Trost
Es ist das Los der warmen, weichen Seelen,
Vom harten Blick der Welt verkannt zu werden;
Welch' schönes Ziel Dein Herz auch mochte wählen:
Verletzung, — Spott ist all' sein Lohn auf Erden.
Vergeblich ist's, im Frieden hinzuleben,
Es droht die Welt mit Arglist und Gefährden;
Je mehr Dein Sinn still mag nach Ruhe streben,
Schmerzt tiefer nur der Stachel Deine Wunde. —
Und läßt Du kühn die Kummerlast entschweben,
Und fliehst hinaus, wo Dich mit frohem Munde
Die Lerchenwelt lehrt ihrer Freiheit Lieder,
Es kehrt zurück die Sorg' mit Gram im Bunde,
Mit Menschenhauch kehrt Menschentücke wieder!
Weih' keine Träne drum der Kränkung Leiden,
Sie drückt — geseh'n — Dein Herz nur tiefer nieder;
Auch nützt es nicht, den kalten Troß zu meiden;
Um ihn zu fliehn, mußt Du die Welt verlassen.
Es bleibt nur Eins: dran magst Du süß Dich weiden,
Wenn neidentbrannt dich all' die Schwachen hassen:
Empor mit Lust auf jene Welt zu schauen,
Der Friedensdom kann keine Schmerzen fassen;
Sein Sternenlicht durchglüht uns mit Vertrauen.
— So saß ich oft die stillen Sommernächte
Und trank in mich die Lüfte all', die lauen,
Und sah hinauf zum Thron der Schicksalsmächte,
Und weinte sanft im bleichen Mondenscheine.
Und mild, als ob sie Trost des Himmels brächte
Erglänzt die Sternenwelt im dunkeln Haine,
Und blickt so hell und frägt mit ruhigem Schimmer
Mein weichgewordnes Herz, warum es weine?
Dann siegt der Born, ich seufz' und klage nimmer,
Seh' droben ja den ewigstillen Frieden; —
Erbärmlich däucht mir all' der Erde Flimmer
Und wertlos, daß die Herzen sich geschieden,
Erbärmlich all' ihr Hadern und Erbosen.
Dann fühl' ich's tief: das höchste Glück hinieden,
Sei doch allein ein Herz, in sich verschlossen,
Das längst den Traum des äußern Glücks gemieden,
Weil es vom Glück der innern Welt genossen.
Trennung
Besser ist es, daß wir scheiden,
Besser ist's für Dich und mich,
Lieber jähen Tod erleiden,
Als verenden welk und siech!
Hab' ein Straucheln Dir vergeben,
Was Du warst, bist Du mir noch;
Aber ich bin nicht Dein Leben,
Und — gestrauchelt war es doch.
Wenn ich auch mein Leid ertrüge
Bis zum stillen Grabesrand,
Bleibt dein Kuß doch immer Lüge,
Und Gewohnheit unser Band!
Laß die Fesseln uns zerbrechen,
Denn kein Epheu ist Dein Herz!
Jede Täuschung muß sich rächen,
Und am bittersten der Schmerz!
War Dein Flügelpaar gebunden,
Laß es flattern wieder frei,
Will vergessen all' die Stunden
Deiner süßen Heuchelei.
Will vergessen, daß Dein Himmel
Nicht allein der meine war:
Droben über'm Sterngewimmel
Strahlt ein and'rer rein und klar.
Stumme Frage
Ich kenne einen lieben Garten,
Dort grüßt mich jede Rasenbank,
Dort ist's so still, dort ist's so heimlich,
Dort war mein Busen sehnsuchtskrank.
So viel der Sternlein lieblich flimmern,
So viel die Tauflur Perlen eint,
So viel der Küsse ward getauschet,
So viel der Tränen ward geweint.
Und wenn ich jetzt vorüber ziehe,
Läßt mich der Reiz der Rosen kalt,
Weil unter jenen duft'gen Sträuchern
Ein unbekanntes Wesen wallt.
