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III.
Herbstlieder

 

Der Holzschlag
Der Laubsammler
Auf dem Blätterlager
Der Sämann

1.
Der Holzschlag

Ich wandle durch den Buchwald,
Der Herbst geht schon zur Neige,
Es starren graue Stämme,
Es trauern nackte Zweige.

Fahlbrauner Schutt umlagert
Die Schritte mir und knistert;
Seid ihr es, holde Blätter,
Die einst so süß geflüstert?

Die einst so grün, so freudig,
In hoher Luft gehangen? —
Wie welk seid ihr geworden,
Wie bleich sind eure Wangen!

Wo sind die holden Stimmen,
Die euch zum Tanze riefen?
Wo sind die Nachtigallen,
Die selig bei euch schliefen?

Ihr habt ja nichts gesonnen,
Als Frieden und Ergötzen,
Ihr gabt nur Duft und Schatten;
Wer durfte euch verletzen?

Es hat der harte Baum euch
Verstoßen und verdorben; —
Er hat sein eignes Schicksal
Mit eurem Los erworben.

Ihr wart sein Stolz, sein Reichtum,
Ihn schmückte euer Prangen,
Man suchte eure Reize,
Wenn man zu ihm gegangen.

Dort steht er nun verlassen;
Seht ihr den alten Sünder?
Gespenstisch, grau, unheimlich,
Und ächzt um seine Kinder.

Schon ist im nahen Dorfe
Das blanke Beil gelichtet,
Bald schallen dumpfe Streiche,
Bald — bald ist er gerichtet.

2.
Der Laubsammler

Blätter ihr, ihr holden Kleinen,
Die so oft mich traut umfangen!
Soll ich klagen? soll ich weinen,
Daß auch ihr dahin gegangen?

Gingt ihr doch mit manchem Andern,
Das ich unter euch geträumet;
Ist's doch Erdenlos, zu wandern,
Nichts kann bleiben, wenn's auch säumet.

Ihr wart jung und stolz und freudig,
Stolz, weil ihr euch kräftig fühlet;
O wie oft war ich euch neidig,
Daß ihr mit den Wolken spielet.

Tausend saftige Kanäle
Trugen aus der Erden Grüften
Euch die kleinste frische Seele
Bis hinauf zu Himmelslüften;

Und es ging Gesang, Geschmetter
Und Gejauchz durch alle Äste,
Als ob trunkne Liebesgötter
Sich vereint zum Freudenfeste.

Weit vom Süd und Ost die Scharen,
Alle Farben, alle Weisen
Sieht man flattern, frei'n, sich paaren,
Nester bau'n und Junge speisen.

Rote Kätzchen gaukeln lose
In den Zweigen, Käfer jagen
Auf der Rinde, und im Moose
Läßt die Wurzel sich's behagen.

Nun ist's aus — ganz aus! — Kein Zeichen
Mahnt an jene laute Freude.
Dieser Stämme fahle Leichen
Sind nur schlechte Augenweide.

Nun so will ich nicht versäumen,
Laub zum Kissen mir zu lesen,
Ruhen werd ich drauf und träumen,
Wie es einst so schön gewesen.

3.
Auf dem Blätterlager

Einst sangt ihr über mir,
Ihr Lieblichen, mit leisem,
Geheimnisvollem Ton
Die wundersamsten Weisen;
Ihr Blätter über mir!

Nun lieg' ich über euch
In wachen Traumesbanden!
Ihr seid verstummt und habt
Mein Schmerzlied nicht verstanden,
Ihr Blätter unter mir.

Wenn wieder über mir
Ihr rauscht im Windeswehen,
Werd ich eu'r Totenlied,
Das heis're, dann verstehen?
Ihr Blätter über mir!

