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Gedichte 4
 

Der Taucher
Die Feinde
Freie Aussicht
Grün und drei
Die Vögel
Todesfeier
Der Sänger
Die Mitternacht
An die Kleinen
Auf Wiedersehen
Sucht! Sucht!

Der Greis
An eine Buche
Das Lied des kranken Jägers
Die graue Schwester
Anweisung
Kühle Erde

 

Der Taucher

1840

Meerfräulein zürnt, vom Wogenschwall umspielt,
Beim Flechten ihrer grünen Locke,
Wenn kecken Mut's, geborgen aus der Glocke,
Der Taucher ihr die Perlen stiehlt.

Den hat sein König da hinabgesandt,
Hat ihn umwallt mit starkem Schirme,
Zu trotzen d'rin dem Hai und dem Gewürme,
Das gräulich dort die Scheren spannt.

Nicht säumen darf er, die Minute preßt,
Und was er strebt, an's Licht zu schaffen,
Er muß mit rascher Hand es kräftig raffen,
Festhalten, was sich fassen laßt.

Der Herr wacht über ihm, und zieht die Schnur
Zur rechten Zeit! dann steigt der Kühne
Empor, und schüttet an des Ufers Grüne
Viel Schlamms — der Perlen wenig nur!

Ob ich nicht etwa auch ein Taucher bin,
Versenkt im wüsten Lebensmeere?
Sirene lauscht und lockt; —mich will die Schere
Des Untiers in den Abgrund zieh'n.

Doch meines Königs Glocke hüllt mich ein!
Ziehst du die Schnur, — dann, Herr, erzeige
Dich gnädig, laß, wenn ich an's Ufer steige,
Auch Perlen in der Schale sein!

Die Feinde
1840

Den Feind, der lebt in Fleisch und Blut,
Und keck und streng Vergeltung fodert,
Den Kläger, dem von Zornes Glut
Die Ader schwillt, das Auge lodert,
Wie grimmig auch sein Angesicht,
Den Kläger scheue nicht.

Du stehst ihm Rede ehrenhaft,
Recht schirmt den Guten, zähmt den Bösen,
Und des Gesetzes milde Kraft
Wird euren Zwietrachtsknoten lösen;
Fließt etwa Blut zur Sühne mit,
Das gibt gar festen Kitt.

Den Feind nur, der dem Grab entsteigt
Im Leichenhemd zur Geisterstunde,
Dich eiskalt anfaßt, und dir zeigt
Ein stummer Kläger auf die Wunde,
Die, wie sie deine Hand ihm schlug,
Er mit hinübertrug,

Den scheue! Kniest du auch an's Grab,
Und schwörst ihm weinend Lieb' und Treue,
Du weinest deine Schuld nicht ab,
Nur Lebende besticht die Reue;
Stirb erst, nur dann versöhnen sich
Die Toten brüderlich.

Freie Aussicht
1840

Der Mai entschwand; ihr Nachtigallgesange,
Die ihn begleitet, sagt, wohin er floh?
Er läßt, wo er geweilt, nun ein Gedränge
Von Rosen blüh'n. Ein Fürst, als Gast, will so
Beim Scheiden, die ihm dienten, die Getreuen
Mit würd'gen Gaben königlich erfreuen.

Der Fruchtbaum streut die Fülle seiner Blüten
Als Teppich hin von lämmerweißem Vlies;
Das Finkenweibchen wagt es nun, zu brüten
In grünen Laubs geheimer Finsternis;
Kein Lichtstrahl darf die Wöchnerin belauschen,
Und flüsternd nur um sie ein Lüftchen rauschen.

Wie Haargelock den Nacken schöner Frauen
Umwallt der Blätter Mantel Ast und Zweig;
Kein Auge kann durch solchen Schleier schauen,
Den Hügel deckt er mir, den Wiesensteig;
Der See ist hinter ihm, sein Wellenspiegel
Verhüllt für mich, wie hinter Schloß und Riegel.