Der alte Mond allein, der bleiche,
Schaut mir in's Auge, sanft bewegt,
Als wollt' er freundlich-staunend fragen,
Warum kein Herz an meinem schlägt?
Nehmt Euch ein Exempel
d'ran!
Du hattest zu kommen versprochen,
Ich sandte zur Ferne den Blick,
Er kehrte, ein trauriger Bote,
Mit stummem Schmerze zurück.
Ich wandelte auf und nieder,
Ich zählte den Lauf der Zeit
Sie brachte statt Wonnen der Liebe
Der Täuschung unsägliches Leid!
So stand ich, allein und verlassen,
Sah' trüb in die lautlose Nacht;
Da hab' ich — zum ersten Male —
Das Wesen der — Liebe bedacht!
Sängers Weltbürgerschaft
Seht die stolze Zeder keimen;
Schaut des Adlers kühnen Flug —
Und Ihr glaubt noch: es sei Trug,
Unser Drang nach jenen Säumen?
Nein! es glüht im Dichterbusen
Ein mild-göttliches Gefühl:
Jene Höhen sind sein Ziel,
Und sein Hoffnungsstrahl — die Musen!
Laßt ein Sängerherz zerschellen,
An des Kummers Felsenriff,
Und es taucht — ein Wunderschiff —
Strahlend wieder aus den Wellen.
Laßt des Bösen ganze Tücke
Morden unsrer Freuden Kranz:
Liebe flicht ihn wieder ganz
Mit dem sühnend-milden Blicke!
Und wenn all' die Bande reißen,
Zieht der Sänger still hinaus
In der Wälder duftig Haus,
Die ihn sanft willkommen heißen; —
Naht, ein treues Kind, und schmieget
Sich an die Natur so warm,
Die mit ihrem Mutterarm
Es in süße Träume wieget;
Lächelt stolz der läst'gen Ketten,
Die des Geistes enge Haft
Selber sich im Menschen schafft,
Und entschläft auf Rosenbetten.
Mag die Welt ihn Träumer schelten,
Sein Beruf ist Himmelsdrang, —
Menschenwürde heißt sein Rang, —
Seine Heimat sind — die Welten!
Trinklied
Trüben dich Sorgen,
Ängstlich und klein,
Schieb' sie auf Morgen,
Freude kehrt ein!
Laß sie entschweben,
Öffne die Brust!
Kurz ist das Leben,
Kurz ist die Lust!
Hat dich das Bübchen
Sträflich geneckt,
Treulos dein Liebchen
And're versteckt:
Laß sie entschweben,
Öffne die Brust!
Kurz ist das Leben,
Kurz ist die Lust!
Lächle, je länger
Tücke dich quält;
Hoch steht der Sänger
Über der Welt!
Laß sie entschweben,
Öffne die Brust!
Kurz ist das Leben,
Kurz ist die Lust!
Winken die Höhen,
Zage nicht Herz!
Sterbend vergehen
Leiden und Schmerz!
Laß sie entschweben,
Öffne die Brust!
Jenseits ist Leben, —
Jenseits ist Lust!
Mein Kindlein
Ich trag' in meines Busens Schacht
Ein Kindlein, nackt und arm,
Das bald wie süße Liebe lacht,
Bald weint, wie bitt'rer Harm.
Es freut sich schuldlos-inniglich,
Wie klein der Schmerz auch sei;
Nur tief verletzt, verbirgt es sich,
Und schmollt in Schmerz und Scheu.
Starrsinnig ist es freilich oft, —
Man weiß, wie Kinder sind. —
Doch wechselt es ganz unverhofft
Die Laune mit dem Wind.
Wie auch der Jahre Lenz verweht,
Bleibt ewig Freud' und Schmerz;
Und wenn der Greis zu Grabe geht;
Blüht jugendlich — sein Herz.
Es fühlt im nahen Tode noch
Die Kraft zu Lieb' und Lust,
Möcht' sprengen gern sein düst'res Joch,
Die lebensmatte Brust.
