weiter

 

Des Barden Lippe, bleich und bang
Tönt wunderbaren Märchensang;
Wir horchen still und grauserfüllt,
Erkennen oft das eig'ne Bild.

 


Episch-Lyrische-Blüten

 

Der König und sein Hofnarr
Der stumme Sänger
Aus!
Meister Schreiner
Die Wahl
Fabricius Colloredo
Liebe und Vaterland
Neueste Romantik
Die harrenden Eltern und ihr Sohn
Sir Kenneth
Die gefräßigen Richter
Leiche eines Armen
Der kranke Feldherr

 
Der Karthäuser
Der sächsische Professor
Der Invalide und sein General
Das Göttermahl
Der stille Gruß
An meine Lieder

 

Der König und sein Hofnarr

Zu seinem Hofnarr'n sprach der gut gelaunte König:
"Lord Schellenkappe, horch! Du sollst zum Zeitvertreib
Uns lösen ein Problem. — Sag an, wie heißt das Ding:
Für Einen ist's zu viel, für Mehrere zu wenig?" —
Und
stante pede spricht der närr'sche Kämmerling:
" 'S ist ja ein Rätsel nur! Das lose Ding — heißt Weib."


Der stumme Sänger

Es zog ein Sänger aus fernem Land,
Die treue Zither in seiner Hand,
Es schwamm in seinem genäßten Blick
Die alte Mähr vom verlor'nen Glück.

Er zieht die Höhen hinauf, hinab,
Vorbei an manchem ersehnten Grab,
Er zieht dem schweigsamen Meere zu,
Und findet selber doch nirgends Ruh'!

Schon fällt das Laub vom gestorb'nen Baum,
Schon seufzt der Wind durch den kalten Raum,
Da kommt's dem Sänger so bänglich für,
Als müßt sein Herz ihm erfrieren schier!

Und wie der Krampf seine Brust beengt,
Die Zither auf's dürre Gezweig' er hängt,
Und setzt sich stumm auf das Moosgestein,
Und hüllt sich tief in den Mantel ein.

Und schaut hinaus mit dem düstern Groll,
Ins ferne Land, wo sein Glück zerscholl;
Und schaut hinaus in das Abendrot, —
So fand die kommende Nacht ihn tot! —

Und wie der traurige Vollmond scheint
Und bleiche Strahlen hernieder weint,
Da schlägt der Wind an die Saiten bang,
Und spielt ihm leise den Grabgesang.

Und spielt so sanft und beweglich-sacht',
Als gäb's ihm leise noch gute Nacht,
Und rauscht urplötzlich wie Donner hin,
Als grolle dumpf der Vergeltungssinn.

Was nie der Sänger der Welt vertraut,
Wird nun in schmerzlichen Tönen laut,
Es weint so bitter und seufzt und klagt,
Bis still der tröstende Morgen tagt.

Da lag die Zither verhallt — entzwei,
Ihr letzter Ton war ein Schmerzensschrei;
Ein bleiches Lächeln des Sängers spricht:
"Nach Jenseits reichen die Klagen nicht!"

Aus!

Hold geschmückt die Lockenhaare
Mit dem keuschen Myrtenkranz,
Steht verschämt am Hochaltare
Eine Braut im Strahlenglanz;

Und mit pochendem Verlangen
Blickt der Bräutigam auf sie;
Ach! es glüht auf seinen Wangen
All' der Liebe Poesie.

Sanft gerührt in heil'gen Wonnen
Kniet der Frauen frommer Kreis,
Wie ein Himmel voll Madonnen,
Im Gebete mild und heiß.

Nur im Dunkel einer Ecke
Steht ein fremder, bleicher Mann,
Daß kein Fröhlicher erschrecke
Blickt er den Verstörten an.

Daß kein Mensch die Seufzer höre
Ob des Herzens Mißgeschick,
Daß den heil'gen Akt nicht störe
Sein verweinter, starrer Blick.

Jetzo bebt aus zartem Munde
Still des Jaworts süßes Band,
Und zum ewig treuen Bunde
Fasset sich die warme Hand.

Doch als sie das Ja gesprochen,
Seufzt auch Jener sterbend "Ja!"
Lautlos war sein Herz gebrochen —
Eine Leiche lag er da!

Meister Schreiner

Was pocht es in der Werkstatt d'rin
So fröhlich und voll Lust?
Des Meisters Schreiner froher Sinn
Ertönt aus starker Brust.

Die schlichte Wiege, schmuck und nett,
Schafft er beim frommen Lied,
Des süßen Kindes Rosenbett,
Das erste Schmerzgebiet! —

"Mein Kind! mein Kind! schlaf sanft und süß,
Schlaf mild und kummerlos!
Des Schlummers gold'nes Paradies
Nehm' Dich in seinen Schoß!"

