Am
Bache
Von
Franz Schubert in Musik gesetzt
Du brachst sie nun die kalte Rinde,
Und rieselst froh und frei dahin;
Die Lüfte wehen wieder linde,
Und Moos und Gras wird frisch und grün.
Doch ich — mit traurigem Gemüte
Tret' ich wie sonst zu deiner Flut,
Der Erde allgemeine Blüte
Kommt meinem Herzen nicht zu gut.
Hier treiben immer gleiche Winde,
Kein Hoffen kommt in meinen Sinn —
Als daß ich hier ein Blümchen finde,
Blau, wie sie der Erinnrung blühn.
Trost
Verzage nicht, wenn Unglück feindlich droht,
Je mehr es droht, je schneller wird es enden.
Gewitter sind's, die Friedensbogen senden,
Der düstern Nacht entblüht das Morgenrot,
Und aus der Winterstürme rauhem Tosen
Lacht dich der Frühling an mit seinen Rosen.
Frühlingsgesang
Von
Franz Schubert in Musik gesetzt
Schmücket die Locken mit duftigen Kränzen
Und folget der Freude beglückendem Drang,
Begrüßet den Frühling mit heiteren Tänzen,
Den Sieger, der Alles in Liebe bezwang.
Der Winter bedroht ihn mit schauriger Kälte,
Der Sommer verfolgt ihn mit flammendem Speer,
Aber er schwebt unterm blauen Gezelte
Sorglos und lächelnd auf Düften daher.
Und die treue Erde
Mit Liebes-Gebärde
Eilt ihm entgegen,
Es heben und regen
Sich tausend Kräfte in ihrer Brust,
Und künden der Liebe selige Lust.
Es rieseln Quellen
Und Knospen schwellen,
Blumen erscheinen
Und in den Hainen
Singt Philomele aus tiefer Brust
Und kündet der Liebe selige Lust.
Drum schmücke die Locken mit bräutlichen Kränzen,
Wenn schaffende Kraft noch den Busen durchdringt,
Und huld'ge dem Sieger in freudigen Tänzen,
Der Alles mit schaffender Liebe bezwingt.
Frühlingsmorgen
(Der Gärtner spricht:)
Die ersten feurigen Strahlen
Durchbrechen das Purpurgrau,
Und wandeln in Diamanten
Die stillen Perlen von Tau.
Die Blumen haben geschlafen,
Nun werden sie alle wach,
Und strecken die grünen Arme,
Sie wissen es selbst nicht wornach.
Und öffnen die schönen Augen,
Von Sehnsuchtstränen naß,
Und blicken so bang und innig,
Sie wissen nicht nach was.
Und wenden die lieben Köpfchen,
Wornach — das wissen sie nicht.
Ihr Kinder, ich will euch's sagen:
Nach dem glühenden Sonnenlicht.
Seid ruhig, er wird schon kommen,
Der süße gefährliche Schein,
Er gräbt sich mit glühenden Küssen
In euren Busen ein.
Und rastet nicht, bis er gesehen,
Was ihr im Herzen tragt;
Bis es im dunkelsten Winkel
Der kleinen Seele auch tagt;
Bis er alle Rätsel gelöset,
Und jedes Geheimnis enthüllt,
Und alle Reize durchblättert,
Und euer Verhängnis erfüllt.
Das Blühen ist dann zu Ende —
Doch bleibt euch ein Gewinn:
Die eigne Offenbarung,
Des Daseins Ziel und Sinn.
Denn was ihr auch immer sinnet,
Und was ihr immer strebt,
Ihr könnt nichts, als erfahren,
Was euch im Innern lebt.
Viola
Von
Franz Schubert in Musik gesetzt
Blumenballade
Schneeglöcklein, o Schneeglöcklein!
In den Auen läutest du,
Läutest in dem stillen Hain,
Läute immer, läute zu!
Denn du kündest frohe Zeit,
Frühling naht, der Bräutigam,
Kommt mit Sieg vom Winterstreit,
Dem er seine Eiswehr nahm.
Darum schwingt der goldne Stift,
Daß dein Silberhelm erschallt,
Und dein liebliches Gedüft
Leis', wie Schmeichelruf entwallt:
Daß die Blumen in der Erd
Steigen aus dem düstern Nest
Und des Bräutigams sich wert
Schmücken zu dem Hochzeitsfest. —
Schneeglöcklein, o Schneeglöcklein!
In den Auen läutest du,
Läutest in dem stillen Hain,
Läut' die Blumen aus der Ruh!
Du Viola, zartes Kind,
Hörst zuerst den Wonnelaut,
Und sie stehet auf geschwind,
Schmücket sorglich sich als Braut.
Hüllet sich ins grüne Kleid,
Nimmt den Mantel sammetblau,
Nimmt das güldene Geschmeid,
Und den Diamantentau.
Eilt dann fort mit ems'gem Schritt,
Nur den Freund im treuen Sinn,
Ganz von Liebesglück durchglüht,
Sieht nicht her und sieht nicht hin.
Doch ein ängstliches Gefühl
Ihre kleine Brust durchwallt,
Denn es ist noch rings so still
Und die Lüfte wehn noch kalt.
