Frühlingsaufruf
Des Winters Eisesschanzen sind geschmolzen,
Der Frost zerrann, der jüngst an's Fenster schlug:
Es spottet des Tyrannen schon, des stolzen,
Der Schwalb' und Lerche freier Himmelsflug.
Die Sonne trifft mit scharfgespitzten Bolzen
Der Furchen Saat, gelockert von dem Pflug,
Und Halm und Tier, im Kämmerlein verborgen,
Begrüßen neuvergnügt des Jahres Morgen.
Schon wimmelt es von kleinen, großen Kindern,
Sich tummelnd auf des Frühlings Schaugerüst;
Den Prunkpalast der Schöpfung auszuplündern,
Verspüren die Erschaff'nen groß Gelüst;
Der Dichter kann und mag es nicht verhindern,
Dieweil er selbst der ärgste Schwelger ist;
Denn aus des Busens stets gefüllten Speichern
Will er verschwendend alle Welt bereichern.
So wandert denn nach allen Regionen,
Genießt der Himmels und der Erde Pracht,
So unter dichtbelaubten Eichenkronen,
Wie von der Blumen Dufthauch angefacht;
Sei's auf der Firnenspitzen Wolkenthronen,
Sei's auf der Alpenseen kristallner Nacht,
Beschaut die Welt und ruft es in Posaunen,
Was euch das Herz erfüllt mit Lust und Staunen!
Und wenn ihr dann in Wald und Blütenhainen
Der Drossel Sang, des Specht's Gehämmer lauscht,
Und hingelagert auf bemoos'ten Steinen
Geheimnisvoll euch Wassersturz umrauscht,
Wenn sinnend über modernden Gebeinen
Ihr Freudigkeit mit Tiefgefühl vertauscht:
Dann fühlt, daß für des Lebens tiefste Wunden
Natur den Wunderbalsam aufgefunden.
Auf die Reise
Die Tugend übe unter Schweigen,
Des Bruders Fehler hüll' in Nacht;
Du sollst dein glühend Herz nicht zeigen,
Weil es die schnöde Welt verlacht.
Das Wort des Hasses sei vergessen,
Und von der Liebe Hauch verweht,
Es sei dein Wohltun unermessen,
Wie sehr verkannt, wie oft verschmäht.
Dein Vorbild sei die ew'ge Sonne,
Die ohne Wahl die Welt bescheint,
Der Burgen Zinnen, wie die Tonne,
In der das Kind des Bettlers weint.
Bedecke mit des Mitleids Mantel
Den Undank, der dein Herz verkennt,
Ob, wie vom Stiche der Tarantel,
Die Wunde auch im Busen brennt.
Verliere nie der Hoffnung Schimmer,
Ob sie dich tausendmal betrog;
An Menschenwert verzage nimmer.
Wie oft auch Schein dir Wahrheit log.
So magst du kühn den Strom durchschwimmen,
Wie Woge sich an Woge staut,
Und zu der Menschheit Gipfel klimmen,
Wo man das Leben überschaut.
Dort segne noch mit Glutentzücken
Das liebevoll umschloss'ne Tal,
Dann mag ein Gott den Geist entrücken
Im letzten Abendsonnenstrahl.
Lebensweise
Ich wandle so mit offnem Sinn
Im heitern Sonnenschein,
Gesund und kräftig, wie ich bin,
Freut mich das schöne Sein.
Ich achte meinen Leib gering,
Der einst des Moders Staub,
Und schmücke mich, wenn Lenz verging,
Noch mit des Herbstes Laub.
Dem Zephir, wie dem Winterwind
Biet' ich die freie Brust,
Und jauchze, wie ein frohes Kind,
Des Bösen unbewußt.
An den Mond
Breite nur die Dämmerstrahlen
Auf das Nachtgefild herab;
Wie des Lebens Schuld wir zahlen
Schau — geschichtet Grab an Grab!
Herrlich prangend tief im Äther
Ziehst den Blick du himmelwärts,
Während unbeglänzt Verräter
Heimlich schmieden Trug und Erz.
