weiter
 

I.
Gedichte 3

 

Neue Liebe altes Leid
Kindlichkeit
Ein Morgen
Der Schlaf
Die Burg
Der Sumpf
Die gestorbenen Lieder
Die Dioskuren
Des Lebens Hort
Durch Nacht, zum Licht!
Trinkspruch
Hungaria
Ungarns Gruß
Sylvesternacht 1823
Vom Gebirge
Albumblätter
Erfüllung
Dulde

Neue Liebe altes Leid


Was willst du, morsche Harfe, denn
In meiner starren Hand?
Wer nahm vermessen dich herab
Von deiner dunklen Wand?
Wo ich dich sorgsam hingehängt,
Wie in das Grab den Freund man senkt.

Ach, wie ist deiner Saiten Gold
Getrübt von Rost und Staub!
Ja, wer sich nur ins Dunkel stellt,
Ist des Vergessens Raub.
Es hat dich keine Hand betreut,
Kein Freundesblick hat dich erfreut.

Gedenkst du noch, wie jeden Tag
Ich einst dich wach geküßt?
Wie du mit tröstendem Gesang
Den Abend mir versüßt?
Und meine Tränen, dir zum Dank
Dich rein gescheuert, hell und blank.

Ich wollte nie dich wiedersehn,
Nie hören deinen Sang,
Doch unwillkührlich sucht der Griff
Den lang entbehrten Klang.
So töne wieder, kling einmal!
Du kennst ihn ja, den Ton der Qual.


Auch Qual ist neu in meiner Brust,
Die keine Regung hob,
Wo ungestört die dumpfe Zeit
Des Unmuts Moder wob,
Doch in den Sümpfen gähn die Luft,
Aus der ein Funke Flammen ruft.

Und ist ein Menschenaug so stark,
Ein Auge sanft und klar,
Und wär' mein Herze denn so schwach,
So aller Liebe bar,
Daß schon ein Blick, der hold beglückt,
Es wie ein Feuerstrahl durchzuckt?

Lodre denn, Flamme! leuchte hell
Ins Leben mir hinein.
Willkommen mag auch deine Glut,
Nicht Freudenfackel sein.
Und töne, Harfe, noch einmal,
Sei's auch das alte Lied der Qual.


Kindlichkeit

Laß mich in deine Stille flüchten,
In deinen Frieden, Kinderzeit!
Den widerwärt'gen Kampf zu schlichten.
Mit dem das Leben mich umschreit.

Die heiligen Gefühle zittern,
Noch treu bewahrt in Brust und Haupt,
Den Menschen war's, sie zu verbittern,
Doch zu vertilgen nicht, erlaubt.

Und was Erfahrung mir gegeben, —
Was ich errang, — für jenen Schatz
Von heil'ger Lieb' und holdem Leben,
Der dir entquoll, war's kein Ersatz!

Wohl mag, was du mir vorgehalten,
Ein Fabelland gewesen sein;
Die Reihe schimmernder Gestalten
Nur Dichtung, wesenloser Schein;

Doch war ich selig in dem Traume,
Dem Gläub'gen war er Wirklichkeit.
Die Frucht von der Erkenntnis Baume
Trotzt sie denn mehr dem Grimm der Zeit?


Die Erdengrößen sinken alle.
Mein kurzes Dasein hat erlebt
Den Riesenbau, von dessen Falle
Der Boden zitternd noch erbebt.

Der Klugheit feine Pläne scheitern,
Die Roheit weist die Tat zurück,
Und grollend aus des Himmels Heitern
Stürzt sich der Blitz auf unser Glück.

Was bleibt noch, als sich einzubauen
Mit einer Seele, die uns liebt,
Und, wie die Kinder, mit Vertrauen
Zu lauschen, was der Himmel gibt.


Ein Morgen

Kühl weht die Luft, der Morgen graut.
Noch ruht die Stille auf der Flur
So feierlich! - es stört kein Laut
Den süßen Schlummer der Natur.

Da hebt der Nebel sich im Tal —
Die Berge glühn — aus Wolkengold
Schwingt sich des Lichtes erster Strahl,
Ein Liebesbote frisch und hold.

Und nun tritt aus dem Feuermeer
Sie selbst, des Tages Königin.
Die Farben tanzen vor ihr her,
Der Nebel weicht, die Schatten fliehn.

Ihr jubelt Gruß der Vögel Chor,
Die Blumen heben sich empor,
Der letzte Wurm wird sich's bewußt:
Es naht die Liebe, naht die Lust. —

Doch da, wo Alles preist und singt,
Verstummt allein des Menschen Mund.
Ein Seufzer, der sich aufwärts schwingt —
Ein Blick — gibt seine Seele kund.


Und eine Träne in dem Blick,
Von deinen Engeln nur gesehn,
Kann danken für der Liebe Glück,
Kann deine Huld um Stärke flehn,

Um Kraft, daß wir, was Duft und Licht,
Was Farbenschmelz und Lüftewehn,
Was jeder Hauch der Schöpfung spricht,
Daß wir der Liebe Ruf verstehn;

Daß, wie sich nun das Leben regt,
Geschäftig braust der volle Tag,
Sich, unsern Herzen eingeprägt,
Im Tun die Liebe spiegeln mag.