4.
Der Sämann
Des Herzens Zweigespräch

Was schreitet der Mann die Furchen nieder,
Was streut er den goldenen Samen aus?
Der starrenden Erde tote Glieder,
Sie strecken sich nicht zum Leben aus.
Der goldene Same, — sagt's dem Toren,
Er wirft ihn hinaus, er ist verloren,

     Verloren? nein, die Mutter Erde
     Versagt sich frommer Liebe nicht,
     Sie hält ihn bis zum Frühlingswerde
     Am Herzen, treu der Mutterpflicht;

     Sie wartet sein, sie wird erspähen,
     Wenn's heimlich wird im Sonnenstrahl,
     Da läßt sie grünend ihn erstehen
     Mit holden Blumen allzumal.

Was soll ich den klaren Sinn betören
Mit Kindergeschwätz und Ammentrost?
Soll nicht auf das Todesröcheln hören
Der ganzen Natur, in Sturm und Frost?
Nicht sehn, wie der Puls der Erde stockt,
Der Schnee schon als Bahrtuch niederflockt?

     Laß dich nicht irren Schein und Zeichen,
     Die Liebe führt den Zauberstab.
     Der holden Macht muß alles weichen!
     Zur Wiege wandelt sie das Grab.

     Ihr wird des Sturms Geheul und Röcheln
     Zum Schlummerlied und Segensspruch,
     Die Schmerzgebärde wird zum Lächeln,
     Zur Windel wird das Leichentuch.

     Und wenn du meintest zu begraben,
     Hat sie das Bett nur aufgepfühlt,
     Und spendet ihre besten Gaben,
     Wenn süßer Schlaf das Kind umspielt.

O Gleißnerin! Hab' ich's nicht empfunden?
Wer hat mir die frohe Saat gehegt
In hoffender Brust? die herben Wunden
Im blutenden Herzen, wer gepflegt?
Die Hoffnung entfloh, die Keime starben,
Die Brust ist gestählt durch rauhe Narben.

     O laß auch du den Mut nicht sinken,
     Das ist der Herbst; der Frühling kommt!
     Die Zeit, wo holde Blumen winken,
     Die Zeit, wo kein Verzagen frommt.

     Wo selbst der harte Fels in Blüte
     Aufjauchzt beim milden Sonnenschein;
     Und glaubst du wohl, daß das Gemüte
     Des Menschen härter ist als Stein?

     In deinem Innern lebt die Liebe,
     Scheint auch die Hoffnung kalt und tot,
     Sie ruft einst die erstarrten Triebe
     Verjüngt zum schönen Morgenrot.

Welche Zuversicht hebt den Wunderflug, —
Umkreist mich wie tröstender Engel Schar, —
Und tilgt von der Stirne den Schmerzenszug?
Im Innersten wird es freudig klar:
Der Liebe Leben kann nicht enden,
Es wird sich alles zum Heile wenden!

Ja streue den goldenen Samen aufs Neue,
Den Samen der Liebe ins kranke Herz.
Ihn faßt die Sehnsucht, ihn halt die Treue,
Wie Muttermilch nährt ihn der alte Schmerz.
Und was ich gelitten, und was ich verloren,
Durch die Liebe wird alles neu geboren.

Denn schon in der Tiefe fühl' ich, wie's lebt,
Das zerstückte Gefühl sich frohlockend eint,
Wie's erstarkt und erwärmt zur Höhe strebt,
Und an der Oberfläche zu naschen scheint;
Es spielt mit den Wurzeln, es hebt die Scholle,
Als ob sich's zur Quelle ergießen wolle.

O traue der Regung, sie bricht ans Licht,
Nimm Besitz von der Flut, die beseelend quillt,
Neig ihrem Spiegel dein Angesicht,
Treu wird sie schaukeln dein liebes Bild.
Du wirst die Saat, vertraut den Winden,
Am Ufer als Blumen wiederfinden.

Sie sollen sich schlingen, sie sollen sich schmiegen,
Und sich verflechten zum bunten Kranz,
Geschmückt und verschönt dein Bild zu wiegen
Auf der klaren Wellen freudugem Tanz.
Doch denke, wenn sie dich sinnig verklären,
Daß sich alle aus meinem Herzen nähren.