8.
Spekulant
In dem Getriebe der Welt mit Nutzen und Freude zu leben,
Bleibe die Losung das Gold, Mehrung der rühmlichste Zweck.
Erben ist löblich und hübsch, erwerben doch schöner und besser,
Denn der erworbne Besitz lohnet mit Segen und Lust.
Nie wird zum Reichen der Tor, es fehlen ihm Klugheit und
Einsicht;
Drückt ihn dann Armut und Not, schmäht er sein schlimmes
Geschick.
Was ist der herrlichste Tag, wenn schwindsüchtig schlottert der
Beutel?
Fülle ist Quelle des Seins, Mangel ist geistiger Tod.
Drum ohne rechts oder links nach anderen Schätzen zu spähen,
Nicht' ich aus Eines den Blick, Handel und reichen Gewinn.
Wenn das günstige Glück die Mühe mit Schätzen verzinset,
Fehlt auch das Übrige nicht, Ruhe, Gesundheit und Scherz.
Nimm dann ein liebendes Weib, die Früchte der Pflanzung zu
teilen,
Kommen noch Kinder dazu, legst du dich ruhig ins Grab.
9.
Dichter
Mein Gaumen dürstet nicht nach eitlen Schätzen,
Nach äußerm Prunk, nach hochgestelltem Rang,
Mir kann nur Musenquell den Busen netzen,
Mich laben nur der freudige Gesang.
Und wenn die Menschen mein Gemüt verletzen,
So finden Schmerzen treuen Wiederklang,
Und strömen von der Rede Blumenborden
In tiefgefühlten, siegenden Akkorden.
Der Frühling prangt für mich in frischern Farben,
Bedeutend ist mir Blüte, Wolk und Baum,
Der Sommer schichtet mir die vollsten Garben,
Und malet golden meiner Tage Saum,
Ob auch im Winterfrost die Keime starben,
Ich spüre solchen herben Wechsel kaum,
Und wie die Wandervögel zieh'n nach Süden,
So flücht' ich in der Dichtung heitern Frieden.
Mir scheint die Welt ein reichgeschmückter Garten
Voll Blütenlust, voll ausgesätem Tod,
Worin die allertollsten Gegenwarten
Sich streiten um ein Stückchen Abendbrot,
Da gibt es Wunden oft und tiefe Scharten,
Viel herbe Qual und bittre Herzensnot,
Und Millionen Leben sind verkümmert,
Bis Tausenden ein schöner Dasein schimmert.
Da wird es Pflicht, zu rühren Silbersaiten,
Beschwichtigend den Zwist der kranken Welt,
Es läßt in Bildern euch vorübergleiten
Des Dichters Kunst, was euch entzückt und quält.
Er singt von großen Taten, gold'nen Zeiten,
Und was Natur für Wunder in sich hält;
Ihr lauschet seinen sanften Friedenstönen
Und reichet schnell die Hände zum Versöhnen.
So schifft der Dichter durch des Lebens Wogen,
Und fürchtet nicht der Brandung freche Wut,
Zur Tiefe fühlt er mächtig sich gezogen,
Und stürzt sich in die frischbewegte Flut;
Ein Taucher, hat er Perlen aufgesogen,
Vergeudend froh das unschätzbare Gut;
Ob nun die Welt ihm Lob erweist, ob Tadel,
Das Lied bleibt ihm sein schönster Menschenadel.
Grüß Gott!
Grüß' Gott, du edle, holde Maid,
Dich schmückt der Geist mehr als das Kleid.
Nicht trübt die Torheit deine Jugend,
Zur Lüge wird dir nicht die Tugend.
Du weißt, daß eitel der Besitz,
Dein Reichtum ist Gemüt und Witz;
Dein Gold heißt echte Seelengüte,
Dein Silber heißt der Lilie Blüte.
So lebe froh, du harmlos Kind,
Vergiß, daß rohe Menschen sind,
Und bist du nicht allein geblieben,
So magst du ganz und ewig lieben.
Guter Rat
Der bunte Schmetterling, der lose,
Entbietet seinen Schmeichelgruß
Der Nelke, Lilie und Rose
Mit manchem süßen Liebeskuß.
Er ist zwar flüchtig, er ist leicht,
Doch ist er stumm zugleich und schweigt;
So vieler Gunst er sich auch freue,
Nichts plaudert aus der Ungetreue.
