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Nicht Hafis allein ist Dichter,
Dichter ist auch Mewlanah
Der Begeisterte Prophete,
Der den Herrn im Feuer sah,
Jener, der des Lebens Meister,
Dieser, der dem Himmel nah.
 

X.
Ghaselen

 

Ghaselen
Ehelidad und sein Kamel
Isfendiar
Akkorde

Ghaselen

1.
Siehe, ich lebe

Beug' ich meine Knie: Siehe, ich liebe,
Ist mir süß die Mühe: Siehe, ich liebe,
Und du fragst noch: Was ich stets dich verfolgend
Wie dein Schatten ziehe? Siehe, ich liebe,
Fragst noch: Warum dies sonst ruhige Auge
Wilde Flammen sprühe? Siehe, ich liebe,
Fragst noch: Warum ich bald seufzend erblasse,
Bald in Wonne gliühe? Siehe, ich liebe;
Warum ich das Roß, die Waffen verachte,
Selbst die Freunde fliehe? Siehe, ich liebe,
Selig jauchzt mein Herz in dunkelster Nacht auf,
Selig in der Frühe: Siehe, ich liebe,
Und ich glaube nicht, daß jenseits der Sterne
Schön'res Leben blühe: Siehe, ich liebe!
Was denn gab' es, das der schmachtenden Seele
Höh're Lust verliehe? — Siehe ich liebe!

2.
Das wisse nun

Wie sehr mein ganzes Wesen dich verehret: Das wisse nun,
Wie viel mit deiner Liebe ich entbehret: Das wisse nun.
Wie ich in Angst gelauschet und geblicket,
Ob du die stumme Bitte wohl erhöret: Das wisse nun.
Und da mich nie der Hoffnung Strahl erquicket,
Wie grausam mich der herbe Schmerz verzehret: Das wisse nun.
Und wie in aller Qual, die mich berücket,
Sich meine Treue dennoch dir bewähret: Das wisse nun.
Doch wie der Weltstrom sich mir neu geschmücket,
Den Brama aus dem Lotosblatt befähret: Das wisse nun;
Wie sich, von seinem Anschau'n ganz entzücket,
Mein Geist zu höh'rer Liebe hat verkläret: Das wisse nun.
Wie man den Kuß auf Freundeslippen drücket,
Und ruhig scheidend in die Heimat kehret: Das wisse nun.

3.
Nur Fatme!

Tadeln willst du mich? so keife nur!
Ich will nichts von dir: begreife nur.
Du willst Perlen, Gold und Prunkgeschmeid?
Frage mich doch nicht, und häufe nur!
Du, dem Wilde nach mit Tigerblick
Durch die Wälder jagen? streife nur!
Du dein mattes Herz, das durstige,
In dem hellen Wein ersäufe nur!
Ich verlasse alle Habe nun,
Ausgeschmückt mit Fatmes Schleife nur;
Und so zieh' ich durch die Auen hin,
In Begleitung meiner Pfeife nur,
Nichts bedenkend, daß im Sinne mir
Der Gesang an Fatme reife nur.

4. Wir wollen's wagen

Was uns die Seele kühn entflammt zu sagen.
                                Wir wollens wagen!

Ein kräftig Leben in des Todes Tagen,
                                Wir wollens wagen!

Ich hab's gedacht, wo stille Bäche gehn.
Ich hab's gedacht, wo hohe Palmen ragen.
Ich hab's gedacht, von Allen ungesehn,
Wenn in die Wüste mich mein Fuß getragen:
                                Wir wollens wagen!

Gerüstet sehet ihr zum Kampf mich stehn,
Gerüstet gegen Tod und Lebensplagen;
Bereit, der Ehre Flitter zu verschmähn,
Und irdischen Verlust nicht zu beklagen.
                                Wir wollens wagen!

Die Feigen, die um Gnade wimmernd stehn,
Wie leicht wird sie das hohe Wort verjagen;
Und die sich stolz im Eigendünkel blähn,
Die soll des Neides gelber Zahn zernagen.
                                Wir wollens wagen!

Genossen! seht ihr jene lichten Höh'n?
Dort klimmt hinauf und laßt das feige Zagen,
Dort sei bei Sang und schmetterndem Getön
Der Kunst die reine Werkstatt aufgeschlagen.
                                Wir wollens wagen!

