Nachtgesicht
1828
An meine Gattin
Nacht war es; ich zog sinnend hin im Forst;
Des Vollmonds Glanz schwamm auf den Tannenzweigen;
Kein Lüftchen wach! der Silberwölkchen Zug
Schien hörbar durch das feierliche Schweigen,
Und scheu umrauscht mich finstrer Eulen Flug.
Und tiefer dring' ich in die öde Nacht;
Unheimlich fühl' ich's weh'n um mich und summen;
Ich horch', — ich höre meiner Pulse Gang!
Der Fichten Schar stand wie ein Kreis von Stummen:
Nun schlägt zwölf Mal der Dorfuhr dumpfer Klang.
All mein Gebein durchrieselt kaltes Graun;
Urplötzlich — denkt mein freudiges Erschrecken! —
Erblick' ich unter einem Felsenstück,
Das Kieferwurzeln, Moos und Moder decken,
In tiefem Schlaf versunken — wen? — das Glück!
Das Glück:
Sein Füllhorn neben ihm im Gras.
Wie schlug mein Herz! Es galt: Entschluß zu fassen!
Sollt' ich es binden? Wie — im Schlaf? Nein, nein!
Sein Füllhorn stehlen? Pfui! ich darf es hassen,
Doch wachend soll mein Feind, und Tag soll sein!
Und näher tret' ich und mein Atem stockt!
Sein Aug' umhüllt der Flor der Schlummerkörner,
Doch Glut entsprüht den Braunen, schwarz wie Ruß;
Ich seh' — mein Blut wird Eis — ich sehe Hörner,
Und — bergan starrt mein Haar — den Pferdefuß!
"Du also warst mein Hasser, Höllensohn?
Du warst's, der fluchend mir Verrat gesponnen?
Mir nah am Ziel so manche Palm' entriß,
Und wenn ich trotz der Hölle sie gewonnen,
Den Pesthauch seines Odems drüber blies?
Nimm
meinen Dank, du Feind! Mein Leben war
E i n Kampf, durch den ich blutend mich geschlagen,
E i n Sturm, in dem ich nie dein Lächeln sah;
Mein Los war Schmerz, mein Erbgut war Entsagen,
Und jeder Blume schlich die Schlange nah.
Fahr' hin, und wag' es nie, mir hold zu sein!
Wie ich mein Spiel begann, so will ich's enden;
Ich nehm' es auf mit dir und deinem Zorn!
Vergeud' an deine Bettler deine Spenden;
In meinem Busen quillt ein reich'rer Born!"
So floh ich fort ins Tal, wo arm und klein,
Von Nachtigallgebüschen rings umfangen,
Das Kirchlein steht der Himmelsköniginn,
Durch deren Brust die sieben Schwerter drangen.
Und froh der Rettung sank ich weinend hin.
"O Gnadenmutter, nimm mich schirmend auf!
Du warst mein Glück, o Hochgebenedeite!
Der Stern, der meiner Kindheit Traum erhellt!
Es war dein Schmerz, dem ich die Träne weihte,
Die erste, die des Knaben Aug' geschwellt!
Da wies
dein Blick, zum Himmel erst gewandt,
Mir auf die Sieben, die dein Herz durchschnitten
Und Wehmut war an mich dein erst Geschenk;
Doch treuen Mut's hab' ich gekämpft, gelitten,
Des hohen Sinns der Weihe eingedenk.
Du hast die Brust mir in der Prüfung Glut
Mit Stahl gepanzert und mit Kraft von oben!
D i e Rüstung legt dein Kämpfer nimmer ab,
Bis er im Land, wo keine Stürme toben,
Sie wiederbringt der Herrin, die sie gab!"
Frage an die Liebe
1828
Was ist dein Süßestes, o Liebe?
Ist's des Besitzes Seligkeit?
Der Freudenrausch der heil'gen Stunde,
Die vorm Altar, zum ew'gen Bunde,
Mit leisem Ja aus süßem Munde
Die Jungfrau nun zur Gattin weiht?
O nein! Viel Süß'res kennt die Liebe!
Der Scham und Unschuld ersten Streit
Im Mädchenherzen voll Erbangen,
Das schmachtend innige Verlangen,
Voll Glut und Tränen Aug' und Wangen,
Den ersten Kuß voll Zärtlichkeit!
Und Süß'res noch! Des Jünglings Ringen
Ach, wer besitzt, der — hat geliebt! —
Für sie, trotz Sturm und Donnerstimmen,
Um Mitternacht die Burg erklimmen!