Ihr, die ihr sucht ihn nachzuahmen,
Denkt an den Stummen stets zurück,
Und prahlt zur Ehre eurer Damen
Nie mit der Schäferstunde Glück.
Ihr könnt zwar flüchtig sein und leicht,
Doch seid auch stumm zugleich und schweigt;
Untreue vergessen wohl die Frauen,
Doch nie verratenes Vertrauen.
Im November
Die Sommerlüfte lind und warm
Sind längst schon über's Meer,
Nur rauher Winde Pöbelschwarm
Treibt welkes Laub umher.
Doch zweie blühen fort und fort,
Gedanke und Gefühl,
Sie schwingen über Zeit und Ort
Sich bis an's fernste Ziel.
Die Liebe blieb ja dennoch jung,
Ward auch die Sehnsucht alt,
Und schaffende Begeisterung
Übt ewig Lenzgewalt.
Herbstgefühl
Die Zerstörung zu belauschen,
Welche schon den Hag durchstürmt,
Zieht die Schwermut gleich der Wolke,
Die sich dort am Himmel türmt.
Gestern rauschte noch der Sommer
In der Wipfelkronen Pracht,
Heute sank die Blätterfülle
Vor dem Sturme einer Nacht.
Wie der Wind das Laub durchstöbert,
Das der Herbst dem Sommer stahl,
Wühlt mein allzu treu Gedächtnis
In verwelkter Freuden Zahl.
Schmerzlich schau ich dort vom Zweige
Taumeln jenes letzte Blatt, s
Weil mein Herz von tausend Blättern
Keines mehr zum Sterben hat.
Doch hinweg mit feigen Klagen,
Stirbt doch so ein ganz Geschlecht,
Wie der Nordsturm hat gelichtet
Jener Kronen Zweiggeflecht.
Unzerstörbar bleibt die Liebe,
Gleich der Bäume Wurzelsaft,
Der mit jedem neuen Frühling
Wird zur Blüte zauberhaft.
Stürmt es auch im Lebensbaume,
Rings von Nebeln überdeckt,
Sieht man doch die hundert Äste,
Die ein Herz zum Himmel streckt.
Herbstbilder
Buntgefärbte Blätter fallen,
Schmäler wird der Tage Saum,
Schleierhafte Nebel wallen,
Sommer schwand, ein kurzer Traum.
Auf den Feldern picken Dohlen
Sich der Körner letzten Rest,
Und des Hirsches flücht'ge Sohlen
Bannt ein Schuß auf ewig fest.
An der Schwelle, die der Rebe
Dichte Rankenreihe kränzt,
Schmeichle der modernen Hebe,
Daß sie dir den Most kredenzt;
Denn die volle Glut der Sonne
Hat gekocht der Traube Saft,
Der gegoren in der Tonne,
Winterfrost zum Frühling schafft.
In den Gärten schwankt die Aster
Ihren Schwesterleichen nach,
Und des Grabmals Alabaster
Trauert um sein Schattendach.
Fällt ein Blättchen aus den Rüstern
Zu des Wand'rers Füßen hin,
Kann es stundenlang verdüstern
Seinen ahnungsvollen Sinn.
Wehmut fühlt wohl jede Seele,
Wenn der Tod das Leben raubt,
Wie sie auch sich gern verhehle,
Daß sein Opfer jedes Haupt.
Doch der Dichter wandelt heiter
Durch den blätterlosen Hain,
Denn die duftigsten der Kräuter
Prägt er in sein Album ein.
Und wenn dann durch Schauerflocken
Kümmerlich die Sonne dringt,
Schleudert er mit Spottfrohlocken
Sie dem Winter in's Gesicht.
Ermunterung 1
Laß dich nicht in Ketten legen,
Bändige die schnöde Welt,
Die den lauten Herzensschlägen
Kalten Hohn entgegenstellt.
Unerschöpflich ist der Bronnen,
Dem Begeisterung entquillt,
Stürze dich in seine Wonnen,
Und dein Dürsten sei gestillt.
Durch die weite Welt zu schweifen,
Rüste dich zum kühnen Flug,
Sieh, es säumen Purpurstreifen
Jedes Morgens Wolkenzug.
Eichenwaldes breite Schatten
Laden dich zum Träumen ein,
Und aus bunten Blumenmatten
Schwelg' im hellsten Sonnenschein.
