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I.
Gedichte 2

 

Vollmondnacht
Beim Feste
Seefahrt
An Eros
Liebesleben
Kalte Größe
Vom Berge
Die Wolkenbraut
Die Heilquelle
An M.
Todesmusik
Der Gestrandete
Wanderspruch
Böse Kette
Das Unerträgliche
Änderung
Totenopfer
Pax vobiscum
Aufregung
Titan
Dithyrambe

Vollmondnacht

Von Franz Schubert fünfstimmig gesetzt.

Des Mondes Silberblume lacht,
Und ruft mit seelenvollem Blick
In unsre düstre Erdennacht
Der Liebe Paradies zurück.

Vom mächt'gen Arm des Schlafs besiegt,
Entschlummert Sorge, Not und Pein,
Das Zarte nur und Schöne fliegt
Entfesselt in den Freudenreihn.

Doch seht! die Fluren sind vertauscht,
Das ist die alte Erde nicht,
Ein Feengarten, duftumrauscht,
Voll Nebelschmelz und Zauberlicht.

Der Busen atmet leicht und frei,
Von roher Lebenslast befreit,
Und trinkt in stiller Schwärmerei
Des Himmels volle Seligkeit.

Doch mahnt das Lied der Nachtigall
An seine Welt das weiche Herz.
In aller Wonne weckt der Schall
Den tiefsten Schmerz — der Liebe Schmerz!


Beim Feste

Der laute Schwarm tobt um mich her,
Doch bin ich ganz allein.
Mein Herz! — mein Herz, du wildes Meer,
Du übertobst ihr Schrei'n.

Wie unabsehbar dehnt die Flut
Ihr nächtliches Gewühl,
Und übertüncht der Tiefe Glut
Mit grünem Wellenspiel.

Wie lebenlos, wie liebeleer!
Vom Nebelgrau bedeckt —
Der Vogel zwitschert bang umher
Von ihrem Gruß erschreckt.

Und selbst das Schiff, das ihr vertraut,
Es zieht in scheuer Flucht,
Und ohne Zeichen, ohne Laut
Sucht es die Heimatsbucht.

Was züngelt aus dem schwarzen Schlund
Der Schaum so keck und kraus?
Als streckt' er küssend seinen Mund
Nach goldnen Sternen aus.


Du scheinst vereint mit Licht und Luft,
Dem Himmel selbst gesellt;
Doch trennt die ungemeßne Kluft
Dich von der Götterwelt.

Der schöne Stern — der liebe Stern,
Mit seinem ew'gen Strahl,
Schaut hoch und kalt, vernichtungsmild
Herab auf deine Qual.

Brich, Woge, in dich selbst zurück,
In dir sollst du dich freun,
Dort findest du dein kaltes Glück:
Perl und Korallenstein.

Und wenn's auch deine Tränen sind,
Dein Herzblut, das verklärt:
Er wird als Schmuck dem schönen Kind
Zur Tändelei beschert;


Und ihrem Schatz zur Augenlust,
Und deinem Schmerz zum Hohn
Schlingt sie es um die Schwanenbrust;
Und das — das sei dein Lohn!

So singt des Herzens wildes Meer
Und übertäubt das Schrei'n.
Im lauten Jubel um mich her
Steh ich so ganz allein!


Seefahrt

Ich fuhr im leichten sanftgewiegten Kahn,
Im weiten See die furchtbar schöne Bahn,
Schwermütig jubelnd klangen Alpenlieder.
Die Sonne brannte Purpur in die Flut,
Und glänzte noch mit ihrer letzten Glut
Die Berge rings wie Hochzeitsfackeln an,
Und schien dann sanfter auf die Fluren nieder.


Ich lag im Boot, und tief in meiner Brust
Fing's auch zu dämmern an. Mein wildes Blut
Verrollte allgemach, und stille Lust
Kam wie ein Hauch des Himmels über mich,
Daß ich die Träne mir vom Auge strich,
Eh in der Wehmut ich es selbst gewußt;
Ich neigt in tiefer Rührung über Bord
Mein schweres Haupt und schaute sinnend fort,
Den Lichtern nach, die auf der Fläche glänzen,
Den leichten vielverschlungnen Flammentänzen
Des Abendrots auf dem bewegten Spiegel,
Der einem Freudensaale der Ondinen glich.
Auf dem umflorten Blau der fernen Hügel
Verlor in Nebel sich mein nasser Blick,
Und fiel dann ernster in mich selbst zurück;
Und alle Zeit, die auf der Eile Flügel
Im Sturm und Drang mir wie ein Traum entwich:
Sie stand vor mir mit ihren Freudenkränzen
Und ihrer Schmerzen herben Dornenzügel;
Und alle Blüten, die sie mir zerbrach,
Die zogen blutend mir im Herzen nach.


