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Gedichte
Matthias L. Schleifer
Hrsg.: Karl Adam Kaltenbrunner

Wien 1847
Verlag Carl Haas'schen Buchhandlung
Gedruckt bei Carl Ueberreuter

Gedichte 1
 

Meinem lieben Reschen
Liebeszauber
Die Mitternacht
Die Wünsche
Schiller und Goethe
Mein Gebet an die Freundschaft
An den Schlaf
Ermutigung
Zechlied
Todesfeier meiner Gattin
An meinen Arzt
Mannstrotz
An die Natur
Die Biene
Mutterliebe, die höchste Liebe
Zuruf
Das Land der Unschuld
Das Menschenherz
Der Tadler
An meine Sorgen
Der Fels

Meinem lieben Reschen

1793

Liebchen, komm, wir wandern,
Liebchen, ich und du;
Fromm gepaart nach Pilgerweise,
Wallen wir hinab die Reise
In das Land der Ruh'!

Amor mit der Fahne
Zeigt uns Steg und Bahn;
Jetzt auf heitern Blumentriften —
Jetzt in wilden Felsenslüften —
Amor zieht voran.

Wird die Aussicht trübe, —
Seiner Fackel Brand
Führt uns fort auf finstern Gleisen,
Wie der Stern die heil'gen Weisen
Aus dem Morgenland.

Brennt die Mittagssonne
Stirn und Wangen heiß,
Ritzt dein Füßchen sich an Dornen,
Amor führt zu kühlen Bornen,
Trocknet uns den Schweiß.


Will mein Liebchen speisen, —
Amor schaffet Kost,
Bringt in kühlen Geißblattlauben
Butterschnitten, frische Trauben,
Zuckersüßen Most.

Sehnet, matt und müde,
Liebchen sich nach Ruh',
Heißt er Arm um Arm uns schlingen,
Drücket dann mit sanften Schwingen
Uns die Wimpern zu.

Sehnet, lebensmüde,
Liebchen sich in's Grab, —
Amor gräbt auf stiller Haide
Uns den Hügel, senkt uns Beide,
Herz an Herz, hinab.


Liebchen, komm! gepaaret
Wandert sich's so schön!
Trennt das Grab auch die Gefährten,
In den Paradiesesgärten
Ist das Wiederseh'n.

Liebeszauber
1798

Wo einst das Todesrohr auf ihn geblitzt,
Den Böden zieht der Kronhirsch nimmer nach;
Nie weidet mehr das Mutterschaf am Bach,
Wo seines Lämmchens Blut der Wolf verspritzt;

Nie sucht das Täubchen mehr des Ulmbaums Dach,
Wo einmal ihm der Weih den Hals geritzt;
Die Schlummerstätte flieht die Hirtin itzt,
Wo jüngst die Natter ihre Ferse stach.

Nur ich — ich weiß, wo meine Feindin lauscht, —
Den Irrweg, wo ich trunken mich verloren, —
Wo mir der Pfeil voll Gift ins Herz gerauscht;

Und fliehe nicht, und kenn', in Wut berauscht.
Nichts Süßeres, als, gegen mich verschworen,
Die Wunde tief und tiefer nur zu bohren!

Die Mitternacht
1805

Des Himmels Burg ist eine finstre Halle.
In der kein freundlich Sternbild flammt;
Im Mantelkleid von schwarzem Samt
Thront Mitternacht im düstern Sternensaale.

Die Freude ruhet jetzt von Spiel und Scherzen;
Nun—von des Schlummers Balsamkorn
Beträuft — nun rastet auch der Dorn
Geheimen Grams, und höret auf zu schmerzen.

Nur meiner nicht; nur dieser scheint zu warten
Auf eine tief're Mitternacht,
Woraus der Schläfer spät erwacht —
Beim Morgenrot im Paradiesesgarten.

Die Wünsche
1805
An die Prinzessinn Karoline von Hessen- Philippsthal.

Wem das Trauerlos gefallen,
Seines Lebens Pilgrimschaft
Über Dornen hinzuwallen;
Wem des Herzens Mut und Kraft
Hinstarb in Bekümmernissen;
Wem der Hoffnung Stab zerbrach;
Wen die Grazien verließen,
Als er in der Wiege lag;

Einem solchen Unglückskinde
Wünsch' ich herzlich Heil und Glück;
Friede, Mut und Hoffnung finde
In sein Herz den Weg zurück.
Und vor jedem Sturm geborgen,
Sicher vor des Schicksals Grimm,
Ungeneckt von Harm und Sorgen,
Lächl' ein milder Abend ihm.