Flucht der Dieb auch deinem Schimmer,
Und der Dirnen Nachtgezücht,
Laß, den Tag beschämend, nimmer
Von der glanzumstrahlten Pflicht.
Leuchte wallenden Geliebten,
Daß sie fehlen nicht die Bahn,
Heile du den Tiefbetrübten
Von dem Tag erzeugten Wahn.
Wenn der müde Stundenhammer
Ausgetönt den letzten Schlag,
Schlüpfe in der Bräute Kammer,
Zu der Zecher Lustgelag.
Zeitige in großen Seelen,
Mild erglänzend, edle Tat,
Und den Bösen, die uns quälen,
Mehltau streu auf ihre Saat.
Schimmernd gönne Menschenhassern
Nicht des Mohnes Schlummerfrucht,
Schiffern auf empörten Wassern
Zeige sichern Hafens Bucht.
Und wenn dort ein Vielbewährter
Stöhnend mit dem Tode ringt,
Sei's dein Strahl, dein sanftverklärter,
Der ihm Himmelsbotschaft bringt.
Verschiedene Stimmen
Schön ist's, wenn die Nachtigall
Flötet, und der Wiederhall
In zwei losgeriss'nen Herzen
Wecket längstvergess'ne Schmerzen.
Lieblich klingt der Drossel Sang,
Schmelzend weich den Berg entlang,
Und der Wand'rer steigensmüde,
Lauscht, in's Moos gestreckt, dem Liede.
Traulich rauscht der Felsenquell,
Wenn er über Kiesel schnell
Sich durch Blumenanger windet,
Bis er still im Strom verschwindet.
Zärtlich tönt der Flöte Ton,
Angestimmt vom Hirtensohn,
Wenn des Mondes bleiche Strahlen
Wald und Auen silbern malen.
Und der Orgel gold'ner Strom
Wogt im altergrauen Dom;
Aus der Andacht Ätherschwingen
Laß die Gottheit dich durchdringen!
Doch ich weiß noch schönern Laut,
Wenn — wie Bräutigam und Braut —
Zwei verwandte Menschenstimmen
Liebevoll in Eins verschwimmen.
Totenreigen
Zur Mitternachtsstunde,
Wenn rings in der Runde
Nur Schweigen und Tod,
Da dringt in die Gräber,
Als Leichenbeleber,
Ein mahnend Gebot:
Ersteht aus den Särgen,
Die tröstend verbergen
Den modernden Leib,
Und steigt aus den Grüften,
Aus Schauergedüften,
Sei's Mann oder Weib.
Beschaut euch die Räume
Der sterblichen Träume
Und lüstet die Brust;
Und fühlt, die zerronnen,
Noch einmal die Wonnen
Der irdischen Lust.
Bei Sternengefunkel
Dann kehret in's Dunkel
Der Gräber zurück,
Und lasset dem Leben
Die Sonne, die Reben,
Den Haß und das Glück.
Da bersten die Steine
Und bleiche Gebeine
Sie tauchen empor,
Es fügen die Glieder,
Die losen, sich wieder
Im klappernden Chor.
Nun wanken sie weiter,
Und duftende Kräuter
Durchwandelt ihr Fuß;
Und wie sie sich sammeln,
Da tönt es wie Stammeln,
Wie Zanken, wie Gruß.
D'rauf wählen im Grünen,
Vom Monde beschienen,
Sie räumlichen Plan;
Da bilden zu Zweien
Sie Glieder und Reihen
Und stieren sich an.
Sie dreh'n sich im Reigen,
Sie wiegen und neigen
Sich schwindelgepackt;
Und Hände von Knochen
Sie klimpern und pochen
Den seltsamsten Takt.
D'rauf reihen nach Jahren
Sich Paare zu Paaren,
Und wandeln vertraut;
Sie kennen sich wieder,
Die Väter, die Brüder,
Der Jüngling, die Braut.