Da schaut ich in den dunkelgrünen Raum,
Auf dem die Schatten meines Nachens lagen,
Der zwar vom Widerscheine mir erhellt,
Doch diamantenklar die Zauberwelt
Des tiefen Flutengrabs nun offenbarte
Und wie es mich ergriff, was ich gewahrte,
O! könnt ich es mit kalten Worten sagen. —
Ich sah viel schöne Blumenkronen ragen
Aus Tiefen, wo der Boden mir verschwand,
Und ihre Blätter schienen aufzuschlagen,
So sehnend nach des Spiegels lichten Rand,
Der glänzend über ihren Häuptern stand:
Als wollten sie den Riß vom Mutterboden wagen,
Sich frei hinauf ans helle Licht zu tragen.
Allein die Flut ging über ihnen hin,
So kalt und stumm, als sei sie unbekannt
Mit all den Schätzen, die ihr Schoß verwahrte;
Und wälzte sich im vollen Abendglühn,
Ließ goldne Ringe spielend auf sich ziehn,
Und all die Blütenpracht, die schöne, zarte,
War auf der weiten Fläche nur zu schaun,
Wo dunkler Schatten oder Abendgraun
Sich düster mit der klaren Welle paarte.
Ach ist das nicht ein Bild von meinem Leben,
Mit dem in wilder Lust das Schicksal spielt?


Wohl tausendmal fühl ich die Brust mir's heben,
Und es ist Liebe, die im Herzen quillt,
Es ist ein heiligeres bessres Streben,
Das von dem Tand des Tages nicht erfüllt,
In stiller Angst den Busen mir durchwühlt.
Allein da kommt mein herrliches Geschick
Im Zaubertakt des Tanzes angeflogen,
Und wirbelt sich in überglänzten Wogen:
Die Cymbel gellt, die wilde Pfeife schrillt,
Der Reihen taumelt, daß der Boden stäubt,
Hurrah! wer ist es, der da hinten bleibt?
Und ob sich auch mein ganzes Wesen sträubt,
Von Furienhänden werd' ich fortgezogen!
Ich sehe ja den Pfeil dort auf dem Bogen,
Der ohne Schonung auf mich niederzielt,
Und dennoch muß ich willig mich ergeben;
Und ich bin schmählich um mein Lebensglück
Und um mein tiefres, bessres Selbst betrogen;
Und alle Kräfte die im Innern weben,
Die werden ohne Rettung weggespült,
Und sinken ausgelöscht — tot in sich selbst zurück.


Nur wenn die Reihen sich in Nacht verloren,
Wenn alle Freudentriller schon verhallten,
Dann stehen sie, wie trauernde Gestalten
Verlorner Freunde, da vor meinem Blick
Und mahnen mich an das, was ich geschworen,
Und zeigen mir, wie schmählich ich's gehalten.
Ja ich gesteh's, doch kennt ihr die Gewalten,
Die in Verzweiflung meine Seele spalten,
Und meinen Blick mit düstrer Nacht umfloren?
Ich fühl's, zur Liebe bin ich nur geboren,
Und hab Empfindung für das Meisterstück,
Aus eigner Brust den Himmel zu entfalten;
Doch in den Nächten, die um mich jetzt walten,
In all den Banden, die mich fest umstricken,
Muß auch das beste, wärmste Herz erkalten,
Und jeder Keim der Seligkeit ersticken.

So trieb's in mir. — Da sank mit ihren Strahlen
Die Sonne hinter das Gebirg hinab,
Die Flur, von der sich scheu die Lichter stahlen,
Ward öd und grau, und düster wie ein Grab,
Nur aus des nahen Tales dunklen Föhren
Ließ sich mit dumpfem Ton ein Glöcklein hören,
Und rief die Menschen von des Tages Zähren
Zum tröstenden Gebete und zur Ruh. —
Ich aber war entschlossen heimzukehren
Und lenkte stumm und still dem Ufer zu.


An Eros

Nimm deinen Pfeil zurück, er brachte mir nur Schmerzen,
Obgleich er mir Glückseligkeit versprach,
Ich zog ihn mutig aus dem wunden Herzen,
Und hoffe, die Genesung kommt wohl nach.

Ich sehe eines hohen Tempels Hallen
Sich heben, in des Morgens Rosenlicht,
Dahin will ich, ein kühner Pilger, wallen:
Da fördert, Knabe, deine Waffe nicht.

Drum nimm sie nur, doch wenn ich einstens oben
Des Lebens Palme freudig mir gepflückt,
Dann sei dein süßer Pfeil mir aufgehoben,
Dann werd' ich einst vielleicht durch ihn beglückt.