Aber wer mit heit'rem Sinne
Freundlich in das Leben sprang;
Wer so frei, wie Karoline,
Von gemeiner Fesseln Zwang
Lauter helle Frühlingstage,
Blumen gleich, zusammenreiht;
Wem die Lippe keine Klage,
Das Gemüt kein Gram entweiht;

Wer wie sie, im eignen Busen
Eine Saat von Freuden trägt,
Deren Keim die holden Musen
Und die Grazien gepflegt;
Wer der Kindheit süßen Frieden,
Ewig blühend, frisch und zart,
Gleich der Frucht der Hesperiden
In der reinen Brust bewahrt;

Der verschmäht mit leichtem Mute
Dieser Wünsche eitlen Zoll,
Die Fortunens Zauberrute
Mühsam erst verkörpern soll;
Solche Seelen steh'n dem Glücke
Gegenüber ohne Schuld,
Fürchten nichts von seiner Tücke,
Betteln nichts von seiner Huld.


Darum Heil dir, Karoline!
Deines Lebens schöner Quell,
Nie empört von Stürmen, rinne
Über Blumen still und hell!
Götter wacht, daß nie ein trüber
Dämon stör' ihr Paradies;
Und an ihrem Haupt vorüber
Geh' verschonend Nemesis!

 
Schiller und Goethe
Nach Schiller's Tod. Mai 1802.

Jeder verherrlicht der Jungfrau'n eine; der Eine die Griechin,
Auf der Französin Haupt drücket der And're den Kranz.
Keine der Jungfrau'n stirbt, so lang ein germanisches Herz schlägt!
Doch nicht gleich ist der Lohn, des sich die Sänger erfreu'n!
Beiden die schimmernde Stirn umgrünt unsterblicher Lorbeer;
Fülle der Ehren und Gold spendet die Griechin dazu;
Aber zärtlicher weiß die französische Hirtin zu lohnen,
Über die Sterne zu sich ruft sie den herrlichen Freund!

Mein Gebet an die Freundschaft
1810

Freundschaft! deren Glut, wie Vesta's Flamme
Still und einsam nur, doch ewig brennt!
Freundschaft! teurer, oft entweihter Name!
Den der Mensch so gar gern eitel nennt!

Heil ihm, der dich in sein Herz gegraben,
Der dein Bildnis in der Seele trägt!
Aber ach! die falschen Münzer haben
Dieses Bild oft schändlich nachgeprägt.

Dein Gewand, die Kron' auf deiner Stirne,
Schöner strahlt kein Königsdiadem,—
O, wie manchem Schwätzer, mancher Dirne
Dienen sie zur Maske so bequem!

Allzu oft entlehnt an jenem Platze,
Den ein Edler dir zum Altar weiht,
Deinen Nimbus eine Götzenfratze,
Der ein Bonze feilen Weihrauch streut.

All die Brut, o Göttin! halte ferne,
Fern von mir, und find' ich keinen Freund,
Dessen Herz den Schlag des meinen lerne,
Nun so gib mir einen biedern Feind,

Der, zum Heuchler allzu stolz, es wage,
Wahrheit mir zu reden kühn und frei.
Ob das Glück mich auf den Armen trage.
Ob das Glück mich hasse — einerlei!

Edlen Mutes wird mein Feind mich warnen
Vor des Parasiten süßem Gift,
Vor des lächelnden Verräters Garnen,
Dessen Meucheldolch im Finstern trifft.

Wollust darf mich dann nicht frech umschlingen,
Heiter scherz' ich dann bei Lieb' und Wein,
Denn des Edlen Feindschaft wird mich zwingen,
Immer nur der Tugend Freund zu sein.

An den Schlaf
1811

Falscher Freund, mit deinem Kranz von Mohn!
Nur an meiner Jugend Schlummerstätte,
Nur an meiner Freude Flaumenbette
Bautest du so gerne deinen Thron!