Für sie den Hellespont durchschwimmen,
Der tot den Schwimmer wiedergibt!
Und was noch lieblicher die Liebe,
Was süßer noch ihr Süßes macht,
Das ist ihr sinniges Verstummen!
Ihr Gruß — ein Blick; ihr Bote — Blumen;
Die Pforte ihrer Freudensummen
Umruht des Schweigens heil'ge Nacht!
Warnung
1829
Scherz und Ernst
Als die Locke blond und golden
Noch des Knaben Haupt umfloß,
Weiß ich, daß ich schon mit holden
Frommen Mädchen Freundschaft schloß.
Auch als Jüngling blieb ich lange,
Ja, — so viel mir dunkel scheint, —
Selbst als Mann, dem alten Hange
Etwas treu, ein Mädchenfreund.
Drum gebührt nun vor Gefahren,
Die dem zarteren Geschlecht
Drohend nah'n, es zu bewahren,
Mir das wohlerworb'ne Recht;
Und da jüngst ein Lied erschollen,
Mahnend, daß die Mägdelein
Musensöhne freien sollen,
Sprech' ich auch ein Wörtchen drein.
Sprech' und ruf es laut im Lande:
Sucht euch, Mädchen, den Gemahl
Aus des Kriegs, des Friedens Stande,
Lasset küren eure Wahl
Unter Künsten und Gewerben,
In der Wissenschaft Bereich,
Wählt des Landwirts rauhen Erben,
Nur vor Dichtern warn' ich euch!
Ohne Heimat auf der Erde,
Bürger imElysium,
Fremdlinge am eig'nen Herde,
In der Laren Heiligtum,
Schweifen auswärts sie und malen
Mit in Glut getauchter Hand
Eine Welt von Idealen
An des Lebens Kerkerwand.
Wie ein Lionel verwegen,
Wie ein Roland lauter Mut,
Zieht der Dichter seinen Degen
Gegen Leu'n und Drachenbrut;
Doch der Lebensmüh'n und Plagen
Täglich neue Wiederkehr
Fest und männlich zu ertragen,
Ist für seine Kraft zu schwer.
Zwar entzückend klingt der Schönen
Ihres Dichters Huldigung;
Diesem Feierlied in Tönen
Glühender Begeisterung,
Diesem Schmachten, diesem Flehen,
Diesem Sehnen, diesem Schmerz
Mag ein Felsen widerstehen,
Doch kein fühlend Mädchenherz!
Auch ist wohl ein stolz'res Wallen
Einer Molly Brust erlaubt,
Wenn ihr Bürger's Lied mit allen
Glorien die Stirn umlaubt,
Und so lange Vollmondsschimmer
Auf Vaucluse niederseh'n
Wird der Name Laura nimmer,
Ewig nimmer untergeh'n.
Aber, war's der Gattin Feier,
War's der Reiz, der sie umwob,
Den empor des Gatten Leier
Zu den höchsten Sternen hob?
War der Hausfrau sanfter Milde,
War der Mutter Zärtlichkeit,
In der Kinder süßem Bilde
Rückgestrahlt, das Lied geweiht?
Nein! was diese Sänger sangen,
Ist versagter Liebe Pein,
Ist das glühende Verlangen,
Der Geliebten nah zu sein!
Ihr, an Reiz gleich Aphroditen,
Ewig schön und ewig jung.
Was kann ihr der Dichter bieten
Mind'res, als — Vergötterung?
Aber weh, wenn die Betörte
Seinem Fleh'n Gewährung spricht!
Wenn der Glückliche, Erhörte
Ihr ins Haar den Brautkranz flicht!
Allzu hell flammt Hymens Fackel!
Noch als Braut — Urania.
Steht voll Menschlichkeit und Makel
Nun die Frau — entgöttert da!
Ach! und Pegasus sinkt nieder,
Labt sich, matt vom langen Flug,
Nun mit hangendem Gefieder
An der Prosa Wasserkrug,
Und nun wird am Himmelsbogen
— Einst so hell, so rein, so blau! —
Andre Farbe aufgezogen,
Sorgenfarbe — Grau in Grau!
In erhabnen Würden thronet
Themis! deine Priesterschar,
Und Hippokrates belohnet
Seine Jünger blank und bar;
Euern Söhnen, Pierinnen,
Bleibt der Leier goldner Kranz,
Tau voll Perlen und Rubinen,
Und des Vollmonds Silberglanz.
Armes Los der Dichterfrauen!