Der Schlaf

Ich bringe Trost und stillen Frieden,
Komm, ruhe aus in meinem Arm!
Den dir das Schicksal streng beschieden,
Ich tilg' ihn aus, den bittren Harm;
Die Bürde nehm' ich ab dem Müden.


Du sollst mit holden Träumen spielen,
Ein Kind in süßer Himmelslust,
Der Erde Fessel nicht mehr fühlen,
Nur ihrer Schönheit dir bewußt,
Im ew'gen Tau die Stirne kühlen.

Es werden Engel dich umschweben,
Und der am wärmsten dich umfaßt,
Dem werd' ich ihre Züge geben,
Die du so treu im Herzen hast, —
In meinem Arm ist hold das Leben! —


Die Burg

Einsam, über Waldesschauern,
Ragt das ritterliche Schloß,
Und das tödliche Geschoß
Lugt bedrohlich aus den Mauern.

Kleine Fenster blicken bang,
Warten trotzen, Türme nicken,
Und die leichtbewegten Brücken
Hemmen schnell den Übergang.

Doch, wo sind der Feinde Scharen?
Rebenhügel, Saatgebreit,
Holden Friedens Tätigkeit,
Mag das Auge nur gewahren.

Diese dahlenden Schalmeien,
Alpenlieder, Herdenglocken,
Töne, die zur Ruhe locken,
Jagen sie euch Schrecken ein?

Nein, nicht blutige Gefechte
Sind es, was die Rüstung soll,
Gaben nur und Dienst und Zoll,
Lang bewahrte Herrenrechte.


Ja, es sitzt der alte Geist,
Ob der Herr im Frack stolziere,
Doch mit eisernem Visiere
In der Burg verstockt, vergreist.

Kommt herab von euren Zinnen,
Eure Sendung ist vollbracht,
Schon entweicht die dumpfe Nacht,
Freundlich will der Tag beginnen.

Werdet euren Brüdern gleich,
Teilt die Arbeit, teilt die Feste,
Teilt das Schlimmste wie das Beste,
Lieb' und Kraft macht groß und reich.


Der Sumpf

"Pfui, pfui! der ekle Pfützenschlamm,
Voll Unkenruf und Froschgelächter,
Am Ufer prahlt ein fauler Stamm
Mit Märchenlicht, ein müß'ger Wächter,
Und rings des Irrlichts Flackerzungen
Ziehn Bettler an und blöde Jungen.

Ist das der Storch, den man so preist,
Der liebe Gast in jeder Hütte,
Den Alt und Jung willkommen heißt,
Den Vorurteil verklärt und Sitte;
Der dort so stolz das Schilf durchschreitet
Und Tod und Schrecken rings verbreitet? —

Was suchst du mit geschwollnem Kamm
Dich meditierend aufzublähen?
Du stehst ja selber in dem Schlamm,
Und läßt dir's wohl und gut geschehen.
Der Menschen töricht Tun und Treiben:
Es ist ein Sumpf und wird es bleiben.

Im Unkenruf, der dir erscholl,
Hörst du nicht die Sentimentalen
Und Frommen, die des Lebens Zoll
Mit Seufzern und mit Tränen zahlen?
Da ist ein Jammertal die Erde,
Lust: Sünde, Tätigkeit: Beschwerde.


Und jener Frösche holder Chor,
Mahnt er nicht an die Eitlen, Flachen,
Die ewig mit verstopftem Ohr
Das eigne liebe Selbst belachen?
Die im Genuß sich immer wähnen,
Und doch vor langer Weile gähnen?

Der trügerische Irrwischtanz
Gleicht täuschenden Philosophien,
Die mit erborgtem Wahrheitsglanz
Betörte ins Verderben ziehen;
Die uns mit Trost und Aufschluß kirren,
Und nur den klaren Sinn verwirren.

Der faule Stamm — was dem entspricht,
Ist fast gefährlich auszudrücken:
Es ist der Kirche hohles Licht,
Die mit Bombast, auf Wunderkrücken
Den Wächter spielt, sich bläht und wimmert,
Und wenn es finster wird, nur schimmert.

Die Störche endlich, sind bequem
Den großen Herren zu vergleichen.
So spreizt sich und stolziert die Creme
Des lieben Adels und die Reichen.
Sie gehn auf Stelzen, klappern, wandern
Und speisen nebenbei die Andern.


Und doch! dies kleine Erdenleben —
Was konnt' es sein! so süß verklärt!
Ein Kelch der Lust, mit Wonnebeben
Von Liedeslippen ausgeleert:
Wenn es der Eintracht weiche Schwinge
Mit holder Traulichkeit umfinge;

Wenn, was es hegt und was es schmückt,
Gewürdigt und verstanden wäre,
Die Lüge und der Haß entrückt,
Und das Phantom geträumter Ehre;
Und jedes Dasein und Vermögen
Aufblühte in der Freiheit Segen.