Seit ich frohne an des Kummers Kette,
Sprichst du kalt den heißen Wimpern Hohn;
Seit aus dieser Brust die Ruh' gefloh'n,
Labte sie kein Trank aus deinem Lethe.

Ach, seitdem ist auf Minuten nur,
Mehr von Gram, als deinen Körnern trunken,
Dieses Herz in deiner Flut versunken!

Tod, sein Bruder! Liebling der Natur!
Hauch' ihn hin in mir, den letzten Funken;
Laß entschlummern mich auf deiner Flur!

Ermutigung
1812

Du hast umsonst dich gegen mich verschworen,
O Glück! ich stimme dir kein Klaglied an.
Ich bin zu Klag' und Winseln nicht geboren!
Ein Weib verzagt, sich selber hilft der Mann;
Und kann er's nicht, mag er den Gram erdulden,
Doch nimmer ihn durch feigen Sinn verschulden!

Vernimm dies Wort, o Bruder! dem die Zähre
Verschmähter Zärtlichkeit vom Auge bricht.
Vergönne doch der Falschen nicht die Ehre!
Ein Weib, das treulos ward, verdient sie nicht,
Und bleichte dir der Kummer Lock' und Wange,
Sie lacht dazu! Drum biet' ihr Trotz, der Schlange.

Und will das kranke Herz durchaus nicht heilen, —
Den Musen führ' es zu! Sie sind dir treu.
Und machen von den feinen Zauberseilen,
In denen du gefangen liegst, dich frei.
Und könnte deinen Schmerz kein Maß ermessen,
Im Hain der Musen wirst du ihn vergessen.

Und will das kranke Herz dann noch nicht heilen, —
Der Freundschaft führ' es zu: o, die ist treu!
Vom Gift, das mit des Liebesgottes Pfeilen
In's Herz dir floß, macht dich ihr Balsam frei.
Ihr Götterschild wird unter Kampf und Stürmen
Auf Tod und Leben siegreich dich beschirmen.

Und kannst du noch die Untreu' nicht verschmerzen,
So flüchte zur Natur! Sie ist so treu,
So süß die Ruh' an ihrem Mutterherzen!
Ihr Freudenquell springt ewig frisch und neu;
Und fände sie dir keinen Trost hinieden,
So holt sie dir von jenseits deinen Frieden.

Zechlied
Frei nach dem Lateinischen: Mihi est propositum etc.

Schon als Kind weissagten mir's
Die Zigeunerinnen:
"In der Schenke stirbst du einst!
Statt der Medizinen
Soll dein letztes Tröpflein dir
Aus dem Weinglas rinnen.
Und der Chor der Englein singt:
Schlumm're sanft von hinnen!"

Wenn ich trinke, fühl' ich's klar,
Daß ich heller denke,
Und entzückt den Geist hinan
Zu den Sternen lenke.
Köstlich schmeckt ein Labetrunk
Frisch her aus der Schenke,
Besser als des kargen Vogts,
Wäss'rig Froschgetränke!

Ihren Kindern gibt Natur
Jedem eigne Gaben;
Mir hat sie zu Speis' und Trank
Lieb' ins Herz gegraben;
Nüchtern geb' ich's Fersengeld
Vor dem schwächsten Knaben;
Durst und Hunger — eh will ich
's gelbe Fieber haben!

Immer pflegt mein Lied an Kraft
Meinem Wein zu gleichen;
Kläglich wird mein Saitenspiel
Bei dem sauren schleichen;
Säng' ich nüchtern gar, —es schien'
Unkenruf in Teichen;
Aber hab' ich Rheinwein — ha!
Dann muß Schiller weichen.

Mein prophetisches Genie
Taugt euch keinen Plunder,
Schwillt mir nicht zuvor die Brust,
Glühend von Burgunder;
Bläst mir dann im Oberhaus
Bacchus in den Zunder,
So posaunt Apoll aus mir
Wunder über Wunder.

Todesfeier meiner Gattin
Den 18. Mai 1815

Horch! die Schreckensstunde hat geschlagen,
Und der Trauerzug zieht vor mein Haus.
Schwarz beflorte Männer nah'n und tragen
All mein Liebstes, Teuerstes hinaus.
Klagt, Posaunen! Hallet, Todesglocken!
Meiner Wehmut ein willkommner Chor!
Heut soll jeder frohe Odem stocken;
Heute hülle sich Natur in Flor!