Und sie hemmt den schnellen Lauf,
Schon bestrahlt von Sonnenschein,
Doch mit Schrecken blickt sie auf —
Denn sie stehet ganz allein.
Schwestern nicht — nicht Bräutigam
Zugedrungen! und verschmäht! —
Da durchschauert sie die Scham,
Fliehet wie von Sturm geweht,
Fliehet an den fernsten Ort,
Wo sie Gras und Schatten deckt,
Späht und lauschet immerfort:
Ob was rauschet und sich regt.
Und gekränket und getäuscht
Sitzet sie und schluchzt und weint;
Von der tiefsten Angst zerfleischt,
Ob kein Nahender erscheint. —
Schneeglöcklein, o Schneeglöcklein!
In den Auen läutest du,
Läutest in dem stillen Hain,
Läut die Schwester ihr herzu! —
Rose nahet, Lilie schwankt,
Tulp und Hyazinthe schwellt,
Windling kommt daher gerankt,
Und Narziß hat sich gesellt.
Als der Frühling nun erscheint
Und das frohe Fest beginnt,
Sieht er alle die vereint,
Und vermißt sein liebstes Kind.
Alle schickt er suchend fort
Um die Eine, die ihm wert.
Und sie kommen an den Ort,
Wo sie einsam sich verzehrt. —
Doch es sitzt das liebe Herz
Stumm und bleich, das Haupt gebückt
Ach! der Lieb und Sehnsucht Schmerz
Hat die Zärtliche erdrückt.
Schneeglöcklein, o Schneeglöcklein!
In den Auen läutest du,
Läutest in dem stillen Hain,
Läut, Viola, sanfte Ruh!
Vergißmeinnicht
Von
Franz Schubert in Musik gesetzt
Blumenballade
Als der Frühling sich vom Herzen
Der erblühten Erde riß,
Zog er noch einmal mit Schmerzen
Durch die Flur, die er verließ.
Wiesenschmelz und Saatengrüne
Grüßen ihn mit hellem Blühn,
Und die Schattenbaldachine
Dunklen Walds umsäuseln ihn.
Da im welchen Samt des Mooses
Sieht er, halb vom Grün verdeckt,
Schlummersüß, ein kummerloses
Holdes Wesen hingestreckt.
Ob's ein Kind noch, ob's ein Mädchen,
Wagt er nicht sich zu gestehn.
Kurze blonde Seidenfädchen
Um das runde Köpfchen wehn.
Zart noch sind die schlanken Glieder,
Unentwickelt die Gestalt,
Und doch scheint der Busen wieder
Schon von Regungen durchwallt.
Rosig strahlt der Wangen Feuer,
Lächelnd ist der Mund und schlau,
Durch der Wimpern duft'gen Schleier
Äugelt schalkhaft helles Blau.
Und der Frühling, wonnetrunken
Steht er, und doch tief gerührt;
In das holde Bild versunken,
Fühlt er ganz, was er verliert!
Aber dringend mahnt die Stunde,
Daß er schnell von hinnen muß.
Ach! da brennt auf ihrem Munde
Glühend heiß sein Scheidekuß.
Und in Duft ist er entschwunden. —
Doch das Kind entfährt dem Schlaf,
Tief hat sie der Kuß entzunden.
Wie ein Blitzstrahl, der sie traf.
Alle Keime sind entfaltet,
Die ihr kleiner Busen barg.
Schnell zur Jungfrau umgestaltet,
Steigt sie aus der Kindheit Sarg.
Ihre blauen Augen schlagen
Ernst und liebelicht empor,
Nach dem Glück scheint sie zu fragen,
Das sie ungekannt verlor.
Aber Niemand gibt ihr Kunde,
Alle sehn sie staunend an,
Und die Schwestern in der Runde
Wissen nicht wie ihr getan.
Ach sie weiß es, selbst nicht! — Tränen
Sprechen ihren Schmerz nur aus,
Und ein unergründlich Sehnen
Treibt sie aus sich selbst heraus;
Treibt sie fort, das Bild zu finden,
Das in ihrem Innern lebt,
Das ihr Ahnungen verkünden,
Das in Traumen sie umschwebt.
Felsen hat sie überklommen,
Berge steigt sie ab und auf;
Bis sie an den Fluß gekommen,
Der ihr hemmt den Strebelauf.
Hier, im Ufergras dem feuchten,
Wird ihr heißer Fuß gekühlt,
Und im Wellenspiegel leuchten
Siehet sie ihr eignes Bild.
Sieht des Himmels blaue Ferne,
Sieht der Wolken Purpurschein,
Sieht den Mond und alle Sterne;
Milder fühlt sie ihre Pein.
Gern mag sie an dieser Stelle
Sich die stille Wohnung bau'n,
Der verklärten sanften Welle
Kann sie rückhaltslos vertrau'n.
Denn es ist ihr aufgegangen:
Daß sie eine Seele fand,
Die ihr innerstes Verlangen,
Ihren tiefsten Schmerz verstand.
Und sie fühlt sich ganz genesen,
Wenn sie zu dem Wasser spricht,
Wie zu dem geahnten Wesen:
O vergiß, vergiß mein nicht!
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