Sag' es aus, was dich erschüttert
In der Seele tiefstem Grund;
Freude, die im Busen zittert,
Gib entzückt in Liedern kund.
Trafen Amor's Doppelpfeile
Dich ans dunkler Augen Glut;
Lieb' unsterblich, oder heile
Dichtend seinen Übermut.
Breite liebevolle Arme
Um den schwer bedrängten Freund,
Sei ein Engel und erbarme
Jedes Kindes dich, das weint.
So in süßen Liebesbanden
Trauernd nun, und nun beglückt,
Hoffe, daß zu jenen Landen
Dich ein sanfter Tod entrückt.
Beim Tode meiner Mutter
Die zärtlichste der Mütter lag im Sterben,
Und ferne hielt mich eisern strenge Pflicht,
Mich folterte der Schmerz, ich durfte nicht
Das letzte Wort der Mutterlieb' erwerben.
O grausam Schicksal, das zu solcher Frohne
Des Menschen Leib mitsamt der Seele zwingt,
Daß, wenn die Mutter mit dem Tode ringt,
Des Segens Trost verweigert wird dem Sohne!
Sie frug nach mir im Träumen wie im Wachen,
Und winkte sehnlich mit der lieben Hand;
"O komm," so sprach sie, "teurer Ferdinand!"
Bis dunkelnd ihre Augensterne brachen.
Und ich vernahm die trauervolle Kunde
In einem lenzdurchhauchten Gartenhag —
Wie lang ich dort in Sinnverwirrung lag,
Ich wußt' es nicht, und weiß es nicht zur Stunde!
Doch beim Erwachen schüttelte die Mähnen
Der Schmerz in mir mit grimmer Löwenwut,
Bis er sich lösen konnt' in eine Flut
Von unversiegbar qualenreichen Tränen.
Und als verlassen ich die grünen Pforten
Des Hains, erblickt' ich aus der Frühlingswelt
In eine Schauerwüste mich gestellt,
Worin die Blüten ringsumher verdorrten.
Die Eiche meines Daseins war gebrochen,
Vom Nagen jenes Wurms, der unsichtbar,
Und, trotzend jedem Schutze vor Gefahr,
Das Leben tötend kommt herangekrochen.
O Mutterherz, du warst die Lebenssonne,
Die, ob die Stunde mich erfreut, gehärmt,
Zu jeder Frist mich liebend hast erwärmt,
Und jeden Schmerz geteilt und jede Wonne.
Ein treues Herz, solch' Wohltun, edles Lieben,
Ich find' es nimmer auf dem Erdenrund,
Und nimmer lassen froh mich und gesund
Der Leidenschaften bitterböse Sieben.
D'rum, was den Umgetrieb'nen stets gemieden,
Ich will ihn suchen an dem frischen Grab
Der Mutter, die mir einst das Leben gab:
Den langentbehrten, tiefersehnten Frieden!
Glaube mir!
Glaube mir, der Erde Kinder
Kennen ihr betrüglich Los,
Daß Gerechte mit dem Sünder
Ruh'n in einer Mutter Schoß;
Wissen, daß die zarte Jugend
Und des Greises morsch Gebein,
Frechheit und demüth'ge Tugend
Modern unter einem Stein;
Wissen, daß des Frühlings Blüte
Aus dem Eis des Winters sprießt,
Und Natur voll ew'ger Güte
Lieblich, was da lebt, umschließt.
Darum, willst du munter reisen,
Nie dem Wetter bloßgestellt,
Such' die Schule nicht der Weisen,
Sondern jene auf der Welt;
Viele Weise hat's gegeben,
Welche arm gestorben sind.
Weil der Lacher stets im Leben
Vor dem Denkenden gewinnt.
Nur nicht Freude mußt du hoffen,
Keiner Stunde Lauterkeit,
Denn die steht nur Jenem offen,
Der sich des Vollbrachten freut.
Wär' ich nicht bereits veraltet,
Nähm' ich wohl noch Lehre an,
Doch ich bin zu früh erkaltet
Für das Glück und seinen Wahn.
Weinen habt ihr mich gesehen,
Tränen tiefer Menschlichkeit,
Doch wie oft, wollt ihr's gestehen,
Habt denn ihr euch recht gefreut?