Männer, die ihr mich so oft beneidet,
Nun verzeiht mein Glück mir, blicket her!
Seht, da liegt sie, lilienweiß gekleidet,
Und dies Herz voll Treue schlägt nicht mehr!
All ihr Leben, all ihr süßes Lieben,
Ihres Daseins einzig Ziel bin ich
Bis zum bittern Todesgang geblieben;
Heut' zum ersten Mal verläßt sie mich.

Treulich hieltest du an meiner Seite
In der bangen Prüfungsstunde aus,
Riefen, drohend unserm Haupt, zum Streite
Feindliche Gewalten mich heraus.
Froh gesinnt mit mir in frohen Tagen,
Treue Hausfrau, Freundin, Pflegerin,
Alles warst du mir, und Alles tragen
Düst're Männer ohn' Erbarmen hin.

Und du willst mir nimmer wiederkehren?
Lassest mich mit meinem Schmerz allein?
er soll ohne dich mich leben lehren?
Wer soll unsers Albert's Mutter sein?
Ach, hienieden jammern deine Treuen,
Weil der Arm des Todes dich umfaßt,
Und du kannst im Himmel dich nicht freuen,
Wo du mich und deinen Sohn nicht hast!

Traurig zögernd zogst du fort zur Reise
In das schaudervolle Geisterland,
Und dein Herz bleibt in der Engel Kreise
Treu der ird'schen Liebe zugewandt,
Ja, ich fühl's in diesen heißen Zähren,
Fühl' es in der tief zerriss'nen Brust,
Daß in allen Leben, allen Sphären
Ewig du die Meine bleiben mußt!

Dieser Liebe Drang, die unsre Herzen,
Teures Weib! einander zugesellt,
Kann die Spanne Trennung wohl verschmerzen,
Wir sind für die Ewigkeit vermählt,
Eine Stimme hör' ich tröstend reden,
Die aus tiefster Seele mir verspricht:
Es zerreißt der Parze Hand die Fäden
Nur des Lebens, doch der Liebe nicht!

Fahre wohl denn, Liebe! Schlummr' in Frieden!
Bald versiegt auch meines Lebens Strom,
Dann sind wir, vom Irdischen geschieden,
Neu vermählt im hohen Sternendom.
Lippe! einst so süß, und du, o Wange!
Einst der Rosen, nun der Lilien
Schöne Nebenbuhlerin, empfange
Meinen letzten Kuß auf Wiedersehn!

An meinen Arzt
1816

O, zähle nicht mehr meines Pulses Schläge!
O, frage nicht, ob meine Eßlust rege.
Und ob mein Schlummer lang und ruhig sei?
Ob mir der Wein, mein wackrer Cilfer, munde?
Gar trügerisch ist all der Zeichen Kunde,
Und keine Kunst von allem Irrtum frei.

Ich weiß ganz andere Gesundheitsmesser,
Die probehältig sind, so gut und besser
Als die von Brown' und Hufeland und Frank,
Für mich darf ich sie kühn unfehlbar nennen,
So sicher ließen sie mich stets erkennen,
Ob ich gesund sei, kränklich, oder krank.

Entglüh' ich heiß bei Kleist's und Bürger's Liede;
Erfüllt, wenn Hölty singt, ein stiller Friede
Das Herz mir; überströmt bei Albrecht's Hund
Mein Aug' ein Quell von wundersüßen Tropfen;
Sing' ich das Rheinweinlied mit warmem Klopfen:
"Bekränzt mit Laub",—so bin ich kerngesund.

Doch wenn mich Tell und Posa ruhig lassen;
Bei Wallenstein mich keine Schauer fassen;
Die "Schuld" mich nicht erfüllt mit bangem Graus;
Wenn Macbeth nickt das Haar empor mir sträubet;
Faust keinen Angstschweiß auf die Stirn mir treibet,
Dann sieht's ein wenig schon bedenklich aus.

Wenn endlich gar das Reiterlied erklänge,
Und keine Glut mir durch den Busen dränge,
Dann sei mir, Freund! mit deiner Hülfe nah',
Und eile, Leipzig's Schlacht mir zu erzählen,
Und wenn mir dann nicht mehr die Adern schwellen,
So trau're, — meine Todesstund' ist da.