O Freiheit! Liebesseligkeit!
Urquell des Guten und des Schönen,
Wann werdet ihr die träge Zeit
Mit Rosen der Vollendung krönen?
Was zögert ihr, die Nacht zu schmelzen?
Vom düstern Grab den Stein zu wälzen?


Die gestorbenen Lieder

Wie in einem großen Garten
Steh' ich in der weiten Welt.
Kreaturen aller Arten
Sprossen auf zum Himmelszelt.

Und das allgemeine Streben
Ist mir wie ein eigner Traum;
Alle diese Dinge leben
Tief in meines Busens Raum.

Ob sich blaue Fernen breiten,
Ist mir liebend Alles nah;
Ob sich jagen dunkle Zeiten,
Alles ist mir ewig da.

Was ich sehe, wird Empfindung,
Was ich fühle, wird Gestalt;
Und in ewiger Verbindung
Alles jung und ewig alt.

Und es fängt nun an zu sprechen,
Und die Sprache wird Gesang,
Aus den Blumen, aus den Bächen
Dringt ein wunderbarer Klang.


Selbst die ernsten Berge hallen,
Und die Wälder rauschen aus;
Geisterhafte Töne wallen
Aus der blauen Ströme Lauf.

Da erhebt ihr Goldgefieder
Poesie mit trunkner Lust,
Tausend neue Wonnelieder
Zeugt sie in der weiten Brust.

Und sie schweben, lichte Engel,
Still, im fließenden Gewand,
Reiner Lilien duft'ge Stengel
Tragend in der weißen Hand.

Wollen zärtlich sich ergießen
In der Liebe lichtes Meer,
Wollen leben und genießen,
Flehen freundlich um Gehör.


Doch kein Ohr vernimmt ihr Sehnen,
Ihnen winkt kein Liebesblick,
Ach, da fliehen sie mit Tränen
In die heim'sche Brust zurück.

Und dort singen sie im Herzen,
An einander sanft geschmiegt,
Ihre Sehnsucht, ihre Schmerzen,
Bis der Tod sie eingewiegt.


Die Dioskuren

Schnell, wie von Delphinen hingezogen.
Gleitet Argo durch die hellen Wogen
      Kolchis zu, das dämmernd dort sich hebt.
Berge tauchen auf, Geklüft und Bäume,
Zu verwirklichen die hohen Träume,
     Die der Helden kühne Brust belebt.

Freudig stehn sie an des Schiffes Rande,
Schau'n hinüber nach dem Wunderlande,
     Das sich nun vor ihren Blicken dehnt;
Aus der Felsen Nacht, der Forste Schweigen
Siehet jeder Glanzgebilde steigen,
     Die der Traum gebar, der Wunsch ersehnt.

Schätze tragen sie und güldne Kronen,
Kränze auch, den heißen Kampf zu lohnen,
     Und das Vlies, des Sieges Preis und Lust;
Phantasie gibt den Gestalten Leben,
Und das Schiff und rings die Lust erbeben
     Von dem Jubelruf der vollen Brust.

Aber bei dem schwülen Schein der Sonne,
Bei der lauten, allgemeinen Wonne
     Schauet düster sinnend der Pilot.
Was soll des Erfahrnen Angsterbleichen?
Ist es nicht ein Weh verkündend Zeichen,
     Daß verborgen lauernd Unheil droht?

Und sieh, schon ziehen Wolken sich zusammen,
     Der Sonne goldne Scheibe sieht man kaum.
Und Wellen, die erst glatt und leuchtend schwammen,
     Verspritzen sich am Kiel zu weißem Schaum;
Die Donner rollen und die Blitze flammen,
     Verschwunden ist des Tages schöner Traum.
Gewaltsam weggescheucht von wilden Stürmen,
Die zu Gebirgen rings die Wasser türmen.

Das Schifflein treibt sich matt in Ungewittern,
     Ein Sandkorn ans der ungemeßnen Flut,
Dodona's heil'ge Eichenmaste splittern.
     Ergriffen von des Feuerstrahles Wut,
Die kühnsten Heldenherzen selbst erzittern.
     Und den Bewährtesten entsinkt der Mut,
Da heulend Tod und Schrecken sie umringen,
Und nirgendsher der Hoffnung Strahlen dringen.


Aber furchtlos stehn die Dioskuren
In der Schrecken Drang; der Gottheit Spuren
     Schmücken mit Vertrauen ihr Gesicht,
Beid' in weißen leuchtenden Gewanden
Nahen sich, sie haben sich verstanden,
     Schweigend beide, doch ihr Auge spricht,
Und wie sie die Hände liebend einen,
Sieht man Stern' ob ihrem Haupt erscheinen —
     Ruhig wird das Meer, der Himmel licht.

