Lebensgewinn
Dahin ist Jugend, Mann bin ich geworden,
Schon folgten dreißig Wintern dreißig Lenze
Mir schlugen Herzen, blühten duft'ge Kränze,
Mich freute edles Wort aus Süd und Norden.
Ich trug an meiner Brust der Liebe Orden,
Daß er den Stolz der Selbstsucht überglänze,
Mein Glück, es schien, als ob es sich ergänze,
Da nahten mir der Sorge Räuberhorden!
Die Zeit entführte Kränze und Genossen,
Der Tod er raffte hin die besten Eltern,
Mit Tränen netzt' ich ihre Leichensteine.
Und Jahre wären trauervoll verflossen,
Wüßt' ich die herben Früchte nicht zu keltern,
So, daß ich trinke nun vom reinsten Weine,
Im Ährenfeld
Da schreit ich denn im dichten Halmenwalde,
Durchstickt mit Himmelssternen von Cyanen,
Und drüben zirpt die Grille auf der Halde,
Umgrenzt vom heil'gen Rauschen der Platanen.
Der Käfer schwirrt, und Schmetterlinge flattern
Den Tag hinab durch Feld und Hag und Wiese,
Indessen Wolken schon das Blau umgattern,
Dahinter lauscht der Sturm, der Himmelsriese.
Und du mein Herz, mit deinem reichen Leben,
Auch du wähnst dich im Korne hier geborgen
Vor Stürmen, die die Zeiten bringen werden.
O bleib doch froh und magst du nimmer beben;
Der Stunde Lust vernichtet nicht das Morgen,
Und Wonnetage gibt es nicht auf Erden!
Zeitflucht
Du strebst umsonst, der Zeiten Strom zu hemmen.
Die unaufhaltsam nach dem Jenseits rollen,
Und deines Lebens abgeriss'ne Schollen
Zur Bucht der Ewigkeit hinunter schwemmen.
Vergebens ist die Mühe, zu verdammen
Die Wogen, welche nimmer rasten wollen;
Sie rauben, wenn sie wütend überquollen,
Des Ufers Röhricht samt des Waldes Stämmen.
Nur mutig mit der Strömung fortgeschwommen,
Wie toll dich auch die wilden Fluten packen,
Nicht schadet's, manchen derben Schluck zu trinken.
Und bist du glücklich jenseits angekommen,
So magst du rein von Schlamm und Erdenschlacken
Dem Heiland selig an den Busen sinken.
Frühling
Poeten haben heiser sich gesungen,
Dein frohbekränztes Jubelfest zu feiern,
Und von den schlechtgestimmten Afterleiern
Ist manches bittersüße Lied erklungen.
Nun bin auch ich zu jenem Hain gedrungen,
Von wo erschallt ein Chor von eitlen Schreiern,
Doch heute stockt die Zunge mir wie bleiern,
Es will kein Ton aus schwer gepreßten Lungen.
Du zürnest nicht dem unfruchtbaren Schweigen,
Und sprichst zu meinem kindischen Bemühen
Mit unbeschreiblich gutgemeintem Lächeln:
Ich habe Lieder genug in meinen Zweigen,
Tritt her zu mir, und sieh die Blumen blühen.
Und laß dir lind die heiße Stirn umfächeln.
Sommer
Schon hast du über Wiesen, Wald und Hügel
Den höchsten Reiz der Schönheit ausgegossen,
Des Blütenreichtums Schätze sind erschlossen
Und Phöbus weilt mit angehaltnem Zügel.
Das tiefste Blau versinkt im Wellenspiegel,
Darunter wimmeln silberhelle Flossen,
Kein Lusthauch wehrt den glühenden Geschossen
Es schwirrt die Biene nur mit trägem Flügel.
So liebevoll und rastlos im Verschwenden,
Gebiert Natur und zeitigt ihre Kinder,
Bis sie den Gipfel ihres Seins vollenden.
O daß doch sie, die uns'res Wirkens Meister,
Uns achteten für minder freche Sünder,
Und ließen frei die kerkermüden Geister!
Herbst
Nicht schmücken Blumen mehr die fahlen Matten,
Nicht hauchen Rosendüfte mehr die Weste,
Ein rauher Nordwind schüttelt derb die Äste,
Und aus dem Grunde liegt ein Blätterschatten.
Du bist ein freundlich Bild dem Lebenssatten,
Der freudig sterben sieht des Lebens Reste,
Und wieder gibt die reiche Frucht das Beste —
Dem heißen Wunsche zärtlich treuer Gatten.
Der Sänger wandelt froh aus öden Gründen,
Ihm hat der Raub der Fluren nichts genommen,
Ihm kann der Tod der Außenwelt nur frommen.
Bald weht der Frühling wieder in den Linden,
Bald kehrt die Nachtigall, die holde, wieder,
Zur Wette klingen dann die neuen Lieder.