Versuche dann noch Eins, — sprich von Theresen,
Wie dieses Weib ein Engel mir gewesen,
Wie treu in Freud' und Leid, in Drang und Not!
Siehst du dann nicht mein Aug' in Tränen schwimmen,
Nicht Flammenglut auf meiner Wange glimmen,
So grab' mich ein — ich bin gewiß schon tot.

Mannstrotz
1816

Feigen Mut verrät das Klagen,
Und dem Manne ziemt es nicht;
Stolz und schweigend muß er's tragen,
Wenn des Grames Dorn ihn sticht;
Wenn die Götter ihm versagen
Was sein Herz verlangend spricht,
Mag er trauern; aber klagen —
Klagen darf der Stolze nicht.

Wenn in sturmbewegten Tagen
Ringsum auslischt Trost und Licht;
Freunde keine Rettung wagen;
Helden schon der Mut gebricht;
Wenn die Hoffnung mit Verzagen
Ihren letzten Anker bricht,
Mag er trauern; aber klagen —
Klagen darf der Stolze nicht.

Schwer ist's freilich zu entsagen;
Schwer ist's, ewig treu der Pflicht,
Einzig nach dem Kranze fragen,
Den die Tugend jenseits flicht;
Doch, wenn blutend im Entsagen
Auch das Herz des Mannes bricht,
Mag er sterben; aber klagen —
Klagen darf der Stolze nicht.

An die Natur
Nach dem Französischen

Natur, wie bist du unermeßlich groß!
Kein Staubgeborner, der sich rühmen darf
Daß er vergebens nie sein Senkblei warf,
In deiner Höh'n und Tiefen dunklen Schoß!

Dir gegenüber, wie bin ich so klein!
Ein Flämmchen Blitz herab auf meine Stirn,
Ein Wassertropfen nur in mein Gehirn,
Ein Hauch der Pest — aus ist mein irdisch Sein!

Doch überrag' ich in der Wesen Reih'
Dich weit! Du mußt, was du vollbringst, und weißt
Es nicht, Ich will, ich denke! und mein Geist —
Unsterblich! du bist's nicht, Natur! — ist frei!

Die Biene
1824

Am frischen kühlen Wiesenplan
Ruht' eine Schäferin;
Ein Rosenbusch ihr Baldachin,
Ihr Bettchen Thymian.

Ein emsig Bienchen flog heran,
Und flog der Schäferin
Gerade auf die Lippen hin,
Und wühlt' und sog daran.

"Vergib mir" — sprach die Biene dann —
Mit froh getäuschtem Sinn
"Sah ich dein Mündchen, Schäferin,
Für eine Rose an."

Mutterliebe, die höchste Liebe
1824

In schönen Seelen glüht der Freundschaft Flamme;
Ihr hoher Mut in jedem Sturm der Zeit,
Zu jedem Opfer, jedem Kampf bereit,
Zeugt, daß sie einer schönern Welt entstamme.

Noch höher strahlt der Gattin Lieb' und Treue,
Wenn Arria im freien Heldentod
Sinkt, und den Dolch, von ihrem Herzblut rot,
Dem Gatten reicht zu gleicher Todesweihe.

Nur große Seelen steh'n am Opferherde
Der Liebe für ein freies Vaterland;
Schön, wie Leonidas, ruh'n geistverwandt
Zriny und Winkelried auf heil'ger Erde.

Doch in des Herzens tiefsten Tiefen bauet
Nur Mutterliebe sich den ew'gen Thron;
Nur ihr hat Gott den eingebornen Sohn
Im Schoß der Mutterjungfrau anvertrauet.

Zuruf
1825

Kennst du das Meer? Erglänzt am Himmelsbogen
Um Mitternacht der Sterne Chor,
So wähn' ich oft, es schlage seiner Wogen
Gebrause fernher an mein Ohr;

So wähn' ich oft, als stünd' ich am Gestade;
Ich sehe — nein! es ist kein Wahn! —
Schön aufgeschmückt, daß er zur Fahrt dich lade.
Seh' ich den Lotsen und den Kahn;

Seh' Freunde stumm die Hände ringen, weinen,
Ich sehe sie, von Gram gebeugt,
Zermalmt, zerrißnen Herzens, — aber keinen,
Der mit dir in die Barke steigt.