Ich schließe dich mit Liebe ein,
Mein Kindlein, rosenrot!
Du sollst mein milder Führer sein
In Freude und in Not!
Und fändest du im Weltgewühl
Kein treugeknüpftes Band,
So reisen wir allein und still
In jenes dunkle Land.
Will dich verwahren kummervoll
Vor Sturm und kaltem Frost,
Dann bleibt zum letzten Lebewohl
Dein reiner Sinn mein Trost!
Hochverrat
Grolle zehnmal des Tages mit deiner Geliebten, noch eh' der
Freundliche Hesperus winkt, eint die Versöhnung Euch doch.
Treibe der Eifersucht Spiel: sie verzeiht Dir. — Lohne mit
Untreu',
Was die Treue Dir gab: ach! sie verzeiht auch das.
Läst're des Liebchens Gestalt — doch halt! das ist Hochverrat.
Diesen rächet das Mädchen gewiß; diesen verzeihet kein Weib.
Ländliches Asyl
(Inveni portum; spes et fortuna, valete!)
Genug des Ringens und des Strebens
Ich steu're nun dem Hafen zu!
Und war mein Mühen nicht vergebens
Schmeckt süßer noch die süße Ruh!
Sie mögen rennen, hadern, geizen —
Nach Ruhm und Gold, nach Ehr' und Rang,
Mir lacht der Lenz mit seinen Reizen,
Der kühle Hain, der Lerchensang.
Ich will aus hochgeleg'nen Auen —
Von Lieb' und Frohsinn sanft beglückt —
Hinab auf jene Nebel schauen,
In deren Dunst das Herz erstickt.
Hier flieht voll Lust der Tage Kette,
Und freier fühlt sich meine Brust,
Gott schuf das Land, der Mensch die Städte,
Drum blüht am Lande Lieb' und Lust.
Hier kann der Neid mich nicht berühren,
Kein städt'scher Groll mein Herz durchbebt:
Ein Tag der Stadt heißt: "Vegetieren,"
Ein Tag am Lande heißt: "Gelebt!"
Wolkensäume
Ich lag im duft'gen Rasen,
Den Blick im Himmelsblau,
Und meine glühenden Wangen
Benetzte kühlender Tau.
Die schneeigblanken Wölkchen
Entzückten meinen Blick,
Sie zogen so freundlich vorüber,
Wie lächelndes Jugendglück!
Was flieht Ihr doch so eilig
Im lichten Raum dahin,
Als trüb Euch ein finsteres Ahnen
Dem freien, lustigen Sinn?
Du zartes, rundes Wölkchen,
Wie Liebchens Nacken weiß!
Und Du mit dem güldenen Saume,
Der Ehre glänzender Preis!
Und Du in Form der Leier,
Bist mir ein teures Bild!
Und Ihr, meine Berge und Gletscher, —
Wie winkt Ihr so selig und mild!
Bald steigt mit dumpfem Rollen
Empor ein schwarzer Wall,
Begräbt im donnernden Zorne
Die heiteren Wölkchen all'; —
Vom Sturm erschüttert seufzen
Die Bäume himmelwärts;
Und schwere, gewichtige Tropfen
Die fallen mir leise aufs Herz!
Da steh' ich auf vom Rasen,
Mein krankes Herz mir bricht, —
Und trock'ne mir einen Tropfen
Zugleich aus dem Angesicht.
Sehnsucht
O schönes Land, o weites Land,
Mit deinem grünen Flur-Gewand,
Mit deinem Wald und Felsenstrom,
Mit deinem blauen Himmelsdom!
Nimm mich in deinen stillen Schoß,
Dort ringt sich all' mein Kummer los
Dort plaudert lieblich Bach und Baum,
Erzählen ihren Frühlingstraum!
Und Drossel, Specht und Nachtigall,
Die zwitschern süßen Liebeshall,
Die Lerche mengt ihr Liedchen drein:
Will auch nicht ohne Freude sein!