Lieder schlürfen statt Kaffee,
Beim Mittagsmahl Oden kauen,
Und ein Rätsel als Souper!
Fahre hin dann, Frau'ngeschmeide!
Fahre hin dann, Tüll-Anglais!
Shawl, Voile und Samt und Seide
Florentinerhut, — Adieu!
An Schurz
1829
Wohin verirrt dein Wunsch sich, Liedersohn?
Ick soll dich weihen für den Dienst der Musen?
Ich Armer dich . . o greif' in deinen Busen!
Dich Eingeweihten in der Wiege schon!
Wohl sandte dich — dies fühlt mein Herz — Apoll.
Doch m i r nicht gilt der Auftrag deiner Sendung;
"Zieh hin zum hohen Ziele der Vollendung!"
So klang das Wort, das seinem Mund entquoll.
"Zieh hin, mit heil'gem Laub dein Haar geschmückt
Und stelle dich der frommen Tafelrunde
Der Sänger; Aufnahm' schafft in ihrem Bunde
Mein Siegel, deiner Stirne aufgedrückt!"
Wem dich gesellen? Frag' des Herzens Zug,
Und dein Gesang wird treu dem Geistigschönen,
Dem ewig Wahren, Guten nur ertönen,
Kein Irrlicht je verlocken deinen Flug!
Du hast, zu ringen nach erhabnem Ziel —
Dem Lob der Menge nimmer feil - geschworen;
Eh du's entweihst zum Kitzel ihrer Ohren,
Zerschelle am Altar dein Saitenspiel!
Du singst der Freundestreue hohe Lust;
Wie David's Herz an Jonathan's gekettet;
Wie, vor der Eumeniden Grimm gerettet,
Orestens Haupt ausruht an Freundesbrust;
Du singst — wie dir dein Genius gebot:
Des Herzens Sehnsucht und des Sängers Leben;
Du singst — die Harf' erklingt von Wonnerbeben! —
Des Lebens höchsten Wert und Preis: den Tod;
Und ha! du singst, wie schön für's Vaterland
Ein Purpurquell den Panzerrock befeuchtet;
Wie hell verklärt der Sieger ruht, umleuchtet
Vom Fackeljüngling mit gesenkter Hand!
So Schmid bei Dürrenstein: wo Richard's Geist
Die Franken — sie, wie ihre Sieger, hassend —
Feldflüchtig jagt, und Östreich's Helden fassend,
Ihn mit dem Lorbeer schmückt und — sterben heißt!
Der Dichter
1830
Süß entströmt der Wein im Kreis wackrer Zechgesellen;
Süßer labt ein Kuß, wo hold Rosenmündchen schwellen;
Doch am süßesten ein Lied auf des Wohllauts Wellen;
Hab' ich diese drei, — was sind Thronen? Bagatellen.
Bacchus naht und Bacchus pflegt Amor'n mitzubringen;
Amor führt Apollo'n ein; wenn die Saiten klingen,
Fühl' ich Kränze immergrün um mein Haupt sich schlingen!
Weh' mir, wollt' ich einst nicht mehr trinken, küssen, singen!
Heischt der König: "laß den Wein!" folgt' ich seiner Strenge;
"Küsse nie mehr!" — o wie schwer ich mich dazu zwänge!
"Brich die Leyer!" ha! wie laut da mein Nein erklänge!
"Brich sie, oder stirb!" — ich ging sterben hin und sänge!
Des Spinnrad's Klage
1830
Laßt mich mein Geschick bejammern,
Das mich ausstieß, ohne Schutz,
Aus der Edelfräulein Kammern
In des Dorfes Rauch und Schmutz,
Aus der Hoheit heiter'm Himmel
In der Frohne Niedrigkeit,
Aus der Burgen Lustgewimmel
In des Mairhof's Einsamkeit!
Sporen klangen, Schwerter flirrten,
Hoch zu Rosse saß der Held;
Itzo seh' ich träge Hirten
Mit der Herde zieh'n zu Feld.
Frauen sah ich Anmut strahlen,
Und der Graf kam von der Jagd;
Jetzt seh' ich den Drescher dahlen
Mit des Kuhstall's dicker Magd.
Wie ich mich so selig fühlte,
Als noch manche samt'ne Hand
Mir im Vließ der Locken wühlte,
Sie mit zartem Gurt umwand!
Jetzt im garst'gen Dirnenzwinger
Tastet eine rohe Schar,
Mir erfror'nem, plumpem Finger,
Und zerrauft mein blondes Haar!