Wohin die Fahrt? — In Nacht! Nur selten Sterne
Zu Führern und die Uhr von Sand;
Nur selten dir entgegen aus der Ferne
Verkünden leise Stimmen: Land!

O folge schnell in raschen Ruderschlägen!
Trau' jener Sterne Götterschaft,
Ob nimmer auch ein Segler dir entgegen
Zurück von jenen Ufern schifft.

So schifft Columbus, treu des Gottes Stimme,
Auf nie befahrnen Wassern fort;
Dem Neid obsiegend und der Meuter Grimme,
Hält ihm der Gott im Busen Wort.

Das Land der Unschuld
1826

Welcher Ozean hält dich versteckt,
Land der Unschuld? Wer kann dich erkunden?
Hat kein Humboldt deine Spur entdeckt,
Hat kein Lapeyrouse dich gefunden,
Land, wo sonder Haß die Herzen schlagen,
Ohne Schuld, und ohne Selbstverklagen?

So erseufzt' ich, voll die Brust von Gram,
So, wenn Hesper glänzt' am Himmelsbogen,
So, wenn Purpurglut den Ost umzogen,
Und im Morgentau die Rose schwamm.
"Leben Unschuld, Treue, süßer Friede
Nirgends mehr, als in des Sängers Liede?"

Da vernahm mein Ohr — wo klang sie her? —
Eine Stimme aus der Unschuld Lande:
"Fremdling, komm'! Erschein' an meinem Strande!
Länger täusche dich der Wahn nicht mehr,
Daß mein Ufer fern, unnahbar liege!
Komm'!" Ich flog, und stand — an einer Wiege.

Das Menschenherz
1827

Oft schon hab' ich, tief betroffen,
Nachgesonnen, nachgedacht;
Doch umsonst! — Ihr Philosophen,
Lehret mich, aus welchen Stoffen
Ist das Menschenherz gemacht?

Seh' ich um die lieben Kleinen,
Wenn die Katze Mäuschen speist,
Amaryllis jammerd weinen,
Soll man dann, o Herz, nicht meinen,
Daß du nur von Butter seist?

Doch, wenn fremdes Weh die Rinde
Nie um Aspers Busen schmolz,
Ist's zu wundern, wenn ich finde,
Zweifelnd, ob der Klotz empfinde,
Menschenherz, du seist von Holz?

Du entglühst zu deiner Ehre
Oft so edel himmelwärts!
Ich erkenne dann die Lehre
Wahr: Ein Tropfen aus dem Meere
Gottes bist du, Menschenherz!

Aber wenn du im Gewühle
Aller Bosheit giftig flammst,
Dann, mit bangendem Gefühle,
Wähn' ich, kleine Teufelsmühle,
Daß du aus der Hölle stammst!

Kommt das Unglück angekrochen,
Ist's um deinen Mut getan,
Du verzagst mit bangem Pochen,
Deine Stärke liegt zerbrochen;
Herz, bist du von Porzellan?

Und bist doch oft nicht zu zwingen,
Durch kein Schicksal, keinen Schmerz!
Willst durch's Leben kämpfend dringen,
Mit dem Schicksal standhaft ringen,
Als ein eisern Heldenherz!

Herz, was glänzt in deinen Tiefen?
Irrlichtschein! — Der Weise find't
Keine Kund' in deinen Briefen;
Was du sprichst, sind Hieroglyphen,
Deine Weg' ein Labyrinth!

Der Tadler
1827

Ein alter Mann ist recht fatal,
Ein nie zufried'ner Gast;
Er lebt für Andre nur zur Qual,
Und ach! sich selbst zur Last!
Tritt er wo immer ein ins Haus,
Gleich flieh'n zur andern Tür'
Die Freude und der Scherz hinaus;
Verdruß zieht ein dafür.

Jung war ich gar so froh gesinnt!
Da übte auf mich bald
Ein braunes, bald ein blondes Kind
Recht ordentlich Gewalt.
Von all der süßen Lieblichkeit
Der Mägdelein und Frau'n
Ganz dämisch, hatt' ich gar nie Zeit,
Auf alte Herrn zu schau'n.