Leb wohl, du Stadt- und- Teegeschwätz,
Mich fängt der Hain mit grünem Netz,
Und heitrer als dein bunter Schnack
Erfreut mich manch' ein Froschgequack!
Will thronen hier mit Lust und Sang,
Auf dieses Berges Wiesenhang,
Will herrschen über Feld und Tal
Ein König sonder Schmerz und Qual!
Mein Obermarschall sei der Lenz,
Der Freude geb' ich Audienz,
Mein Hof- Konzert der Vögel Schar,
Ein Rosenblatt mein Orden gar!
Die Fliederlaube sei mein Thron,
Mein Herz die Constitution;
Will nicht aus meinem Reiche fort,
Als bis die letzte Blüte dorrt!
Moderne Schnelligkeit
Es kocht die Welt in gigantischer Gärung,
Der Zeitgeist schürt die Zauberflammen an,
Schon brachte sie zu glücklicher Gebärung
Kautschuk, Asphalt und Gas und Eisenbahn;
Wer hofft da nicht bei nächster Kraft-Entleerung
Auf Aktien zu einem — Gold-Vulkan? —
Doch überragt Ein Stern all' die vorhand'nen:
Die Dichter sinds, die neuen, unverstand'nen!
Seit sich so schnell die Welt strebt zu vollenden,
Erzeugt im Flug die neu'ste Poesie,
Sie packt das Ding parforce mit beiden Händen;
Ihr Wahlspruch heißt: "Noch heute, oder nie!"
In Ballen pflegt man Lyrik zu versenden,
Und zentnerweis' schreibt man — Dramaturgie;
Nun sag' mir Einer noch, wie Viele pflegen:
Die Dichtkunst sei nicht schwer! — Der soll's nur wägen!
Kann man die Lyriker mit Recht vergleichen
Den Hydropathen in der Dichterwelt,
So däucht mir fast, als läg' ein warnend' Zeichen
Im Dampf, das auf die Dramaturgen fällt!
Denn wie sie brennen, rauchen, schwitzen, keuchen,
Wenn ein Sujet nach Scribe die Köpfe quält,
So raucht, als ob die Hölle drinnen schliefe,
Im Bahnhof auch die Reihe der Motive.
Jetzt wird geschmiert, der Dichter ist Maschine,
Jetzt tauchen nach und nach Personen auf;
Der Dichter lenkt sein Machwerk auf die Schiene,
Und seufzt: "Wär' nur vollbracht der schwanke Lauf!"
Schnell reicht er's ein, sein Stück, mit froher Miene
Und blitzschnell folgt die Produktion darauf; —
Jetzt — wird geläutet, und — jetzt wird — gepfiffen!
Am Ende heißt's: "Man hat es nicht begriffen!"
Am schnellsten doch erschaffen Novellisten,
Dem Luftballon im Flug vergleichbar fast:
Sie lassen sich von Boz und Bulwer rüsten
Und plündern die Geschichte zum Ballast.
Und daß die Kritik nicht, die gerne spaßt,
Hinschreibt: "S' ist nicht gehau'n und nicht gestochen!"
So wird mit Schwert und Spieß die Lieb' gerochen!
Ein Rezensent nun gar, — nichts geht darüber,
Wie schnell der ist, und fertig jederzeit.
Ein neues Stück? Hoho! nichts ist ihm lieber!
Wär's Goethes Faust auch nur — er ist bereit,
Ein weißes Blatt Papier hält er ge'nüber
Und die Kritik fällt drauf süperbgescheit!
(Pardon
Messieurs!
Ich will nun schleunig schließen;
Nicht ich, die Zeit hat Alles am Gewissen!)
Wunden der Liebe
Es dringt im Leiden der Liebe
Ein blanker Dolch ins Herz,
Das Blut, das sind die Tränen,
Die Seufzer künden den Schmerz.
