein Liedchen von mir siehst,
Denk' nicht, ich hab's erfunden;
Ich hab' es fertig ganz und gar
In meiner Brust gefunden.

Ich habe bloß an Dich gedacht,
Als wärst Du gegenwärtig,
Dann sprang der Quell im Herzen hoch,
Dann war das Liedchen fertig!

Und seh ich eine Rose steh'n,
Gleich Deinem Angesichte,
Da wird mein Denken nun an Dich
Von selbsten zum Gedichte!

Ein Liedchen wird aus meinem Gruß,
Ein Lied aus meinem Sehnen,
Ein Lied aus meinem Hoffnungsstrahl,
Ein Lied aus meinen Tränen!

D'rum nimm die Liedchen gütig auf,
Wie sie zu Dir so wandern,
Und richte sie nicht allzustreng,
Die einen wie die andern;

Denn alle sind sie zwar entblüht
Aus einem einzigen Herzen,
Doch eines ist getränkt mit Lust,
Das andere mit Schmerzen!

207.

Ich möchte den Kelch Dir kredenzen
Zum neuesten Jahr!
Ich möchte mit Blumen ihn kränzen
So ganz und so gar!
Ich möchte ihn füllen mit Lenzen
Als Schmuck für Dein Haar!
Denn so ist mein Lieben ohn' Grenzen,
Wie immer es war!

Ich möchte mich nahen Dir leise,
Wie Taubenhalsflaum!
Ich möchte Dir singen die Weise
Vom Nachtigallbaum!
Ich möchte Dir reichen die Speise
Vom Schlaf und vom Traum;
Doch wie ich mein Lieben beweise,
Du glaubst es ja kaum!

Ich möchte als Blume Dich schmücken
Zu jeglicher Zeit!
Ich möchte als Licht Dich umstricken
Wie seidenes Kleid!
Ich möchte als Lust Dich erquicken,
Zum Fächer bereit!
Ich möchte mich selbst zu Dir schicken
Als Lied und als Leid!

Doch sitze ich wach und alleine,
Und ferne von Dir,
Mein Herz ist der Kelch nur, der reine,
Der voll ist von Dir,
Doch süß wie berauschende Weine
Ist's Reden von Dir:
Ich lache und singe und weine,
Und Alles gilt Dir!

208.

Sie war so bleich, sie war so blaß,
Als ob ihr etwas fehle,
Mir ward sogleich das Auge naß,
Mir blutete die Seele.

Als Stern, so weit und unerreicht
Ward sie mir hier beschieden,
Und wem sein Stern einmal verbleicht,
Mit dem ist's aus hienieden!

O Stern, o geh' mir wieder auf
In Deinem frühern Schimmer,
Zum Glück für meinen Erdenlauf
Erbleiche mir doch nimmer.

O Stern, an dem mein Schicksal hängt,
Laß' heiter Dich stets finden,
Denn wenn Dein Licht mein Aug' nicht tränkt,
Dann muß mein Aug' erblinden!

209.

Geize nicht mit einem Lächeln,
Blühen doch in Deinem Mund
Tausend solche Zauberblümchen,
Tausend auf zu jeder Stund'!

Geize nicht mit einem Blicke
Aus des Auges tiefem Meer,
Gießt es aus doch tausend Sterne
Und sein Himmel wird nicht leer!

Geize auch nicht mit Dir selber,
In das Schauspiel komm' zur Nacht;
Daß sie Abends uns erscheinen,
Sind die Sterne ja gemacht!

Geize nicht mit dem Bedeuten,
Ob mein Lieben Dir bequem,
Götter selber geben Zeichen,
Ob das Opfer ist genehm!

210.

Es fiel Dein Tuch zur Erd' hinab,
Ich hob es auf behende,
Dein Name war d'rauf eingestickt
An einem seiner Ende.

Ich hab' ihn an das Herz gedrückt,
Wo er schon eingeschrieben,
Ich hab' das Tuch an's Aug' gedrückt,
Die Trän' ist d'rin geblieben.

Ich schick' das Tuch Dir nun zurück,
Daß es mein Leid erwähne,
Und rührt Dich meine Liebe nicht,
Schick' mir zurück eine Träne!

211.

Wenn eine Perle wär' das Wort,
Und Perlenschnur das Lied,
Dann reihte ich Perlen immerfort,
Und würde nimmer müd',
Und schlänge so das ganze Jahr
Die Schnüre in ihr gold'nes Haar.

