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Quelle:

Der Wiener Hans Sachs
Schmeltzl Wolfgang

Eine Auslese seiner Werke
mit Anmerkungen versehen.

Hrsg. Ella Triebnigg
Wien 1915
Verlag von Gerlach & Wiedling
 

Ein Lobspruch der Hochlöblichen weltberümbten Khüniklichen Stat
Wien in Österreich.

                              

Teil 1


Man spricht: witz kumen nid vor jarn,
Ein jung gsel sol sich vil erfarn,
Nit alzeit hinter dem offen sitzn,
Negel abschneiden, höltzlein schnitzn,
Grillen stechen, fleugen schlahen,1
Er wirt sunst jederman verschmahen,
So er nichts ghört, nichts gesehen,
Was des orts oder dort ist gschehen.
Ein solcher gwißlich wais nit wol,
Wie man ein frembden halten sol,
Vil weniger gmain nutz er khan
Durch sein erfarung richten an.
"Ein jung gsel, der das landt nit paut,
Wirt zugleicht eim vngschmaltzen kraut.
Sey dann in einer solchen Stat,
Darin er findt Kunst, witz vnd Rath,
Gute sitten, so mag er pleibn,
Im vatterlandt sein zeit vertreibn —
Offt fleugt ein Ganß hin vber mehr,
Vnd kumbt ein Ganß wider on lehr —2
Doch frembdt erzeucht3 vnd leert recht,
Macht offt zum herrn ein armen knecht,
Der sunst dahaim erstunk, erfault,
Für4 langweil sich am tutten mault."
Solch redt mein vatter offt hat than,
Ein fromer armer handtwergks man.
Villeicht mir solchs zu ghör gredt,5
Derhalben ich mich von jm thet.
Die Reichstet im Römischem Reich
Besicht ich vleissig alzugleich,
Het grosse achtung, ob ich fundt
Ein ort do ich mich neren6 kundt.
Es sah mich wol nit vbel an.
Manch gwaltig stat, gelerten man

1Fliegen erschlagen. 2Oft fliegt eine Gans übers Meer,
und kommt als
Gans wieder, ohne Lehr!
3Doch die Fremde erzieht. 4Vor. 5zu Gehör geredet.
6nähren.

Vnd trefflich Policey ich fandt,
Dieweil ich aber vnbekant
Nit pleiben mocht an disem ort,
Vieln mir wider ein meins vattern wort,
Die ich gemerckt mit allem fleiß,
Dann not ein mant, suecht weg vnd weiß,1
Wie Kayser Maximilian
Ein treffenliche redt het than:
"Er het ein landt mit gulden bergen,
Die straß daselpst gantz sylbern wern!"
Auch sprach er oft: "o Osterreich!
Wo mag man finden dein geleich?
Rein landt2 mir nie paß3 gfallen hat,
Du hast den namen mit der that!
Der pest Saffran in aller welt
Wechst neben traid,4 wein auff dem velt.5
Zu gmain jaren ein vberfluß,6
Werß sicht7 das billich loben muß.
Vil landt das Herzogthumb allein
Järlichen speist mit traid vnd wein.
Die Auen an der Thonaw8 nebn
Ein notturfft holtz zu prennen gebn."9
Sagt auch für wunder offtermaln:
"Mit großem gut möcht man nit zaln
Die weinstecken im weingarten
So man bedarff diser orten.
Ein landt am volck gewaltig reich,
Gut müntz, groß gwicht vnd maß dergleich.
Vil Kayser, Künig, Fürsten, Herrn
In disem landt geboren werdn."

1Wenn Not einen mahnt, sucht er Weg und Weise.
2
Rheinland. 3hier im Sinne von "gut". 4Getreide.
5
Feld. 6Zu gewöhnlichen Jahren ist ein Überfluß. 7sieht.
8
Donau. 9Einer Notdurft Holz zu brennen geben.

Auff dise wort thet ich mich bsinnen
Vnd auf der schaitten abwertz rinnen
Bis geen Kornneunburg an das gstat.1
Wir hetten schier al gebat2
Vnd mit der Nasen Gruntl gfangen.
Nachmals zu fuessen bin ich gangen.
An die wolffprucken kam ich paldt.
Ich dacht den gantzen Behamer Waldt3
Het man gnomen, abgehaut,
Domit ein solche prucken paut.
Hat zweyhundert vnd sechzig schrit
Vnd dreyzehen joch, noch4 pleibts offt nit!
Wenn geht der stoß5 vnd waßer geust
Solch gweltig holtzwerg als weg fleust.
Nit weit ich gieng auff truckem landt,
Ein klaine prucken ich mehr fandt,
Acht joch hundert vnd sechzig schrit.
Ein alter Pauer zottet mit,
Der fragt mich: "was ich mäß vnd zelt?"
"Wieuil ein jede pruckn schrit helt"
Sagt ich zu jm vnd wundert seer,
Das Thonaw so weitleuffig wer,
Wie man vermöcht solch gwaltig paw.6
Vil prucken sunst seint in der aw.7
Ich maint wer8 schon gar bey der stat,
Er sprach "noch länger prucken es hat.
Von Wolffprucken geen Wienn, glaubt mir,
Ein große halbe meyl habt jr.
Die langen prucken schaut dort, secht!9
Erst kumbt jr auff die Thonaw recht,
Da ist gar manches gwaltigs ploch.10
Fünfhundert schrit lang, dreißig joch
Ist dise pruck gantz vest gepaut.
Nun zeucht die Riemen, gebt die Maut!11
Hie khumb wir auff den Tauber12 ein.