Nun aber wendet sich das Blatt!
Nun plaudr' ich aus Verdruß,
Mich selbst verklagend, lebenssatt,
Als tät' ich Kirchenbuß',
Die Ketzereien alle aus.
In die ein Mensch verfällt,
Der — ach! seit seinem Kindstaufschmaus
Bald drei Mal neunzehn zählt! —

Schon, daß ich vorn behauptet hab',
Daß es zu meiner Zeit
Auch liebenswürd'ge Frauen gab.
War eine Albernheit;
Wie selten hat da Autorruhm
Ein Damenherz erhitzt!
Und ha! was war das Modetum
Zu jener Zeit und itzt!

Wer zählt die Frauen, die ich sah
In einem Prunkgewand,
In dem, als Braut, die Großmama
Vor dem Altare stand!
Jetzt wagt sich traun! kein Damenkleid
Zweimal zum Ball hervor!
Und all die Pracht und Herrlichkeit
Reizt meinen Zorn! ich Tor!

Wenn einst die Hausfrau ihren Mann
Geliebt, treu bis zum Tod;
Die Kleinen ohn' Erziehungsplan
Erzogen, fromm vor Gott;
Wenn allenfalls ihr stiller Fleiß
Das Haus erblüh'n gemacht,
So war all ihrer Pflichten Kreis
Geschlossen und vollbracht.

O Einfalt! des Jahrhunderts Spott!
Jetzt schaut die Dame an!
Musik, Putz, Karten, Walter Scott, —
Die liebt sie, nicht den Mann!
Ihr hoher Geist find't Wirtschaft, Haus
Und Kinderzucht zu klein;
Ich aber schlüg' — o lacht mich aus! —
So gern mit Fäusten drein.

Doch weiter fort! Ihr wißt, wie sehr
Es jedes Herz gerührt,
Wenn kürzlich mancher dicke Herr
Zum Dünnen sich geschnürt;
Dazu den Polster auf der Brust,
Den unsre Frauen jetzt . . .
Ach! jenes Dunkel ist bewußt,
Wohin sie ihn versetzt! —

Wie oft sah man ein liebend Paar,
Und unterschied gar nicht,
Wer Männchen oder Weibchen war,
Zumal im Dämmerlicht;
Und solche Männer so verkannt!
Nein, ich verzeih' mir's nie!
Wie glaubt ihr, daß ich sie genannt?
Erzgecken nannt' ich sie!

Das ist zu toll, zu frech, und doch
Der Schmähsucht Gipfel nicht!
Doch steigt mein Wahnsinn höher noch,
Wenn mich der Stachel sticht!
Was Rom und Hellas nie gekannt,
Was ein Prometheus
Vom Himmel uns zum Trost entwandt,
Ich schimpfe d'rauf! Ich muß!

O schöner Vorrang unsrer Zeit,
Wenn mit des Odems Hauch
In stiller Tabakseligkeit
Hindampft Gestank und Rauch!
Die Zunge saugt, die Nase zuckt,
Vom sauren Qualm gereizt,
Die Wange schwillt, die Lippe spuckt,
Das Auge wird gebeizt!

Ihr Schönen von Athen, und die
Ovid und Tasso sang,
Weint! So gefeiert war't ihr nie;
Von dieser Wonne drang
Kein Tröpfchen je in eure Brust,
Die jetzt ein Mädchen fühlt,
Das sein Adon — o Götterlust!
In Rauchgewölk verhüllt!

Und ich, Natur! dein Stiefkind, muß
Voll Neid von ferne steh'n;
Muß vom ätherischen Genuß
Mich ausgeschlossen seh'n!
Der Schmaucher schwingt sich, dumm betäubt,
Zum Urquell alles Lichts!
Mir armen Pfeifelosen bleibt
Des Schimpfens Lust, sonst nichts!

Doch nun genug von dem Skandal!
Auf einmal wag' ich's nicht,
All meiner Frevel schwere Zahl
Zu stellen vors Gericht;
Zum Schlusse — dann soll Friede sein!
Erlaubt dem Sünder noch
Ein pereat dem jungen Wein;
Der alte — lebe hoch!