Was immer kräftig ist und wahr und schön,
Entfalte sich mit freudigem Behagen,
Und nicht, ob die's im dunklen Tal verschmähn,
Nur ob es Gott gefällig, laßt uns fragen.
                                Wir wollens wagen!

Ehelidad und sein Kamel

Angefeindet von den Großen,
Nie gemeindet mit den Kleinen,
Ganz verlassen von den Seinen,
Aus den Mauern seiner Stadt,
Die den Helden ausgestoßen,
Flüchtet trauernd Chelidad.
              Chelidad und sein Kamel.

Unverdrossen lang und lang,
Ohne Richtung, ohne Zwang,
Schreitet durch die kühlen Wälder,
Durch die blühnden Reisesfelder
Das Kamel den stillen Gang,
Bis von Finsternis umnachtet,
Von dem Reiter unbeachtet,
Es in weiter Wüste geht.
Und sie irren auf der Haide,
Wo kein Zelt und keine Weide,
Wo kein Baum, kein Grashalm steht,
Quell nicht rieselt, Wind nicht weht,
              Chelidad und sein Kamel.

Und die Sonn' mit glühndem Brande,
Der das Blut dem Wandrer siedet,
Steigt herauf in Mittagsglühn,
Lechzend waten sie im Sande
Ohne Labsal zu erspähn,
Bis drei Tag und Nacht vergehn;
Dürstend, schmachtend und ermüdet;
Sinken dann erschöpfend hin
              Chelidad und sein Kamel.

Von dem Tode sich zu retten,
Sich zu stärken, sich zu letzen,
Bleibt ihm nur, sein Tier zu töten,
Das im Leibe birgt die Quellen. —
Doch von allen seinen Schätzen,
Und von allen den Gesellen,
Denen froh er einst gebot,
Nennt er nur dies Tier noch sein:
Alle flohen in der Not.
Und so ging er ganz allein,
              Chelidad und sein Kamel.

Von des Durstes Qual getrieben,
Kann er doch sich nicht entschließen,
Dieses Blut nun zu vergießen,
Das allein ihm treu geblieben,
Bis der Tod ihm schleichend naht. —
Und schon wird die Wange blässer,
Seine Feueraugen matt: —
Da zieht er das blanke Messer. —

Als darauf in wenig Stunden
Naht ein Karawanenzug,
Haben sie die zwei gefunden,
Von der Sonne ausgebrannt.
Tot den Helden Chelidad,
Noch das Messer in der Hand,
Auf das treue Tier gebettet:
Das ihn in die Wüste trug,
Das die Not an ihn gekettet:
Konnt' es sterbend nicht verwunden. —

Zu der Stadt bringt man die Kunde,
Und man singt von Mund zu Munde:
              Chelidad und sein Kamel.

Isfendiar

Aar an Schnelle, Leu an Mut,
Reitet Issendiar, der Held,
Mit der treuen Schar ins Weite,
Dürstend nach der Feinde Blut:
Trifft sie, und nach kurzem Streite
Hat er sie in Flucht gestäubt,
Und ihr kühner Führer bleibt
Mit der ungemeßnen Beute
Ihm gefangen in den Händen.
Führt ihn in sein hohes Zelt,
Läßt ihm Pfeif' und Sorbet spenden,
Und verehrt drei volle Tage
Ihn als seinen werten Gast;
Spricht dann ernst: Nun sei gefaßt,
Geh zum Tode ohne Klage,
Drauf erwiedert jener wild:
Gerne lasse ich mein Leben,
Ist die Rache doch gestillt!
Gift hab' ich dir eingegeben,
Und eh' noch zwei Tag' entschweben,
Hast du seine Kraft verspürt!
Sagt's — und wird zum Tod geführt.

Als das Issendiar vernommen,
Prägt er's in den Busen tief:
Alle, die mit ihm gekommen,
Schnelle er zusammen rief,
Heißt sie aus die Pferde sitzen,
Denn es ist zur Stadt noch weit,
Und gemessen seine Zeit;
Eilend will er sie noch nützen.

Sporenschlag beschwingt die Pferde,
Kaum berühren sie die Erde,
Und eh' noch zum zweiten Male
Sich die goldne Sonnenschale
Licht- und farbeströmend leerte,
Können sie vom Hügelsrücken
Schon im Tal die Stadt erblicken.