Was hämmert es so hell und laut
Am früh'sten Morgen schon?
Ein saub'res Eh'bett wird gebaut
Für Meister Schreiners Sohn.

Wie lacht des Meisters Himmelsblick
Still hin bei seinem Sang!
Er fertigt wohl ein Meisterstück;
Ihm ist so freudig bang.

Was hallt der Hammer dumpf und hohl
Im langen tiefen Schlag?
Die düstre Arbeit fördert wohl
Nichts Lustiges zu Tag!

Die Tränen, die der Meister barg,
Sie fließen mild und lind;
Er zimmert einen schwarzen Sarg
Für sein geliebtes Kind!

Die Wahl

Drei Jünglinge zogen vom Vaterhaus
Voll Wissen und Leben, zur Fremd' hinaus;
Ein Jeder doch trug in der warmen Brust
Den heimlichen Wunsch nach eig'ner Lust.

Den Einen gelüstet nach Band und Stern
Der Andere wär' ein Nabob gern,
Den Dritten mit seinem freien Sinn,
Den zog es zum Lied' und Gesange hin.

Und als dahin schwand so manches Jahr
Da war der Erste Minister gar,
Den Zweiten umstrahlte das Gold ringsum,
Den Dritten verklärte des Dichters Ruhm.

Drob gönnte Minister und Nabob kaum
Dem Dichter in hoher Erinn'rung Raum,
Vergaßen in Hochmut und Eitelkeit
Der seligen schönen Jugendzeit.

So schwand ihr Leben von Lust gewürzt,
Als jäh den Minister Kabale stürzt
Und still des Kummers gewalt'ge Last,
Den kräftigen Mann zum Greis erblaßt.

Der Krösus verlor mit bitterem Mut
Im Kriegesgewühle sein Hab' und Gut;
Der Sänger mit seinem Ruhm allein,
Der nennt noch immer das Alte sein.

Und singet sein Liedchen bekränzt, geehrt,
Und zaubert zum Himmel den kleinen Herd,
Und schläft in seiner Hütte so süß,
Als träum' er vom ewigen Paradies.

Fabricius Colloredo

Schön, wie Ganymed, der holde,
Stand im blanken Schmuck und Golde
Vor des Kaisers Rudolf Thron
Colloredo's edler Sohn.

Von der weißen Stirne Adel
Strahlt die Hoheit ohne Tadel,
Und im freundlich schönen Blick
Ruht das gold'ne Jugendglück.

Cosmus wählte ihn, der Zweite,
Dem er stand als Page zur Seite
In Italiens Paradies,
Zum Gesandten Medicis.

"Sprich, Fabricius, Du Ritter,
Den nicht adelt Sporn und Flitter,
Der im Herzen, schön und mild
Trägt der wahren Tugend Bild! —

Sprich, Du Prinz von edlen Banden
Aus des schönen Friauls Landen,
Sprich von ferner Zone her,
Was ist Deines Herrn Begehr?"

Und Fabricius voll Demut
Beugt das Knie mit stiller Wehmut,
Die verklärt sein Angesicht,
Und beginnet einfach schlicht:

"Wahrlich, Herr, nicht ohne Zagen,
Drängt es mich, Euch vorzutragen,
Eh' ich folge Herrn-Gebot —
Eines armen Weibes Not!

Auf dem Weg vor Euern Toren
Hat der Himmel mich erkoren,
Fürzusprechen mildes Wort
Als des Unglücks treuer Hort!

Eine Frau ist's, gramverstöret,
Deren Gatte ist entehret,
Und für frevelhaften Mut,
In des Kerkers Tiefe ruht.

Dieses Weib voll Leid und Schmerzen
Fand den Weg zu meinem Herzen,
Durch des tiefsten Kummers Gram,
Der ihr Glück und Freude nahm.

Stillt des Unglücks heiße Tränen,
Hört des Jammers dumpfes Stöhnen,
Für Verirrung nehmt, was schlecht,
Gebt, mein Kaiser! Gnad' für Recht!"

Und mit ernstgefurchten Mienen,
Die erst strafend-finster schienen,
Rufet Habsburg's großer Sohn:
"Führt das Weib vor meinen Thron!

Ist der Sühnung Last zu schlichten,
Will ich mild und gnädig richten!"
Drauf mit lächelndem Gesicht
Rudolf zum Gesandten spricht:

"Da Du so in zarter Jugend
Rein bewahrst der Ahnen Tugend,
Und in weicher Seele drin
Trägst des Mitleids schönen Sinn —

Sei mir noch einmal willkommen!
Hast mein Herz Dir eingenommen,
Und zum schönen Freundesband
Reicht ein Kaiser Dir die Hand!" —

Manche Sonne glänzt und sinket;
Colloredo's Stern erblinket,
Noch wie vor im Enkelsohn'
An des Ersten Kaisers Thron.