Wenn Silber wär' mein Sang,
Und Gold mein Saitenspiel,
Ich sänge fort mein Lebenlang,
Und hätt' es nie zu viel;
Und das Geschmeid', ich hing' es ihr
An Hals und Brust, zur süßen Zier.

Wenn all' mein Denken wär' Gespinst,
Drein sie nur webt und lebt,
Ich hätt' ein Kleid ihr zum Gewinnst
Aus Denken schon gewebt;
Und hätte dies Gedankenkleid
Der Holdesten zum Putz geweiht.

Wenn jeder Wunsch ein Engel wär',
Und jegliches Gebet,
Ich hätte schon ein Engelheer
Vom Himmel ihr erfleht,
Und all die Engel hielten Wacht
Bei meinem Engel Tag und Nacht!

212.

Nicht ganz arm sind diese Lieder,
Sind aus reicher Brust geflossen,
Lieder sind's, die leben werden
Mit gar schönen Sangs-Genossen!

Blut'ge Tropfen sind's, aus denen
Wundersame Töne schossen,
Wie aus Blut am Marterkreuze
Ew'ge Blumen sind gesprossen;

Blut'ge Tropfen, die ich flechte
In das Haar Dir, wie Korallen,
Daß sie wie die reichsten Schnüre
In die gold'nen Locken fallen;

Blut'ge Tropfen wie Rubinen,
Die ich wein', Dich zu beglücken,
Daß sie einstens mögen glänzen,
Deinen Abend noch zu schmücken.

Und so nimm denn diese Tropfen
Aus des Herzens Demant-Schachten,
Denk', was sie dem Herzen kosten,
Wenn Du gehst, sie zu betrachten.

213.

Zum Geburts- und Namenstage
Des geliebten holden Kindes,
Ist es süß, sich auszusinnen
Neuen Reiz des Angebindes;

Sei's ein Bildchen, sei's ein Blümchen,
Sei's ein Kreuzchen, klein und golden,
Sei's ein Blättchen, das beschrieben
Mit dem Namenszug der Holden;

Sei's ein Buch, das zart gebunden,
Und die Stelle, die sich eignet,
Durch ein kleines Rosenblattchen
Eingeleget und bezeichnet! —

Solches süßes Liebesinnen
Raubten mir die Unglückssterne,
Steh' an solchen gold'nen Tagen
Weit von ihr und einsam ferne!

Nur des Nachts steh' ich am Fenster,
Wo die Holde liegt im Schlummer,
Bet' empor mit heißen Tränen:
"Gott behüte Dich vor Kummer!"

214.

Ich wollt' in dieser Knospe klein
Da läg mein Herzgedanken d'rein,
Du nähmest dann im kleinen Strauß
Den Herzgedanken mit nach Haus;
Und setztest ihn in's Wasser frisch,
Beim Schlafengeh'n auf den Tisch;
Wenn dann der Schlafgott Dich beschleicht,
Dir seine Schlummerkörner reicht,
Dann steig' mein Herzgedanke schnell
Heraus aus seiner Blätterzell',
Und misch in Deinen Schlummer sich
Als Traum so leis' und inniglich,
Und sag' als Traum Dir unverzagt,
Was, wenn Du wachst, ich nie gewagt;
Wie ich Dich lieb' in Zärtlichkeit,
Wie ich Dich lieb' in Herzeleid,
Wie ich Dich lieb' im Herzensgrund,
Wie ich Dich lieb' zu jeder Stund',
Wie ich Dich lieb' so tief und wahr,
Wie ich Dich lieb' so unnennbar!

So sprech' er Dir die ganze Nacht,
Bist Du dann Morgens aufgewacht
Und hast vergessen Traum und Wort,
Dann geh' mein Herzgedanken fort,
Kehr' in die Knospe wieder ein,
Auf daß ihr Kelch sein Sarg soll sein!

215.

Dir zu Füßen möcht' ich knien,
Nieder möcht' ich vor Dir sinken,
Nicht um Liebe Dich zu bitten,
Nicht um Deinen Kuß zu trinken;

Beten möcht' ich zu Dir, weinen,
Dir bekennen all' mein Bangen,
Möcht' in's dunkle Aug' Dir schauen,
In den Tempel, schwarz verhangen.

Vor Dir strömen möcht' ich lassen
Alles Blut der Herzenswunden;
Wie mir meiner Kindheit Tage
Ohne Mutter sind verschwunden;

Wie im Garten meiner Jugend
Nicht ein Blümchen hat gesprossen,
Wie die Tage meines Sommers
Ohne Sonnenschein verflossen;

Wie im Bauriß meines Lebens
Jedes Steinchen sie zerrüttet,
Wie sie in den Trank der Liebe
Salz und Wermut mir geschüttet;

Wie sie an des Herzens Fasern
Zerrten mir mit heißen Zangen,
Wie sie in die schönsten Blumen
Warfen mir des Undanks Schlangen!