Ob erschöpft vom langen Ritte,
Ob von Schauern schon durchflossen,
Heißet doch mit frohen Blicken
Issendiar die Kampfgenossen
Sich nach guter Kriegersitte
Zu dem Siegeseinzug schmücken.
Hurtig aus der reichen Beute
Werden Stoffe ausgerollt,
Seidne, blumenüberstreute,
Mannigfach durchwirkt mit Gold;
Und in prächtigen Kaftanen,
Ausgeziert mit Perl' und Stein,
Überschient mit goldnen Spangen,
Sieht man bald die Tapfern prangen,
Überwallt von bunten Fahnen
Geht der Zug zur Stadt hinein,
Wo mit frohen Siegesweisen
Jubelnde sie laut empfangen.

Issendiar, den Alle preisen,
Reitet an der Helden Spitze,
Totenweiß sind seine Wangen,
Ausgelöscht die Feuerblitze,
Die sonst aus dem Auge drangen,
Und man sieht, daß wilde Flammen
Tief an seinem Leben nagen. —

Doch er faßt sich stark zusammen,
Trotz belebt die hohe Miene,
Und die edlen Glieder ragen
Furchtbar aus dem roten Kleide;
Herrschend blickt das Mondgeschmeide
Aus des Turbans Sametgrüne,
Und in seiner Faust die Klinge
Gibt der Pauke, gibt der Zinke,
Lustig keisend frohe Winke,
Daß ihr Jubelschall erklinge.
Rauschend wirbeln tausend Klänge,
Wiehern und Gestampf von Rossen,
Und im freudigen Gedränge
Rasseln mit den hellen Lanzen
Wonnetrunken die Genossen,
Und die goldnen Franzen tanzen
Eine Glorie um den Blassen,
Also glanzvoll, jubelnd, singend
Geht der Zug durch lange Gassen,
In Geleitschaft der Vesire,
Geht zum Schach und zur Moschee,
Spenden weihend, Gaben bringend,
Doch das langverhaltne Weh,
Das des Helden Mark durchbohrte,
Kann er länger nicht bestehn!
Reitet nun zu Fatme's Pforte,
Fast schon mit dem Tode ringend,
Doch die Schmerzen noch bezwingend,
Heißt er die Gefährten gehn,
Und verschwindet in der Türe. —

Doch es hat am lieben Orte
Kaum die Süße ihn empfangen,
Fühlt er seine Kraft vergangen;
Und er sinkt verstellungslos,
Von dem weichen Arm umfangen,
Aufgelöst in ihren Schoß.
Und er spricht mit schwacher Stimme:
Wolle schauernd nicht erbeben,
Meines Lebens Rosenkrone!
Du der Freude Königin,
Die mir Wonne nur gegeben,
Kannst du mir es wohl verzeihen,
Daß ich dir es so nun lohne?
Nicht mit Lust ihn zu umweben,
Nur dem Tode ihn zu weihen,
Nimm ihn, den Geliebten, hin! —
Jene wilden Kriegerscharen,
Die in Ungemach und Not
Treulich mir Genossen waren,
Die mit mir getrotzt dem Tod,
Ach, sie sollen nicht erfahren,
Wie ich an der Erde hänge,
Sollen mich nicht sterben sehn. —
Wenn aus meinem matten Auge
Eine heiße Träne dränge,
Würden sie es wohl verstehn?

Aber du! die mir ein Eden
Schuf auf diesem dunklen Sterne,
Du erträgst die Schwäche gerne,
Kannst's verstehen und vergeben,
Daß ich an dem schönen Leben,
An des Daseins süßen Fäden,
Schmachtend wie ein Kindlein sauge,
Und vom warmen Mutterherzen
Nimmer lassen kann und will.

O bekämpfe diese Schmerzen,
Dieses folternde Gefühl,
Das den Busen mir zerrissen,
Liebevoll mit deinen Küssen!
Trunken werd' ich dann nicht wissen,
Steht das Blut in meinem Herzen,
Ob vom Tod, — ob von Genüssen, —
Selig — oder sterbend still;
Wenn in meine Todeswunde,
Heilend bis zum tiefsten Grunde,
Mild dein Atem niedertaucht! —
Sagt es — und an ihrem Munde
Hat er seinen Geist verhaucht.