Liebe und Vaterland

Warum steht der Jüngling traurig
Vor dem Mädchen, mild und schön?
Ach! ihm ist so bang und schaurig,
Weil er muß von dannen geh'n.

Denn das Vaterland zu retten
Rufet ihn der Kriegsgesang,
Horch! es dröhnen die Drommetten
Schon das Schlachtgefild' entlang.

Mit dem kaum gebornen Tage
Heißt es scheiden, wehmutsvoll,
Keine Träne, keine Klage
Fließet ihm zum Lebewohl!

"Laß uns, Liebchen, zärtlich scheiden! —
Doch Du blickst so starr und kalt!
Kennst Du nicht der Trennung Leiden
Und der Sehnsucht Allgewalt?

Hast wohl nie für mich, den Armen,
Wahrer Liebe Glut gefühlt?
Kann dein Herz denn nicht erwarmen,
Du geliebtes Marmorbild?"

Also seufzt er leise klagend
Mit verstörtem Angesicht;
Und aus seinem Aug' verzagend
Eine helle Träne bricht.

Zürnend spricht sie, doch gelassen:
"Welche Pflicht ist's die gebeut,
Das Geliebte zu verlassen
Jemals und in Ewigkeit?

Was ich liebe, ist mein Himmel,
Alles and're Täuschung nur!
Schwur's beim lichten Sterngewimmel,
Und kein Gott lös't meinen Schwur!

Hast Du da nicht mitgeschworen
In der einsam-stillen Nacht?
Und nun fliehst Du zu den Toren
In die blut'ge Menschenschlacht?"

Und der Jüngling sieht entschweben
Schmerzlich seinen schönsten Traum,
Stürzt hinaus in's Schlachtenleben,
Gönnt nicht süßer Liebe Raum!

Dringt hinein mit tollen Scharen
In der Feinde wilde Flut,
Kraftlos fliehen die Barbaren —
Doch es gilt sein eigen Blut.

Sinkend krönt man ihn als Sieger,
Dankt ihm laut des Tages Glück;
Trägt den ruhmbekränzten Krieger
Jubelnd in die Stadt zurück.

Und als still ein milder Schlummer
Unsern Helden überflog,
Und ihm all' des Lebens Kummer
Schmeichelnd aus dem Busen zog —

Ach! da fühlt er plötzlich glühend
Seinen bleichen Mund gepreßt,
Und die Wange, still verblühend,
Von des Schmerzes Flut genäßt.

Und mit krampfhaft wildem Zagen
Fühlt er liebend sich umfaßt,
Fühlt ein Herz an seinem schlagen
Ohne Ruhe, ohne Rast.

"O vergib!" so schluchzt es leise,
"O vergib der Liebe Zwist,
Der Du auf der letzten Reise
Edler, als ich Arme, bist!"

"Ja, nun fühl' ich's: schön und selig
Ist der Tod für's Vaterland! —
Und die Götter reichen fröhlich
Einem Sieger ihre Hand!"

Neueste Romantik

Es guckt ein Finkchen wohlgemut,
Aus frischem Grün hervor,
Und aus dem Kehlchen, schlecht und gut,
Erschallt sein Lied empor.

Bald summst es, wie wenn Fasching ist,
Ein Walzerstrich von Strauß,
Bald trillert es, wie Ernst und Liszt,
Ein Pizziccato draus.

Daneben Philomele sitzt,
Mit bleichem Angesicht,
Und rümpft das Schnäblein, fein gespitzt,
Und ärgert sich und spricht:

"Wie kann man nur solch' dummes Zeug
Hinkreischen in den Tag,
Daß sich aus derlei Liederteig
Kein Mensch was kneten mag!

Wer nicht hochlyrisch flöten kann
Von Beinhaus, Mord und Tod,
Von Meineid, Gift und Sensenmann,
Verbot'ner Liebe Not, —

Und von den Glöcklein, Ringlein fein
Und Blümlein und so fort,
Der kann kein rechter Sänger sein,
Der weiß von Ruhm kein Wort."

Darauf mein Finkchen: "Flöte Du,
Wie's Deinem Ruhme frommt,
Doch laß mir meinen Sang in Ruh',
Weil er vom Herzen kommt!"

Die harrenden Eltern und ihr Sohn
(Nach einem Bilde)

Betau't von süßen Muttertränen
Schied er vom ländlich-stillen Haus,
Ihn zog ein gar gewaltig Sehnen
In die verworf'ne Welt hinaus.
"So zieh' denn Deinem Glück entgegen!"
Sprach zitternd noch der Vatergreis,
Berührt sein Haupt zum stillen Segen
Und neigt das eig'ne, silberweiß.