Dir so klagend möcht' ich sterben
Dir zu Füßen dann mit Wonne
Und als Klaglied noch umschweben
Nach dem Tode Dich, Madonne!

216.

Sei nicht betrübt, verwirrt, sei nicht
Von allem, was die Welt so spricht,
Was kann im Grund uns denn kränken?
Wenn wir einander nur denken!

Sei nicht verschüchtert, sei nicht verzagt,
Wenn uns're Lieb' der Welt nicht behagt,
Was kann die Welt uns nehmen und schenken,
Wenn wir einander nur denken?!

Und fragt man Dich, versetz' kein Wort,
Schaut man nach Dir, so schau' Du fort,
Was ist's mit ihren Schlichen und Ränken,
Wenn wir einander nur denken?

Die Trennung hat viel weniger Leid,
Die Sehnsucht, sie hat mehr Süßigkeit,
In's Herz sich viel Tröstungen senken,
Wenn wir einander nur denken!

217.

Tage waren es und Stunden,
O, daß ich zurück sie riefe! —
Tage, Stunden, lichtberändert,
Wie des Glückes Freudenbriefe;

Und ein Brief war jeden Morgen
Durchgelesen ohne Säumnis;
Nur die Nachtigallen lauschten
Diesem süßen Briefgeheimnis.

Und die Tagesstunden alle
Waren dieses Briefes Zeilen,
Von des Gottes Hand geschrieben,
Der die Liebe schützt allweilen.

Und die Sonne, die am Abend
Niederschmolz aus Tal und Hügel,
Schloß den Liebesbrief des Tages
Mit dem roten Flammensiegel.

Und zur Nacht die tausend Sterne
Winkten freundlich mir hernieder:
Träume süß, denn morgen zeitlich
Kommt der Tag als Brief Dir wieder!

218.

Du warst wie März zu allererst,
Als ich um Dich geworben,
So kalt, so starr, so frostiglich,
Dein Herz wie ausgestorben;

Dann warst Du wieder wie April,
Bald finster und bald sonnig;
Bald stürmisch und bald freundlich still,
Bald trübe und bald wonnig;

Nun sei auch Mai! Die Knospe schwillt,
Die Schwalbe kommt gezogen,
Die Träne blüht, das Liedchen singt:
Sei meiner Lieb' gewogen!

219.

Wolke, wohin?
Ziehst Du über die Stadt hinaus,
Siehst Du nächtlich ihr liebes Haus,
So grüße sie und sage ihr:
Die Grüße kämen All' von mir!

Westwind, wohin?
Wehst Du über das grüne Land,
Wehst Du ihr in das Busenband,
So küsse sie und sage ihr:
Die Küsse kämen All' von mir!

Vöglein, wohin?
Fliegst Du, wo sie spazieren geht,
Singst Du, wo sie Dir lauschend steht,
Dann sing' und sing' und sage ihr:
Die Liedchen kämen All' von mir!

Leben, wohin?
Führst Du fort mich vom Erdental,
So sag' es ihr noch allzumal,
Kommt Geistergruß von Jenseits ihr:
Die Grüße kämen All' von mir!

220.

Ich bitt' Dich nicht um Liebe,
Weil ich nicht liebwert bin,
Ich bitt' Dich nur um Wenig,
Um Eines fleht mein Sinn.

Die Rose von dem Busen
Schenk' einem Andern fort,
Dem Andern schenk' die Locke,
Dem Andern schenk' Dein Wort;

Dem Andern schenk' Dein Lächeln,
Dem Andern schenk' Dein Herz,
Dem Andern schenk' Dein Träumen,
Dein Blicken himmelwärts;

Dem Andern schenke Alles!
Den Kuß, die Hand, den Schwur!
Doch mir und meiner Liebe
Schenk' eine Träne nur!

221.

Hyazinthe, blutgeborne
Auf des Dichtergottes Wort,
Du zum Glockenspiel erkorne,
Trage meine Grüße fort!

Lang' im Blättergrün verborgen
Deine Sehnsucht hat geruht,
Bis am warmen Frühlingsmorgen
Aufgewacht ist Deine Glut.

Weggedrängt hast Du die Hülle,
Die Dich barg in grüne Nacht.
Flammend treibt es Deine Fülle
An das Licht in voller Pracht.