Wer nach Freuden mißt die Jahre,
Und die Stunden nach dem Glück,
Von der Wiege bis zur Bahre
Mißt er Einen Augenblick.
Eines nur steht fest im Leben,
Nie bewältigt von der Zeit,
Kann es auch nicht Kränze weben
Welkender Vergänglichkeit:
Nach dem Ziele der Vollendung
Richte hoffend deinen Blick,
So erträgst du jede Wendung
Und entbehrst wohl auch das Glück.
Mondnacht
Zur Lüge ward die dunkle Nacht,
Es strahlt der Mond in gold'ner Pracht,
Er ist des kurzen Schlummers Hüter,
Den sich noch gönnen die Gemüter.
Die Welt durchrast der Zeiten Sturm,
Die Hütte steht, es schwankt der Turm;
Das ist ein Kämpfen, ist ein Morden,
Seitdem die Völker Mode worden!
Vergangenheit sank in die Gruft;
Atome zittern in der Luft
Von neuen Welten, ungeboren
Und nie geahnt von blöden Toren.
Wo wäre wohl die Stirn von Erz
Und wo das marmorkalte Herz,
Das so umstürmt nicht rascher schlüge,
Nicht seinen Gott um Lösung früge?
Du Freiheit bist der Zauberspruch,
Der uns gebannt des Dunkels Fluch,
Darunter knirschend wir erlagen,
Du Morgenhauch von schönern Tagen!
Und jubelnd grüßt dich Alt und Jung
In seliger Verbrüderung;
Gefallen sind die schwarzen Schranken,
Die Herzen trennten und Gedanken.
Der Bettler hebt den Kummerblick
Empor zum neuerschaff'nen Glück;
Er schaut verjüngt die schöne Erde
Und fühlt, daß er noch glücklich werde.
Der Mächt'ge birgt der Hoheit Kleid,
Verscheucht entfliehen Groll und Neid,
Und Gleichheit heißt der edle Ringer,
Der sie erschlug im Sklavenzwinger.
Du Mond am weitgespannten Zelt,
Beleuchtend eine halbe Welt,
Schau nieder, wie die fernsten Grenzen
Des Geistes Strahlen überglänzen.
Das Äthermeer, des Opfers Rauch,
Die Menschenbrust durchweht dein Hauch
O Freiheit, laß zu deinen Füßen
Mich deinen Sternenmantel küssen!
Gassenlied
Auf der Gassen schaut der Dichter
Gern die wechselnden Gesichter,
Bringt in Reime die Grimassen
Auf der Gassen, auf der Gassen.
Auf der Gassen waltet Gleichheit
Zwischen Armut, zwischen Reichheit,
Arme betteln, Reiche prassen
Auf der Gassen, auf der Gassen.
Auf der Gassen ist kein Bleiben,
Nur ein rastlos Rennen, Treiben
Dränget, die sich lieben, hassen
Auf der Gassen, auf der Gassen.
Auf der Gassen prangt das Neue,
Daß es sich am Wechsel freue,
Lustig wimmeln bunte Massen
Auf der Gassen, auf der Gassen.
Auf der Gassen rollen Leichen,
Die kein hartes Herz erweichen,
Sonderbare Menschenrassen
Auf der Gassen, auf der Gassen!
Auf der Gassen, unter Weinen
Trennt ein Sohn sich von den Seinen,
Ach du letztes Schmerzumfassen
Auf der Gafsen, auf der Gassen!
Auf der Gassen lärmen Buben,
Purzelnd aus den Schulenstuben
Ob der Weisheit, die sie fraßen,
Auf der Gassen, auf der Gassen,
Auf der Gassen klingt die Zither
Abends unter manchem Gitter;
Ach du traurig dummes Passen
Auf der Gassen, auf der Gassen.
Auf der Gassen wird es nächtlich,
Katzen, Schwärmer schleichen sichtlich,
Bis die letzten Stern' erblassen
Auf der Gassen, auf der Gassen.
An den Frühling
Schmückest wieder
Feld und Flieder
Mit dem jungen frischen Grün,
Und nicht länger
Säumten Sänger
Jubelnd mit dir einzuzieh'n.
Denn ich höre
Lerchenchöre
Schmettern aus dem heitem Blau,
Und die Wärme
Lockte Schwärme
Liedervolks zu Wald und Au.