Der stürmt hinaus in's wilde Leben,
Vergißt gar bald das teure Paar;
Denn Freud' und Lust sein Herz umschweben,
Und die "Tendenz" wird ihm nun klar.
Es lehren ihn die Lustgesellen
Wie klingend Gold "magnetisch" ist,
Und keine Schierlingslippen schwellen,
Die der Betrog'ne nicht geküßt.

Er sucht der "Weisheit Theorien"
Im Weine, der die Wahrheit spricht,
Und pflegt die "Wurzel auszuziehen"
Wenn ihn die Lust zum Lotto sticht.
Darauf studiert er flugs die "Rechte,"
Um doch das Falsche recht zu tun,
Bis jäh' der Sensenmann, der echte,
Heißt ihn vom vielen Lernen ruhn.

Schon hört man sanft den Herbstwind klagen,
Da sitzt das Elternpaar so bang,
Und sieht hinaus mit stummem Zagen
Die Straße, die er ging, entlang; —
Sie schauen sich die Augen müde,
Sie nehmen weder Speis noch Trank,
Weil ihres Hauses frommer Friede
Mit seinem Geh'n zu Grabe sank.

Schon welken bleich die kalten Wangen,
Schon stirbt der Augen matter Glanz,
Da ruft noch einmal voll Verlangen
Die Mutter ihren armen Franz,
Drauf reichen sie sich still die Hände,
Und schlummern bitter-seufzend ein; —
Es traf den Sohn ein frühes Ende,
Weil ihm der Heimat Glück zu klein.

Sir Kenneth

                        I.

Sir Kenneth steht voll kühnem Mut —
Ein Ritter ohne Zagen,
Mit starkem Schwert, mit jungem Blut
Ein Meisterstück zu wagen,
Vor Richards Thron, den Löwenherz
Die Chronikschreiber nennen,
Und fühlt die Seele himmelwärts
Zur Tatenlust entbrennen.

"So zieh' mit Gott! — auf jenen Höh'n
Siehst Du bei fahlen Blitzen
Des alten Englands Banner steh'n;
Zwar liegen wir in Freundes Bund
Vor Palästina's Mauern,
Doch merken wir im Herzensgrund
Verrat und Tücke lauern!

"Denn sieh', es neiden unsre Macht
Die Deutschen und die Franken,
Seit in der letzten Britenschlacht
So viel der Feinde sanken;
Sie streben unser Wappenschild
Von jenen Höh'n zu drängen,
D'rob möge Gottes Donner wild
Sein Strafgericht verhängen."

Und wie der König also droht,
Da kracht mit dumpfen Schlägen
Der Wolken Nacht und blutigrot
Die Blitze d'rein sich legen;
Sir Kenneth's Hund, das treue Tier
Spitzt fein die strupp'gen Ohren,
Es ging von Richards Worten schier
Nicht Eines ihm verloren!

Und jetzo sanft der König winkt,
Sir Kenneth eilt von hinnen,
Im Feuer-Strahl sein Panzer blinkt,
Doch loher flammt es drinnen;
Er schreitet kühn den Fels hinan —
Der Hund folgt seinen Tritten,
Dort wacht der junge Rittersmann
Beim Siegesglanz der Briten.

Kalt saust der Sturm in dunkler Höh'
Aus schweren Wolkensäumen,
Es zieht durch Kenneth's Brust, so weh',
Ein Bild voll bangen Träumen,
Läßt gaukelnd-süß um seinen Blick
All' die Gefahr entschweben;
An Edith denkt sein Herz zurück,
An all' sein Glück und Leben.

Wie schweigt die Nacht so lautlos-stumm,
Vom Donner nur durchdröhnet,
Aus fernem Lager ringsherum
Der wilde Wachruf stöhnet; —
Da hüllt in seinen Mantel tief
Sir Kenneth Mut und Liebe —
Bis endlich sanft sein Aug' entschlief,
Vom Spähen matt und trübe.

Nicht so der Dogge treuer Sinn,
Die schaut mit Feuerblicken
Scharf horchend, in die Nächte hin,
Zum Kampf sich anzuschicken;
Und ob auch lautlos-stumm die Nacht,
Doch hört die feine Dogge
Ein Summen, das im Tal verflacht,
Wie ferne Sturmes-Glocke.

Und höher wogt und höher braus't
Ein Lärmen, wüst und kreischend,
Bis wieder wild die Windsbraut haus't,
Mit lautem Toben täuschend.
Und ehe noch die Dogge weckt
Den Herrn mit lautem Bellen,
Liegt schon die Treue hingestreckt
Vom Pfeile der Rebellen.

Noch ringt, erwacht vom süßen Traum
Sir Kenneth, sich zu decken,
Da wankt sein Fuß an Felsensaum —
Ihn birgt die Nacht mit Schrecken.
Frech stürzt man Englands Heiligtum,
Läßt fremde Banner wehen,
Und pflanzt so schlecht erworb'nen Ruhm
Auf die errung'nen Höhen.