Wundermärchen hört' ich klingen,
Und der Lieder süßen Quell
Aus Rubinenlippen springen,
Und der Abend floh so schnell!
Itzo wird, voll ekler Zoten,
Bei des Dudelsack's Gesang,
Mir ein Faunenlied geboten,
Und der Abend währt so lang!
Stolze! die ihr mich verstoßen,
Hat kein Engel euch gemahnt,
Euch der Zukunft Tor erschlossen?
Habt ihr, Fräulein, nie geahnt:
"Fromme Demut, zarte Sitte,
Holde Scham, und treuer Fleiß
Flieh'n mit mir aus eurer Mitte,
Und veröden euern Kreis!"
Ward euch, wenn der Abend düstert,
Keines Warners Stimme laut?
Hat's im Herzen nicht geflüstert?
Hat kein Seher euch's vertraut:
"Gerne spinnt aus meinen Flocken
Sich ein Faden zum — Altar,
Und der Jungfrau an dem Rocken
Schmückt der Brautkranz gern das Haar!"
Ach, und ihr, verbleichte Schönen,
Unvermählt verblühte Schar,
Die mit seinem Kranz zu kronen,
Hymen unerbittlich war,
Klagt, ihr armen Vestalinnen,
Ungeliebt und ungeküßt,
Klagt, die ihr als Märtyrinnen
Des Jahrhunderts Sünde büßt.
Klagt: "O saßen noch wir Mädchen,
Wie in alter, schöner Zeit,
Sittig fromm am Spinnerädchen
Im Asyl der Häuslichkeit,
Längst wär' unser Hochzeitbette
Blank und schimmernd aufgeschmückt,
Und ein Mann voll Liebe hätte
Uns an's treue Herz gedrückt!"
Trauer
1831
Als mein Sohn Albert krank war
Mir saugt der Schmerz, wie mit Vampirenbiß
Das Leben aus! Mich birgt die Nacht, als ruhte
Ich süß und sanft, mit Finsternis;
Gott aber sieht die Wellen, die ich blute.
Der Schmerz, ein Gast, den ich verbergen will,
Beschleicht den Busen mir mit leiser Sohle.
Kein Seufzer tönt; — ich atme still; —
Gott aber hört den Atem, den ich hole.
Nicht mehr getrauert denn! du Laute, schweig'!
Auf Dornen ruh' ich, doch in Gottes Schoße.
Der Erde dornenvollstem Zweig'
Entblüht im Paradies die schönste Rose!
An die Unbekannte
1832
O du, die fern von uns im Giftbaumlande
Beim Wiegenfest, wo Satan Pate war.
Dem Braut'gam Basilisk zum Liebespfande
Ein Klapperschlangenmütterchen gebar, —
Ich nahe dir, furchtbare Unbekannte,
Die jüngst der Tod, seit Franz den Aufruhr tief,
Und tief in seinen Pfuhl den Krieg verbannte,
Als Rächerin aus Asiens Sümpfen rief;
Ich nahe dir — mag auch dein Odem töten,
Was Odem hat, du sollst mir Rede steh'n,
Und sollst mir kühnen Mut die Stirne röten,
Mir Gottvertrau'n vom Auge leuchten seh'n!
Wer bist du mit den Rätseln deines Spottes,
Die der Gefragte mit dem Leben zahlt?
Wer bist du, Sphinx, die frech als Geisel Gottes,
Als seines Zorn's Vollstreckerin sich prahlt?
Der uns die Welt mit seinen Blumen schmücket,
Uns reifen läßt die Fülle seines Korn's,
Der segnend uns an seinen Busen drücket,
Ein Gott der Liebe ist er, nicht des Zorn's.
Er sendet nicht verhüllte Mörderinnen,
Er schrieb uns sein Gesetz so mild als klar;
Und macht es durch kein Kind der Assasinen,
Das auf Kadavern thront, uns offenbar.
Nein, — anders klingt's in meines Herzens Tiefen!
Vertrauend — und ein Fels ist mein Vertrau'n —
Seh' ich den Born der Gnade Gottes triefen;
Ein Tropfen seiner Huld wird niedertau'n.
Ein Funken seines Geists, den er verheißen,
Wird niedersprüh'n, ein Edler wird, vom Licht
Des Herrn umstrahlt, den Bund der Nacht zerreißen
Und dir den Schleier zieh'n vom Angesicht, —
Wird in's Medusenaug' dir furchtlos blicken,
Ohnmächtig knirscht an ihm dein Drachenzahn,
Im eig'nen Schaum und Gift wirst du ersticken,
Und liegst — die letzte Leiche — auf der Bahn.