Doch wechselnd zieh'n die Stunden ihre Kreise,
Bald flicht die Schnitterin den Weizenkranz,
Und rastlos rieselt fort der Sand und leise.
Die Traube schwillt, es jauchzt der Winzer Tanz;
Der Herbst, ein reicher Wirt, tischt seinen Gästen
Des Obstes Segen auf von müden Ästen.

Die Schwalben sind dahin, der Nordwind rüttelt
Mit roher Faust am Baum, der wehrlos stöhnt,
Erbost, daß er die Frucht versäumte, schüttelt
Er nun das Laub herab, und unversöhnt
Will er im Zorn den Schmuck, den er zerschlagen,
Zu Staub zermalmt, durch alle Lande jagen.

Dann darf der Blick frei durch die Zweige schwärmen,
Die, Fingern gleich an armer Kinder Hand,
Erfroren sich im Flaum des Schnee's erwärmen,
Und offen glänzt der See und jenseits — Land
Und Berge, stolz die Wolken überragend.
Im alten Dom die Sternenkuppel tragend.

So schüttle, Greis, an deines Abends Neige
Des Lebens Laub, das welke, schüttl' es ab;
Du siehst im Morgenrot durch kahle Zweige
Dann das Gestad und Land noch überm Grab;
Entkleiden ihres Prunk's muß sich die Erde,
Daß ihr der Saum des Himmels sichtbar werde!

Grün und drei
1840

Es waltet ein unbekannter Geist
Im Dunkel der Menschenbrust,
Der sie glauben und der sie lieben heißt,
Er läßt nicht wählen, — du mußt.

Mich reizt vor Allen die grüne Farb',
Und so du mich fragst, warum,
Und was dem Grün meine Lieb' erwarb,
So sinn' ich, und bleibe stumm,

Und denk' an den grünen Kranz im Haar,
Der Nanni's Stirne umfing,
Mit dem sie gestanden am Brautaltar,
Mit dem sie zu Grabe ging.

Und wie von den Farben das Grün, so lieb'
Ich von den Zahlen die Drei,
Ihr war ich hold als Knabe und blieb
Fortan der Liebe getreu.

Ob etwa Drei auf die Treue zeigt?
Ob's Wahn ist, ob Schwärmerei? —
Als Nanni sterbend ihr Haupt geneigt,
Da stand der Zeiger auf Drei.

Die Vögel
1840

An meine Kinder

Warum, so hab' ich oft geklagt,
Als ich ein Knabe war,
Warum, Natur, ward mir versagt
Der Schwalbe Flügelpaar?
Mir Flügel! — und von Zwang und Joch
Wär' ich mit eins befreit!
Mir wäre dann kein Berg zu hoch,
Kein Strom, kein Meer zu breit.

Und später klagt' ich abermal:
Sag', warum teiltest du
Dem Lieblingskind, der Nachtigall,
Gesang in Fülle zu?
Den Hain entzückt ihr Liederspiel,
Entzückt dich selbst, Natur!
Dem kleinen Vogel gar so viel,
Und mir so wenig nur!

Die Zeit spann' vorwärts Ring an Ring,
Es ward der Mann ein Knecht;
An eines Degens Spitze hing
Der Völker Heil und Recht
Der Freiheit lauter Donnerschrei,
Geknebelt murrte stumm;
Statt eines Gottes herrschten zwei:
Selbstsucht und Schlachtenruhm.

Im heil'gen Zorne, der mich trieb,
Sank ich auf meine Knie:
Des größten Kondors Flügel gib,
Natur, o gib mir sie!
Gib seine Knochen mir von Stahl,
Die Muskeln streng und straff,
Den Blitz des Auges, und zumal
Sein grimmiges Gewaff!