                     II.

Im gold'nen Zelt der König sitzt —
Die Wangen sind erblichen —
Und in das Aug', das zürnend blitzt,
Hat Kummer sich geschlichen,
An seines Herzens matter'm Schlag
Fühlt er des Lebens Schwäche;
Er fühlt, es nahe bald der Tag,
Der ihm sein Herz zerbreche.

Allein noch strahlt die Sonne mild
Hin über Richards Krone,
Noch sitzt der Löwe ruhmerfüllt
Auf Englands altem Throne; —
Noch schlägt das Herz, das große Herz,
Dem Unglück stolz entgegen,
Es kann sein Aug' der tiefste Schmerz
Zur Träne nicht bewegen.

Wohl hatte trüber Zwietracht Groll
Den Frieden längst gespalten,
Und Neid und Hader tückevoll
Sah man im Lager walten;
Da beugt der nächt'gen Schande Fleck
Den kranken König nieder;
Doch plötzlich aus dem jähen Schreck
Erhob sein Stolz sich wieder.

"Herbei, Ihr Edlen meines Reichs,
Ihr Lords und Edelmannen!
Mein kranker Mund verkündet Euch's:
Der Leu weicht nicht von dannen!
Und läg' mein Haupt am Totenbett'
Und wär' mein Herz gebrochen,
Gezüchtigt werde das Gespött' —
Die Schande sei gerochen!"

Und Wer mir jenen Buben schafft —
Sei's Leiche, sei's lebendig,
Der uns're Banner hingerafft,
Dem heft' ich eigenhändig
Mein golden' Bildnis an die Brust,
Will ihn zum Grafen weihen,
Will mich mit königlicher Lust
Des Rachedankes freuen!"

Des Königs Wort lief schnell umher,
Drang selbst zu Kenneths Kunde,
Der lag an tiefen Wunden schwer
Daheim mit seinem Hunde.
Es hat im Fall den Ritter treu
Ein starker Ast ergriffen,
Und an der Dogge Herz vorbei
War scharf der Pfeil gepfiffen.

Da brennet Zorn und Schamgefühl
Auf unsers Jünglings Wangen,
Edithens Lohn, sein schönstes Ziel,
War schmachvoll ihm entgangen;
Sein König selber, tief gekränkt,
Hat ihm — obschon vergeben —
Doch bitt'res Gift hineingesenkt
In sein entehrtes Leben.

Kaum war der Wunden Zahl geheilt,
Als Kenneth sonder Zagen
Mit Hast vor König Richard eilt,
Ein bittend Wort zu wagen:
"Mein König! so Du mir erlaubst
Der Franken Heer zu schauen,
Will ich, ob Du's auch nimmer glaubst,
Den Täter Dir vertrauen."

Darauf der König mild versetzt:
"So folge meinem Trosse!
Zur Heerschau reit' ich eben jetzt
Als Krieges-Bundsgenosse;
Und wenn Du hältst, was Du gesagt,
Will ich Dich so belohnen,
Als hätt'st Du einen Sieg gewagt,
Zum Ruhme unsrer Kronen!"

Es strahlt im Schein der Morgenglut
Der Waffen blanke Menge,
Sir Kenneths Pferd im Übermut
Bricht mitten durch's Gedränge.
Hell klinget der Trompeten Schwall
Zum kriegerischen Spiele,
In Kenneth's Busen weckt der Schall
Hochwogende Gefühle.

Und wie das Heer der Franken laut
Mit Musik zieht und Flitter,
Des Ritters treue Dogge schaut
Still knurrend jeden Ritter; —
Jetzt wütend heult sie himmelan —
Vergißt die wunden Glieder,
Springt auf und reißet einen Mann
Vom stolzen Rosse nieder!

Sie hält ihn wilden Grimmes fest,
Und fletscht die scharfen Zähne,
Daß all' sein Mut den Buben läßt
Und schlaff wird jede Sehne; —
Sir Kenneth aber zornentbrannt
Schwingt sich behend vom Pferde,
Und ruft: "So tilge Gottes Hand
Den Schurken von der Erde!"

Rasch sieht man Kenneth's blanken Stahl
Im Sonnenglanze schweben,
Da fleht der Wicht mit einem Mal
Bekennend um sein Leben;
Gedungen hatte ihn der Neid
Mit einem Troß von Buben,
Daß sie Alt-Englands Herrlichkeit
Mit Schande untergruben.

Da blickt der kranke König mild,
Sein Busen wölbt sich voller,
Er hängt sein eigen Heldenbild
Sir Kenneth um den Koller.
Der trägt jedoch voll Lieb' und Schmerz
Ein anderes tief drinnen,
Das mehr als Richard Löwenherz
Ihn lohnt mit süßem Minnen.