Geh! übe — bis er naht, den wir erflehten,
Dein Amt! Schreib' Urteil an des Hochmuts Wand*,
Lehr' hirnversengte Gottesleugner beten,
Mach' Spittel reich aus dürrer Wuch'rer Hand,
Nimm Dieben ihren Raub, dem Pharisäer
Die Maske ab, mit Grau'n der Finsternis
Erschein' in Schwefelglut dem Rechtsverdreher,
Und zeig' ihm dein erschrecklich Wolfsgebiß;
Und wo im Kriegerszelt ein Weltbezwinger
Schlachtpläne brütet — tritt zu ihm und sprich.
Und droh' ihm mit erhob'nem Geisterfinger:
"Du, mache Frieden! sonst erwürg' ich dich!"
*Daniel
Kap. 5. Gemeint ist die Wand auf der beim Gastmahl des
babylonischen Königs Balsazar die bekannten Worte:
"Meine, Mene,
Thekel" erschienen.
Das Salz
1832
O du, das man auf Schiffen und auf Achsen
Vom Nord zum Süd verführt, vom Ost zum West;
O du, das Gott der Herr so wohlfeil wachsen,
Und uns so kostbar werden läßt;
Dir tönt mein Lied! — Das Liebste zu entbehren,
Man lernt es endlich; ja man hat's gewagt,
Und hat zum Trost des Magens beim Verzehren
Sogar das Denken sich versagt.
Auf Kraft und festen Mut, auf Treu und Glauben
Auf Scham und Ehre leisten sie Verzicht,
Man läßt sich des Gewissens Würze rauben,
Nur dich, der Schinken Würze, nicht.
Kein Nabob Großbritanniens kann dich missen,
Der seinen Tisch aus beiden Indien deckt,
Kein Bauer Irland's, dem als Leckerbissen
Die Knolle, die du würzest, schmeckt.
Und ist's denn nur der Mensch, der Allverschwender,
Der dein bedarf? Sucht in der Nacht des Wald's
Der Rehbock und der stolze Sechzehnender
Was anders, als dich, köstlich Salz?
Der Mensch hat sinnreich, nebst dem Speisewürzen,
Auch zum Symbol der Demut dich ersehn,
Mit dem zertret'ne Völker niederstürzen,
Und vom Erob'rer Gnade fleh'n.
Und wenn sie noch das Brot dazu gegeben,
So scheint es fast: es sei ihr Wunsch, nicht bloß
Zu betteln um das nackte bisschen Leben,
Auch um ein menschlich mildes Los.
Einst wählte dich des Siegers Zorn und säte
Dich auf den Ackergrund mit strenger Hand,
Wo eine Stadt, bevor sein Degen mähte,
Voll freigesinnter Bürger stand.
Und wenn der Römer, der den Freund sich wählte,
Erst Salz mit ihm verzehrte, Pfund auf Pfund,
So gibt das viel Verstand und Herzenskälte,
Nur kein Genie für Freundschaft kund.
Der Weisheit Salz im Mund des Täuflings wehret
Für alle Zeit des ird'schen Aufenthalts
Der Torheit Schmach und Unglimpf ab, und lehret:
Auch Weisheit sei nie ohne Salz.
Das köstlichste von allen Salzen streuet
Der Grazien und Musen zarte Hand,
Daran das Herz sich, wie am Wein, erfreuet,
Wenn es der Kummer übermannt.
Wenn ich Horaz nicht aus den Händen bringen,
Nicht satt mich an Cervantes lesen kann,
Und Thümmel's Meisterstück nicht g'nug verschlingen, —
Dies Göttersalz ist Schuld daran.
In jedem Werk der Kunst, in jedem Buche,
In allem Scherz und Witz, bei Lied und Wein,
In jedem Flügelschlag des Geistes suche
Ich dieses Salzes Duft allein.
Die Liebe, selbst mit ihrer schönsten Stunde,
Ist ohne Salz wie schal, wie ekelhaft!
Der süße Kuß von einem Rosenmunde
Wird durch dieses Salz zum Göttersaft.
Dies Salz nur ist's, an dem ich mich erhole,
Wenn ich den Tag hindurch ein Meer durchschwamm,
In dessen Flut von jener edlen Sole
Kein Tropfen mir entgegen kam.