So der Bäche
Kräuselfläche
Hämmert nimmer Eisesband,
Denn gelinde
Fächelwinde
Flattern über See und Land.
Und ein Leben
Und ein Schweben
Waltet froh in Licht und Luft.
Alles Neuheit,
Alles Freiheit,
Atmend ein den Frühlingsduft!
Doch der Lenze
Schönste Kränze
Schmücken nicht den dürren Grund,
Wenn der Geister
Edeldreister
Rede schließt ein Druck den Mund.
Wenn die Schlechten
Dürfen rechten
In des Schweigens dumpfer Nacht,
Und der Guten
Reine Gluten
Bändigt taube Frevelnacht.
Drum erfreuen
Gold'ne Maien
Nimmer eines Edlen Herz,
Denn das Meiden
Echter Freuden
Füllt mit Wehmut ihn und Schmerz.
Doch ein Hoffen
Bleibt ihm offen:
Geisterlenz ist immer jung,
Und der Ketten
Stachelkletten
Sprenget einst Begeisterung!
Sieg des Frühlings
Winters Strenge will gewaltsam
Eisig binden See und Land,
Doch der Frühling, unaufhaltsam,
Sprengt des Eises Fesselband.
Und von seinem Zauberhauche
Ist die ganze Welt verjüngt,
Blüten drängen sich am Strauche,
Himmelan die Lerche singt.
Balsamreiche Blumen würzen
Weithinduftend Flur und Hain,
Losgerungne Wasser stürzen
Schäumend übers Felsgestein.
So im Geiste sich verjüngen
Will ein denkendes Geschlecht;
Herrlich muß es ihm gelingen,
Denn es ist sein schönstes Recht!
Nimmer wird's verhindern, nimmer
Unbeschränkte Frevelmacht,
Daß es über morsche Trümmer
Steige aus der langen Nacht.
Triumphierend ob dem Wahne,
Ob der Knechtschaft Sklavenheer,
Schwingt die Freiheit ihre Fahne
Jauchzend über Land und Meer.
Bald in ihrem raschen Schwunge
Wird sie Lebenselement,
Und es stammelt ihre Zunge
Orient und Okzident!
Irdische Qualen
Das ist ein Ringen, ist ein Kämpfen,
Kein Automat, ein Mensch zu sein;
Nicht eingelullt von Ätherdämpfen,
Fühlst du die ganze Wucht der Pein.
Und deine Tugend, wie dein Fehler,
Sind beide herber Leiden Born;
Die eine mißversteht dein Quäler,
Den andern, trifft des Rächers Zorn.
O Schmach, zu schauen tausend Sonnen,
Zur höchsten Ahnung hingestellt,
Und trocken legen jenen Bronnen,
D'raus Labung quillt für eine Welt.
Magst du in alle Räume rufen:
Gebt dieser Brust ein Herz, ein Herz!
Gelächter schallt dir von den Stufen,
Es schließt sich schnell das Tor von Erz.
Sie treiben Schacher mit Gesinnung,
Und schlagen Münzen aus Gefühl,
Vergällt wird — schwörst du nicht zur Innung —
Dein Wachen, und zum Stein dein Pfühl.
Den Geist mißbrauchen sie zur Fessel, —
Besitz ihr Gott, Begeist'rung Trug,—
Sieh' hin, dort dampft und qualmt der Kessel:
Geh' in den Wald, Du hast genug!
Dort mag das Vöglein aus den Zweigen
Erheitern dein umwölkt Gemüt;
Freu' dich, wenn durch des Waldes Schweigen
Der letzte Strahl der Sonne glüht.
Du siehst, die Welt wird immer enger,
Die unsre nämlich, liebes Blut;
Doch ihre Pulse klopfen länger,
Wenn längst im Staube liegt die Brut.
An die Kurzsichtigen
Glaubt ihr, weil des Lebens Welle
Lustig schaukelt euern Kahn,
Weil der Mittag leuchtet helle,
Glaubt ihr, damit sei's getan?
Glaubt ihr, weil in euern Reden
Uns erdrückt der Worte Schwall,
Daß bei Allen ihr und Jeden
Findet treuen Wiederhall?
Glaubt ihr, weil die Tagsgeschichte
Sich ergötzlich euch entrollt,
Daß sie Wertes uns berichte,
Daß ihr wirklich was gewollt?