Die gefräßigen Richter
(Eine Fabel)

Im grünumsäumten Tal, am Silberbache,
Hielt der Verein der Tiere Hochgericht;
Wohl lenkte manchen Spruch Kabal' und Rache,
Und Neid und Zorn durchglüht die heft'ge Sprache,
Doch fehlt es auch an wackern Räten nicht.

Der schlaue Fuchs warf den verblüfften Richtern
Ein Perlendiadem zum Urteil hin; —
Stumm saßen sie mit gräulichen Gesichtern,
Und überlegte lange, streng und nüchtern,
Eh' sie den Ausspruch wagten — ohne Sinn.

Ganz schnippisch hub das Mäuschen an, zu pfeifen:
"Recht hübsche Erbsen sind's ich will's gesteh'n" —
(Hier fing es an die Perlen zu begreifen,
Und wiegt den Kopf, den dicken, dummheitssteifen)
"Doch däucht mir, hab' ich schön're schon gesehn!"

"Kennst du denn Tränen nicht?" rief sanft die Taube, —
"Die Tränen, die getäuschte Liebe weint?
Es ist ein Bild des Schmerzes, wie ich glaube,
Es ist die Ahnung von dem ird'schen Staube,
Der Lieb und Lust im stillen Grabe eint!"

"Giftbeeren sind's!" — krächzt lachend die Hyäne; —
Für Distelköpfe hielts der Esel Schar; —
Der Löwe schüttelt stolz die Mähne
Und ruft in Ruhe: "Wie ich wähne,
Sind's Perlen und recht zierliche fürwahr!"

Zuletzt kam die Kritik gar an die Schweine,
Die grunzten: "Fuchs, was bist Du für ein Tor!
Hast solchen Schatz und frißt nicht selbst das Deine!"
Drauf schluckten sie die Perlen und die Steine. —
So geht's, wirft man den Schweinen Perlen vor.

Leiche eines Armen

Sie trugen einen Mann hinaus,
Kein Mensch folgt seiner Bahre;
Bescheiden ruht im Bretterhaus'
Das Leiden vieler Jahre.

Sie trugen ihn ganz still allein,
Und gingen, wie sie kamen;
Man setzt ihm keinen Leichenstein,
Vergißt des Armen Namen.

"Was hatt' er denn für Stand und Rang,"
— So hör' ich staunend fragen —
"Daß nicht in langem Trauergang
Die Zünfte ihn beklagen?"

Den allerschönsten Rang fürwahr!
Er war ein Mensch, ein reiner,
Und doch folgt seiner schwarzen Bahr'
Von Millionen — Keiner!

Der kranke Feldherr

Von Krankheit schwer gebettet ein Greis darniederliegt,
So ruht der Leu gekettet, den sonst kein Feind besiegt,
So ruht ein Held, bezwungen, wenn ihn das Alter ruft,
So ruht ein Fürst, umrungen von süßem Lorbeerduft.

Und weil die Kraft gesunken in seiner Heldenhand,
Womit er ruhmestrunken gesiegt für's Vaterland,
So schafft trotz aller Plage ihn wieder kraftvoll-jung
Der Trost der alten Tage, die Fee: Erinnerung!

Es zieht vor seinen Blicken vorüber Schlacht an Schlacht,
Er weilet mit Entzücken auf Österreichs Heeresmacht,
Und Österreichs Glanz im Kriege; — da fällts dem Greise bei,
Daß von dem schönsten Siege heut' eben Jahr'stag sei, —

Und das vom Kaiserhause ein Prinz den Sieg errang;
Noch tönt ihm Kriegsgebrause in's Ohr mit Donnerklang,
Er sieht den Prinzen reiten im wilden Pulverdampf.
An dessen Seite streiten sich selbst im blut'gen Kampf.

Da ragt sich hohe Freude in seiner Heldenbrust,
Ob auch der Körper leide; das Herz füllt süße Lust;
Er ruft den Adjutanten zu seinem Lager hin,
Die greisen Wangen brannten voll hochentflammten Sinn.

Und spricht mit freud'gem Beben: "Bring Ihm des Greisen Gruß,
Der Prinz mög' mir vergeben, daß ich hier liegen muß.
Es mög' der Himmel lenken auf Ihn des Segens Glück,
Er wolle mein gedenken aus altem Kriegsgeschick!"

Der sprenget rasch von dannen mit seines Feldherrn Wort,
Den Altersleiden bannen so still an Einem Ort;
Und als der Greis noch sinnet daheim im Kämmerlein
Und frische Lust gewinnet, ein Schlachtenheld zu sein:

Da öffnet sich ganz leise die Tür' — und still erfreut
Tritt zu dem edlen Greise der Prinz im Bürgerkleid,
Und naht, ein Herzenssieger, und lächelt sanft, und spricht:
"Mein Kamerad' und Krieger! mein Herz vergaß Dich nicht!"