Daran erheb' ich mich vom bittern Wehe,
Das mir das Herz voll Mitgefühl beschleicht,
Wenn ich so viel aschfarbne Wangen sehe,
Die, ach! der Tränen Salz gebleicht!
Mein Alter
1833
Wer steht mir doch als Rechenmeister bei
Und sagt es mir, wie alt ich sei?
Mein Taufschein lügt, so viel ist offenbar;
Da wär' ich zwei und sechzig Jahr',
Und diese Zahl ist viel zu klein:
Seit ich ein Knabe war — was ist gescheh'n!
Was ich da sah an mir vorübergeh'n,
Ist eine Weltgeschichte! nein!
Ich muß dreihundert Jahr' alt sein!
Doch frag' ich mich: um wie viel bist du klüger?
Was lerntest du? was weißt du für gewiß?
Was ward dir helle in der Finsternis?
So ist mein Taufschein wieder ein Betrüger,
Denn schamrot blick' ich nieder und gesteh':
Ich bin ein Kind, — ich bin im A, B, C.
Und abermal nicht wahr!
Wenn wer von Franz, von meinem Kaiser spricht,
Dann tret' ich vor! mit Flammen im Gesicht
Gesell' ich mich zur Mannerschar,
Die ihren Degen schwingt, zu fragen:
Wo ist sein Feind? Ich will ihn schlagen!
Dann fühl' ich mich ein Jüngling! am Altar,
Auf dem sein Bildnis prangt, erneue
Ich ihm den Schwur der Liebe und der Treue,
Dann bin ich vier und zwanzig Jahr'!
Der Baum
1833
Der Baum, ergreisend, stirbt von Ast zu Ast;
Kein Sänger naht, kein Täubchen brütet d'rauf!
Der Specht nur kommt und bittet sich zu Gast,
Und hackt Gewürm aus dem Geklüft herauf;
Nachzügler auch — im Herbst — vom Schwarm der Krähen
Und Geier sitzen dort, nach Raub zu spähen.
Und ob der Lenz, sich sein erbarmend, ihn
Mit frischem Laub — zum letzten Mal — beschenkt.
Ein Leichnam scheint's, bekränzt mit Rosmarin!
Um ihn ist's still, — er hält sein Haupt gesenkt,
Und lauscht, als ob er in des Markes Röhren
Die Zeit und ihren Wurm wollt' nagen hören.
Der nahe Eichwald braus't in reger Lust,
Bald, weil der West die Zweige flüsternd mengt,
Bald, weil der Nord, gleich Ringern, Brust an Brust,
Die mächtigen Stamme faßt und biegt und drängt,
Bald, weil der Rüden Laut, der Büchsen Knallen,
Und Waidmanns Lied und Horn vom Felsen hallen.
Der Alte schweigt, verzehrt in stummer Qual;
Kein Regen labt, kein Tau erquickt ihn mehr;
Unheimlich schwirrt's in Zweigen, dürr und kahl,
Und nimmer flieht verwundet Wild hieher;
Versengtes Gras um ihn scheint zu verraten:
Einst lieh der Raum zu grauser Tat den Schatten.
D'rum flieh'n ihn Hirt und Herde scheu und bang;
Der Wand'rer faßt, muß er vorüberzieh'n,
Den Rosenkranz, und fördert rasch den Gang;
Nur Einer naht, nur Einer kann nicht flieh'n!
Blick' hin, und sprich, ob, der die Eich' umklammert,
Tier oder Mensch so herzzerreißend jammert!
Ein Jüngling schlich er hin zum ersten Mal,
Heut' ein Geripp', uralt, im Bußgewand'!
Heut' trifft auf ihn der Gnade erster Strahl,
Denn heut' verrann der fünfzig Jahre Sand!
Voll ist das Maß der Buße, aufgetragen
Dem Sohne, der den Vater hier erschlagen!
"Du sollst," so sprach der Kirche Fürst den Spruch,
"Den Himmel fünfzig Jahr lang nicht mehr schau'n!
Dein Haupt soll erdwärts sinken, schwer vom Fluch,
Dir fünfzig Jahr des Heils kein Tropfen tau'n,
Und jede Mitternacht steh' an der Eiche
In ihrem Blut vor dir des Vaters Leiche!
Und fünfzig Jahr geb' Herberg dir kein Dach,
Und fünfzig Jahr sei deine Lippe stumm!
Der Wurm in deiner Brust nag', ewig wach,
Und sterbe nicht, bis fünfzig Jahre um!
