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Seebilder
 

I.
Meeresnacht

Wie liegst Du vor mir, wüst und leer,
Du kaltes, stummes, totes Meer!
Wie weit ich sende meinen Blick,
Er kehrt mit Schauder nur zurück!

Sag' an, Du heuchlerischer Schlund,
Was ruht in Deinem tiefen Grund?
Wie großes Glück, wie viele Lieb'
Verschlang Dein Geifer, schäumend-trüb?

Noch hört mein Ohr im Todesschreck
Den Schrei vom krachenden Verdeck,
Noch sieht mein Aug' im Nebelflor:
Dort weht ein Tuch um Hilf' empor.

Es schaut beim bleichen Mondeslicht
Wild aus dem Meer ein Angesicht,
Und an des Schiffes steile Wand
Fest klammert sich die nasse Hand!

Und eine Stimm' aus hohler See
Ruft leise wimmernd: "Wehe" weh'!
Ihr schifft dahin voll froher Lust,
Mich reißt das Meer von teurer Brust!"

Und wieder wölkt sich schwarz die Nacht,
Und wieder braust der Sturm mit Macht,
Das Schifflein schwankt hinauf, hinab,
Gemahnend an ein grausig' Grab!

Mein Herz erbebt, es starrt mein Sinn,
Und grollend flüstr' ich vor mich hin:
"Was gabst Du, Meer! für so viel Leid
Der Welt zurück an Lieb' und Freud'?"

Da blitzt und strahlt im Mondenschein
Am Wolkensaum: Juwelgestein,
Und zwischen Silberbrandung rollt
Im Feuerglanz ein flüssig' — Gold!

Ich wende stumm den Schauderblick —
Ob solchem schwer erkauften Glück;
Mir ist, als ob das ganze Meer
Nur eine einz'ge Träne wär'!

II.
Lago di Garda

Winkst mit holdem Schamgeflüster,
Bräutlich-schöne, holde Flut!
S' ist ein Schatz voll süßer Liebe,
Der in deinen Wellen ruht!

Denn des Himmels Lazur-Auge
Spiegelt sich in blauer See,
Wie im Tränenblick der Jungfrau
Des Geliebten Herzensweh.

Und die Berge alle nicken
Zur Vermählung duft'gen Gruß,
Liebend eint sich Flut und Himmel
In dem langen Wellenkuß!

Und ein leiser Morgen-Zephir
Bläht die weißen Wimpel mild;
Peschiera, Desenzano!
Sei willkommen, schönes Bild!

III.
Lago di Como

Seht Ihr dort die weißen Punkte
Tief im dunkelgrünen Plan?
Lust'ge Barken sind's aus Como,
Segel, weiß wie Schnee, voran!

Und die Villen rings am Ufer,
D'rüber Simplons Silberhaupt,
Aus des Paradieses Fluren
Ward dies Bild voll Reiz geraubt.

Cadenabbia, Varenna!
Sommariva's
himmlisch' Haus:
All' die Seligkeit zu malen
Reicht kein Lied der Freude aus.

Hört die zarte Barkarole
Die der junge Schiffer singt,
Bebend fühl' ich's, wie sein Leiden
Mir zum tiefsten Herzen dringt:

"Schwebt ihr Töne, zu Ihr nieder!
Sagt Ihr leise, wo ich bin,
Und das Echo trägt die Lieder
Über Berg und Meere hin!

Sieh, die Welt möcht ich durchmessen,
Suchen fern des Lebens Glück,
Kann doch Deiner nicht vergessen,
Kehre still zu Dir zurück!

Und es flüstern meine Lieder,
Daß ich voll der Sehnsucht bin,
Und das Echo trägt sie wieder
Über Berg und Meere hin!"

Heimkehr

Ich stand auf blauen Gletscher-Höhen,
Umringt von Auen, segensschwer,
Ich fuhr auf zauberischen Seen,
Und wiegte mich am Weltenmeer.

Ich sah die Goldorange glühen,
Mich labte der Zypressen Duft,
Und wo die Fackeldisteln blühen,
Umwogte mich mild-süße Luft.

Nun zog ich heim. Das Grün der Wälder
Grüßt mich mit abgestorb'nen Blick,
Der kältern Heimat Flur und Felder, —
Sie ahnen nicht ihr Mißgeschick.

Sie schauten niemals wohl hienieden
Das Himmelreich der Blütenflur:
Und doch errang den wahren Frieden
Mein Herz in ihrem Schoße nur!