Dann flieg ich hin von Land zu Land
Einsam im Rächerzug;
Der Wolken tauendes Gewand
Soll bergen meinen Flug,
Bis wo ein Heereslager trotzt,
Das nichts vom Himmel will,
Das frech von gold'nen Adlern strotzt,
Dort kreis' ich hoch und still:

Und hab' ich mir den Mann erkannt,
Dem Mantua und Vincennes
Ein Blutmal auf die Stirn gebrannt,
Dann stürz' ich, fasse den
Und trag' ihn, an's Gewaff gespießt,
Hoch in den Lüften hin,
Und wo das Meer am tiefsten ist,
Da — Haie — habt ihr ihn!

Doch bleibt die Zeit auch ewig jung,
Der Mann wird mit ihr alt;
Der Tatenlust Begeisterung
In heißer Brust wird kalt;
Der siebzig Jahre Last drückt schwer,
Der Winter bricht herein,
Nicht Nachtigall, nicht Schwalbe mehr,
Nicht Kondor möcht' ich sein!

Mich reizt ein and'rer Vogel itzt,
Der all' sein Herzensblut
Aus wund geriss'ner Brust verspritzt,
Zu speisen seine Brut.
Ihr Spötter edler Schwärmerei,
So ihr noch zweifelt d'ran,
Ob süß der Tod aus Liebe sei, —
Fragt nur den Pelikan!

Todesfeier
1840

Ein Beitrag.

Von Seele glimmt ein matter Funken,
In einer Muschel schlafestrunken,
Tief dämmert's in dem niedern Haus;
Doch Gott sah auf das Tier mit Gnade,
Sanft haucht es in dem Wellenbade
Den Geist — in einer Perle aus.

Der kranke Leu fühlt mit Verzagen
Den Tod am Kern des Lebens nagen,
Ihn fröstelt! — Macht der Tod so kalt?
Hin schleicht er einsam, bang und feige,
Und sucht das dichteste Gezweige
Im öden, ausgewürgten Wald.

Bald kommen Schakal und Hyäne,
Sie fressen lagernd auf der Mähne,
Des Helden Aas — ihr täglich Brot;
Die Raben breiten schwarze Fahnen,
Sie rauschen über dem Titanen,
Sie feiern des Erob'rers Tod.

Der Sänger

Das müde Herz hört auf zu klopfen,
Das Aug' wird steinern, und erlischt;
Schon hat der Stirne kalte Tropfen
Die Hand der Kinder abgewischt;
Der Sänger starb mit seinen Liedern,
Die Harfe wird nun, stumm und bang,
Dem Toten keinen Ton erwiedern,
Der nur dem Lebenden erklang.

So wäre dann der tiefe Bronnen,
An reichen Adern übervoll,
Mit einem Atemzug verronnen?
Und, der der Erde nicht entquoll,
Der Becher soll nun nicht mehr schäumen?
Verstummen soll ein Geisterlaut,
Weil man der Erde dunklen Räumen
Ein Häufchen Knochen mehr vertraut?

Nicht ziemt dem Sänger solch Verzagen!
Er riß sich von der Scholle los;
Sie mag nun Gras und Kräuter tragen,
Ihn wiegt der zweiten Mutter Schoß.
Nicht blos durch Sturm und Meeresbrausen,
Durch die der edle Schwimmer zieht,
Auch übers Grab hin und sein Grausen
Trug Camoens sein Heldenlied.

Noch hatt' er es nicht ausgesungen;
Das Heiligste in seiner Brust
Hat er mit Saiten, früh gesprungen,
Uns auszuströmen nicht gewußt;
Manch goldne Welle mußte warten,
Die er mit sich hinübertrug,
Bis sie im Paradiesesgarten
Ein Cherub aus dem Felsen schlug.

Dort, wo den freien Geist kein Alter,
Die Seele keine Schuld beschleicht,
Dort hat nun Gott den goldnen Psalter
Dem Auferstandenen gereicht,
Wie schüchtern rühret er die Saiten,
Er hat sie nimmer so gespannt,
Hat dieses süßen Tons Entgleiten
Auf Erden nimmermehr gekannt.