1Gestade, Ufer. 2gebadet. 3Böhmerwald. 4mhd. noch für
dennoch
. 5der Eisstoß. 6Bau. 7Au. 8ich wäre. 9seht!
10
mhd. bloch=Block(Holzblock) 11Zieh die Riemen deiner
Geldkatze, gib Brückenzoll!
12volksetymologisch für Tabor,
s. Taborstraße
in Wien.

Findt Triegler1 bier, güten wein.
Bey diesem Mauthauß frue vnd spat
Die khünigkliche Mayestat
Der Maut den halben teyl nimbt ein,
Den halben teyl ein ersame gmein
Zu Wienn. Was täglich do gefelt,
Daruon man die Stat peulich2 helt.
Die setzt Mautner fleißig getreu,
Als gelt geht wider auffs gebeu3
Waß an dem wasserstram4 geprist.5
Der Edl vnd Vhest zu diser Frist
Sebastian Steger, ein burger,
Gesetzt zu einem Pruckmaister,6
Sein treue dienst gesehen an,
Steffan Schwartz der ist Hauptman,
Hat vnter jm sybn7 mautner auch,
Die maut zü fordern, wie gebrauch.
Sie dienen, schauen auff mit vleiß,
Das gantz jar findt man bey jn eiß.8
Legens in ein grub hinhinder,9
Pleibt khalt im Sumer als im Winter."
Ich gab mein Maut vnd gieng für mich.
Pald in die Schottenaw10 kham ich.
Groß Herm do warn in gulden khetten,
Sprengten auff Türcken11 vnd Genetten,12
Härzschirten,13 triben ritter spil.
Deßgleichen Burger, Khaufleut vil,
Spacirten, rentten hin vnd her.
Indem ich höret schreyen seer,
Schaut mich offt vmb, was das must sein,


1wahrscheinlich der Name eines auswärtigen Bieres.
2vermutlich. baulich. 3Gebäu, gemeint die
Befestigungsbauten an der Donau
. 4mhd. strâm=Strom.
5
gebricht. 6Brückenmeister. 7sieben.8bei ihnen Eis.
9
zurück. 10Schottenau. 11türkische Sättel.
12
Reitzeug auf türkische Art: Pferdegebiß mit einem Ring
als Kinnkette, mit kurzgeschnallten Steigbügeln
.
13
Hartschiere=Bogenschützen, Leibwache.

Do fuert man große vaß mit wein,
Dem anzug1 zu vnd stundt von fern
Ein großer Hauffen Chorhern.
Gar zrissens gsind, voll vnd verwegen,
Halffen die wein an dscheff2 anlegen.
Es fuer3 her mancher gladner wagen,
Vil tausend Emer vor do lagen,
Wie dann zu Herbstzeiten geschicht.
In dem ein Khauffman zu mir spricht:
"Ich merck wol, das jr vor nit seit
Hie gewesen. Zu lesen Zeit4
Wurd jr sehen ein ander gsträpl5
Mit fueren tragen vnd gezäpl!6
Wer vor Martini nit einfuert,
Darnach jm solches nit gebuert.
Auff ein tag auß diser Stat Wienn
Secht jr vil tausend leser außgen.
Das lesen vier wochen werdt,7
Täglich tausent fünfhundert pferdt,
Dreyhundert wägen muß man han,
Die offt ein tag drey fuer8 than
Vnd bringen züsammen disen wein.
Last das ein schöne weinwachs sein!
Das muß man im jar vier mal
Mit hawen9 vmbarbeiten vberal,
On andre arbait die man sol
Zu Weingarten verrichten wol,
Als anziehen, vor kaltn windn
Schneiden, rebnclaubn, jeten,10 pinden,
Abgipffeln, steckenziehen, gruebn.11

1Aufzug. 2vermutlich an die Schiffe. 3fuhr.
4
Zur Zeit der Lese. 5mhd. ge-strapel=heftige Bewegung. 6Mit Führen, Tragen und Gezappel! 7währt. 8Fuhren. 9hauen. 10jäten. 11mhd. grübelen= bohrend graben.

Zum lesen darff man vil böser puebn,1
Die lesen, mosteln,2 puttentragn,
Ein Furman mit roß vnd wagn,
Der den Maisch fuert haim zu hauß.
Erst pressen presser most darauß,
Die pinder müssen auch do sein,
Glaubt mir er gstet vil zpringen ein,
Lesens, abbringens in kheller.
Bhalt wir dohaimen nit ein heller,
Als3 gelt das wir im gantzen jar
Rauffen4 auß wein vnd ander war,
Rint auff der Thonaw in Osterreich."
Ich schaut das pirg5 vnd dacht mir gleich:
"Das seint die gulden perg vnd straß,
Wölch der frumb Kayser lobt dermaß!
Von wegen der weinwachs so groß
Fuert man herab on vnderloß6
Goldt vnd sylber, specerey.
Drumb spricht er: "Thonaw sylberen sey!"
Der Kauffleut knecht, die her mit zogn,
Trugen am gelt, das sy sich pogn,
Beygürtln,7 posatzn8, vnd in secken.
"Wert eß die Wienner nit erschrecken?"
Gedacht ich mir vnd gfiel mir wol,
Wenn ich die warheit sagen sol.
Auff die schlachtprucken gieng ich mit,
Hat fünff joch, sechs vnd neuntzig schrit.
Ich stundt vnd schaut gut abentheuer.
Die Galeoten9 speiten feuer,
Auff den Galeen10 schossens gschwindt,
Ein schnel, böß vnd mutwilligs gsindt.
Sy schifften, fueren vber sich,

So resch,11 das es verwundert mich.
Wie ich die Stat nun vor mir sah
"O Edles Wienn!" selbs in mir sprach:

1Buben 2Die Weinbeeren treten. 3alles 4im Sinne
von Raffen
. 5Ich schaut das Gebirge. 6Unterlaß. 7für Geldkatze. 8aus phose=Gürteltasche, Beutel (slav.)
9
aus Galiote, kleinste Galeere (Schiff mit niedrigem
Borde) mit einem Maste, 16 bis 20 Rudern. 10Galeere. 11hurtig, rasch.