Und öffnet seine Arme und drückt ihn an sein Herz,
Dem sprengt die Brust, die warme, der freud'gen Rührung Schmerz,
Er ruft mit hellen Zähren in seinem Heldenblick:
"Die Welt kann ich entbehren: mir ward das höchste Glück!"

Der Karthäuser
(Nach einem Bilde)

Auf steiler Felsenspitze
Zwei bleiche Mönche steh'n,
Die mit gedrückter Sehnsucht
Hinaus ins Weite seh'n.

Tief unten rauscht gar schaurig
Die alte dunkle See,
Und in den beiden Herzen
Verstummte längst das Weh.

Viel lange düst're Jahre
Entfloh'n den Beiden dort,
Und seit so vielen Jahren
Sprach auch ihr Mund kein Wort.

Der Blick in weiter Ferne
Sieht nichts als Nebelreich,
Und rings am düstern Himmel
Die Wolken zieh'n so bleich.

So seh'n sie stumm und traurig
Dem Steingerölle zu;
Kein Laut, kein lebend Wesen
Stört ihre Todesruh'.

Da bücket sich der Eine
Auf ein Vergißmeinnicht,
Er pflückt die zarte Blume,
Sein Herz in Rührung bricht.

Er reichet sie dem Freunde
Mit bebend-schwacher Hand,
Und aus dem treuen Auge
Sich eine Träne wand.

Er reicht sie ihm mit Zittern,
Es drängt zu sprechen ihn,
Und unter leisem Schluchzen
Ruft er: — "Dahin, Dahin!"

Der sächsische Professor

Ein preußischer Gensd'armes stand jüngst, versunken
In stilles Resumé, ob er nicht durstig sei? —
Wie vielen Schnaps er heute erst getrunken,
Und über — Deutschlands Wohl und Allerlei,
Am Tore von Berlin, und schien sich zu gefallen.
Da rollt mit Lärm und unter Peitschenknallen
Ein Postquarré, ein prächtiges herbei.
Blitzschnell erglüht voll Pflicht der große Denker,
Tritt schleunig vor, befiehlt dem Rosselenker
Zu halten, und verzieht in ein
ragoût méle
Von Würde, Pflichtgefühl,
Sévérité
Und Klugheit sein Gesicht; — ergreift die Feder
Und frägt: "Mit wem hab' ich die Ehre?
Ich bitte um Exküse, daß ich den Paß bejehre,
Alleene doch: jemolden sind muß Jeder!"

Ein hochgelahrter Herr beugt sich hervor,
Besieht sich den Gensd'armes und dann das Tor
Und spricht: "Na nu! die jute Vorsicht lob' ich!
Ich bin der sächsische Professor Globich."
Da schleudert zornentbrannt der Frager seine Blicke
Auf unsern Reisenden, als riß er ihn in Stücke,
Und ruft: "Was sie da globen, kann ich füglich missen,
Ich hoff' — sie werden mich die Zeit nich rooben,
Denn globen, lieber Freund, des heeßt: nich wissen!!"

Der Invalide und sein General
(Nach einer wahren Anekdote)

Es sitzt ein Invalide im milden Sonnenschein,
Sein Haupt erzittert müde, zerschossen ist sein Bein.
So sitzt er still versunken und denkt an eine Schlacht,
Wo er, vom Ruhme trunken, an's Leben nicht gedacht!

Und denkt mit stolzem Lächeln an hohes Siegerglück,
Ihm weht ein Zephirfächeln die alte Zeit zurück,
Und denkt mit freud'gen Beben an seinen General,
Da strömt ihm neues Leben in's Herz mit einem Mal.

Wohl flossen fünfzig Jahre dahin im Zeitenrad,
Längst ruht auf kühler Bahre manch' braver Kamerad,
Längst schwand manch' falscher Schimmer, es fiel manch' Königtum,
Doch herrlich glänzt noch immer sein General, sein Ruhm.

Und wie er also sinnet an eine alte Zeit,
Die nimmermehr verrinnet im Strom der Ewigkeit,
Da naht im schlichten Kleide ein Prinz voll edlem Sinn,
Der trägt die gleiche Freude in seinem Busen d'rin.

Da pocht das Herz des Kriegers, ihm strahlt ein Freudenstern
Beim Anblick seines Siegers, beim Anblick seines Herrn;
Entfloh'n ist alle Klage, ein freudig Morgenlicht:
— Der Ruhm der alten Tage — tüncht rosig sein Gesicht.