Wie zittert freudig sein Erstaunen!
So tönt nicht Aeolsharfenklang;
Das sind nicht Flöten, nicht Posaunen,
Ist keiner Kehle Perlenklang.
Du Volk dort, auf dem dunklen Sterne,
Das in der Frohne keucht und ringt,
Komm, schüttle ab den Staub und lerne.
Wie hier, verklärt, der Sänger singt!

Die Mitternacht

Endlos und taubstumm ist die Nacht geworden!
Hörbar kein Pendelschlag, kein Atemzug!
Ein Geist der Tiefe hält der Erde Flug
Zurück im Nebelmeer des finst'ren Norden.

Der Mond, als zog' er stille Zauberkreise,
Verhüllt in Rauchgewölk den Silberkahn,
Mit sanftem Schwanenruder schifft er leise,
Und gönnt dem Schmerz des Schlummers kurzen Wahn.

Das ist die Stunde, wo mein Geist so gerne,
Der Kette los, die fernen Ufer grüßt,
Dem Falter gleich, der Nachts beim Licht der Sterne
Die Perlen von der Brust der Rose küßt.

An die Kleinen

Dem Vögelein, so zart und schwach,
Gab Gott im Nestchen schon
Ein rasches Flügelpaar, und sprach:
"Flieg' deinem Feind davon!

Flieg' hin, und übe frei dein Recht,
Flieg' hin, bergan, bergab,
Und blicke auf den Menschenknecht
Aus sich'rer Höh' herab!

Sing' deine Lust, mein flatternd Kind,
Wenn dich der Morgen weckt,
Ich hab' in Frost, in Schnee und Wind
Dein Tischchen dir gedeckt!

Im Schöpfungsreich hat jedes Glied,
Hat auch das Kleinste Wert,
Dort gilt vielleicht so viel dein Lied,
Als des Erob'rers Schwert.

Erdulde keine Schmach, kein Joch,
Dich selbst erst achte du,
Dann achten dich auch And're hoch,
Dann zwingst du sie dazu!

Doch, wenn du selber leichten Sinn',
Im niedern Moos dich duckst,
Und, froh des ärmlichen Gewinns,
Im Staub dein Körnchen zuckst,

Dann tritt mit Recht dich armen Wicht
Des Menschen Übermut,
Dann stillst du, wenn dein Herzchen bricht,
Der Katze Durst nach Blut!"

Auf Wiedersehen

Wie klingt so lieblich in der Abschiedsstunde
Das Wörtchen aus der Hoffnung holdem Munde:
Auf Wiederseh'n!

Es läßt die Freude, die wir kaum verloren,
Im Spiegelbild der Hoffnung neu geboren,
Auf Wiederseh'n!

Sink unter, Fürstin Sonne, schlaf' Entthronte!
Der Wand'rer ruft dir nach am Horizonte:
Auf Wiederseh'n!

Auch ihm ist ja des Scheidens Trost geblieben,
Er trägt ihn mit in Liebchens Ring geschrieben:
Auf Wiederseh'n!

Die Monde flieh'n, und wechseln ihre Lose,
Die Hirtin spricht zur letztgebornen Rose:
Auf Wiederseh'n!

Noch eine Gemse holt aus dem verschneiten
Gebirg der Schütz', und ruft im Heimwärtsschreiten:
Auf Wiederseh'n!

Den Kriegsmann widern an der Heimat Nebel,
Versuchen will er der Beduinen Säbel,
Wie scharf sie mäh'n;

Er schmückt den Helm mit hoffnungsgrünem Blatte,
Er schwenkt das Tuch vom Borde der Fregatte:
Auf Wiederseh'n!

Der Mutter Sehnsucht schwankt in Leid und Hoffen,
Hängt an den Wimpeln, die, den Winden offen,
Sich flatternd bläh'n;

Den Himmel fleht sie an: Bring' ihn zurücke!
Den Wellen: Tragt ihn heim auf treuer Brücke
Zum Wiederseh'n!