Du bist die port1 vnd zir alzeit,
Befestigung der Christenheit!
Der Türck mit ernst frü vnd spat
Sein kopff an dir zerstossen hat!
Drumb alle flecken vmb vnd vmb
In disem schön Erzhertzogthumb,
Ja auch die gantz Christenheit schier,
Dich lieben, hoffen hilff bey dir!
Das ich dich nun besichten soll,
Danck ich meim Got, bin freuden vol!"
Als ich nun nahent zu dem thor
Vil gharnischt man stunden daruor,
Vnd fragten mich "von wann ich gieng?"
Zu antworten jn ich anfieng:
"Khumb herab auff der Thonaw gleich,
Zu bsichten das hauß von Osterreich,
Weil alle welt vil daruon sagt."
Caspar Waidenlich mich fragt —
Mautner gesetzt von gmainer stat —
"Wan her, mein landsman, nun so spat?"
"Mein lieber Caspar, oben herab!"
"Denk wol das ich euch gsehen hab,
Zu Leipzig vnd in andern stettn?
Mein lieber freundt, ich wolt schier wettn,
Ir wert Wolff Schmältzl, solt euch kennen?"
"Ja, also thue ich mich nennen!"
"Mein lieber Wolff, ich freu mich dein!
Sag mir was dein geschefft hie sein?"
"Mein Caspar, hastu nit gehört:
Dem menschn sein brot von Got sey bschert

1lat. portus=Hafen.


Am ort das er gedacht het nie?
In solcher mainung bin ich hie,
Ob ich da möcht gwinnen mein brot."
"O Wolff, der dir das graten hat,
Der gunt dir guts vnd rät dir recht!
Wie mancher frembder armer knecht
Wirt seiner treuen dienst ersetzt,
Vnd hie in ehr vnd gut gesetzt!
Wer sich zu Wienn nit neren kan,
Ist vberal ein verdorbner man!
Schaw1 wie ein zuetragen vnd fuern,
Die wägn mögen sich nit beruern!
Nur heut auff disen marckt allein
Geladen wagn seint gangen ein
Drey vnd zwaintzig sibenhundert!"
"Ich sprach: "von hertzen mich das wundert,
Wo das Landt souil traidt nur nimbt?"
"Ja wol, sechstu2 was sunst einkhumt
Zu andern thoren vnd andern tägn
Mit Prophiant geladen wägn!
All wochenmärckt, an dem Sambstag,
Glaub mir fürwar wie ich sag,
Souil traidt auff den marckt gefürt,
Als vormittag versylbert wirt.

Wie grosse krieg es glitten hat,
Mangelt noch nit ein pissen brot.
Wo ist ein landt das solchs vermöcht,
On abgang zspeisen souil knecht,
Wie than hat Wienn, die edel Stat,
Aus wölcher man gefuert hat
Acht vnd viertzig tausent Emer
Mit gutem Landtwein in das leger?
Vnd ob gleich schier zum andern mal
Das Landt verwüst ist vberal,
In solchem krieg vnd großer not

1schau. 2siehst du.

Ein pfenning seml auf neuntzehen lot,
Das rocken1 auff fuff2 vnd zwaintzig,
Auff drey pfundt zwainyig lot, merck mich,
Ein kreutzer laib den must man pachn!
Des mocht jm manch Kriegsman wol lachn!
Dohaimen must er wasser trinckn.
Den wein so knollet3 hie thet schlinckn.
Als was doch wolt von nöten sein,
Vo fleisch, traid, schmaltz, käß, fisch vnd wein,
Was aller ding ein notturfft gnueg.
Ein Achtring4 man vmb vier aufftrueg.
Auch ist es breüchlich vnd bestelt,
Ob ein Achtring vmb zwaintzig gfelt,
Wirt eim ein pfenwert5 weins gegeben.
Nun zeuch hin, bsicht die Stat gar ebn!"
In dem Wolff Haller auch her trat —
Mautner Khünigklicher Mayestat —
Fieng an zu reden vnd zu lachen,
Sprach: "hie oben secht jr ein pachen6
Unter dem Rotenthurn hangen.
Derhalben ist es angefangen,
Ob jemandt hie zeucht ein vnd auß,
Sein weyb nit fürcht, sey herr im hauß,
Der mag den pachen herab nemen.
Ist aber bisher kainer khemen!
Hangt etlich hundert jar her!"
Ich sprach: "nain, nain, er ist mir zschwer!
Ehe ich mein weib erzürnen wolt,
Ich lieff ehe weiter dan ick solt.
Ein küfflein saltz ich lieber zal,

Damit man wider spreng7 ein mal!"
Als dann ich bsicht die Stat mit fleiß,
Vnd maint ich wer im paradeiß.
Wie gweltig höff, hewser ick fandt,
Khaum gesehen in einem landt!