Liebesleben

Du sitzest auf dem Hügel,
Der die Geliebte deckt,
Wo ihren schwarzen Flügel
Die Trauer um dich schlägt;

Verlöscht sind alle Sterne,
Zerronnen ihre Spur,
Du starrest in die Ferne,
Und flehst um Tränen nur;

Es schlossen manche Freunde
Um dich den frohen Bund,
Da noch dein Auge weinte,
Und lächelte dein Mund.

Nun sind sie all' entschwunden,
Und deine Lipp' ist stumm,
Es bluten deine Wunden
Und niemand fragt, warum.

Der Sturm nur ist der Frager,
Der in den Tannen wühlt,
Der Stein dein Schmerzenslager,
Mit Dornen aufgepfühlt.

Nur heis'res Nachtgefieder
Kreischt dir das Lied der Ruh,
Feucht sinkt der Nebel nieder
Und deckt dich frostig zu.


Der Nacht Unholde drohen,
Sie geben dich nicht frei; —
Da alle Wesen flohen,
Wer steht dir schützend bei? —

Eins ist dir noch geblieben;
Die Sonn in deiner Brust:
Die süße Kraft zu lieben. —
Werd' ihrer dir bewußt!

Im Innersten verschlossen
Da liegt sie stumm und bang,
Und harret unverdrossen
Auf den Erlösungsklang.

Zerbrich die dumpfe Kammer,
Wo sie verborgen glüht,
Und sieh, wie aller Jammer
Und aller Schrecken flieht.

Wenn nur aus deinem Herzen
Ihr holder Schimmer bricht,
Verwandeln deine Schmerzen
Sich alle schnell in Licht.

Und strahlen helle Farben
Auf Rasen, Busch und Baum,
Die Blüten, die schon starben,
Erwachen aus dem Traum.


Die lieben Nachtigallen
Erspähn den bunten Schein,
Sie lassen Lieder schallen,
Und laden Andre ein.

Und tausend Kreaturen
Zieht Liebesleuchten an,
Sie folgen deinen Spuren
Und sind dir untertan.

Die Wunderwellen fließen
Verklärend vor dir her,
Schon wogt zu deinen Füßen
Die Welt, ein Liebesmeer.

So — reich — mit Lust umgeben,
Wie im Triumpheszug
Kehrst du zurück ins Leben,
Das einst dir Wunden schlug.


Kalte Größe

Was stehst du mich so trotzig an,
Du Fels mit eisigem Knauf?
Es beißt dein kalter weißer Zahn
Des Hasses Adern mir auf.

Es wogt und springt der rote Born,
Ich biete dir Alten Trutz,
Er kündet meinen tiefsten Zorn,
Dir gibt dein Eis nicht Schutz.

Urkräftig bist du hingestellt,
Von Luft und Licht gewiegt,
Und achtest Nichts die reiche Welt,
Die blühend zu Füßen dir liegt;

Und achtest Nichts den ewgen Dom,
Der über dir sich hebt,
Und den der Sterne goldner Strom
Im freud'gen Zug belebt.

Doch hier im Herzen schwillt der Mut,
Von deinem Stolz geweckt,
Ich schmelze mit dem eignen Blut
Die Rinde, die dich deckt.


Und raste nimmer, bis dein Schnee,
Von Bluteswärme besiegt,
Hinauf zur heiligen Himmelshöh
Als dämmernde Wolke fliegt.

Und raste nimmer, bis dein Eis,
Das feste, zu fließen beginnt,
Bis es ins Tal als Quelle leis
Die Blumen zu tränken rinnt.

Dann wird der Frühling wach und laut,
Wo einst nur Winter war,
Und auf umgrünten Gipfel baut
Sich Gottes Festaltar.


Vom Berge

Ha! wie so frei, so freudig und so heiter!
Es flügelt jeder Schritt mich himmelwärts,
Und immer wird die Gegend weit und weiter,
Und weiter wird mein wonnetrunknes Herz.

Da steh ich! o du reizgeschmückte Erde!
Nie hat sie mich so freudig angelacht,
Du Vater, Dank! es hat dein heilig Werde
Mit diesem Himmel mich zugleich gemacht.

Schau, Mensch, o schau! wie diese Wolken ziehen,
Wie sich der Strom durch samtne Matten trägt,
Wie diese Berge, diese Felsen glühen:
So nah ward dir das reinste Glück gelegt.

Doch wie? — Ward diesem da der Geist verliehen?
In seine Hütte kriecht der kleine Wicht,
Und läßt die großen Himmelsflammen glühen,
Und fühlt und glaubt die Seligkeiten nicht!

Könnt ich verderbend durch die Erde schreiten,
Und diesem kalten, elenden Gezücht
Die ersten Chiffern seiner Seele deuten,
Ich hielt ein grauses blutiges Gericht! —


Doch habt ihr nicht ein Paradies verloren?
Nicht zürnen, nur beklagen kann ich euch,
Ich sehe Tränen euren Blick umfloren,
Ihr seid bestraft — mein starrer Trotz wird weich.