Der greise Vater winkt mit stummen Grüßen:
Zieh' hin, mein Sohn! nach Gottes Finger müssen
Die Kugeln geh'n!

Die schönen Seelen täuscht kein Wahn auf Erden!
Dem Kämpfer wird sein Kranz! Die Tapfern werden
Sich wiederseh'n!

Sucht! Sucht!

Die Wahrheit hat die Kunde
Vom tiefen Lebensgrunde
Als winz'gen Zettel
In eine Nuß getan,
Und warf den Bettel
In den Ozean.

Das Meer ist groß, die Nuß ist klein!
Hat wohl am kleinen Wunderschrein
Schon ein Pilot vorbeigeflucht? —
Sucht! — Sucht! —

Die Wahrheit schrieb die Kunde
Vom tiefen Lebensgrunde,
Einst einem Vogel auf den Kopf
Unterm Schopf,
Auf des Hirnes glatte Schale.
Das Vöglein flog in alle Welt;
Ihm ward durch Berg' und Tale
Bis jetzt vergebens nachgestellt.

Nur zugeforscht! Wer weiß es auch,
Ob nicht der Vogel meinen Strauch
Zu seinem Sitze auserkies't,
Und frohgelaunt, bei Frühlingswettern
Von seinen schopfgeborgnen Lettern
Mir singend was herunterliest? —
Ist auch der Vogel auf der Flucht,
Sucht! Sucht!

Der Greis

Wenn bei des Psalters hehrem Klange
Des Greises Auge Flammen sprüht,
Wenn purpurn seine bleiche Wange
Im Abglanz der Verklärung glüht;

Dann flüstern sie sich zu, und meinen,
Es sei der Glanz, zurückgestrahlt,
Mit dem des Abendrotes Scheinen
Das Vlies der Wolken golden malt.

Und was von Glut in seinen feuchten,
Verklärten Augen dunkel glimmt,
Es sei ein zuckend Wetterleuchten,
Mit dem das Leben Abschied nimmt.

Die blöden Seher! Nicht der Erde,
Nicht ihrem Abendrot entstammt,—
Nicht ihrem nächtlich trüben Herde,
Was in des Greises Antlitz flammt.

Es ist das Morgenrot der Sphären,
Es ist das Auferstehungslied,
D'ran seine Augen sich verklären,
Was Glut auf seine Wange zieht!

An eine Buche

Du legst dein grünes Sommerkleid
Von dir, weil nun zur Abendzeit
Dich Träume still umweh'n;
Es rieselt nieder Laub für Laub,
Die Winde fordern ihren Raub,
Du willst ja schlafen geh'n!

Der Sänger Volk vom Himmel kam;
Sie schlüpften, Braut und Bräutigam,
In deine Kämmerchen;
Sie sangen, vom Gezweig umlaubt,
Bis sie der Nordwind fortgeschnaubt;
Du willst ja schlafen geh'n!

Fünf schöne Monden prangtest du,
Und ließest ohne Schlummers Ruh
Tag auf und untergeh'n;
Der Flocken schimmerndes Gewühl
Umwärmt dich nun mit lindem Pfühl;
Du willst ja schlafen geh'n!

Wohl mag noch aus dem Schnee ein Blatt
Am Aste rauschen, welk und matt,
Dem Wind ein Spott, sich dreh'n, —
Ein Spielzeug aus der Jugendzeit,
Hinwehend in Vergessenheit, —
Du willst ja schlafen geh'n!

Und ahnst nicht, eingewiegt in Flaum,
Daß noch vor deinem Morgentraum
Des Mörders Axt dir droht!
Du schläfst — o sei dein Schlummer leicht!
Du träumst vom Frühling — da beschleicht
Dich, Glückliche, der Tod!

Das Lied des kranken Jägers

Sie zieh'n hinaus in's Jagen,
Zu Fuß, zu Roß, zu Wagen,
Am Fenster mir vorbei;
Die Feuerrohre blinken,
Fern glüh'n der Berge Zinken,
Laut schallet Lustgeschrei.