1mhd. rocke=Roggen, Korn. 2fünf. 3vom Nollen=saugen, zullen. 4Eichmaß: Flüssigkeitsmaß
für Wein
. 5mhd. phenninc-wërt=was einen
Pfennig wert. 6ein großer Schinken. 7vermutlich
aus mhd. sprengen=den Platz mit Wasser bespritzen.


An hewsern außen vnd innen gmäl,
Als werens eytel Fürsten säl!
Mit thürnen, festen gibelmaurn,
Für feind vnd fewr wol für traurn.
Die Ziegldach gantz schön mit zinnen,
Schier baß erbaut in der erdt innen,
Als oberhalb, das glaub du mir,
Nit gmacht auff glantz vnd Augenzir.
Die gantz Stat ist so gar durchgrabn,
So weit vnd tieffe kheller habn,
Vol angesteckt mit khülem wein,
Möchten nit pesser, khüler sein.
Als gmeur von gütem zeug vnd stain,
Die fenster wot mit eysen zain,1
Toppelt vergättert2 allenthalben
Für einsteigen vnd außfallen
Der vogel gsang so schön erhalt,3
Als gieng ich in dem grünen waldt.
Die gassen hübsch vnd wol visiert,4
Gerade, auch weit vnd schön purgiert,5
Gepflastert darzu hoff vnd hauß
Mit herten6 großen stain durchauß.
Ein jede gass der gantzen Stat
Zum fürziehen jr ketten hat.
Ob der feind in die Stat einkhäm,
Glaub mir er großen schaden näm,
Die Stat wer drumb noch nit verlorn,
Man schuß, wurff zu jm hindn vnd vorn,

Das er sprech: "wer ich daus7 mit fueg!
Der äpffl vnd birn het ich genueg!"
An das Lugek kam ich ongfer,8
Da tratten Kauffleut hin vnd her,
Al Nacion in jr claidung.
Da wirt gehört manch sprach vnd zung,
Ich dacht ich wer gen Babl khumen,

1mhd. zein = Stab. 2vergittert. 3erhallt. 4 im Sinne
von: gut ausgerichtet
. 5gereinigt. 6harten. 7draußen.
8
ungefähr.

Wo alle sprach ein anfang gnomen,
Vnd hört ein seltzams dräsch vnd gschray
Von schönen sprachen mancherlay.
Hebreisch, Griechisch vnd Lateinisch,
Teutsch, Frantzösisch, Türkisch, Spanisch,
Behaimisch, Windisch, Italianisch,
Hungarisch, guet Niederlendisch,
Naturlich Syrisch, Crabatisch,1
Rätzisch,2 Polnisch vnd Chaldeisch.
Des volcks auch was ein grosse meng.
Ich macht mich pald auß dem gedreng,
Gieng auff sanct Steffans freythoff3 ein.
In aller höch sah ich ein schein
Der widerglantz gieng von der Sun,
Wie ein Comet am himel prun.
Viel frembdes volcks schaut vbersich

An dem gepeu, verwundert sich,
Wie menschen hendt das bawen khunt!
Der zottet Thurn4 vor vns stundt,
Auff dem in aller höch hinauff
Ein knopff brint, als wer die Sun drauff.
Acht eckig von kupffer berait,
Drein gmessen werdn acht metzn traid.
So er mit wein sein gmessen sol,
Mit sechs emern wirt er vol.
Vom besten goldt, vergult so rein,
Darauff ein stern vnd halb monschein,5
Welchs spitz schier an die wolken gieng.
In dem zu messen ich anfieng
Des thurns weit im fundament,

1kroatisch. 2serbisch. 3Stephansplatz, denn der Friedhof war damals schon aufgelassen. 4Vermutl. nach den Verzierungen des Turms: mit Zotteln versehen.
5nach Ferd. Kotek wurden Stern und Halbmond bei der
ersten Türkenbelagerung von den Wienern selbst am
Turme befestigt, um die Türken von seriner Beschießung abzuhalten
.
 


























































































































































































































































































































































































































Der Stephansplatz und seine nächste Umgebung
 

Fandt acht vnd zwaintzig schrit behent
Hielt yede seit in vierung gar.
Nachmals nam ich mir eben war
Der schönen ghawen pild1 so groß,
Rosen vnd gwächs on vnterloß
Von quaderstain gesetzt zusamen,
Mit pley vergossn die eysen klamen,
Befestigt wol mit eysen stangen.
Der thurn, mit laubwerck gar durchgangen,
Gar auff durchsichtig, on ein dach,
Subtil als ein mensch sehen mag.
Die Thurner blesen auff der zinnen,
Als hört ich Engl oben singen.
Ich leuttet seer vnd sagt mich an,
Die thur die ward mir auffgethan.
Kham in ein stainen schnecken prait,2
Gut anderthalbe klafter weit,
Stig vbersich mit schwerem graffl
Vierhundert vier vnd zwaintzig staffl!
Auff einen gang kam ich hinauß,
Do mocht sich doch das wenigst hauß
Verbergen nit, ich sah al ding!
Gieng vmb den thurn in einem ring,
Schaut weit hinauß auch auff die Stat
Hinab, wie ins thal Josaphat.
Das volck thet durcheinander lauffn,
Wie omayß3 in eim omayßhauffn.
Das gfiel mir in meim hertzen wol!
All plätz vnd gassen warn vol.
Wie wol nit altag Kirchtag ist,
Sicht man vil volcks zu aller frist.
Die höch des Thurns ich erfragt.
Der Statmaister furwar mir sagt:
Vom monschein ab biß auff die erdn

Sechs vnd achtzig claffter wern.