Da schimmert ein Dämmern
Aus Osten, und Hämmern
Ertönet von Fern; —
Die Schatten entweichen,
Und mählig erbleichen
Die flimmernden Stern'!
Da ruft von der Halde,
Vom Anger, vom Walde
Ein schrillender Ton;
Die Hände sich schüttelnd,
Den Knochenbau rüttelnd,
Stürzt alles davon.
Der Mutter Abschied
Kindchen mit den Engelszügen,
Die den sanften Schlummer lügen,
Jüngst noch meines Lebens Freude,
Nun der Inbegriff vom Leide,
Emma! Kindchen, lebe wohl!
O wie war mein Herz so selig,
Als mein Kindchen, rund und wählig,
Auf dem Blumenrasen hüpfte,
Und durch Blütenzweige schlüpfte!
Ach! nun ist es schrecklich still!
Dieser kleine Mund, halb offen,
Hat, der Mutterliebe Hoffen,
Schon gestammelt süße Namen;
Keimen sah ich schon den Samen,
Den ich sorgsam ansgesä't.
Diese Äuglein, die geschlossen.
Von des Todes Nacht umflossen,
Lasen in den Mutterblicken
Einen Himmel von Entzücken —
Ach! sie sind nun kalt und starr.
Diese Händchen, die erkaltet
Liegen, auf der Brust gefaltet.
Schmiegten sich um meine Wangen;
Ach! mein Arm hielt es umfangen,
Bis ich's Kindchen sattgeküßt.
Sinket nun der Tag zur Erden,
O, wie wird's der Mutter werden,
Wenn sie sich dem Schlaf entwindet.
Und ihr Kindchen nimmer findet.
Das sie täglich wachgeherzt!
Ach mein Alles, all' mein Sehnen
Liegt, gebadet nun in Tränen,
Hier in dieser Bahre Räumen,
Und mein langgenährtes Träumen
Findet kurze Antwort hier.
Jene schwarzen Männer kommen,
Bleiben kann mir wenig frommen,
Nieder sinkt des Schleiers Hülle,
Mutterherz! nun halte stille —
Dieser Deckel schließt dein Glück!
Haltet ein, ihr Herr'n und Frauen!
Hebt den Schleier, laßt mich schauen,
Es ist mein Kind, das ich geboren,
O, und ewig nun verloren! —
Emma, Emma! lebe wohl!
Frühlingsmut
O Sonnenschein, so bist du da,
Nun ist auch schon das Blühen nah,
Und süße Maienluft dahinter,
Drum troll dich fort, du blöder Winter!
Leb' wohl, du Kerkerluft der Stadt,
Und schaut mein Blick das erste Blatt,
Dann will ich jubelnd nimmer trauern,
Daß ich gewelkt in öden Mauern.
O Herz, so klein und doch so groß,
Auch du blühst wie ein junger Sproß
Dem neuen Lenz, dem Mai entgegen,
O knicke, Mehlthau! nicht den Segen.
O Lenz, du labst zu jeder Frist,
Auch wenn's im Herzen dunkel ist;
Drum will ich länger nimmer weinen
Und sollst du auch mein Grab bescheinen.
An * * *
Du mahnst mich an ein Frühlingslüftchen,
Das jählings aus dem Süden kam,
Urplötzlich fächelt's meine Wangen,
Verscheuchend allen Wintergram.
Du mahnst mich an die Schlüsselblume,
Die, wenn noch Schnee die Felder deckt,
Im Wald aus jungen Gräserspitzen
Sein zartes Stengelhälschen streckt.
Du mahnst mich an die erste Lerche,
Die sich aus feuchten Furchen schwingt,
Und unsichtbar im blauen Äther
Die unbewußte Hymne singt.
An Alles mahnst du mich, du Holde,
Was je mein junges Herz geliebt,
Was meinem müden Geiste Flügel
Und meiner Seele Tröstung gibt!
Getäuschte Hoffnung
Die Schwalben lassen lange warten,
Zu suchen das bekannte Nest,
Die Veilchen im verwaisten Garten
Hält noch der Frost im Grunde fest.