O könnt ich freundlich zu euch niedersteigen,
Die Haß und Kummer lebend schon begräbt;
Den Geist der Liebe wollte ich euch zeigen,
Der mild und groß auf diesen Höhen schwebt.

Ich zog' euch alle her zu meinem Herzen,
Die meinem Wesen ihr verbrüdert seid,
Und schmelzte euren Groll und eure Schmerzen
Am reinen Lichte dieser Seligkeit.


Die Wolkenbraut
Von Franz Schubert in Musik gesetzt.

Der Jäger ruhte hingegossen
Gedankenvoll im Wiesengrün,
Da trat, vom Abendlicht umflossen,
Die schönste Jungfrau zu ihm hin.

Sie lockte ihn mit Schmeichelmienen
Und lud ihn freundlich zu sich ein:
"Dir ist das höchste Glück erschienen,
Willst du mein Freund und Diener sein.

Siehst du dort auf dem Berg sich heben
Mein vielgetürmtes goldnes Schloß?
Siehst du dort in den Lüften schweben
Den reichgeschmückten Jägertroß?

Die Sterne werden dich begrüßen,
Die Stürme sind dir untertan,
Und dämmernd liegt zu deinen Füßen
Der Erdenqualen dumpfer Wahn."

Er folgte ihrer Stimme Rufen,
Und stieg den rauhen Pfad empor;
Sie tanzte über Felsenstufen,
Durch dunkle Schlünde leicht ihm vor,

Und als den Gipfel sie erreichen,
Wo der Palast sich prangend zeigt,
Als mit der Ehrfurcht stummen Zeichen
Der Diener Schar sich vor ihm neigt,


Da will er selig sie umschließen;
Doch angedonnert bleibt er stehn —
Er sieht wie Nebel sie zerfließen,
Das Schloß in blauer Luft verwehn.

Und Schwindel kreis't um seine Sinne,
Sein Haupt umhüllet schwarze Nacht,
Er taumelt von der Felsenzinne
Zerschmetternd in des Todes Schacht.


Die Heilquelle

Der Geist des Berges

Wie still ist's doch an diesem lieben Orte,
Des Reiz zu suchen sich mein Schritt gewöhnt?
Wo meiner Quelle süße Lispelworte
Im traulichen Verständniß mir getönt.

Getrocknet sind des Bettes bunte Steine,
Die Blumen senken trauernd rings ihr Haupt,
Wo weilst du, Silberquelle? teure Kleine!
Welch böser Dämon hat mein Kind geraubt?

Ich trete an die dunklen Felsenstufen,
Wo dein kristall'nes Leben sich ergoß,
Du sollst vernehmen meiner Sehnsucht Rufen,
Es dringt gebietend durch der Berge Schoß.

Wo du auch seist, du bleibst doch stets die Meine,
Welch nächtiges Geschick dich halten mag,
Ich rufe dich, erschein! erschein! erscheine!
Der Vater ruft, komm an den hellen Tag!


Die Quelle

Nicht ans Licht! nicht ans Licht
Gütiger Vater! dränge mich nicht.
Es treibt dein Wort
Zu dem Fluß mich fort,
Der mich fühllos empfängt;
Mit des träger Flut
Mein Perlenblut
Sich schaudernd vermengt! —
Ungeliebt — unerkannt
Nimmt er mich an,
Die den Göttern verwandt;
Daß, durch mich erhöht,
Mit stärkerm Schlag
Seine Mühle sich dreht,
Auf der trüben Bahn
Leichter sein Boot
Er schaukeln mag. —
Besser, ich wäre verschmäht, —
Ich wäre tot! —


Jene Blumen? — sie trauern,
Weil mein Dienst sie verwöhnt.
Wie lange wird's dauern,
So sind sie versöhnt;
Sie werden zum Regen
Die Blicke kehren,
Die Kronen richten,
Der wird sie nähren,
Der Tau wird sie pflegen
An meiner Statt.
Die kleinlichen Pflichten!
Ich bin sie satt.

So wie sonst in tiefer Stille
Sammelt ich die holden Kräfte,
Und dem täglichen Geschäfte
Weihte sie der stumpfe Wille.

Da erklang aus tiefsten Tiefen
Wunderbar ein holder Laut,
Als ob Engelsstimmen riefen,
Nie gehört und doch vertraut.