1gehauenes Bild. 2breit. 3Ameisen.

Auch fandt ich in des Thurns gemeuer
Ein glocken groß vnd vngeheuer,
Die hört man gar weit hin vnd her.
Hundert vnd sechtzig centen schwer
Auff einem stulwerck sie hubsch ligt,
Der Clächl1 syben centen wigt.
Ein Vhr in aller hoch auch steht,
Künstlich gemacht, gerecht sy geth,
Darnach sich jeder hab zu richten.
Wiewol die Ziffer clain, vernichtn2
Al menschen dunckt, so doch gewiß
Ein strich drey viertl ein acht! lang ist.
Schlecht3 viertlstund nachmals die Vr,
Ob einer in der zal jrr wurd,
Die grossen Glock nit mercken mag,
Die wächter schlagen auch hernach.
Das preimglöcklein4 darin auch hecht,5
Ehe dann man zu singen anfecht6
Täglichen frue vnd vesperzeit
Wirt eß ein gantze stundt geleut.
Stig wider hinab, kham hinauß,
Besicht das gwaltig Templhauß.
Das dachwerck sah als wer es gmalt,
Rot, gelb, grün, weiß, praun manigfalt,
Von glasten ziegln7 trefflich zirt.
Ein gang darumb gefuert wirt
In aller höch schön außgehaut,
Gantz vmb das dach von stuckwerk paut.
Das holtzwerk, das das dach erhalt,
Inwendig dick stet wie ein walt.

1Schlägel. 2für nichts. 3schlägt. 4vermutl. Primglöcklein.
5
hängt 6anfängt. 7glänzend.

Der Templ hat funff porten groß.
Hinumb findstu on vnterloß
So subtil bildwerk, duncket mich,
Als wer es alles lebendig.
Des Neydharts grab1 znechst bey der thür,
Gantz schön außghauen, gsetzt herfür
Mit sein historien dermassn.
Hat hinder jm vil Brüder lassn.
Gehn fur n2 täglich aus vnd ein,
Noch wil jniemandt nit Neydhart sein!
Mein Gott, wie vil antiquitet
Von schriften, gmäln ich vor mir het,
Der außgehawen Monumentn,
Vor nie gsehen an keinen endten!
Gieng auff die ander seyten auch,
Fandt mehr ein newen Thurn rauch,3
Der wuchß erst aus der erdt herfür.
Gradt gegn dem andern, bey der thür,
In der weit, groß, schön, form, gestalt,
Von stuckwerk auffbawt wie der alt.
Glaub, wer der Turck nit khumen dar,
Er wer vergleich verfertigt gar.
Mit frewdn gieng ich in Tempel ein.
Da war Ersamer Rath vnd gmein
Versamelt zu hören Gottes wort,
Wie sich geburt an solchem ort.
Vil tausent menschen stunden da
Vnd predigt Bischoff Nausea,4
Wie er dann pflegt zu aller Zeit
Sein schäfflein zgeben selbs die weidt.
Den Predigstuhl ich schawet an,
Gedacht: "wo lebt ein mensch, der kan
Von stainwerg so subtil ding machn?!"
Mein hertz vor freudn mir thet lachn.
Die kindlein gleich wie in dem lauff

1nach Ferd. Kotek nicht das Grab des Minnesängers
Neidhart von Reuenthal.
2vor ihm. 3mhd. rouch=roh,
d.h. unausgebaut. 4Friedrich Nausea, Bischof von Wien
von 1541 bis 1551, bedeutender Gelehrter
.

Sich narten, kherten gugel1 auff.
Auch manche krot, ädex und schlang
In stain gehawen auff dem gang
Sich krümbten, paumpten2 ober sich,
So frey als werens lebendig.
Der maister, der diß stuck gepawt,
Hat sich so kunstlich selbs eingehawt
In stain am Predigstuel sein hauß,
Schawt vnden zu dem Fenster auß.
Das pflaster gab ein liechten schein,
Gmacht von polierten Marmelstein,
In quadrangel3 schön rot und weiß,
So kalt vnd hel als giengst auff eyß.
Als bald vergieng das groß gedreng,
Maß ich die weitten vnd die leng.
Das langhauß und der Chor mit
Hat hundert sechs vnd neuntzig schrit.
Sybentzig schrit die brayt jnnhelt.
Noch eins mir auch von hertzen gfelt,
Des alten Kayser Fridrichs grab,4
Drob ich mich sehr verwundert hab.
Von Marmelstein so schön gemacht,
Das aim sein hertz im leib doch lacht.
Da sicht man manch histori stohn
Vnd schier den gantzen passion
Von herten stain außgraben rein,
Als möcht von gold vnd sylber sein.
Poliert trefflich, das du dich baß
Ersichst drinn als im spiegel glaß.
Der Fursten begrebnuß darbey
Findstu gemalt vnd gschriben frey.
Den Chor ich bsicht, das gestül dergleych.
Glaub nit, das bald im gantzen Reych
Ein weitter hoher Chor stehe,
Welchs gwelb vnmeßlich hoch auff gehe,

1von lat. cucullus = Kapuze. 2bäumten. 3Quadrate.
4
Friedrich III., Vater Maximilians I.