Und wenn dann noch die Adern dir erwarmen,
Sei dir's ein Zeichen von des Herrn Erbarmen!"
Und seht — er hat's erlebt! — er wankt heran!
Zum Himmel blickt er auf — sein Aug' ist naß!
Er jauchzt, weil er noch weinen darf und kann,
Er kniet am Baum — und grünen will das Gras, —
Und ha — ein Blitz aus frühlingsheit'rem Wetter
Zermalmt, entsühnt den Zeugen und den Täter.
Das Grab auf der Heide
1834
Vom Tale zieh'n mit matten Flügeln
Herbstnebel träg herauf,
Und hängen an den Hügeln
Die nassen Schleier auf.
Vom Monde rieselt auf die Berge
Ein Licht so matt, so fahl,
Wie auf vergess'ne Särge
Der ew'gen Lampe Strahl.
Und Mond und Abendwind gesellen
Zu Spuk und Mutwill' sich,
Und brau'n aus Nebelwellen
Gebilde schauerlich.
Und Aug' und Ohr erbangen beide;
Sie senden Späher vor:
Was schleicht dort auf der Heide?
Was wimmert dort im Moor?
Was schnaubt, was jagt sich durch die Täler?
Ist das wohl Eulenflug?
Um jene Hünenmäler,
Was stöhnt? ein Leichenzug?
Nein — was da schreitet auf der Heide,
Ist nicht aus Trug gewebt;
Dies Antlitz, weiß wie Kreide,
Dies Aug', wie Kohle, lebt!
Dem zaus't der Wind die greisen Haare,
Jetzt steht er, blickt hinab,
Als sah' er eine Bahre
Vor sich im offnen Grab!
Warum denn rang' er sonst die Hände?
Was starrt er, sterbensbleich,
Als wär' in Abgrundswände
Versenkt sein Himmelreich!
"Mein Grab ist's, das sie da gegraben,
Was modert d'rin, war mein!
Der Jugend gold'ne Gaben,
Des Lebens Morgenschein!
Scherz, Spiel und Tanz, des Leichtsinns Freuden,
Rings Fülle, rosenhell,
Und brausendes Vergeuden
Aus überströmtem Quell!
Du einz'ge Blume, süßes Lieben,
Die Gott vom Paradies,
Als er sie ausgetrieben,
Die Flieh'nden retten ließ,—
Und ach! — die Blume zu begleiten,
Die mir vom Busen fiel,
Liegst mit gesprung'nen Saiten
Auch du mein Liederspiel!
Dort aber ragen zwei in schlanker
Gestalt voll Himmelsreiz;
Die Eine lehnt am Anker,
Die Eine lehnt am Kreuz!
Die zwei — ich fühl' es, daß auf Erden
Nicht ihre Heimat sei,
Und keine Gräber werden
Gegraben für die zwei!
O naht, mein Leben liegt zerrissen,
Dem müden Menschenkind,
Und lüftet ihm das Kissen
Zum Sterben kühl und lind."
An die Rose
1834
O schäme dich, Natur, mit deiner Rose!
Wie sie im Paradies dem jungen Schoße
Der Erd' entstieg, wie Eva's Hand
Sie pflückt' und in die Locken wand,
So prangt sie noch auf uns'rer Blumenflur;
O schäme dich, Natur!
Der Wechsel nur ist schön, der Unbestand!
Wird nie dafür dein bess'rer Sinn erwachen?
Sechstausendmal Mal im nämlichen Gewand!
Sieh' doch, wie uns're Damen lachen!
An eine
unterösterreichische Traube
1834
Sei mir gegrüßt, du Kind der Rebenhügel,
In meiner Heimat Land gereift,
Das eine mild're Sonn', ein weich'rer Flüge!
Der Morgenluft bestreift!
Wie bist du mir, so voll von Geist und Süße,
So reich an Glut, und doch so mild,
Des Landes meiner Sehnsucht, meiner Grüße
Ein treues, zartes Bild!
Dir gab Natur, die Freundin schöner Sphären,
Die Form, anlockend zum Genuß;
Du scheinst ein Herz, und jede deiner Beeren
Von ihrem Mund' ein Kuß!
Ein Kuß, der nur gefühlt von feinern Seelen,
Von ihrer Liebe Zeugnis gibt;
Das Kußgedränge soll es uns erzählen,
Wie treu die Mutter liebt.
Schon sieht im Vorgenuß mein frommer Glaube,
Wie einst, von holder Hand kredenzt,
Der Wein, ein Sohn der Liebe dieser Traube,
In dem Kristalle glänzt.