Laß' von Licht und Lieb' Dich locken,
Folge Deinem Sehnsuchtsdrang,
Blaue, weiße, rote Glocken
Tönen aus den Liebesklang.

In die Glocken leg' ich nieder
Meine Sehnsucht, meinen Schmerz,
Und sie läuten meine Lieder
Dir in das geliebte Herz!

222.

Laß' uns zusammen auf Erden gehen,
Die Hände zusammen uns geben,
Dir nur das Hoffen, das Rosenrot-Sehen,
Mir nur das Bangen und Beben.

Laß' uns zusammen unter'm Himmel stets gehen,
Die Arme ganz enge geschlossen,
Dir nur die Sonne, Dir nur die Sterne,
Mir nur die Blitze, die Schlossen!

Laß' durch die Welt auch zusammen uns gehen,
Nach uns allein stets nur verlangen;
Dir nur die Tauben, die Nachtigallen,
Mir nur die Kröten und Schlangen!

Laß' uns zusammen durchs Leben auch gehen,
An Herz und an Seele verbunden;
Dir nur die Blumen, Dir nur die Blüten,
Und mir nur die Seufzer und Wunden!

Laß' uns zusammen hinüber auch gehen,
Will einst der Tod uns begrüßen,
Dir nur das Licht, Dir nur die Engel,
Und mir nur ein Platz Dir zu Füßen!

223.

Erde, schenk' mir eine Blume,
Unter der die Schlange niemals schlief,
Daß ich sie der Einz'gen sende
Als den reinsten Werbebrief!

Wasser, schenk' mir eine Perle,
Nie geküßt noch von dem Tag,
Daß sie ihr als Ohrgehänge
Meiner Liebe Kundschaft sag'!

Feuer, schenk' mir eine Flamme,
Die nicht stirbt und sich verzehrt,
Daß sie werde ihr zum Zeuge,
Daß mein Lieben ewig währt.

Lüfte, schenket mir ein Echo,
Nie geweckt vom rauhen Mund,
Daß es lauter zu ihr trage
Meinen Sang zur Abendstund'.

Menschen, schenket mir ein Plätzchen,
Von der Mißgunst unbelauscht,
Daß ich's weihe ihr zum Tempel,
Wenn sich Herz um Herz vertauscht.

224.

Geh' hin, Du blätterreicher Ast,
Sag' ihr, so viel Du Blätter hast,
So viel bringst Du der Süßen
An Küssen und an Grüßen!

Zieh' hin, Du Wolke, sage ihr,
So viele Tropfen als in Dir,
So viel bringst Du der Süßen
An Tränen und an Grüßen!

Geh', Abendhimmel! zu ihr hin,
Sag' ihr, so viel Sternlein in Dir glüh'n,
So viel bringst Du der Süßen
An Wünschen und an Grüßen!

Geh' hin, Du Schwalbenzug dort weit,
Sag' ihr, so viel Ihr Schwalben seid,
So viel bringst Du der Süßen
An "Lebewohl" und Grüßen!

225.

O Nacht, o Balsamnacht
O süßer Wunderbaum,
Der Schlaf ist Deine Blüte,
Und deine Frucht der Traum!

Um Deine Wurzel lagern
Die Seelen sich zur Ruh',
Durch Deine Wipfel schauen
Die Sterne schützend zu.

Als Stern durch Deine Zweige
Möcht' ich nur einmal geh'n,
Und ihr, im stillen Schlafe,
In's holde Antlitz seh'n.

Als Sternlein möcht' ich fallen
Vom Himmel durch die Nacht,
Und vor ihr dann verlöschen,
Wenn sie ist aufgewacht!

226.

Lied, geschrieben in Tränen,
Lied der Einsamkeit,
Bring' ihr Worte voll Sehnen,
Mir ist sie so weit!

Lüfte kommen gegangen,
Blätter fallen im Nu;
Lüfte tragt mein Verlangen
Ihr, der Einzigen, zu!

Ist sie fröhlich, dann saget,
Daß ich weinend hier weil',
Ist sie traurig, dann fraget,
Ob mein Sehnen sie teil'?

Ist sie einsam, dann singet,
Singt mein Lied ihr in's Ohr,
Denkt sie meiner, dann bringet
Ihr mein Bildnis doch vor!

Und vergaß sie des Fernen,
Kehret schweigend zurück,
Dann will ich zu den Sternen
Beten doch für ihr Glück!

227.

Wär' ich die Luft, Du holde Frau,
Ich würde Perlen Dir aus Tau
Zusenden aus des Himmels Blau,
Die Dir es strahlten zu dann alltäglich
Vergessen ist unmöglich!