Gsetzt auff achtzehen pfeyler dick.
Auch hangt herab an manchem strick
So schöne figuren künstlich,
Darob mancher verwundert sich,
Solt ichs erzelen nach der leng
Was Kirchen zier, ornat, gepreng.
Warlich wirdt sie vergleicht in dem
Dem Tempel zu Jerusalem.
Nichts mangelt was solch Ding betrifft.
Dreyhundert pfründ seind darein gstifft,
Bistumb, Thumbherren1 vnd Probstey.2
Auch helt man aygne Cantorey,3
Dartzu zwo Orgel groß vnd klein.
In die groß ist gesetzt hinein
Stymmwerk, pfeyffen, gut vnd fleyssig,
Tausent sybnhundert acht vnd dreyßig.
Der Tauffstain in der mitten steht,
Wer für jn hin vnd wider geht
Mag sich darjnn ersehen rain,
Außghawt von schönem Marmelstain.
Darnach fand ich beym Creutzaltar
Von Tapistrey4 vnd solcher wahr
Bedeckt, gantz köstlich ziert die schrann.5
Ich fragt ein alten erbarn mann:
"Was das solt sein vnd deutten thet?"
Er sprach: "die vniuersitet6
Wird khommen vnd Doctores machn.
Den pomp braucht man zu solchen sachn."
In dem da tratten sie daher.
Doctores vil in hoher ehr

1Domherren. 2vorgesetzte Behörde über geistl. Personen.
3Sängerchor. 4Tapisserie=Stickerei. 5Schranke. 6Universität.

Auß den vier Facultöten,
Ehrlich beklaidt, jr kappn hetten.
Licenciaten, Magistri,
Nach jnen Baccalaurei,
Studenten vil in einem ring.
Ein jeder auch pro forma1 gieng,
Ir disputiren weret lang.
Macht mich hinzu in dem gedrang.
Mit großen ehren diser fart2
Herr Johan Gösel Doctor ward.
Mit ward Doctor dises mal,
Auff der Gstetn Official,
Das ich auch dem die eer geb.
Johan Baptista Pacheleb,
Römischer Kuniglicher Maiestat
Camer procurator vnd Rath,
Der Rechten Doctor, was auch da,
Vnd gab jn jr Insignia.
Auch die Regierung vnd vil Prelatn,
Die sie mit Fleiß darzu erpatn,
Do warn in solcher herligkeit.
Der Thurner3 bließ darzu, das gleit4
Hört ich angehn mit großem gwalt.
Sprach widerumb zu mir der alt:
"Sagt mir wie euch die hoch Schul gfelt?
Die nechst nach Pariß wirt sie zelt.
Von dem sechsten Bapst Vrban
Confirmiert vnd gefangen an.
Hie wirdt gemacht manch gelerter man.
Getaylet in vier Nation,

In Osterreichisch, Bayerisch,
Hungerisch vnd Saxonisch.
Drumb Wienn, furwar redich on list,
Etlicher Land ein Mayrhoff5 ist.
Erstlich was ghört zu Gottes ehr,

1zum Schein. 2mhd. vart; im Sinne von: in diesem
Gang
. 3Türmer. 4Geläut. 5Meierhof.

Als Bischof, Pfarrherrn, Prediger,
Schulmaister, Singer, werden all
Ertzogn, gnomen auß disem stal.
Die man bedarff zü weltlitliem brauch
Hochlöblichen Regierung auch,
Die Küniglichen Stathalter,
Cantzler, Anwalt, Viythumb verwalter,
Camerräth vnd Burgermaister,
Richter, Ratherren, Statschreyber,
Vnd gemainklich schier all Officier,
Von hoher Schul khommen herfür."

 










Stephanskirche mit Einzug
Kaiser Maximilians II.
 

Ich sprach: "mein lieber freundt, bricht mich,1
Wo solches volck als auffhelt sich?"
Er antwort mir: "mein lieber Freundt,
Zwölff gewaltige hewser seind
Weit vnd vom grund schön auffgefürt,
Gefreyt2 vnd hoch priuilegiert,
Darinn sie wonen, haben platz.
Es ist fürwar ein theurer schatz,
Dann hie gwißlich vor kurtzen jarn
Etlich tausent in studio warn.
Wir haben auch hie ein Druckerey,3
Die hoch Schul mit gefürdert sey.
Auch ist ein schönes Müntzhauß paut.

Der Khünig zu müntzen vertraut
Ducaten, Thaler, drykreutzer,
Dem Andres Hartmann Muntzmaister."
Ich gieng herauß auff die Prandtstat,
Da findt man mancherlay haußrat
Vmb zimblich gelt fayl alle tag,
Wer sein bedarff vnd nur vermag.
Der Haylgthumbstuhl4 steht nach darbey.
Darunter hört ich süeß geschrey,
Der vögel groß meng fayl was.
Auch mit kapaunen manch groß vaß,

1berichte mich (mir). 2mhd. ge-vrid=beschützt. 3Universitätsdruckerei. 41383 gebaut, ein Schwibbogen;
wurde 1700 abgerissen
, die Reliquien wurden in den
Stephansdom überführt
.
 


Die alte Universität
Die Hochschule zu Wien.