Des Lebens Hort

Jeder Gute ringt nach Idealen,
Einem Kolchis, einem Wunderland,
Wo die Zweifel enden und die Qualen,
Wo der Wunsch die letzte Grenze fand; —
Wie ihm's seines Geistes Schlüsse malen,
Oder wie es seliger sein Herz empfand,
Sieht er es in ungemeßnen Weiten
Golden sich und glanzumflossen breiten.

Und in seiner Seele tiefsten Tiefen
Fühlt zu diesem Bilde er den Grund,
An der Erde rauhen Felsenriffen
Stößt er schmerzlich seinen Busen wund,
Nebel sieht er rings und Hieroglyphen,
Und der Sinne Reize kalt und bunt,
Aber für der Seele Blütenkeime
Sieht er nirgends heimatliche Räume.

Aber unser reinstes, tiefstes Sehnen
Hat doch auch ein heil'ges Vaterland,
Und dies Land des Guten und des Schönen
Haben alle Bessern noch erkannt.
Ob sie's Tugend — oder Liebe nennen,
Oder Seligkeit, — das Wort ist Tand!
Und ihr Geist strebt auf verschiednen Wegen
Doch demselben hohen Ziel entgegen.

Alle sieht man gleichgeschäftig steuern
Hin, wo sie die Insel sich gedacht;
Schon das Kind in seinen goldnen Schleiern
Ahnet seine himmelhelle Pracht,
Jedem Jüngling nennt's das Aug der Teuern,
Und die edle Glut der Freiheitsschlacht;
Und vom heil'gen Drange fortgezogen,
Tritt er hoffend auf des Lebens Wogen.

Schmeichelnd tragen sie den kühnen Schwimmer,
Lullen schaukelnd seine Sorgen ein,
Sonne zeigen sie, und stille Bahn ihm immer,
Doch die Wolken nicht, die ihn umdräu'n,
Zeigen ihm sein Ziel im Abendschimmer,
Daß er töricht wähnt, ihm nah zu sein,
Und die Wünsche, denen er vertrauet,
Schon im Geiste froh verwirklicht schauet.

Doch da kommt der Sturm herangeflogen,
Und der Zweifel hebt sein Schlangenhaupt.
Wie von Haß und Leere aufgesogen,
Fühlt er alles, was er einst geglaubt,
Da die Wirklichkeit ihn kalt betrogen,
Meint er auch sein Ideal geraubt;
Und hat für das unruhvolle Leben
Alles Glück und Hoffen aufgegeben. —

Da steigst du ihm still und freundlich nieder,
Heil'ge Freundschaft! und in seine Brust
Kommt der Friede, kommt der Glaube wieder,
Und die erste kindlich fromme Lust;
An dem Busen gleichgesinnter Brüder
Wird des Lebens er sich neu bewußt,
Und er fühlt's: nur in der Freundschaft Schirme
Schifft er sicher durch des Lebens Stürme.

Durch Nacht, zum Licht!

Es schwebet in ewiger Wonne
Der Schönheit Licht,
Als leuchtende Gnadensonne
Um Gottes Angesicht. —

Und ihre glühenden Strahlen:
Wahrheit, Liebe und Recht,
Streben zur Erde nieder,
Zu heil'gen ihr Geschlecht.


Aber der Dünste Heer
Entsteigt des Abgrunds Nacht
Und hüllet dumpf und schwer
In Dunkel die Erde ein
Und wehrt des Himmels Schein
Und hemmt der Segnung Macht.

Die arme Menschenschar
Irret umher,
Bang und beschränkt,
Strauchelt und fällt,
Tastend, zum Boden den Blick gesenkt,
Oder des Schlafes Bande
Bleiern, kalt,
Halten sie fest,
Von Fieberträumen
Das wogende, zagende Herz gepreßt,

Da gleitet durch's Dunkel
Der Genius daher,
Mit leuchtender Schwinge,
Des Mondes silbern Gefäß
Tragend aus rosiger Hand
Und träuft einem Schläfer —
Dem aus die Stirne,
Dem aus die Brust, —
Lächelnd den seligen Tau.


Und die Geweihten fahren empor
Und preisen und singen:
In himmlischen Tönen,
In prangenden Bildern,
In freudigen Worten.
Der Schönheit Reich, —
Seht! wie sie singen,
Seht! wie sie bilden,
Hebt sich die Decke des Nebels,
Es dämmert verjüngender Tag,
Lauschend aber und staunend,
Süß von Ahnung durchbebt,
Von Trost und Hoffnung gefächelt,
Sammelt der Hörer Chor
Entzückt sich um die Entzückten.

Chor der Männer:

Wie schwillt bei diesen Tönen mir das Herz!
Der Mut erwacht, es stirbt der feige Schmerz,
Zu Lust entstammt, zu Wagnis und Gefecht:
Verlangt die kühne Seele Glück und Recht.


Chor der Frauen:

Wie schmeichelst du der Seele, holder Klang!
Mein Sinn ergibt sich gern dem süßen Drang;
Der Himmel blüht, die Erd' in neuer Lust
Und Liebe glüht in wonnentzückter Brust.