Wie prangen Schildhahnfedern,
Gamsbart in schmucken Rädern
Am grünen Hut so stolz!
In grauen Lodenröcken,
Mit mächt'gen Alpenstöcken
Zieh'n sie in's hohe Holz.

Mich lassen sie versiechen!
Ich mag zu Neste kriechen,
Bin Wild, nicht Schütze jetzt;
Bin wie die Spreu der Tenne,
Ohnmächtig, — ha, ich kenne
Den Jäger, der mich hetzt!

Dem Pfeil von seinem Bogen
Ist noch kein Falk entflogen,
Kein Adler ihm entrann;
Der Schütz erwürgt den Tiger,
Er führt den Kampf als Sieger
Mit dem Leviathan.

Mich hat er hart getroffen!
Dahin ist Heil und Hoffen,
Des Lebens Traum dahin!
Mir frommt kein Kraut, kein Bronnen,
Ölkrüglein ist verronnen,
Kein Tropfen mehr darin!

So zieht denn hin in's Jagen.
Ich will's dem Heil'gen klagen,
Will bitten Sankt Hubert
Um Tod, nur rasch und schnelle!
Ein alter Jagdgeselle
Ist einen Kernschuß wert.

Die graue Schwester

Der kranke Greis spielt mit dem Schmerz, und fächelt
Die Angst vom Marmor des Gesichts;
Er sinnt so seelenfroh und lächelt,
Als wüßte er von Pein und Schmerzen nichts.

Wen sucht sein Aug'? Wem leuchtet es entgegen?
Nach einer Stelle blickt es hin! —
Wer soll denn nah'n mit Trost und Segen? —
Der Arzt, der treue? Nein, die Wärterin.

Ein Mädchen ist's, mit Liebreiz hold umflossen,
An Milde, Anmut, überreich,
Voll Geist und tiefem Sinn im großen
Gesenkten Blick — die Stimme, Flöten gleich.

Wie sie, ersehnt, dem Kranken einst erschienen,
Ihm ihren reinen Dienst geweiht,
Vergilt sie jetzt sein treues Dienen
Dem Greise, den sie pflegt, voll Zärtlichkeit.

Dem Säuseln seines Schlafs, dem scheuen Schwanken
Der Pulse lauscht ihr leises Ohr;
Sie führt im heitern Traum dem Kranken
Mit Palmen in der Hand Gebilde vor.

Sie weiß ums Lager Blüten ihm zu streuen,
Zu singen manch' ein altes Lied,
Und kann sich, o wie innig! freuen,
Singt still der Greis vor sich ein Liedchen mit.

Sie läßt den bleichen Mann mit Blumen spielen,
Die keine Hand auf Erden bricht;
Daß sie dem Siegerkranz entfielen
Im Lande der Verheißung, ahnt er nicht.

So übt die M u s e, ihrem Dienst ergeben,
Als graue Schwester, treu ihr Amt,
Erquickt des Freundes geistig Leben,
So lang am matten Docht ein Funke flammt.

Sein Rasen wird im Friedhof üppig schwellen,
Die graue Schwester tränket ihn
Mit reichem Tau, läßt Immortellen
Und einen Hain erblüh'n von Rosmarin.

Anweisung
1836

Seit unsre Erde begonnen
Den Lauf als ärmlicher Stern,
War ein Jahrtausend verronnen,
— Ein Augenblick vor dem Herrn!

Der sah nun hoch aus den Sphären
Herab auf der Menschen Tun,
Und merkte, die Leutchen wären
Entwachsen den Kinderschuh'n.

Sie verstanden es, sich zu paaren,
Zu nähren, zu kleiden, — so so;
Sie lagen sich viel in den Haaren
Und wurden des Lebens nicht froh.

Langweilig genug ihr Wandel,
Voll Kummer, Not und Beschwer,
Mühselig Tauschen ihr Handel,
Kaum mit dem Nachbar Verkehr.