 

Faist, lustig berait an die stat,
Vnd sunst vil wildpret man fayl hat.
Das volck spaciert hin vnd wider,
Eins stieß mich auff, das ander nider.
Gieng wegk vnd bschaut die Gotshewser.
Den Oberisten Cometheur
Im Teutschen hauß, vnter welchem sein
All Teutsche hewser in gemein
In Khüniglichen Erblanden
Jetzt regiert hat vnderhanden
Der Edel herr Gabriel Kreützer,
Baley1 des Khünigs Radt vnd diener.
Darnach auch suecht die manß Clöster,

Die Prediger, Augustiner,
Minores vnd die Parfuser.2
Am Hoff fand ich Weissenbrüder.
Sucht haim darnach Dorotheer,
Die habn ein schönes Clösterlein,
Gepaut inwendig wie ein schrein.
Drinn Graf Niclaß von Salm grab,3
An welchem Du magst nemen ab,
Wieviel schlachten vnd ehrlich that
Der Edel Graf begangen hat.
Die kreützherrn thund jnnwonen
Bey sanct Johans, geystlich personen,
Dann hie seind vier bettelorden.
Auch wievil frawen Clöster wern,
Nachmals fleyßig besichtet hab.
Bey sanct Laurentzen vnd Jacob,
Hieronymus, Anna, Hymelporten,4

1mhd. balie, stf. Ballai, Ordensbezirk der Deutschen Ritter.
2
Barfüßer. 3Verteidiger Wiens bei der ersten
Türkenbelagerung 1529, starb 1530, das Grabmal
befindet sich jetzt in der Votivkirche
.4Himmelpforten.

Auch haist eins zu dem drittn orden.
Sunst findt man Kirchen one zal,
In jedem hauß, auff jedem sal,1
Außgnommen die pfarrlich recht hettn.
Bey vnser frawen auff der Gstettn,2
Trefflich schön pawt vnd wol geziert,
Bey welcher jetzt gehalten wirt
Das Consistorium der zeit,
Was im Passawer Bistumb leit.
Gieng weitter, sah ein schrifft von ferrn,
Vnd stund, das hayst bey vnserm Herrn.
Trat hinein, stellt mich auff ein ort,
Man sang vnd predigt Gottes wort.
Ich dacht: ein Christlich gmüt der hat,
Der darzu geben seinen rath,
Das da ein newe Kirch so schön
Vnd znechst an dem Rathauß sol stehn,
Aus welcher ist ein fenster gricht,
Das man als hören mag vnd sicht
Gar deutlich in die stuben ein,
So die Herren versamblet sein.
Herr Colman schön, vnder Statcamrer,
Ist dises Gotshauß Kirchmaister,
Vnd wirt bey sanct Saluator gnant.
Glaub nit, das sunst im gantzen land
Ein Kirch sey pawt, die hab den nam.
Darnach ich gehn sanct Michel kam,
Ein große Pfarr vnd Schul darbey.
Die Kirch ligt auff eim platz gantz frey.
Hinumb gieng ich ein wenig baß,
Ein alter Man vor der thür saß.

Ich sprach: "sagt mir, wie haist es da?"
Er antwort mir: "bey sanct Clara.
Ist aber seyders Türken mal
Gemacht zu einem gmain Spital.

1Halle, meistens nur einen Saal enthaltendes Gebäude.
2
Maria Stiegen.

Geht hinein, schawt die armen kranckn.
Gnugsamlich mügen wir nit danckn
Vnserer frommen Obrigkeit,
Glaubt mir, das offt zu gmainer zeit
Fünffhundert menschen werden gspeyst,
In fleysig gwart, groß trew beweyst,
Durch ein fürsichtign Erbarn Rath,
Welcher herein geordent hat
Den Ersamen Görgen Hauser
Zum Spitlmaister vnd haußuatter.
Dem Pfarrhof vnd der Schul darnebn
Wirdt speyß vnd vnderhaltung gebn.
In1 ist erlaubt das Pierhauß,2
Niemand darff sunst khains geben auß."
Auch zaigt mir der alt weiter an,
Das hundert vnd neüntzig person,
Kranck vnd frantzosen vberkhommen,
Bey sanct Marx in das Spitl gnommen,
Gelegen auserhalb der Stat.
Welchs auch versicht ein Ersamer Rath,
Helt in jr Priester, Artzt vnd knecht,
Damit sie gsund vnd wider grecht
An seel vnd leib werden gehaylt,
Darzu klayder jn mit getaylt.
All ding ist ordenlich bestelt,
Ein aijgen Haußuatter man helt.
Vber sie ist obrister Herr
Maximilian Castenhoffer.
Der ist fleyßig, bemüt sich hart,
Damit der armen werd gewart.3
Auch die im Siechhauß won4 vnd leben
Wirdt zimlich vnderhaltung gebn.
Noch vber das vnd anders auch
Ist hie in sterbßleüffen gebrauch,
Jedem wirt geschickt ein General,

1Ihnen. 2das Bürgerspitalbrauhaus wurde 1529 in
das Kloster zu St. Clara übertragen
. 3gewartet, d.h.
gepflegt
. 4wohnen.

Die gaßn zu saubern vberal,
Abwaschen, kheren ettlich tag
Wöchlick, das General vermag.
Auch sechst in den gassn vnd ringen
Ettlich hundert fewer prinnen
Von kranwitholtz, weyrauch darzu,
Damit der lufft sich raynigen thu.
Vil Artzt seind bstelt was solchs betrifft.
Ein armer mensch wird kranck, vergifft,
Müssen sie haimsuechen, bschawen.
Nachmals das niemd an jm ein grawen1
Gewinnen müg, werd inficiert,
Wirt er gehn sanct Johans gefürt,
Vor dem Schottenthor gelegen,
Gar fleysig lest man jr do pflegen.
Ist nit, wie mancher plodert her,2
Diß volck so vnbarmhertzig wer,
Ein armes mensch liesen verderbn,
Offlichen auff der gassen sterbn.
Wiewol des armen volcks on zal
Auß allen Landen vberal
Täglich zulaufft, das nit alls khan
Vnderkhommen vnd herberg han.
Auch ist auffgricht ein new Spital,
Auf welches ist ein General,
Durch Diego de Seraua gsendt,
Zuuerkhünden an allem endt:
Wer dem zu hilff ein gulden legt,
Ob jn sein handel nimmer tregt,
In armut oder kranckhait felt,

1Grauen 2plaudert her
.