Ein bitt'rer Dolch ist das Scheiden,
Die Spieße getaucht in Gift;
Denn schmerzlich zehrt noch die Wunde,
Wenn lange kein Blut mehr trieft.
Und wenn der Tod sie entführet,
Die Teure, aus unser'm Arm,
Da gräbt der Dolch sich zerreißend
Ins Herzblut, rosig und warm.
Doch weher, als Tod und Scheiden,
Durchzückt den Busen der Stahl,
Vergilt sie die opfernde Liebe
Mit treulosen Hohnes Qual.
Ghasel
Zur schönen, bleichen Perle sprach die Träne:
"Es küßt dein Bild im Herzen wach die Träne;
O kränze nicht der Liebsten Seidenhaar!"
D'rauf schmerzlich seufzt die Perle: "Ach, die Träne
Quillt immer wohl nicht aus dem Herzen wahr!
Aus treulos-falschem Aug' oft brach dir Träne,
Aus tiefem Grunde nur der Perle Licht!
Der Mime künstelt allgemach die Träne
Aus echtem Wasser, doch die Perle nicht!"
— — Da trocknet sinnend nach und nach die Träne.
Zweifelnde Liebe
Wenn ich voll süßer Liebe Schmerz
Ins Himmels-Aug' Dir seh',
Däucht mir, als fühle Liebchens Herz
Ein gleiches stilles Weh'!
Und wenn Dein Mund auf meinem brennt,
Regt sich der Zweifel scheu,
Ob uns auch nie das Schicksal trennt,
Ob Du mir ewig treu?
Da lächelst Du so hold und still,
Erheiterst mir den Sinn,
Und in der Liebe süßem Spiel
Flieht Gram und Zweifel hin.
Dann neigst du ernst Dein dunkles Haupt,
Dein blaues Auge bricht:
Ob Dir kein Weib mein Herz geraubt?
Sinnst Du — doch sprichst Du's nicht:
Du schmiegest an mich warm und weich
Die Wange, lilienweiß,
Und über ihren Samt, so bleich,
Perlt eine Träne heiß.
Die Träne preß' ich an mich fest
Mit bänglicher Gewalt,
Daß nie das Herz vom Herzen läßt,
Bis Beide starr und kalt.
Nacht und Morgen
Was stöhnt so dumpf vom hohen Dome?
Es ist des Jahres Grabgesang!
Bleich flieht es, wie ein luft'ger Gnome,
Verhallend mit dem Glockenklang!
Der Zeiger klagt durch Nacht und Graus
Mit dumpfem Ton: "Ein Jahr ist aus!"
Da rauschen Geister durch die Lüfte
Und schwirren um den schwarzen Turm
Verlassend ihre Modergrüfte,
Es weckt sie der Erinn'rung Sturm!
Sie flattern bang, sie seufzen schwer,
Sie schwirren durch die Nacht einher!
Sie schwirren durch des Fensters Räume
In's stille, kleine Kämmerlein,
Und kehren, wie die bangen Träume,
In manches Schläfers Herzen ein:
Vergangnes Leid, vergang'nes Glück,
Sie senden ihm ihr Bild zurück.
Der Gram mit seinen bleichen Schmerzen
Reißt frisch die alten Wunden auf,
Die kaum vernarbt im blut'gen Herzen,
Und gießt des Kummers Gift darauf;
Noch einmal muß vom bittern Trank
Die Seele nippen, wehmutskrank!
Entfloh'ne Lust, getäuschtes Sehnen —
Auf ew'ge Zeit sind sie dahin,
Oft sind allein nur heiße Tränen
Vom alten Jahre ihr Gewinn.
So tauchet auf, ergreifend wild,
Manch längst entschwundnes Schmerzensbild.
Die Pfeile, die den Busen trafen,
Fühlt er mit neuen, heft'gen Weh'n;
Die Lieben all', die ihm entschlafen,
Sieht er im Träume vor sich steh'n,
Das kurze Glück selbst, das ihm ward,
Es ruht im Grab — verscharrt!