Ach mir sagt's des Herzens Ahnen,
's war ein süßer Bruderquell,
So wie ich auf dunklen Bahnen
Nächtig strebend, sonnenhell.
Und mich drängts durch Felsenrinden,
Ihn zu suchen, — ihn zu finden —
Sein Umfangen zu erwerben,
Jene kalten Bergesschichten,
Die uns trennen, zu vernichten,
Oder im Versuch zu sterben! —

Ach ich träumt' es himmelschön!
Nie hat ich das Glück empfunden,
Einem Urquell mich verbunden,
Mich geliebt — erkannt zu sehn,
In des Teuern Strahlenleben
Eigne Klarheit zu verstehn.
Aber wenn wir uns vereinen:
Soll ein Silbersee erscheinen,
Wie dem Auge nie gesehn!
Kühl und geistig wird es schwellen,
Wird sich zum Kristall verweben,
Wenn die felsentsproßnen Wellen
Liebend in einander fließen;
Wunderblumen werden sprießen,
Sylphen unser Bett umschweben,
Wo Ondinen selig baden,
Welche Sterne, Mond und Sonne,
Zu der Geisterfluten Wonne
Mit entzücktem Säuseln laden. —


Ich riß mich los mit Schmerzen
Von der Blumen Herzen,
Von der Sonne Strahl;
Mit Seelenqual
Von Allem los,
Was mir freundlich gelacht,
Der finstern Nacht
Nur zugekehrt,
Und in den Bergesschoß
Grub ich mich ein. —


Was hab ich gelitten,
Wie hab ich gestritten
Mit der Schrecken Pein!
Es saugte der Sand
An meinem Leben
Mit gieriger Lust;
Der Kiesel Krallenhand
Zerriß mir die Brust;
Und die Gnomen entstreben
Der Finsternis,
Mich zu umstricken
Mit stygischen Dünsten,
Mit Flammenblicken,
Mit Höllenkünsten.
Es blitzt durch das Dunkel
Ihrer Augen Gefunkel,
Und es kriecht herauf
Wie Spinnen und Schlangen,
Und Salamander,
Wild durcheinander;
Ein gräßlicher Hauf!
Mir droht ihr Umfangen,
Mir droht ihr Biß —
Da kreist es um mich
Mit Schwindelwehen,
Ich will vergehen
In Angst und Not;
Da hört ich dich.

Es riß dein Wort
Aus der Tiefe mich fort,
Vielleicht aus dem Tod —
Doch laß mich verderben!
Denn mehr als Sterben
Dünkt mich ein Leben
Ohne Seligkeit,
Ohne Liebestreben,
Wie der Tag es beut.

Der Geist des Berges

Komm in meinen Arm, geliebte Seele,
Tochter, die ich mir erzog zur Lust!
Daß der Kummer dich zu sehr nicht quäle,
Wein' ihn aus an meiner treuen Brust.

Doch dann trockne deine heißen Zähren,
Richte stark empor den hellen Blick,
Meiner Liebe Macht dir zu bewähren,
Schaue auf dein Leben nur zurück.


Was mein Reich an hohen Schätzen spendet,
Was kein Ungeweihter je erblickt,
Hab ich dir's nicht zärtlich zugewendet?
Kaum geboren, fürstlich schon geschmückt.

Kein Juwel erglänzt in meiner Marke,
Kein Metall, — es zollte dir Tribut;
Und das Geist'ge, Zarte, wie das Starke,
Einte sich zum Bund in deinem Blut.

Reich mit silberblitzenden Kristallen
Schmückt' ich königlich dein kühles Schloß;
Muscheln, Sand und Kiesel zu Vasallen —
Blumen gab ich dir zum bunten Troß.

So — gemach — auf farbig glatten Wegen
Tratst du sanftgeschaukelt in die Welt,
Blütenkronen lachten dir entgegen,
Bäume wölbten sich zum grünen Zelt. —

Als die Sonne nun mit Feuerblicken
Wie verklärend dich mit Licht durchdrang,
Jenem Flusse dich als Braut zu schmücken,
Der im Tale einsam würdig rang,


Ging die Freude auf in deinem Herzen,
Klar schien dir des Daseins Urgesetz;
Mutig sprangst du fort, mit Kinderscherzen,
Lieder tönten fröhlich und Geschwätz.

Doch verstummten bald die heitern Klänge,
Trüb verdämmerte dein klarer Schein;
Dein Beruf ward dir zu klein, — zu enge,
Weil alltäglich, schien er dir gemein.

Balsam wolltest du, eh du gelitten,
Trost für Unmut, den dein Herz empfand,
Siegespalmen, eh du noch gestritten,
Längst als Schmuck hieltst du sie in der Hand.

Und ich sah dich hin und wieder lauschen,
Suchend, was schon dein und du verkannt;
Bis im Dunkel jener Quelle Rauschen
Dich zu wilder Leidenschaft entbrannt.

War's dich ihm zu einen dir beschieden,
Sei's, daß dann ein sel'ger Bund gedieh;
Doch uns bindet ein Geschick hienieden,
Ungestraft, Kind! trotzest du ihm nie.