Die Lerchen kamen schon gezogen,
Doch da noch Alles kalt und stumm.
Sind alle wieder fortgeflogen,
Sie kehrten nach dem Süden um.
Die Lämmerwölkchen wollten golden
Schon tränken Feld und Wald und Au,
Doch als sie schauten keine Dolden,
Da wurden sie vor Kummer grau.
Das Herz, es wollte schon sich freuen,
Dem Schöpfer jubelnd Preis und Dank;
Doch seit im Schnee erfror der Maien,
Seitdem ist es vor Sehnsucht krank.
Vergebens
Der Frühling blieb so lange aus,
Und ließ sich nicht ersehnen,
Da welkte süßer Wünsche Strauß,
Es stockten selbst die Tränen.
Und wie er endlich lachend kam
Hervor aus Ostens Toren,
Da war vor Frost und Sehnsuchtsgram
Das Herz schon längst erfroren.
Abschied
Still, still, mein Herz, dich trügt vielleicht der Schein,
Du trübst dir selber deines Daseins Wein —
O nein, o nein! was mir erzählt das Auge,
Erfüllt mein innerst Herz mit bitt'rer Lauge.
Leb wohl, du holdes, liebes Menschenkind,
Du siehst es nun, wie Dichter närrisch sind.
Ob meine Wunden bluten, ob vernarben.
Das Leben reicht dir doch die vollsten Garben!
Letzter Trost
Des Lebens Ziel ist fern und dunkel,
Wenn es die Liebe nicht erhellt,
Gleichwie des Nachtgestirns Gefunkel
Ein düst'rer Wolkenschwarm umstellt.
Die Sonne siehst du täglich leuchten,
Doch scheint sie dichtumflort dem Blick,
Weil Tränen deine Wimpern feuchten,
Weil unterging dein Lebensglück.
Und Wälder, Fluren fröhlich grünen,
Und üppig drängt sich Blut' und Frucht —
Gleichgültig schauen deine Mienen
Des Frühlings und des Sommers Flucht.
Und frohgestimmte Menschen wallen
Durch's frische Leben Hand in Hand,
Du flüchtest aus bewohnten Hallen,
Und watest durch der Wüste Sand.
So mag dir denn als Ziel erscheinen
Ein einsam aufgelockert Grab —
Laß ab zu klagen und zu weinen,
Leg ruhig hin den Wanderstab.
Und wenn aus deinem morschen Staube
Ein melancholisch Veilchen blüht,
Vielleicht erquickt an seinem Raube
Sich einst ein liebendes Gemüt!
Unmut
Apoll will nimmer sich vertragen
Mit Pfunde wiegendem Merkur,
Und meine wiederholten Klagen
Vermehren diesen Zwiespalt nur.
Wenn dieser rafft mit gier'gen Händen
Gewinnberauscht erworb'nes Gut,
Will Jener selber sich verschwenden
Im ungezähmten Übermut.
Der Eine zehrt an Interessen
Und wird sein Lebetag nicht satt,
Der And're muß sich mager fressen
Im eignen Fette früh und spat.
So werden sie sich stets bekriegen
Im haßerfüllten Wechselstreit,
Bis einst Begeist'rung muß erliegen
Den Schlägen plumper Nüchternheit.
Da ist kein Rat, als aufzugeben
Die Träume einer schönern Welt,
Wenn solch ein niederträchtig Leben
Zu Wermut Honig uns vergällt,
Und tieferbittert sich zu freuen,
Daß man von Tag zu Tage schnaubt.
Und daß in frischergrünten Maien
Die Bäume sind so hübsch belaubt.
Dahin!
Die Rose blüht, doch birgt sie schon den Wurm,
Der Himmel blaut, nicht ferne droht der Sturm,
Und dort des Stromes dunkelgrüne Fläche,
Nicht lange währt's, daß sie in Schaum sich breche.
Es wogt der reifen Ähren gold'nes Meer,
Der Hagel tobt; wie ein geschlag'nes Heer
Liegt Garb' an Garbe, Hain und Wald erbrausen,
Wenn Wetterschläge splitternd niedersausen.