Vergessend jede Bürde verläßt er seine Bank,
Und salutiert voll Würde, als wär' er frei und frank,
Als ständ' er, ein Rekrute, im Kugel-Regenguß,
Der Held vom Herrscherblute nickt sanften Gegengruß.

Da fällt vom freud'gen Beben der Stab des Greisen, ach!
Schnell will er ihn erheben, sein Körper ist zu schwach,
Doch schneller hilft dem Müden der Prinz im Schlichtgewand;
Und gibt dem Invaliden die Stütze in die Hand!

Und spricht, so mild belebend: "Hier Alter! Deinen Stock!"
Da flammt es auf erhebend im Invalidenrock;
Es bricht sein Blick in Tränen, d'rin glänzt ein Jubelstrahl,
Er ruft mit Rührungstönen: "Vivat! Mein General!"

Das Göttermahl

Es saßen die Götter beim Mahle,
Süß perlte der Nektarwein;
Da kehrten im himmlischen Saale
Viel fröhliche Zecher ein.

Es nahte die Freundschaft, die reine,
Die Lust und des Witzes Schaum,
Und aus dem blitzendem Weine
Entstieg manch' poetischer Traum!

Die Weisheit im Sternenkleide
Kam mit dem Kunstsinn zu Gast,
Es nahten die Lieb' und die Freude,
Die hielten sich innig gefaßt!

Die feine Satire, verschleiert
Die göttliche Poesie;
Die kühne Romantik, gefeiert,
Der Scherz und die Philosophie.

Sie traten in heiliger Feier
Zum strahlenden Göttertisch,
Es klang manch' fröhliche Leier
Durch ernster Reden Gemisch.

Doch kam's, daß sich lange nicht einte
Der Scherz und die Philosophie,
Und wie die Romantik auch weinte,
Es glaubt's die Satire doch nie.

Da tönt's, wie melodische Klänge
Durch's goldene Himmelshaus,
Und Jedes — mit süßer Bänge
Hält inne beim Götterschmaus —

Und lauscht mit seligem Sehnen
Der sanften Sphären-Musik.
Es netzten irdische Tränen
Der Götter unsterblichen Blick.

Und rosig, wie Aphrodite,
Entstiegen der blendender See,
Erscheint voll lächelnder Güte
Ein Mädchen aus Himmelshöh'!

Es schmückte ein Kranz ihre Haare
Und Palmen hält ihre Hand,
Sie kam vom Friedensaltare, —
Die Eintracht wird sie genannt!

Da fühlt von den fröhlichen Zechern
Ein Jeder begeistert sein Herz,
Und Toaste aus schäumenden Bechern
Erschallen ihr himmelwärts!

Doch als sie beseeligt nun schieden,
Da schlich sich ein Satyr davon,
Verdutzt ob der Götter Frieden,
Und rief voll Schmähsucht und Hohn:

"Da seht mal die Jung's alleweile,
Die dünken sich fröhlich bei Tisch,
Und haben ja nicht pommer'sche Keule
Und nicht eenmal — Heringfisch!"

So gibt es kein seliges Eden,
Woran nicht die Eifersucht nagt, —
Die Götter nur hören nicht Jeden,
Den irdische Schadenlust plagt!

Der stille Gruß

Zwei frische, grünende Linden,
Die steh'n sich zur Seite still;
Sie leben in friedlicher Eintracht,
Entfernt vom Menschengewühl.

Sie stehen so schweigend und sinnig
Und sehen sich freundlich an,
Als wollt' eine Jede sagen:
"Bist mir ein lieber Kumpan!"

Sie grünen mit jedem Frühling
Und treiben Blüten zumal,
Sie leben zu gleicher Freude
Und tragen die gleiche Qual.

Denn wenn der Winter nahet
Mit seinem Stürmegebraus,
Da seufzen die beiden Linden
Ihr Leiden gemeinsam aus.

Doch wie der kosende Zephir
Die duftigen Wipfel durchstreicht,
Da neigen sie sich zu einander
Und küssen sich sanft und leicht.

So steh'n sich oft nahe zwei Herzen,
Zwei fremde, durch geistiges Band;
Nur wenn sie die Muse durchatmet —
Da reichen sie still sich die Hand.

An meine Lieder

Nun zieht hinaus, Ihr meine Lieder,
Dringt herzlich an's verwandte Herz!
Ihr dürft den scheuen Blick nicht senken;
Denn Jeder kennt des Lebens Schmerz.

Denn Jeder kennt des Lebens Kummer,
Und Jeder fühlt den süßen Drang
Nach Lieb' und Lust, Natur und Freiheit,
Nach sanften Tönen und Gesang!

Und könnt Ihr strahlend nicht erringen
Den Tempel der Unsterblichkeit,
So baut Euch liebend doch ein Hüttchen
In meiner Leser Freundlichkeit!