Und dir war ein herrliches gefallen!
Hold umgeben von der Freude Schein,
Solltest du erquicken, und gefallen,
Und Gefährtin eines Starken sein.


Ja noch edlere, geheime Gaben
Birgt dein geist- und wundervolles Sein,
Kranke kannst du heilen, Sieche laben,
Leidende von herber Qual befrei'n.

Und nun sieh, wie du die hohe Stelle,
Die dir angewiesen ward, erfüllt? —
Eben komm' ich von der edlen Quelle,
Durch dein Streben aufgeregt und wild.

Sonst ein Bergstrom, frisch im Jugendglanze,
Klar und rieselnd — durch und durch gesund —
Zu dem Fluß, wie du im frohen Tanze,
Strömt er hin zu tatenreichem Bund.

Länder wurden durch ihr Tun gesegnet,
Du nahmst Teil an ihrer Herrlichkeit,
Unbewußt warst du ihm längst begegnet,
In dem Freunde warst du ihm geweiht.

Und jetzt stockt er — die getrübten Massen
Können dem Gefährten nicht mehr nahn,
Der von euch — die er geliebt — verlassen,
Schwach die Mühle treibt und seinen Kahn. —

Kehre wieder zu dem alten Gleise,
Höre deiner Blumen Sehnsuchtslaut!
Und dein reines Herz, befreit vom Eise,
Wird der Freude wieder neu vertraut.


Glaub an sie! — und zwinge dich entschlossen
In das Bett, wo Segen deiner harrt,
Schöner dann, für dich und den Genossen,
Blüht die Zukunft aus der Gegenwart.

Gib es auf, was nimmer dir beschieden,
Jenem Quell als Eignerin zu nahn,
Schenke ihm und schenke dir den Frieden:
Dichtung werde dir der schöne Wahn.

Und daß dein Entschluß nicht fürder wanke,
Setz' ich eine Grenze dir von Stein.
Sie soll deiner Pflichten heil'ge Schranke,
Und ein Denkmal meiner Liebe sein!


Noch war kein Jahr seit jener Zeit vergangen,
Da ward am Quell ein Tempel aufgebaut;
Bald sieht man Haus an Haus geordnet prangen,
Und fröhliches Getümmel wird drin laut.
Es ziehen Hoffnung, Sehnsucht und Verlangen
Zum Heilquell, der Genesungstränke braut.
Ihn preist der Dichter göttlich mit Emphase,
Drastisch der Doktor, Brille auf der Nase.
Und wie Geselligkeit auf dieser Seite,
Wird auf der andern tät'ges Treiben wach.
Der Handel greift geschäftig in die Weite,
Der Landbau zieht den Wassertriften nach,
Der braune Fischer lenkt sein Schiff auf Beute,
Der Pilger segelt ruhig und gemach,
Ja selbst den Jäger mit dem Mordbehagen
Sieht man durch Au und Sumpf die Streife wagen.

Denn angeschwollen von des Bergstroms Stärke,
Gekräftigt von der Quelle rascher Flut,
Reift unser Fluß zum lang bedachten Werke;
Gerüstet tritt er auf mit Glanz und Mut,
Verbindet Völker, fördert die Gewerke,
Und wird als Grenze seines Landes Hut;
Bis er mit seinen Lieben so verbündet,
Groß und gerühmt im Ozean sich mündet.


An M.

Ich kann nicht trauern, kann nicht klagen,
Ich finde keinen Scheidegruß,
Da ich so großer Lust entsagen,
Mich deinem Arm entwinden muß.

Denn aus des Abschieds herben Schmerzen
Errett' ich mir das schönste Glück:
Bleibt nicht in meinem treuen Herzen
Dein Bild auf ewig mir zurück?

Es wird mich wunderbar umgeben
Auf allen Wegen nah und fern,
Und schützend über meinem Leben
Erglänzen, als der Angelstern.


Todesmusik
Von Franz Schubert in Musik gesetzt.

In des Todes Feierstunde
Senke, heilige Kamöne,
Noch einmal die stillen Lieder,
Noch einmal die süßen Töne
Auf die tiefe Abschiedswunde
Meines Busens heilend nieder,
Hebe aus den ird'schen Ringen
Die bedrängte reine Seele,
Trage sie auf deinen Schwingen:
Daß sie sich dem Licht vermähle.

O da werden mich die Klänge
Traut und wonnevoll umwehen,
Und die Ketten, die ich sprenge,
Werden still und leicht vergehen.
Alles Große werd' ich sehen,
Das im Leben mich beglückte,
Alles Schöne, das mir blühte,
Wird verherrlicht vor mir stehen.
Jeden Stern, der mir erglühte,
Der mit freundlichem Gefunkel
Durch das hoffnungslose Dunkel
Meines kurzen Weges blickte,
Jede Blume, die ihn schmückte,
Werden mir die Töne bringen;

Und die schrecklichen Minuten,
Wo ich schmerzlich könnte bluten,
Werden mich mit Lust umklingen;
Und Verklärung werd' ich sehen
Ausgegossen über allen Dingen.
So in Wonne werd' ich untergehen,
Süß verschlungen von der Freude Fluten.