Chor der Greise:

Der Töne Macht senkt in die eigne Brust
Den Forscherblick, er kehrt sich selbstbewußt,
Durchdringend das Geheimnis der Natur
Und geht beglückt aus hoher Wahrheit Spur.
Und fort, in ewigen Kreisen
Schreitet die Regung, die Tat;
Die Herrlichen lasset uns preisen
Denen weihend der Genius genaht,
Und folgen laßt uns dem Triebe,
Den ihr Schaffen in uns beschwingt,
Daß die grausige Nacht zerstiebe,
Die nur die Begeisterung bezwingt;
Bis durch Wahrheit, durch Recht und Liebe
Sich die Schönheit aus Erden verjüngt.


Trinkspruch
In Musik gebracht von Franz Liszt.

Weimars Toten will ich's bringen
Laßt der vollen Gläser Klingen
Bis zur Nacht des Grabes dringen,
Daß die dunklen Pforten springen,
Große Geister, kommt heraus:
Wieland, Herder, Schiller, Goethe!
Gießt die neue Morgenröte
Über die Lebend'gen aus.

Müß'ge Trauer sei vernichtet;
Frisch, das Aug' empor gerichtet;
Jeder Brave sei verpflichtet,
Das zu tun, was sie gedichtet,
Schaffe Jeder was er mag!
Leben laßt uns ihre Lieder,
Seht, dann leben sie uns wieder;
Ihnen danken wir den Tag.


Hungaria
In Musik gesetzt von Franz Liszt.

Ans Osten, aus der Sonne Tor,
Wälzt sich ein dunkler Strom hervor,
Stolzblickende, trotzige Scharen,
In der Hand den sausenden Busogan:
Es zittert die Erde, wo sie nahn —
Die Hunnen sind's, die Magyaren!

Vor ihnen schreitet ein Löwe her,
Gewaltig und wild, eine Welt sein Begehr,
Tödlich und schnell wie der Blitz ist er da;
Es schleudert sein Blick wie sein Bogen den Pfeil,
Die Faust schwingt das Schlacht- wie das Henkerbeil:
's ist Gottes Geißel — der Attila!

Da nahmen sie sich mit blutiger Hand,
Mit des Siegers Recht, ein blühendes Land —
Doch versöhnten sie Schmerzen und Schauer;
Sie haben sie doppelt gezahlt, die Schuld,
Mit Leben und Gut, mit Mut und Geduld,
Gegen Stambul, die eherne Mauer.


Und die Schönheit lebt in der Ungarn Blut;
Man sah sie, trotz Greuel und Kriegeswut,
Einst staunend als Blume Europa's blühn.
Und der edle Gärtner, der sie gepflegt,
Um den sich was tüchtig und herrlich bewegt,
Ist der große Matthias, der große Corvin!

Corvinus und Etzel sind Euer noch,
Drum hebet die Blicke, die Banner hoch,
Sie sterben und Ihr verderbet nicht!
Einst zoget Ihr aus der Sonne Tor,
Nun blicket vertrauend zu ihr empor,
Zur Sonne, Ungarn! empor zum Licht.

Ungarns Gruß
An Franz Liszt

Dich faßte, noch ein zarter Knabe,
Schon des Geschickes kalte Hand,
Und sprach, dich weisend in die Ferne:
Geh hin, du hast kein Vaterland.


Dann führten die verklärten Schwingen
Der Kunst dich in ihr Zauberreich:
"Hier ist die Heimat großer Geister,
Die deine ist's, der ihnen gleich."

Und schmeichelnd lockte dich das Leben
Dann in sein glänzendstes Revier,
Es schmückte dich mit seinen Gaben
Und bat: Nun weile, herrsche hier.

Dann wardst du hoch vom Ruhm getragen,
Auf seine Gipfel hingestellt:
Hörst du, sprach er, die Völker jubeln?
Liszt, deine Heimat ist die Welt!

Doch was das Schicksal auch gesprochen,
Die Kunst, der Ruhm, Genuß und Glück,
Du dachtest doch mit treuer Seele
Ans Land das dich gebar, zurück.

Und kommst zu uns, wo arm das Leben,
Die Kunst noch in der Wiege ist;
Doch unser Herz ist reich und bieder,
Es ruft dir zu: Sei uns gegrüßt!

Sei uns gegrüßt im Lorbeerschmucke,
Denn du verdient so ritterlich,
Du großer Künstler, Edler, Treuer!
Franz Liszt, dein Land ist stolz auf dich!

Sylvesternacht 1823
in einem Kreise von Freunden

Die Horen halten ewig sich umschlungen
Und schweben in der Jahre Wechseltanz,
Kaum hat die eine sich vorbei geschwungen,
So naht die neue schon mit neuem Glanz.

Soeben sehn wir eine von uns scheiden,
Die lang uns trauliche Gefährtin war,
Sie reicht uns jetzt den Becher süßer Freuden
Als letztes heil'ges Abschiedsopfer dar.