Winter
Aus Nebellüften gaukeln lichte Flocken
Hernieder auf die ausgestorbne Fläche,
Vom Eise starren Seen, Flüß' und Bäche
Und alle frischen Lebenskeime stocken.
Da schleicht der Lenz heran auf grünen Socken,
Daß er die Kraft des alten Riesen breche,
Daß er den Mord der tausend Blüten räche,
Und wirft den grimmen Feind mit Blumenglocken.
Wie tröstlich ist's, in winterlichen Schauern,
Und in der Wesen allgemeinem Trauern
Zu wissen, daß ein neuer Frühling grüne;
Doch düster schattet eine Wetterwolke
Verfinsternd über einem ganzen Volke,
Und ohne daß ein Rächer ihm erschiene!
Süße Ahnung
Ich trug im Herzen längst ein stilles Träumen,
Zu finden eine gleichgestimmte Seele,
Die liebend mit der meinen sich vermähle:
Ich fand sie nicht in dieser Erde Räumen!
Da sah ich dich — du kamst nach langem Säumen
Und fühlte — ob's mir fromme, ob's dich quäle,
Unmöglich scheint es, daß ich dir's verhehle, —
Der Liebe Rosenflor im Busen keimen.
Du weißt es gut, du bist die Frühlingssonne,
Die solchen Keim zur Blüte kann entfalten;
Sei nur so freundlich, mild ihn zu bescheinen.
O schon die Ahnung füllt mein Herz mit Wonne,
Und wie mir Lust und Qual die Seele spalten,
Muß ich der Freude süße Tränen weinen!
Liebe
Auch ich empfand in wonniglichen Stunden
Der Liebe tiefgefühlte Seelenfreude;
Die ganze Welt erglänzt' im Frühlingskleide,
Und Tage wurden flüchtige Sekunden.
Von süßen Banden fühlt' ich mich gebunden,
Verschloß mein Ohr der Menschen Haß und Neide,
Und wähnte, daß mein Lieb und ich, wir beide
Des Lebens Glück alleinig nur empfunden.
Da streute Groll und Zwietracht bösen Samen,
Und mächtig lösten sich die festen Schlingen,
Die uns so selig froh verbunden hatten.
Wir löschten aus im Herzen unsre Namen,
Die Pfänder tauschend, die wir einst empfingen,
Und wurden Feinde statt beglückte Gatten.
Haß
So trank ich denn den Haß in durst'gen Zügen,
Bis sie geleert die bittersüße Schale,
Nur sinnend wie ich solchen Frevel zahle,
Nicht konnte mir so Wort als Tat genügen.
Von nun an, mocht' ich mich in Träumen wiegen,
Mocht' ich beschienen sein vom Sonnenstrahle,
Vertilgt' im Geist ich die Erinn'rungsmale,
Damit sie nicht nach einst'ger Liebe frügen.
Umsonst erblühten lachende Gefilde,
Umsonst erglänzten nächtlich tausend Sonnen,
Mein Haß, er sah nur schauerliche Wüsten.
Den Teufel wittert ich im Menschenbilde,
Und Gift und Molch im klaren Lebensbronnen —
Gelandet halt' ich an der Hölle Küsten.
Versöhnung
Mein Lebenskahn, schon drohend nah dem Scheitern,
Er senkt des Glückes Anker in die Fluten,
Die Reu' erklimmt mit Händen, welche bluten,
Der letzten Hoffnung schwanke Rettungsleitern.
Es hilft der Himmel unverdroß'nen Streitern,
Der Tau der Wehmut dämpft des Hasses Gluten,
Der Bruder trinkt den Bruderkuß des Guten,
Das Auge sieht die Gegend sich erheitern.
Und wie des Irrwahns Nebel nun zerstoben,
So schaut der Blick bis an der Berge Grenzen
Ein herrlich Land die Sonne überglänzen.
Ein Strahl der Weltenliebe zuckt von oben
Aufs halbverkohlte Herz, das sich entzündet
Zu jener Glut, die alle Wesen bindet.
Metamorphose
Ein Kind verließ ich einst im zarten Alter,
Und sah's als aufgeblühte Rose wieder,
So sprengt die Knospe rasch das sam'tne Mieder,
Die Puppe so der schöne Frühlingsfalter.
Da wird zum Mißton jedes Lobes Psalter;
Denn von dem Scheitel bis zur Ferse nieder
Der Anmut Reiz umflutet ihre Glieder —
Sei dir der Himmel deiner Ruh' Erhalter!
Aus Unschuldsmienen spricht die reinste Güte,
Indes dich Laune, Geist und Witz entzücken —
Es ist vorbei, dies Wesen mußt du lieben!
Und nun? Was weiter? Bist du nicht geblieben,
Dich an dem Zauber labend? — Gott behüte!