Ich seh, — entglüht, mit dunkler Purpurwange,
Verklärten Blicks den Männerkreis;
Sie stoßen an mit hellem Lobgesange
Zu dieses Weines Preis.
Ich seh', wie er die starken Herzen meistert,
Der Trinker Glut zu Flammen facht,
Und sie mit Patriotenmut begeistert,
Im Rat, wie in der Schlacht.
Wenn Freunde, tot geglaubt, sich wiedersehen,
Wenn Väter bei dem Wiegenmahl
Um Segen für den Erstgebornen flehen,
Dann kreiset der Pokal.
Den Wein entbieten sie dem Siegesboten,
Der von der Feldschlacht Kunde gab,
Sie gießen ihn, als Scheidegruß, dem Toten
In's kühle Bett hinab!
Die Freunde steh'n, die Trauerfackel lodert,
Sie klagen — und die Träne schleicht!
"Er war ein Mann der Treue, der da modert!
Die Erde sei ihm leicht!"
Dies Glas sei ihm gebracht — auf Wiedersehen!
Du heil'ger Rasen, saug' es ein!"
Ich aber seh' herab aus blauen Höhen,
Und segne ihren Wein!
In Schiller's Album
Der Jüngling küßte dich, und senkte
Die Fackel; da entsank
— Wie tönte sie! — die Laute deiner Hand;
Sie aufzufassen ist kein Erbe da!
Ihr Nachhall klingt, — sie selbst,
Dem Becher gleich, von Königs Hand
Zum zweiten Mal geschleudert in den Strudel,
Versank im Meer' und nimmer bringt
Ein edler Taucher sie zurück!
Der Witwer
1834
Vom Abendrot verglomm der letzte Strahl,
Die Wälder dunkeln;
Irrlichter halten Tanz auf Berg und Tal,
Die Sterne funkeln.
Die Kinder, schlafumsponnen,
Der warme Flaum umfängt;
Mit frommen Weihebronnen
Hat Mutter sie besprengt.
Die Nacht und ihre Ruh' entflieh'n geschwind,
Bald naht der Morgen.
Die Hausfrau schafft noch, klug und treu gesinnt,
Hat noch zu sorgen,
Daß, eh' es Morgen werde,
Die Flamme brenn' im Nu,
Deckt sie die Glut am Herde
Mit leichter Asche zu.
Mir aber trugen sie die Hausfrau fort!
's war Gottes Wille!
Seht ihr das lichte Kreuz am Hügel dort?
Da ruht sie stille.
Doch hüllte sie mein Leiden,
Der Liebe Glut und Pein,
Bevor sie ging zum Scheiden,
Mit Wehmutsasche ein.
Seitdem verbirgt und trennt uns tiefe Nacht;
Doch die wird schwinden.
Ein schön'rer Morgen naht, wo wir, erwacht,
Uns wiederfinden.
Die Asche bleibt der Erde;
Und ledig ihrer Hut,
Erglimmt am Himmelsherde
Die treubewahrte Glut.
Die Reue
1835
Es sah der Neid, daß Sokrates sich freue,
Daß er die Freund' im Kreise lagern hieß,
Und Wein und Rosen bringen ließ;
Da nagt' an seiner Lippen Bläue
Der Neid, und winkte schnell der Reue,
Indem er auf die Zecher wies,
Daß sie nach ihrem Amtsgeschäfte
Sich an des Weisen Ferse hefte;
Allein die Reue sprach:
"Da wäre meine Müh' verloren;
Nur wo die Schelme und die Toren
Sich freu'n, da hink' ich hinten nach."
Abrechnung
1835
Rechnung hab' ich mit der Welt gehalten;
Was sie mir, was ich ihr schuldig bin,
Soll und Haben stand in beiden Spalten
Eingetragen, nichts vergessen drin,
Summa zog ich dann, und sprach zur Alten:
Bist mir schuldig; — schenk' dir's, Bettlerin!
Und zerriß das Buch, — die unbezahlten
Fetzen warf ich ihr verächtlich hin.
Rechnung hab' ich d'rauf mit Gott gehalten:
Ach, nur meine Schuld lag offen drin!
Seiner Gaben voll die reichen Spalten!
"Herbe Rechnung! strenge Klägerin!"
Rief ich, — Gott mag gnädig mit mir walten!
Ich bekenne, daß ich schuldig bin!
Las die Fetzen auf, die unbezahlten,
Bittend: "lieber Vater, nimm sie hin!"
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