Und strebet fort. — Doch hemme noch die Frage
Den schon gehobnen leichten Scheidetritt:
Was warst du uns? Was brachten deine Tage?
Was läßt du hier? Was nimmst du scheidend mit?

Die Göttin wendet flüchtig sich und leise,
Ein Lächeln überleuchtet ihr Gesicht,
Sie blickt vertraut und mild umher im Kreise,
Dann öffnet sie den holden Mund und spricht:

"Ihr meine Günstlinge, ihr könnt noch fragen?
Die mit den schönsten Rosen ich bestreut?
Sollt' euch das eigne volle Herz nicht sagen.
Wie viel ihr meiner Liebe schuldig seid?

Die schönsten Gaben, die in guter Stunde
Ich einzeln sende in die weite Welt,
Ihr fandet sie in eurem kleinen Bunde,
Ihr hattet sie geordnet und gesellt.

Die stumme Lippe wußte ich zu lösen,
Daß die Empfindung eine Sprache fand,
Die bunte Schar belebter Zauberwesen
Entquoll aus meinen Ruf der sichern Hand.

Dem Sänger hab' ich Weisen eingegeben,
Noch seid ihr ja von ihrem Klang gerührt,*
Und in der Dinge Geist und inn'res Leben
Hat euch die Kraft des Denkers eingeführt.
*
Franz Schubert hatte eben eine neue Folge seiner
Lieder vorgetragen.


Und nicht mit unerhörter Sehnsucht Schmerzen,
In starrer Einsamkeit, habt ihr gezeugt;
Ich sandt' euch treue, liebevolle Herzen,
Die lauschend euch die Seele zugeneigt.

Auch saht ihr hohe prangende Gestalten,
Mit Adel und mit Schönheit angetan,
In weißen Händen reiche Kränze halten;
Daß nicht den Preis entbehre eure Bahn.

O strebt nur freudig und gelassen weiter,
Ich weiß, ich sorgte für euch mütterlich!
Vielleicht ist auch die Schwester mild und heiter,
Wo nicht — so rüstet euch, und denkt an mich!" —

Sie schien bewegt, sie wollt' uns nicht beschämen,
Sie wandte sich — und eilte rasch empor.
Zwölf ihrer Schritte konnten wir vernehmnen,
Bis in die Ferne sich ihr Bild verlor. —

So möge denn der laute Dank erschallen
Für alle Huld, die sie an uns geübt:
Wir danken ihr, und jenen Teuren allen,
Die uns erkannt, geduldet und geliebt!

Und wenn die Schwester naht, die Uranide.
Und ernst vielleicht, und düster um sich schaut,
Wenn ungerührt den trauten Kreis sie schiede,
Und kalt zerstörte was wir ausgebaut.

Wenn sie das lustdurchwirkte Band zerhiebe,
An dem uns jene unsichtbar bewegt,
Wenn mancher seine Brust voll heißer Liebe
Allein in nachtumhüllte Ferne trägt:

Dann laßt uns auf die Hingeschwundne blicken,
Die mit der milden Rede von uns schied,
Es wird uns ihr Gedächtnis, süß erquicken,
Und heilen das zerrissene Gemüt.

Der liebe Kreis wird wieder uns umschweben,
Die alten Freuden werden jung und neu,
Und jeder wird mit voller Seele streben,
Daß der Vergangenheit er würdig sei.

 
Vom Gebirge

Willst du ihn schauen den Gott, den pythischen, golden gelockten,
      Der in der Menschen Brust alle Begeisterung weckt?
Steige kühn hinaus zu des Berges bläulichem Gipfel,
     Wo sich der Sonne Gluth gattet mit ewigem Schnee;
Wo im weiteren Kreis dein Blick die Erde beherrschet,
     Und ein erhab'nerer Geist mächtig die Seele erhebt;
Wo deiner Hütte Dach in der herrlichen Fülle verschwindet,
     Und du dich Bürger nur sühlst so paradiesischer Welt;
Wo aus dem Urgestein die reineren Quellen entspringen,
     Und der Blume Schmelz schöner und dustiger quillt,
Hoch dort ruhet der Gott, in unvergänglicher Schöne,
     Sanft aus Wolken gewiegt, strahlend die Lyra im Arm,
Mächtig durchbraust der Sturm Kronions die goldenen Saiten
     Und du stehest entzückt, von Harmonien bewegt
Lichtvoll öffnen sich dir des Olympos goldene Tore,
     Und was ein Gott je besaß, Seliger, sühlst du, sei dein!
Aber was willst du, Sohn der kleinen umnachteten Erde,
     Ewig stehest du nicht hier au des Ewigen Thron,
Graut vor der Rückkehr dir nicht in deine vergängliche Hütte?
     Dir ward ein himmlisches Glück, blieb dirdas irdische wert?
Sieh, wen der delphische Gott zum innigen Liebling erkoren,
     Dem, mit sreundlichem Blick, reicht er sein goldenes Spiel;
Ihm zum Gedächtnis, und daß er den Göttern nahe gewesen,
     In der Lyra Geleit kehrt er zum heimischen Herd,
Schutz ist sie ihm und Genuß, und stets sein Leben verklärend,
     Schafft sie den Himmel dort, wo nur der Glückliche weilt,
Sanfte Weste umsächeln ihn mit elusischen Tönen,
     Und selbst die Thiere des Walds horchen dem lieblichen Klang;
Blumen nicken den Takt, die Wellen rieseln Akkorde,
     Schönheit hat die Natur seiernd im Liede verklärt,
Tobt der Orkan, die Felsen stürzend und spaltend die Eichen:
     Ihren grausen Trinmph seiert harmonisch die Krast;
Glück und Unglück verwebt zum Einklang sich miteinander,
     Und was den Andern gering, ist dem Geweihten Gedicht,
Er, der die Erde beseelt, das irdische Dasein durchgöttert,
     Der die alltägliche Form blühend als Wunder enthüllt,
Der die Schmerzen versöhnt, die Unsorm bändigt, ist Dichter,
     Nicht der auf schwindelnderHöh' flüchtig Begeisterung trank.