Da wälzt sich noch der Mensch im Schlummer
Und seufzt: "Hinweg, du Geisterschar!
Hinweg du Gram, du Schmerz, du Kummer,
Es ist ja nicht mehr, — nein: es wahr!!
Was ich geduldet und ertrug,
Es rauschte hin — im Jahresflug!
Ein milder Trost ist mir geblieben:
Mein beß'res Selbst blieb rein und gut!
Drum lebet wohl, Ihr toten Lieben,
Drum lebe wohl, du Schmerzensflut!"
Drauf sinkt sein Haupt, von Träumen matt
Hin auf das Kissen, lebenssatt!
So ruht er sanft, erschöpft von Leiden,
Indes die Mitternacht verhallt; —
Da sieht man still die Geister scheiden,
Ein Sturmwind brauset wild und kalt,
Und lautlos durch die stumme Nacht
Das Auge nur des Himmels wacht!
Und als er morgens, matt und müde
Die Blicke öffnet, tränenschwer,
Da schwimmt in seinem Augenliede
Des Morgenrotes Purpurmeer;
Und freundlich-lächelnd, heiter bricht
Ein Strahl ihm in das Angesicht!
Des Himmels Blau, die Hoffnungsfarbe,
Glänzt süße Hoffnung ihm in's Herz;
Es reichet ihm der Liebe Garbe
Ein Genius von himmelwärts.
Und zwitschernd wünscht der Vögel Schar
Durch's Fenster ihm ein "neues Jahr!"
Da hebt sich frei die Brust des Müden,
Er traut den sel'gen Blicken kaum,
In seinen Busen zieht der Frieden,
Entflohen ist der böse Traum;
Er jauchzt beglückt, dem Himmel nah:
"Ein neues, schönes Jahr ist da!"
Nach den Bergen!
Wenn sich Dein Auge trübet,
Von stillem Schmerz betränt,
Wenn sie Dich nicht mehr liebet,
Nach der Dein Herz sich sehnt:
Wenn Sorgenwölkchen schweben
In Deiner Seele d'rin:
Reich' mir die Hand, mein Leben,
Komm nach den Bergen hin!
Wenn blut'ge Weiberschlachten
Und bittrer Zwietracht Keim
Die städt'sche Welt umnachten,
Denk an die Berge heim! —
Denn Hypochonder heben
Kann selbst das luft'ge Grün;
Reich' mir die Hand, mein Leben,
Komm nach den Bergen hin!
Laß uns ge'n Himmel ziehen,
Beseeligt, Arm in Arm!
Ironisch lächelnd fliehen
Der Täler dumpf'gen Harm; —
Ein bißchen wohl daneben
Auch weich gestimmt den Sinn,
Reich' mir die Hand, mein Leben,
Komm nach den Bergen hin!
Mädchenliebe, Frauenliebe
Der jungen Liebe süß' Erwachen —
Es gleicht den ersten Morgenstrahl,
Hell glänzt der See, die Berge lachen,
Im Rosenlichte wogt das Tal!
Als ob es ewig Frühling bliebe,
Weht lauer Zephir Hochgenuß,
Das ist des Mädchens reine Liebe,
Das ist der ersten Liebe Kuß.
Doch immer heißer glüht die Sonne
Und sengt das Grün mit wildem Stich;
Es lechzt das Herz nach Kühlungswonne,
Nach Ruhe sehnt die Lerche sich.
Gewitterschwere Wolken hangen
Am Himmel unsrer Jugendlust,
Und Seufzer, Tränen, Schmerz und Bangen
Durchkreuzen die zerriss'ne Brust.
Da naht voll Sanftmut, still und labend,
Der Frauenliebe milder Traum,
Er gleicht dem holden Sommerabend,
Vergoldet von Hesperens Saum.
So zieht er über Berg und Matten
Der Ruhe keusches, heil'ges Bild,
Und wirft noch scheidend seine Schatten
Auf uns're müden Herzen mild.