Da sann der erhabene Meister,
Zu mildern ihr herbes Los;
Sein Wink ruft einen der Geister:
"Eröffne der Berge Schoß!

Gib ihnen der Erze Segen,
Ich merke, das Volk braucht Geld;
Sie sollen sich rühren und regen,
Und kaufen, was ihnen fehlt."

Wie eilt der Engel, wie fliegt er!
Er öffnet der Adern Haus;
Ein Strom, ein nimmer versiegter,
Gießt Gold und Silber heraus.

Hui! was ein Tummeln und Laufen!
Will Jeder der Erste sein!
Sie drängen, sie stoßen und raufen,
Sie stellen sich tückisch ein Bein.

Voran die Starken! sie drohen,
Sie schöpfen aus vollem Strom!
Wer kämpft um's Recht mit Heroen?
Sie haben ein altes Diplom!

Zunächst den Panzern und Helmen
Drängt nach ein schändlicher Zug
Von Knausern, Gaunern und Schelmen,
Und schöpft und hat nimmer genug.

Tief unter den Stegreifrittern
Erscheint an des Ufers Rand
Der Fleiß, und wagt es mit Zittern,
Und schöpft mit hohler Hand.

Doch auch Fortuna will schöpfen;
Sie füllt, die Gauklerin,
Die Tonnen, und über den Köpfen
Der Narren strömen sie hin!

Fernab den Ringern und Rennern
Sah mit des Gleichmuts Ruh
Ein lichtes Häuflein von Männern
Dem Drängen und Balgen zu.

Sie wähnten, an edlern Gaben,
An Schätzen gar reich zu sein;
Die wären für Gold nicht zu haben,
D'rum war ihr Häuflein so klein.

Sie wollten verbreiten die Lehre,
An die sie ehrlich geglaubt:
Nur aus den Händen der Ehre
Sei Gold von Wert und erlaubt.

Als im Gespräche sie kamen,
Als jetzt dem Strome sie nah'n,
Und scherzend vom Silber nahmen,
Und nun das Gold sich besah'n,

"Sieh da," rief klagend der Eine,
"Was Gott zum Heile gesandt,
Das Edle, Würdige, Reine
Läßt Schmutz in des Menschen Hand!

Wie werden den Teig sie kneten
Zu Schmuck, der die Scham umgarnt
Mit glänzenden Ringen und Ketten,
Umsonst vom Cherub gewarnt!

Doch wird nicht gülden die Krone,
Die dem Verdienste sie weih'n,
Der Tugend auf ihrem Throne —
Es wird die dornene sein!

Magst, Herzens-Armut, verkehren,
Dich selig wühlen im Gold;
Wir lernten, sein zu entbehren,
Wir dienen um höheren Sold!"

Da rauscht' ein Lüftchen, ein leises,
Da sank, wie vom Fluge matt,
Geweht in die Mitte des Kreises,
Wie Blüte vom Baum', ein Blatt.

Sie nehmen es auf, — sie lesen:
"Anweisung, ausgestellt
Für höher geborne Wesen,
Zahlbar in der besseren Welt."

Kühle Erde
1836

Du klagst und blutest, wundes Herz,
Und suchest schwermutsmatt,
Bei Menschen bald, bald himmelwärts,
Und findest nirgends Rat.

Sieh' — wimmernd hebt die Hand das Kind;
Sie stach der Biene Pfeil;
"Nur kühle Erde d'rauf — geschwind!"
Da war die Wunde heil.

Drum dulde still, mein wundes Herz!
Bald deckt zu Schlaf und Ruh
Ein Engel dich und deinen Schmerz
Mit kühler Erde zu.

Dann sinken Weib und Kind in's Knie,
Zieh'n jeden Dorn dir aus,
Und leise weinend flechten sie
Dir eine Krone d'raus.

Du aber schläfst auf lindem Flaum,
Und Schmerz und Wunden sind
Für dich nur, was ein düstrer Traum
Für das erwachte Kind!