Der Rose Wurm entführt ein frischer Wind,
Der Strom wird glatt, der Himmel lächelt lind.
Der Wald grünt neu, es heben sich die Garben,
Die Wiese prangt in nur noch schönern Farben.
Doch ein Gemüt von roher Faust verletzt,
Fühlt tief die Schrift, mit gift'gem Stahl geätzt;
Nicht blüht es neu, gleich Ähre, Wald und Blume,
Geplündert ist's in seinem Heiligtume!
Wehmut im Frühling
Wieder ist der Lenz gekommen,
Blühend Wiese, Wald und Hag,
Außen ist der Glanz entglommen —
Innen wird es nimmer Tag.
Tausend buntgeschmückte Blüten
Dringen aus der Erde Schoß,
Tief im Busen Stürme wüten,
Lassen keine Blume los.
Aus den frischbelaubten Zweigen
Tönt der muntern Sänger Chor,
Meine Lieder müssen schweigen,
Denn sie klagen taubem Ohr.
Auf den Seen, auf den Bächen
Schaukeln Zephyrs Flügel sich,
Meine Rinde möchte brechen,
Doch es labt kein Zephyr mich.
Ferne blaue Berge winken
Mich in rein're Lust hinaus;
Mooresdünste muß ich trinken,
Fesseln hemmen meinen Lauf.
Geister tauchen kühne Schwingen
In des Forschens tiefe Flut,
Nicht zur Klarheit kann ich dringen,
Fühlen nur des Herzens Glut.
Liebende im Morgenscheine
Wandeln durch der Wiesen Grün;
Ob ich klage, ob ich weine,
Keine Lieb' ist mein Gewinn.
Frühling, schütte deine Schätze
Aus aus Flur und Jugendlust,
Laß mich trauern und verletze
Nicht die schmerzbewegte Brust!
Mittagglühen
Die Sonne ruht
Mit hellster Glut
Auf Fluren, Wäldern und Hainen,
Kein Wölkchen mag sie beweinen.
Der Schattenquell
Netzt frisch und hell
Wohl manche dürstende Pflanze,
Doch Tausende schmachten im Glanze.
O Sonnenglut!
Du kochst das Blut
Der Kirsche wohl und der Rebe,
Du glühst, daß die Ähre sich hebe.
Dem Einen Rot,
Dem Andern Tod
Bringt wahllos die blendende Scheibe,
Daß Frucht nach dem Blühen verbleibe.
Des Lebens Bild
Strahlt ernst und mild
Aus der Sonne befruchtendem Walten,
Beleuchtend der Sterblichen Schalten.
Des Strebens Frucht
Vergebens sucht
Der Mensch vor den Wettern zu schützen,
Vor des Mittags versengenden Blitzen.
Des Lenzes Sold
Ist Blümlein hold,
Nicht Habsucht und brechende Speicher!
Wer ist als der Frühling wohl reicher?
Der Freunde Gruß
Der Weisheit Kuß,
Des Daseins köstliche Güter
Sind sich selber Schirmer und Hüter.
Drum Sonne glüh'
Nur spät und früh
Auf des Lebens sonnige Matten!
Sieh', die Glücklichsten wandeln im Schatten!
Dichters Klage
Neues möcht' ich gerne singen,
Doch es ist die Welt so alt;
Müde tönt das eitle Klingen
Und die Herzen läßt es kalt.
Alle Haine steh'n entblättert,
Alle Blumen sind gepflückt,
Stürme haben ausgewettert,
Aug' und Stern sich mattgeblickt.
Schätze aus des Busens Gründen,
Perlen aus des Meeres Schoß
Wanderten nach allen Winden,
Brachen aus der Muschel los.
Was im weiten Reich des Schönen
Jedem uns'rer Sinne tagt,
Ist in Farben, Worten, Tönen
Durchgefühlt und ausgesagt.