Und wieder kehrt ein sanfter Frieden
In die durchtobte Brust zurück,
Je mehr die Sonne scheint geschieden,
Je treuer winkt des Abends Glück.
Die Schatten aber werden länger
Umfangen uns mit Zaubermacht,
Und Frauenliebe beut dem Sänger
Die Hand zur sanften Lebensnacht.
Wahnglaube
Mein freundlich' Auge lobst Du gerne,
Weil Du, — die Unschuld, — selbst so froh!
Ach, traue nicht dem milden Sterne;
Im Innern ist es doch nicht so.
Kennst Du des Todes Rosengluten
Auf manches Kranken Angesicht?
Kennst Du des Herzens still' Verbluten —
Kennst Du des Irrsinns Lächeln nicht?
Ist denn am Schönsten nicht die Rose,
Bevor ihr erstes Blatt zerfällt?
Und schlummert nicht im duft'gen Moose
Der Nattern gift'ge Schlangenwelt?
Hast Du das Meer denn nicht gesehen,
Wie es so sanft und lieblich ruht,
Eh' zu den schwarzen Wolkenhöhen
Der Sturmwind peitscht die wilde Flut!
Hast nie gelauscht der süßen Töne,
Aus frohem Kindermund gelallt,
Womit die tückische Hyäne
Sich in das Herz des Opfers krallt?
Sahst Du die Sonne niemals glänzen
Durch dunkler Wolken Wetternacht,
Eh' Jammer schaffend — ohne Grenzen
Der Blitzstrahl uns zu Bettlern macht?
Und wieder hör' ich sanft Dich klagen,
Wenn sich mein Aug' mit Tränen füllt!
Kann darum nicht ein Frührot tagen
In meiner Seele, wonnig-mild?
Der Tränen keusche, heil'ge Quelle
Zeugt immer nicht vom bittern Schmerz,
Es glänzt in Tränen, klar und helle
So gern ein frohbewegtes Herz!
So perlt im süßen Lenz-Erwachen
Die neubegrünte Blumenflur,
Und durch demant'ne Tränen lachen
Die Frühlingsboten der Natur!
So weint die Muschel sanft und linde
Den Perlenschmuck aus dunkler Haft,
So weint der Baum durch seine Rinde,
Wenn übervoll sein Freudensaft,
Drum laß vom Scheine Dich nicht trügen,
Weil Du, — die Unschuld — selbst so froh!
Ob Lust, ob Schmerz im Blicke liegen —
Im Innern ist es doch nicht so!
Schwache Augen
Ich sah zu oft in's rote Licht
Beim nächtlichen Studieren,
Bekam davon ein kurz' Gesicht
Und mußt' es suspendieren!
Warf Bücher und Schartecken weg,
Und trat hinaus in's Leben,
Ich dachte: Gottes grüner Fleck
Wird neue Kraft mir geben!
Da kam ein Mädchen wunderhold,
Mit Augen, blau und lieblich,
Darin ein sanftes Feuer rollt,
Wie das bei solchen üblich.
Nun sitz' ich ganze Tage lang,
Und les' in ihren Blicken,
Mir wird um's Herz so schwül und bang:
Ich könnte Euch ersticken!
Kurios! ich sah in's rote Licht
Und konnt' es nicht gewöhnen;
Nun schau' ich auf Vergißmeinnicht,
Und weine helle Tränen.
Mein Schmuck
Drei Perlen, drei Tränen,
Die brennen mein Herz!
Mein Dulden, mein Sehnen,
Meiner Eifersucht Schmerz;
Drei Perlen: die Treue,
Sie halte ich fest
Mit der Zärtlichkeit Weihe,
Bis das Leben mich läßt.
Zehn dunkle Granaten,
Zehn Wunden voll Blut,
Mein Leiden verraten
Die Strahlen der Glut!
Zehn feurige Steine,
Zehn Flammen der Brust,
Für Die, die ich meine,
Glüht zehnfache Lust.
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