Albumblätter

1.
So lang der Traum der Jugend uns umgaukelt,
Naht sich der Genien geisterlichte Schar,
Aus gold'nen Wolken wonnevoll geschaukelt,
Und reicht der Psyche ihre Blüten dar.

Es streut die Dichtkunst ihre vollen Rosen,
Jazinth und Tulpen bringt die Malerei,
Mit Veilchen kommt Musik und mit Mimosen,
Mit Nelken schwebt der leichte Tanz herbei.

Der Jugend weihen alle ihre Spenden,
Gelockt von ihrem Mut und ihrem Glanz,
Und flechten ihr mit nimmer müden Händen
Den leuchtenden, des Lebens Weihekranz.

Zwar ist's nicht um die wandelbaren Blüten,
Wenn jetzt auch reg erstrebt und heiß erfleht,
Da bei der Lebensstürme kaltem Wüten
Ach nur zu oft ihr holder Glanz verweht.

Doch, dem die Stirne weihend sie verklären,
Wird in des Herzens innerstem Gemach
Das Höchste, was die Götter je gewähren:
Der Geist der Schönheit und der Liebe wach.

Und dieser Geist umfaßt die Andern alle,
Wahrheit und Recht und Tugend schließt er ein,
Aus ihm, wie aus des Diamants Kristalle,
Strahlt jeden Glanzes, jeder Farbe Schein.

Er sei aus deines Lebens Wechselwegen
Dein Angelstern, dein heil'ger Talisman,
Dann ist dein Sein ein fortgesetzter Segen
Und Seligkeit hienieden schon kein Wahn.

2.
Glanz und Feste bieten Städte,
Blumen beut das stille Land,
Prächtig schmücken Ring und Kette,
Doch oft drückt das goldne Band.
Leichte Kinder grüner Fluren
Lassen keines Druckes Spuren.

In dem kindlich reinen Sinnne
Wohnt die eigne Majestät,
Unter Blüten wird er inne,
Wie ihn Gottes Geist umweht:
Wies' und Wald sind ihm Paläste,
Schmetterling und Vögel Gäste.

Aus den Düften saugt er Nahrung
Wonne aus der Farben Pracht,
Aus der Sonne Offenbarung,
Andacht aus dem Stern der Nacht:
Und das irdische Getriebe
Ist für ihn ein Traum der Liebe.

3.
Die Sehnsucht senkt sich nieder aus den Höhen,
Die Freude quillt empor aus bunter Welt;
Es wähnt der Mensch in jener zu vergehen.
Wenn d i e verjüngt des Daseins Adern schwellt.

Des Lebens Rätsel mag nur der verstehen,
Der Herz und Sinn für beide offen hält;
Und mit der ew'gen Geisterschar im Bunde,
Schließt er der irdischen Genossen Runde.

4.
Keine Freude mag bestehen,
Auch das Schönste muß entschwinden,
Rosen duften, — und verwehen
Ohne Schonung in den Winden.

Schnell verrauschen Wonnestunden
In der Jahre Wirbeltanz,
Nur Erinnrung flicht für Wunden
Einen Immortellenkranz.

5.
Wie kann ich nur den Freudenrausch bestehen,
   Den deine Liebe auf mich niedersprüht;
Hast du die stille Treue denn gesehen,
   Die tief in meinem Herzen für dich glüht?

Die stets aus alle Höhen dich begleitet,
   Wo ihr auch selbst zu weilen nicht gegönnt,
Wie stets die Arme sie nach dir gebreitet,
   Wenn uns die Eile deines Flugs getrennt.

Und meiner Seele unscheinbare Flammen,
   Damit sie heißer nur und tiefer brennen,
Halt' ich mit kargen Händen sie zusammen,
   Und dennoch mochtest du sie nicht verkennen.