Sein lebenlang man jn erhelt.
Darzu er dann durch sein gebet
Von Khüniglicher Maiestet
Bey den Minores vom Gotshauß
Ein großen Fleck gebeten auß,
Darauff vil zimmer pawt mit gwalt
Für arme, die sein kranck vnd alt.
Der khünig auß mildem gemüt
Genaigt zu Gotsdienst, aller güt,
Zu diesem Spitl hat geschafft
Zu Wolckerstorff die schön herrschafft,
Vber das, wie oben erzelt,
Aus der Camer ein summa gelt
Järlich jn gibt auß milder handt,
Die armen mit erhelt allsant.
Wie ich Spital, Gotsheüser bschawt,
Die prachtlich, gnugsam warn pawt,
Der Stat nam ich mir noch baß war.
Maß und fieng an beym Stubenthor.
Zum Schottenthor, durch gass allsamt
Tausent neunhundert schrit ich fand.
Darnach die Stat creutzweyß durchgieng.
Vom Burgthor dann wider anfieng,
Und fleyssig abgeschritten hab,
Biß zu dem roten Thurn ab
Tausent fünffhundert fünfftzig schrit.
Auch ist löblicher brauch vnd sitt,
Das alle welt, wer hat vnd mag,
Zufürt am Erchtag1 vnd Sambstag

Vom pauersuolck ein gantzes jar.
Ein niderlag mit aller war
Ist hie, drumb mancher Kauffman hat
Sein Factores2 in diser Stat,
Als Herbart, Rotn vnd die Fugker.
Im Cöllnerhoff seind ehrlich schlucker,

1mhd. ër-tag = Dienstag. 2Vertreter der Handlungshäuser
.

Die Weissen, Schmidtmar, Welserischen,
Die Lötzscher vnd die Püfflerischen,
Der gsellschafft nit all nennen khan.
Eins tayls seind beim Görg Zimmerman.
Wir haben auch zwir Jarmarckt zeyt.
Jederman hat freyung, ist gfreyt
Vier wochen, wie ich sag,
Catharine vnd am Auffartag.
Drumb niemd zu khauffen was gebürt,
Wer dann auff offnen Marckt gefürt.
Die Burger gemainklich man vnd fraw
Sich neren von dem weingartpaw.
Ein seliger wucher, den Gott ziert,
Was auß der erd genomen wirdt.
 







































































































































































Ein Bürger mit seiner Frau
 

Wie ich fürn Newenmarkt1 wolt gehn,
Die wägen sah ich vor mir stehn
Sogar ineinander gesteckt.
Ja wol der platz mit nichten kleckt.
All gaß herumb stunden gedreng
Mit traydwägen, ein grosse meng.
Erst dacht ich an des Mautners red,
Wie er mir vor anzayget het.

Gieng hin vnd wider, mercket auff,
Was vmb den Mutt3 wurd sein der kauff.
Ein wagn mit waytz, drauff ein Mutt gieng,
Ward verkaufft vmb fünff pfund pfenning.
Dem maß ein yeder mag vertrawn.
Hermes Schallautzer ließ auffpawn
Auss beuelch von gmainer Stat wegn,
Die solchs bezalt, vnd ließ verlegn,
So er ein Burgermaister was,
Ein pranger vnd ein stainen maß,
Dardurch all trayd wirdt abgemessn.
Thut sich ainer im kauff vergessn,
Mist falsch oder den kauff nit helt,

1Neuer Markt. 2mhd. ausreichen. 3mhd. Scheffel.

Wirdt er an selben Pranger gstelt.
Also auff andern plätzen gschicht,
Pranger, Statmaß seind auffgericht.
Ich gieng von dann, kham an den Grabn,
Wo Fleyschhacker jr fleysch fayl habn.
Ein rorkast1 znechst bey jn stet,
Auß dem trefflich gut wasser geht.
Schawet wunder vber wunder,
Ein yeder sein fleysch het bsunder,
Schäffen, kelbren, rindren, schweinen.2
Ich bat vnd fragt der maister einen,
Das er mich vnderrichten thet:
Wiuil es hie Fleyschhacker het?
Er sprach:"vnser seind yetz gemainklich
Allenthalben bey sybentzig
Am Liechtensteg vnd an dem Grabn.
Zu Ostern jr vil mehr fayl3 habn.
Ich red bey meiner trew vnd ehr,
Drey hundert ochsn vnd offt noch mehr
Wochlichen werden außgewegn,4
Sechshundert khelber offt darnebn.
Tausent schaff, auch hundert schwein
Gmainklich müßen vorhanden sein.
All Freytag bringt man auff den Grieß5
Vier tausent ochsn vnd sunst vil viechs."
Gieng hin vnd her on als gefar,
Kham auff sanct Peters freythof dar.
Da steht ein altes Tempelhauß,
Ein baum wechst zu dem Thurn herauß,
Durch quaderstuck gar wunderlich
An dem gemewer vbersich.
Da findt ainer auch was jm gfelt.


1Röhrbrunnen. 2Lämmernes, Kälbernes, Rindernes,
Schweinernes
. 3feil. 4wöchentlich werden
ausgewogen
. 5Bezeichnung für sandiges Ufer,
jetzt Salzgries
.

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