Wär' ich die Erd', Du Engel mein,
Ich trüge Rosen ganz allein,
Und auf den Blättern, zart und klein,
Da läsest deutlich Du auch alltäglich:
Vergessen ist unmöglich!

Wär' ich das Wasser, schöne Fee,
Ich schickte Dir aus Meer und See
Delphine singend in die Höh',
Aus deren Lied Du hörtest alltäglich:
Vergessen ist unmöglich!

Wär' ich das Feuer, reizend Blut,
Ich schickte aus der reinen Glut
Den Seraf, der in Flammen ruht,
Daß er es Dir zuflammte alltäglich:
Vergessen ist unmöglich!

Doch bin ich nichts, Du Honigblum',
Das Lied ist all' mein Eigentum,
Die Lieb' ist all' mein Stolz und Ruhm,
Doch Lied und Lieb', sie sagen alltäglich:
Vergessen ist unmöglich!

228.

Am zarten Stengel schaukelt
Die Rose sich zur Nacht;
Verhüllt im Flor der Dämm'rung
Ist ihrer Blätter Pracht.

Sie schlummert sanft allmählig,
Ihr Köpfchen wird so schwer;
Und nur die Dörnlein stehen
Als Wächter um sie her.

Sie schließt die Blätteraugen
Und neigt das Köpfchen kaum,
So steht sie schon befangen
Vom süßen Blumentraum.

Sie sieht im schönen Traume
Den Flügel-Bösewicht,
Der lose sie umflattert,
Wenn aus der Knosp' sie bricht.

Sie hört sein leises Summen,
Sie hört den Flügelschlag,
Mit dem er um sie buhlet
So manchen schönen Tag.

Und kaum will sie erhören
Des Tändlers Schmeichelwort,
Da flattert er wie Westwind
Zur nächsten Rose fort.

Aus Zorn und Scham in Einem
Errötet sie in Glut,
Erwacht in ihrem Schrecken,
Getaucht in Purpurblut.

229.

Aug' in Aug' und Blick um Blick,
Wenn auch tausend Ohren lauschen,
Können wir im stillen Glück,
Lieb' um Lieb' durch Blicke tauschen.

Lieb' um Lieb' und Treu' um Treu',
Willst Du's, Holde! mit mir wagen?
Darf ein Blättchen, leicht und frei,
Wort um Wort der Liebe tragen?

Wort um Wort und Schwur um Schwur,
Darfst dem Sänger kühn vertrauen,
Sänger geht ja immer nur
Hand in Hand mit schönen Frauen.

Hand in Hand und Druck um Druck,
Seele, wohnst Du in den Händen?
Du nur kannst im süßen Zug
Herz um Herz zu Liebe wenden.

Herz um Herz und Kuß um Kuß,
Wie doch Herz und Küsse lodern,
Wie doch in dem Wort-Erguß
Du um Du die Lippen fodern.

Du um Du und Dein um Dein,
Wesentausch und Wesenfrieden!
Laß' uns denn dies Wechselsein
Ring um Ring an Ketten schmieden!

230.

Ich sinne und sinne in einem stets fort,
Was ich Dir nur sende für liebliches Wort,
Ich suche nach Worten wie Honig so süß;
Bald wähle ich jenes, bald wähle ich dies,
Und will ich Dir's schicken, so sag' ich stets: "nein!
Es fällt mir wohl doch noch was Süßeres ein!"

Ich suche im Herzen, ich such' im Gemüt,
Was ich Dir nur singe für zärtliches Lied,
Ich suche nach Farben, ich suche nach Bild,
Ich suche nach Weisen wie Flöten so mild,
Und will ich Dir's singen, so sag' ich stets: "nein!
Es fällt mir wohl doch noch was Reizenders ein!"

Ich möchte Dir machen ein winzig Geschenk,
Ich grüble und wähle und forsche und denk',
Bald sei es ein Blümchen und Verslein dabei,
Bald sei es ein Ringlein als Zeichen der Treu',
Und soll ich Dir's geben, so sag' ich stets: "nein!
Es fällt mir wohl doch noch was Sinnigers ein!"

Ich möchte Dir schildern, wie lieb' ich Dich hab',
Ich suche nach Gleichnis weltauf und weltab,
Nicht find' ich den Ausdruck, der's klarer beschrieb,
Als herzig und innig: "Ich habe Dich lieb!"
Sollt' ich wohl nach andern noch suchen? "o nein!
Es fällt mir gewiß doch nichts Herzlichers ein!"



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