An meine Sorgen
1827

Daß ihr, wenn ich am Amtstisch sitze,
Berichte und Dekrete schnitze,
Heimtückisch mich beschleicht,
Ja, selbst bei peinlichen Verhören,
Und wenn vorm Kreuz die Zeugen schwören,
Mir nicht vom Nacken weicht;

Daß ihr, wenn ich mich einsam träume,
Wenn durch die Nacht der Kästenbaume
Der Vollmond mich belauscht,
Herschwirrt, wie aus des Orcus Höhle,
Und, Unheil kündend, meine Seele
Im Eulenflug umrauscht;

Daß ihr, wenn uns Sokratischweise
Die Muse in dem Zecherkreise
Mit jungen Rosen kränzt,
Mißtön' in uns're Lieder zischet,
Mir Wermut in den Becher mischet,
Und grinsend ihn kredenzt;

Ja, daß ihr, will ich euch entrinnen,
Wohin ich reise, Unholdinnen!
An meiner Ferse hängt,
Und nimmer müde, unverdrossen,
Schritt haltend mit den schnellen Rossen,
Euch um den Flüchtling drängt; —

All das will ich mit Gleichmut tragen!
Nicht darf der Mann den Kampf versagen,
Ich will ihm männlich steh'n:
Zieht doch die Heimat uns verschieden, —
Euch in die Tiefe, Eumeniden!
Mich — wo die Sterne geh'n!

Nur ein — o, lasset euch beschwören! —
Nur ein Asyl sollt ihr nicht stören!
Die Schwelle nicht entweih'n!
Allnächtlich — ach! nur eine Stunde
Fern sollt ihr halten eure Runde,
Und mir mein Glück verzeih'n!

Wenn ich, entzückt vom Kuß der Weihe,
Mein lauschend Ohr Gesängen leihe,
Die mich die Muse lehrt, —
Die tief im Herzen wiederhallen,
Doch die im Staube nachzulallen,
Die schwache Lippe wehrt;

Wenn ich im Glanz der ew'gen Sterne
In der Sanskritta stammeln lerne,
Die Gottes Finger schreibt;
Wenn ich ins höh're Dasein flüchte.
Wo freie Tugend endlich Früchte,
Nicht mehr bloß Blüten treibt;

Wenn ich entkörpert, kühner, freier,
Auffliege zu der höchsten Feier,
Zum allerherrlichsten
Der Feste — ha! des Übergehens
Ins schön're Land! des Wiedersehens
Bei den Unsterblichen! —

Dann nahet nicht der heil'gen Stätte!
Wohin des Sängers Herz sich rette,
Bleib' eine Freistatt ihm!
Da blute schmerzlos seine Wunde!
Der Gottesfriede dieser Stunde
Entwaffne euern Grimm!

Der Fels
1827

Von Gottes Hand
Vollendet stand —
Mit Brautschmuck angetan —
Der Erde Ball,
Und Gott befahl:
"Nun fliege deine Bahn!
Nun, Sonne, flamm'! Es glühe
Die erste Sonntagsfrühe!"

Dem Herrn erklang
Dein Preisgesang,
O Mensch, dein erstes Lied!
Der junge Leu,
Dem sonder Scheu
Das Lamm zur Seite zieht,
Hört froh erstaunt sein Brüllen
Der Wälder Nacht erfüllen.

Ein voller Chor
Steigt laut empor;
Nicht ein Geschöpf verstummt;
Der Hain erwacht;
Das Täubchen lacht,
Und Mück' und Biene summt;
Tief tönt's aus Waldesklüften,
Hell klingt's aus heitern Lüften.

Das Bächlein tauscht
Geschwätz, und rauscht
Den Wiesensaum entlang;
Es braust der Wald;
Der Bergstrom hallt;
Fern gehen Donnergang
Des Weltmeers Wogenhügel;
Fern tönt des Sturmwinds Flügel.

Ein Haupt nur steigt
Empor und — schweigt,
Des Felsens düstres Haupt;
Der Stimme Lust
Ist seiner Brust —
Wie trauert sie! — geraubt,
Gesang ist rings ergossen,
Nur er ist ausgeschlossen!

Dem Blick des Herrn
Entgeht — wie fern
Er traur't! — der Stumme nicht.
Ein Wink genügt,
Und Echo fliegt;
Der Fels — er tönt, er spricht!
Nun klingen tausend Lieder;
Der Fels gibt alle wieder!