Der Gestrandete

Vom geborstnen Schiff gesprungen,
Von der wilden Flut umrungen,
Kann ich doch nicht zagen.
Senden ja die guten Götter
Den Delphin als treuen Retter,
Ihren Sohn zu tragen.

Daß ich gläubig sie besteige,
Streckt der Lotos seine Zweige,
Inselgrund zu weben.
Und so will ich, der Erlöste,
Einsam auf der grünen Feste:
Bilden — lieben — leben! —

Wanderspruch
An E. Freiherrn von Feuchtersleben

Auf der Reise lieb' ich sehr
Freundliches Begegnen,
Scheu die englisch Groben, mehr
Noch die deutsch Verlegnen.

Wetter, Weg und Kostbescheid
Mögen uns vereinen;
Man vertraut sich mit der Zeit:
Denken — Fühlen — Meinen.

Denkt man gleich, mag man sich freu'n;
Ungleich, — sich ergötzen;
Reisekameradsverein
Wird das nicht verletzen.

Ist mein Geist auch in Peru,
Deiner auch in Flandern,
Können wir im selben Nu
Doch beisammen wandern!

Fröhlich steigen, friedlich ruhn,
Kämpfen mit den Räubern,
Uns im Wirtshaus gütlich tun
Mit vereinten Leibern.


Und es wird, was leicht begann,
Sich zum Ernste wenden.
Als Gesell schloß man sich an,
Um als Freund zu enden.


Böse Kette

Schlägt eine Blume die Krone auf,
Sitzt auch schon saugend der Schmetterling drauf!
      Will sie sich freuen der eigenen Gaben
      Nein, der genäschige Dieb muß sie haben.

Wiegt sich der Falter im Honigschoß,
Gleich springt der Knabe geschickt auf ihn los,
      Stöckchen und Drahtreif und duftiger Flor
      Sind dein Verderben, du flatternder Tor.

Kaum hat der Knabe die Sylfe gefangen,
Kommt schon der finstre Magister gegangen,
      Bücher und Karten und Griffel und Kiel
      Enden das süße, das grausame Spiel.

Kaum sitzt der Knabe, Magisterchen husch!
Schlüpft zu der Tochter des Gärtners im Busch,
      Da kommt der Vater — der Doktor geschwind,
      Sagt gravitätisch: sei fleißig mein Kind!

Väterchen, dem seine Tochter die Welt,
Glaube, noch kommt, was die Lust dir vergällt;
      Mädchen sind Blumen, ein Schmetterling
      War unsrer Kette beginnender Ring.


Das Unerträgliche

Gern wird man es dem großen Geist vergeben,
Wenn er in rauher Form erscheint,
Er schirmt dadurch sein innres Leben
Vor allem Bösen, so ihm feind.

Dem Bessern wird er holde Blüten,
Die er in innrer Welt gebar,
Zum freundlichen Ersatze bieten;
Und seine Liebe ist uns klar.

Ja auch das Unbedeutende erträgt
Man gern und duldsam in der Nahe,
Wenn sich's in zarter Form bewegt.
Tut es nicht wohl — tut's auch nicht wehe.

Doch wenn das Kleine uns begegnet
Im widerwärt'gen, groben Kleid,
Dann sei die starke Hand gesegnet,
Die uns von seiner Last befreit.


Änderung

Ei, seht mir doch den Pappelbaum!
Wie wirft der Bursche sich ins Zeug,
Der hohe, vielumrankte.
Gedenkt er doch der Zeiten kaum,
Wo er als Jägerschmuck, ein Zweig,
Mir auf dem Hute schwankte.
Da pflanzte ich ihn freundlich ein,
Und nun will er der Meister sein,
Schützt gnädig mich vorm Sonnenschein,
Und möchte noch, ich dankte.


Totenopfer

Wer die hohe Vorwelt kennt,
Dem erscheint die Gegenwart
Wie die Blumen auf dem Grabe
Einer großen Heldenleiche.
Sinnend sammelt er die Zarten
Und verbindet sie zum Kranz,
Den er als Erinnerungszeichen,
Schweigend, an die Riesenmale
Dunkler Dome, schlanker Säulen
Unter süßen Tränen hängt.

 
Pax vobiscum
Von Franz Schubert in Musik gesetzt.