Nieder leg' ich d'rum die Leier,
Tauschend Leben um Gedicht,
Und der Busen atmet freier,
Und der Mund entfesselt spricht:
Singen will ich nicht die Tage
Wonniglicher Frühlingszeit,
Fühlen, ohne daß ich's sage,
Will ich jede Seligkeit.
Floh der Lenz in ferne Lande,
Ist der harte Winter da,
Will ich nicht am Ofenbrande
Seufzen, daß er wieder nah'.
Klagen will ich nicht in Reimen,
Von der Sehnsucht Folterpein,
Wandeln unter Blütenbäumen
In der Liebe Sonnenschein.
Feiern nicht in Sturmakkorden
Will ich hoher Taten Preis;
Wenn ich selber groß geworden,
Sprosse mir mein Lorbeerreis!
Marie
Dich lieb' ich, dich, Marie,
Mit meiner Jugend Feuerglut,
Denn einem Mädchen nie
Noch war mein Herz so innig gut
Als dir, Marie!
Im Wald bist du, Marie,
Mein erstes Wort, mein letztes Wort.
Bei Tageshitz' und Müh'
Mein Labequell, mein Ruheport
Bist du, Marie!
Dir bleib ich treu, Marie,
In weiter Fern', im bittern Tod,
Vergeß' dich Liebchen nie!
Mein Scheidewort sei: Du, o Gott!
Und du, Marie!
Einsam
Wie traurig, wem ein Gott Gefühle gab,
So einsam an dem Zeitenstuhl zu weben, —
Indes der Sommer reift die vollen Reben,
Sich üppig rankend um den schlanken Stab.
Verarmt an Glück, mußt du von fremdem Wohl
Die schlaflos langen Mitternächte träumen, —
Wie auch des Lebensbechers Fluten schäumen,
Dein Herz bleibt leer, sowie dein Becher hohl.
Doch zage nicht und kräft'ge deinen Mut;
Noch herrlich ist's, in späten Tagen lieben!
Mag rings um dich auch Glück und Lenz zerstieben —
Dein Eichenherz — es trotzt der Stürme Wut.
Vielleicht wird eines neuen Lenzes Strahl
Auf deines Herzens letzte Blume blicken,
Und doppelt mag solch spätes Glück entzücken,
Emporgeblüht aus des Entbehrens Qual.
Die Hoffnung
Schon schwärmt der Frühling linde
Im frischen Laub der Pappel,
Es treiben günst'ge Winde
Der Hoffnung Kahn vom Stapel.
Sie strebt auf Schaukelwogen
Zur fabelhaften Insel,
Die oft uns vorgelogen
Der Dichtung Zauberpinsel.
Doch schon versengt der Sommer
Ihr Haupt zur Mittagsweile,
Denn eh' sie's merkt', entglomm er.
Versendend glüh'nde Pfeile.
Sie sinnt nur auf die Landung,
Vertrauend sich'rem Kiele,
Wenn gleich der Kampf mit Brandung
Der Hand drückt manche Schwiele.
Die Hoffnung senkt den Anker,
Er lastet nicht im Grunde,
Das Schifflein, immer schwanker,
Zerschellt wohl noch zur Stunde.
Da schimmern Nebelküsten
Von trüber Fern' herüber,
Es hilft aus Wasserwüsten
Wohl Faust und Sturm hinüber.
Schon sinkt der lecke Nachen,
Schon seh' ich seine Trümmer —
Doch wie die Bretter krachen,
Die Hoffnung rudert immer.
Wie an die Brust des Heilands,
Warf sie ein Stoß zum Hafen,
Wo unterm Schirm des Eilands
Die Fluten nimmer trafen.
Mit Jubel wirft die Ketten,
Die goldnen, sie um Stämme,
Und klammert wie mit Kletten
Sich an die mürben Dämme.
Zu einer niedern Hütte
Schleppt sie die müden Glieder,
Die in des Waldes Mitte
Umweht schon Herbstgefieder.
Sie will in diesen Räumen
Den Winter durch nicht zagen,
Um wieder allen Träumen
Im Frühling nachzujagen.
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