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Venezianen
 


I.

Ein Meer von tausend Lichtern
Den Markusplatz entlang,
Poeti, Ciceroni,
Gitarren und Gesang!

Hierüben und dort drüben
Manch süßer Feuerblick,
Ein Händedruck, ein Lächeln —
Welch unnennbares Glück!

Und all' die frohen Mienen,
Wie treibt sich das herum!
Das schreit, als gält's die Sorge:
Sie würden morgen stumm.

Und oben auf Sankt Markus
Da steh'n zwei Rossepaar —
Die schauen in die Tiefe
Hinab viel hundert Jahr'.

Und allgemach wirds stiller
Und allgemach wirds Nacht,
Im Schlummer ruht Venedig
Nur dies Gespann noch wacht

Und schaut so starr hinunter,
Die Augen sind von Erz;
Sah doch mit diesen Augen
Des Lebens Glück und Schmerz.

II.

Am Riva Sciavoni,
Da wandl' ich hin und her;
Des Mondes bleicher Schimmer
Ruht sanft am stillen Meer.

"Matilda, non pensasti
Al tuo Gondolier'?
Dolcissimo tesoro,
Diletto pensier'!"

So hör ich schmelzend singen
Zu weichem Saitenspiel:
Da regt sich mir im Busen
Ein bängliches Gefühl.

Ich höre auf zu wandeln
Und lausche schmerzlich still,
Bis Mitternacht verklinget
Von hoher Campanill'.

D'rauf werf' ich mich erschüttert
Ins schwarze Gondelhaus!
Und rufe: "Gondoliere!
Leg deine Ruder aus!"

Führ' mich zum fernen Lido,
Ins dumpfe Meergebraus,
Nur führe mich, ich flehe,
Aus meinem Leid hinaus!"

III.

Wenn ich die Stadt durchfahre,
In Särgen auf und ab,
Da mein' ich, ganz Venedig
Wär' nur ein einzig Grab.

Ein Grab von stolzer Größe,
Ein Grab von Glück und Macht,
Ein Grab von Lieb' und Freude,
Ein Grab von Ruhm und Pracht.

Und alle die Paläste,
Den Fuß ins Meer getaucht,
Sie haben längst ihr Leben
Und ihren Glanz verhaucht.

So steh'n sie — bleiche Geister,
Und schauen wüst und leer
Mit ausgestorb'nen Augen
Hinaus ins trübe Meer.

Und wenn einst Lieb' und Freude,
Aus meinem Herzen zog,
Und mich das süße Leben
Um all' mein Glück betrog,

Dann flieh' ich, stilles Eiland!
In deinen Inselarm,
Am
Ponte dei sospiri
Verseufz' ich meinen Harm.

Nachtreise

Mild und freundlich glüh'n die Sterne
An dem dunkeln Himmelszelt;
Mich allein treibt's in die Ferne,
In die fremde, kalte Welt.

Heil'ge, keusche, ätherreine,
Tröstend-sanfte, süße Nacht!
Sende zu ihr, die ich meine,
Namenloser Sehnsucht Macht.

Sieh, die raschen Rosse ziehen
Immer weiter mich von ihr,
Und des Posthorns Melodien
Dringen tief zum Herzen mir.

Trennen uns auch hundert Meilen,
Ist derselbe Mond doch wach
Und dieselben Sterne weilen
Über ihrem stillen Dach!

Wieder kehret ruhiger Frieden
Mir in den erregten Sinn;
Erst begrüßet — schon gemieden —
Fliegt die bleiche Landschaft hin.

Trüb' in halbversunk'nen Träumen
Kaum das Aug' mehr schauen mag; —
Und an fernen Wolkensäumen
Dämmert schon der junge Tag!

Beim Hause der Capuleti in Verona

In dieses Hauses düstern Räumen,
Die nun des Pöbels Lärm durchtobt,
Hat Julie in Wonneträumen
Der Treue süßen Eid gelobt.

Hier trat sie Nachts aus ihrem Kerker
Hinaus in den lazurnen Dom,
Und harrte, bis zum stillen Erker
Romeo voll der Sehnsucht klomm.

Hier unter Seufzen, Küssen, Tränen
Ergoß sich ihrer Liebe Macht,
Hier brach ihr Herz im wilden Sehnen
Hier sank ihr Leben in die Nacht.

Noch hallt von den entsetzten Wänden
Des Vaters Zorn, der Mutter Gram,
Auf die man mit profanen Händen
Jetzt Namen kritzelt ohne Scham.

Es widerhallt aus jenen Nischen
Ein rauhes Johlen, laut und wirr;
Pokale ruhen auf den Tischen,
Und auf dem Erker Pferdgeschirr.

Neugierig glotzt mit großen Blicken
Die Magd mir in das Angesicht,
— — Dies Herz mit Liebe zu umstricken
Bedürft' es wohl Romeos nicht!!