Du sahest sie, sie konnten dich erfreuen,
   Und wolltest sie mit deinem Hauche mehren,
So werd' ich um so freud'ger sie betreuen.
   Da sie nun mir und dir zugleich gehören.

6.
Der Regen gießt, die Blitze blenden,
   Der Sturm umbraust in schwarzer Nacht
Den Jüngling, der mit starren Händen
   Die jungen Rosen überwacht,
Mit denen, als der Liebe Spenden,
   Sein Mädchen heut ihn angelacht.
So trägt der Mann des Herzens Blüten
   Bang durch des Lebens Wüstenei'n,
Wo Sorge und Gemeinheit wüten,
   Tod drohend ihrem holden Schein,
Freund! laß uns treu die Hände bieten,
   Der Rose Dauer zu verleihn.

7.
Nein, nimmer für die Nacht geboren
   Ward dieses Auges süßer Schein,
Das sich Begeistrung auserkoren,
   Ein Herold ihrer Macht zu sein.

Auf schwebt der Aar zur Himmelswonne,
   Indes der Molch in Grüften wühlt,
Es wendet Alles sich zur Sonne,
   Was heil'ges Leben in sich fühlt.

Und Holde du, die alles Schönen
   Ein Abbild steht vor meinem Blick,
Du solltest dunkeln Mächten fröhnen.
   Verzichten auf der Freude Glück?

Mißtrau dem nächtigen Gezüchte,
Sich brüstend mit des Schauders Macht,
Was herrlich ist, es strebt zum Lichte,
Nur das Gemeine sucht die Nacht.

Und nicht die Nacht, wo Sterne glänzen,
   Der Bach vom Mond versilbert rauscht,
Wo bei des Glühwurms Flammentänzen
   Die Liebe ihre Küsse tauscht.

Nein, jene Nacht, die sternenlose.
   Die keines Gottes Licht erquickt,
Wo glühend nur aus feuchtem Moose
   Die giftgeschwollne Kröte blickt.

Wo Wölfe nur und Schlangen hausen,
   Der Uhu leise Flügel schwingt,
Der Regen peitscht, die Stürme brausen,
   Das Irrlicht über Sümpfe springt.

O laß die grausen Abenteuer,
   Hier winkt die Luft des Sonnenscheins,
Dort lodert nur der Selbstsucht Feuer
   Denn Liebe, Glück und Licht sind Eins.

8.
Als ich von Wahn, von tollem Wahn befangen,
   Dem Irrlicht nach, durch Ried und Sümpfe drang,
Und nun der Boden wich, und ich mit Bangen
   Nach festem Grund, nach treuer Erde rang.
Warst du das Licht, das hold mir ausgegangen,
   Das traulich schimmernd meine Furcht bezwang.
Das gastlich mir die stille Hütte zeigte,
Wo sich die Freundschaft tröstend zu mir neigte.

Als ich mit bunten Wimpeln, stolzen Masten
   Ein sel'ges Eiland zu gewinnen fuhr,
Doch Sturm mich packte, Schrecken mich umrasten,
   Mich rings mit Tod angrinste die Natur,
Warst du der Grund, wo meine Anker faßten
   Die tiefe, meerbedeckte Wunderflur,
Die Flur, wo selige Undinen wohnen,
Die kühne Taucher reich mit Perlen lohnen.

Als ich zur Kaaba wallte durch die Wüste,
   Und treulos mich der rechte Pfad verließ,
Als ich mit Todesqual den Glauben büßte,
   Den Glauben an der Erde Paradies,
Warst du der milde Engel, der mich grüßte
   Mit Himmelslaut, und mir die Quelle wies,
Kannst du mir zürnen, wenn die heißen Lippen
Zu gierig von der Rettungswelle nippen?

Erfüllung

Schwur ich's nicht mit heißen Schwüren:
Wahr zu bleiben, treu und rein?
Eh' zu betteln vor den Türen,
Als mein Wesen zu entweihn;
Eh' bluten und zu leiden,
Als zu buhlen um den Schein,
Welt und Menschen eh' zu meiden,
Als ihr feiler Knecht zu sein?

Und nun will ich kindisch grollen,
Wenn's auf mich hernieder fällt,
Wenn mein Trachten, wenn mein Wollen
Mich bei'm eignen Worte hält? —
Kannt' ich nicht der Erde Götzen:
Ruhm und Macht und Lust und Geld? —
Nimmer soll es mich entsetzen:
Daß sich mir verschließt die Welt.

Dulde!

Ach! ist mir doch zu Mut,
Als wär' ich heim gegangen,
Wie Einem, der seit Langen
Im kühlen Grabe ruht:
Kein Hoffen, kein Verlangen,
Kein Wollen und kein Bangen,
Kein Leben und kein Gut.

Du frohe, frische Kraft!
Die ich in allen Tagen
So warm in mir getragen,
Wie bist du weggerafft! —
Es heißt nunmehr: Entsagen
Mit Würde, — ohne Klagen,
Ohn' Zorn und Leidenschaft.