Ausgleichung
Weise leben, tüchtig handeln
Ist so schwer und ist so leicht,
Daß man unterm Tun und Wandeln
Selten doch das Ziel erreicht.
Mancher mag sich gerne bücken,
Wo er besser stünde g'rad,
Denkend nimmer, daß sein Rücken
Wird dem Andern Brück' und Pfad.
Mancher zieht es vor zu klettern,
Wo er klüger blieb' im Tal,
Drum auch trifft in Sturm und Wettern
Sicher ihn ein schärf'rer Strahl.
Weisheit trägt die Narrenkappe
Oft mit buntbemaltem Schild,
Toren seh'n des Rahmens Pappe,
Aber nicht der Menschheit Bild.
So die Torheit borgt den Flitter
Von der Weisheit Feierkleid,
Doch der Kluge schaut durchs Gitter,
Klaffend viele Spannen breit.
Falter will mit Hunden hetzen
Hier ein blöder Ignorant,
Während dort in Fliegennetzen
Zappeln soll der Elephant.
Und es dünkt sich Jeder nobel.
Der der Afterbildung Dieb,
Wenn auch überall der Hobel
An den Ästen stecken blieb.
Diesen ließ als Kind die Amme
Fallen aus der Schwelle Stein,
Und es grub die tiefe Schramme
Sich fürs ganze Leben ein.
Jener wand vom Mutterschoße
Sich verkehrt, voran den Fuß,
Und sein Haupt verfiel dem Lose,
Daß der Bauch nun denken muß.
So verteilt sind Geist nnd Gaben,
So des Geistes Element,
Daß den Mann, den Greis, den Knaben
Kaum die Kluft der Jahre trennt.
Und der Weise und der Dumme
Balgen sich und sind gehetzt,
Bis der Tod die Gleichungssumme
Unter ihre Tage setzt.
Ermunterung 2
Wenn dir's im Busen wird zu enge,
Und drücket dich das niedre Haus,
So schau ins bunte Weltgepränge,
Wo sich die Gottheit breitet aus.
Es wogt das Meer in weiten Grüften,
Es wälzt der Strom sich in sein Grab,
Und zwischen steilen Felsenklüften
Stürzt schäumend Wogenfall herab.
Die Berge steh'n in ernsten Gruppen,
Zum Trotz der Zeiten Ungemach;
Aus unheilschwangern Wolkenschuppen
Ruft Donner tausend Echo wach.
Es tönt in ungeheuren Wäldern
Des Leu Gebrüll, des Adlers Ruf,
Und Lerchen steigen aus den Feldern,
Die Heide bebt von Rosseshuf;
Doch mächtiger durchdringt die Räume
Des Menschenlautes Harmonie,
Und auf dem tiefen Meer der Träume
Wiegt sich der Kahn der Phantasie.
Doch höher ragt im goldnen Liede
Des Weisen Wort, des Helden Tat,
Und nimmer wird die Schöpfung müde
Zu streuen edle Menschensaat.
Drum denk' erhebende Gedanken,
Und fühle groß die große Welt,
Und halte, wenn die Besten wanken,
Dich noch an Ihn, der Alles hält.
Täuschung
Die Nachtigall in meinem Zimmer
Sie weckt mich aus den Träumen immer,
Sie singt so schmelzend weichen Ton,
Als war' es lange Frühling schon.
Der Sehnsuchtsdrang in meinem Herzen,
Er fühlt schon laue Weste scherzen,
Und auf dem Anger, saftiggrün,
Sieht er schon tausend Blumen blüh'n.
Doch wenn ich durch die Fensterscheiben
Schneeflocken schaue wirbelnd treiben,
Da wird mir schmerzlich offenbar,
Daß alles füße Täuschung war.
Zwei Veilchen
Erstes Veilchen
Endlich ist der Schnee geschmolzen,
Meines Busens Rinde nicht;
Schwach sind noch der Sonne Bolzen,
Doch ich dränge mich zum Licht.
Zweites Veilchen
Zarte Schwester, bleib' im Grunde,
Unten ist es weich und warm,
Daß dich nicht das Licht verwunde
Und der Mücken dichter Schwarm.
Erstes Veilchen
Lasse mich das Haupt erheben,
Sei's auch nur auf einen Tag,
Weil ich lieber sterbend leben,
Als, mich sehnend, sterben mag.
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