"Der Friede sei mit euch!" das war dein Abschiedssegen.
Und so vom Kreis der Gläubigen umkniet,
Vom Siegesstrahl der Gottheit angeglüht,
Flogst du dem ew'gen Heimatland entgegen. —
      Und Friede kam in ihre treuen Herzen,
      Und lohnte sie in ihren höchsten Schmerzen,
      Und stärkte sie in ihrem Martertod.
      Ich glaube dich, du großer Gott!

Der Friede sei mit euch! rufst du im Rosenglühen
Des Himmels uns an jedem Abend zu,
Wenn alle Wesen zur erwünschten Ruh
Vom harten Gang des schwülen Tages ziehen;
      Und Berg und Tal und Strom und Meereswogen,
      Vom weichen Hauch des Nebels überflogen,
      Noch schöner werden unterm milden Rot;
      Ich liebe dich, du guter Gott!

Der Friede sei mit euch! so lacht die erste Blume
Des jungen Frühlings uns vertraulich an,
Wenn sie, mit allen Reizen angetan,
Sich bildet in der Schöpfung Heiligtume.
      Wen sollte auch nicht Friede da umschweben,
      Wo Erd und Himmel ringsum sich beleben,
      Und alles aufsteht aus des Winters Tod?
      Ich hoff' auf dich, du starker Gott!

Aufregung

Was ist es, das die Seele spannt?
Als müßt' es jetzt erscheinen,
So wunderbar und doch bekannt,
Wie aus der Urwelt Heimatland,
Dem Glück mich zu vereinen.

Als müßte, was im Innern lag,
Auf einmal sich bewähren,
Als sei er da, der große Tag,
Mit einem einz'gen Zauberschlag
Mein Dasein zu verklären.

Die Liebe streckt die Arme aus,
Das Wunder zu empfangen,
Die Seele tritt aus sich heraus
Mit Mut und Scheu, mit Trotz und Graus,
Mit Zuversicht und Bangen.

Es zittert ahnungsbang die Luft,
Der Boden scheint zu beben.
Ist's Geisterlaut, der säuselnd ruft?
Steigt dort ein Schatten aus der Gruft,
Wo sich die Nebel heben?

Birgst du den Zauber, dunkler Wald?
Haust er in tiefen Klüften?
Soll sich, wo Menschentritt erschallt,
Und Menschenstimmen rauh und kalt,
Der dunkle Schleier lüften?

Die Märchen aus der Kinderzeit,
Die alten süßen Lieder,
Was mich an Wonne je erfreut,
Die Ahnung, die mich Gott geweiht,
Es kehret alles wieder;

Und lächelt still und lispelt fromm:
"Wie hast du lang geschlafen,
In unsre Flut, Geliebter, komm!
Wir sind der wahre Liebesstrom
Und bringen dich zum Hafen."

Titan
In Musik gesetzt von Franz Liszt.

Auf des Athos blauen Felsenspitzen
Möcht' ich sitzen,
Näher, Himmel, deines Zornes Blitzen,
Näher deines Segens mildem Tau!
Möchte heißer sie umschlungen halten
Die Gewalten,
Die mit Krachen unsre Felsen spalten,
Und die Fluren segnen mild und lau;
Auf des Lebensflusses trüben Krümmen
Muß ich schwimmen,
Wie des Zufalls Wogen mich bestimmen,
Und der Himmel — wölbt sich fern und grau.

Einmal nur, aus alle dem Gemeinen
Mög's erscheinen!
Sollt' ich vor Entsetzen auch versteinen,
Was die Seele Ungeheures ahnend hebt;
Einmal nur, in dieses Lebens Tagen
Laß mich's sagen,
Wofür alle Pulse meines Herzens schlagen,
Und ich habe mir genug gelebt!
Einmal möge mir den nimmersatten Willen
Grundlos stillen,
Einmal dieses Herz mit Götterrausch erfüllen!
Und dann — wirf den Fels, der mich begräbt!

Dithyrambe

Es wird des Alltagslebens feigen Hunden
Der Götter Nektarbecher nimmer munden,
Sie fühlen's nicht, daß einige Sekunden,
Da uns der Jugend Liebesrausch entzunden,
Vernichten dieses Lebens kleine Wunden,
Und höher sind, als tausend frost'ge Stunden,
Die, von der Förmlichkeit gemeinem Joch gebunden,

In ekler Langerweile hingeschwunden.
Doch wird der Pöbel nimmermehr gesunden!
Drum sammelt euch, ihr wen'gen Eingeweihten,
Seid stolz, daß aus dem dumpfen Schlamm der Zeiten
Wir an die Uraniden stark uns reihten,
Daß wir allein um Isis Bette freiten.
Laßt nun geheim, beim leisen Klang der Saiten,
Den Tod- und Lebensbecher uns bereiten;
Wir woll'n dazu durch Tiefen, Höhn und Weiten
Im jauchzenden Mänadentanze schreiten,
Und Alles soll uns ewig: Gott, bedeuten.