Ich lief davon und ließ mich nimmer blicken.
Henriette
1
Als jüngst mein Aug' erblickte Henrietten,
Da wurden locker der Besinnung Quadern,
Glutströme quollen rings durch meine Adern,
So wie sie qualmen in des Ätna Betten.
Wer schmachten dürft' in ihren Blumenketten,
Er sollte nimmer mit dem Leben hadern;
Von solcher Reize stürmenden Geschwadern
Kann dich, o Freund, nur schnelle Flucht erretten.
Mairosenbeete blüh'n auf ihren Wangen,
Ans deren Grübchen Amoretten scherzen,
Und Nelken glühen aus den frischen Lippen.
O selig, wer von solchem Reiz umfangen,
Vergessend aller Qualen, aller Schmerzen,
Darf weltentrückt der Liebe Nektar nippen!
2
Du bist von jedem Zauberreiz umflossen,
Sowie vom Maienhauch der duft'ge Flieder,
Der Schönheit Wellen fließen auf und nieder,
Von meiner Sehnsucht Flammenblick umschlossen.
Da liegst du, auf das Sofa hingegossen,
Die Lilienkeime sprengen schier dein Mieder;
Die Demantpfeile deiner Augenlider,
Sie haben meiner Ruhe Rest erschossen.
Hinweg aus diesem märchenhaften Kreise,
Wo tausend Qualen durch die Glieder wühlen,
Hinaus ins Freie, wo die Sterne leuchten.
Durchirrend ferner Fluren Furchengleise,
Will ich in Feld und Wald, den nebelfeuchten,
Der Sinne wilde Lavagluten kühlen.
In's Stammbuch meines
Freundes A. o. E.
Salzburg
Kennst du diese Blumenfluren,
Uns'rer Jugend Aufenthalt,
Diesen Teich, den wir befuhren,
Diesen schattenreichen Wald?
Hier des Gaisbergs sanfter Hügel,
Dort des Göhls erhab'ner Thron,
Und im glatten Wellenspiegel
Das geliebte Leopoldskron!
Als wir manchen Winterabend
Glitten auf kristall'ner Bahn,
Und in Sommernächten labend
Schaukelten auf leichtem Kahn,
Schwankten Tausend' von Entwürfen
Vor dem jugendtrunk'nen Sinn,
Ach, uns quälte kein Bedürfen,
Denn die Stunde war Gewinn.
Jene kindlichen Gefühle
Gibt uns keine Zeit zurück,
Und im dumpfen Weltgewühle
Findest du kein stilles Glück.
Steige d'rum mit ernstem Streben
In des Busens Heiligtum,
Und es blühe dir im Leben
Innerlich Elysium.
Wie des Himmels reinste Bläue
Schließet diese Gegend ein,
So umschwebe sonder Reue
Dich das Dasein mild und rein,
Und gleich jenen Bergkolossen,
Wurzelnd in der Erde Mark,
Halte Liebe uns umschlossen,
Unvergänglich, fromm und stark.
An gewisse Reimer
Verschen mit den gleichen Strophen,
Wo ihr sprecht von Zärtlichkeit,
Da ist leider nichts zu hoffen,
Als Verlust der lieben Zeit.
Worte gebt ihr statt Gedanken,
Einbildung statt Phantasie,
Dürre Blätter an den Ranken,
Wo der Frühling grünte nie.
Und ihr glaubt, uns zu betören
Mit der Phrasen leeren Schall?
Glaubt, daß euren Krähenchören
Frösche lauschen überall?!
Von der Dichtung Geist und Zauber
Ward euch nie ein Teilchen nur,
Und so bleibt ihr Silbenklauber
Reimend Flur, Spur und Natur.
Meinem Freunde
Wir lebten bitt're Stunden, heit're Tage,
Und teilten redlich Glück und harten Frost;
Die Träne ward uns zur melod'schen Klage,
Der Muse Zweiklang gab uns süßen Trost.
Du weißt, ich habe nie um schnöde Güter
Der Göttin reinen Tempeldienst verhöhnt,
Und, auch im Mißgeschick der Ehre Hüter,
Still schaffend mit dem Leben mich versöhnt.
Und dennoch ward um Lust an Spott und Lüge
Der gute Name dir des Freundes feil;
Doch sei gewiß, nicht braucht es meiner Rüge,
Dich selber trifft der abgeprallte Pfeil.
Ich folgte dir durch Berg und Fluren heiter,
Mich wärmte deiner geist'gen Sonne Schein;
Im Dickicht bin ich nimmer dein Begleiter,
Da wandle du nur immerhin allein.
Nicht will ich grollen dir, dich nur bedauern,
Daß du die Treue opferst einem Scherz,
Und in der tiefsten Seele muß ich trauern,
Weil ich gewähnt, du hättest auch ein Herz.
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