Akkorde

Steige aus des Lebens Höhn,
Soll der Sturm den Geist erfrischen;
Bleib' im niedern Tale stehn,
Unter Menschen dich zu mischen;
Doch zur Tiefe mußt du gehn,
Willst du Freudenperlen fischen.

Spring entschlossen in die Glut,
Willst du mit Gefahren spielen;
Tauch in den Kristall der Flut,
Dein erhitztes Blut zu kühlen;
Aber sei der Erde gut,
Willst du Lebensfreuden fühlen.

Strebt dein Blick zur Ferne hin,
Sei des Baums Gezweig dir Leiter;
Steht nach Fruchtgenuß dein Sinn,
Heft er sich aus Strauch und Kräuter;
Doch die Blume ist Gewinn
Dir, o Farb- und Duftgeweihter!

Nelk' ist dein, die würzig quillt,
Wenn du heiter lebst und prächtig;
Wähle Immergrün zum Schild,
Bist du fleißig und bedächtig:
Dem nur sei die Rose Bild,
Der des ganzen Lebens mächtig.

Was Vergangenheit vollbracht,
Soll Gelehrsamkeit erheben;
Lasset in der Zukunft Nacht
Träumerisch Propheten schweben:
Gegenwart, die volle, lacht
Dem nur, der erkannt das Leben.

Kuß auf Stirn und Augenbogen
Ist der Mild' und Hoheit Gruß;
Demut hauchet wohlerzogen
Auf die Hand den scheuen Kuß:
Aus der Lippen Purpurwogen
Trinkt nur Liebe Vollgenuß.

Junge Liebe, kaum erblühte,
Spitzet zart zum Kuß den Mund:
Treu und herzliches Gemüte,
Küssend, wölbt die Lippen rund;
Leidenschaft, die heißerglühte,
Nimmt die Zunge noch zum Bund.

In der Sterne Weltenheer
Wird der Glaube ahnend blicken;
Aus des Mondes Strahlenmeer
Trinke seliges Entzücken;
Sonne nur kann klar und hehr
Mit Erkenntnis dich beglücken.

Griechen, götterlustentflammt,
Mochten sich des Leids erwehren;
Goten, so die Lust verdammt,
Konnten leicht von Schmerzen zehren;
Uns bleibt, Schmerz und Lust zusammt,
Beide göttlich zu erklären.

Bei Vergehn der Sinnlichkeit
Sind Franzosen die Geduld'gen;
Schuld, die im Gemüt gedeiht,
Wird des Briten Spleen entschuld'gen;
Keinen Wahnsinn bringt die Zeit,
Dem nicht deutsche Geister huld'gen.

Der Bewegung Geistesflut
Wird die Tonkunst uns entfalten;
Wie der Geist in Formen ruht,
Prägt der Bildner in Gestalten;
Wird der Weltgeist Menschengut,
Mag die Dichtkunst sprechend walten.

Drängt der Mensch sich ins Gewühle,
Tausch und Handel aufzufinden;
Sitzt im einsamsten Asyle
Syllogismen zu ergründen;
Tausch Gedanken um Gefühle:
Beides wirst du so verbinden.

Hast die Welt du abgetan,
Magst der Sorgen dich entheben;
Sei bekannt mit Jedermann,
Willst du dich der Lust ergeben;
Schließ dich wen'gen Edlen an,
Willst du lieben, willst du leben.

Denke! mit bedächt'ger Wahl
Magst du mancher Sorg' entgehen.
Dulde! Leiden ohne Zahl
Wirst du ruhig so bestehen.
Handle! dann wird Sorg' und Qual
Unbemerkt vorüberwehen.

Handle! für dich selbst: es kann
Mit Gewinn vergolten werden;
Für die Welt: den großen Mann
Grüßen Worte und Gebärden;
Für die Liebe: deine Bahn
Ist der Himmel dann auf Erden.

Liebst du Frau und Kind und Freund,
Bist ein guter Mensch zu nennen;
Liebst du jeden, selbst den Feind,
Christum wirst du so bekennen.
Ewig sind mit Gott vereint
Herzen, die für Schönheit brennen.

Liebe Frau und Kind und Freund,
Menschenpflichten auszuüben;
Liebe jeden, selbst den Feind,
Lohn erwartet dich dann drüben;
Erd' und Himmel sind vereint,
Wenn wir heiß die Schönheit lieben.

Du wirst, der nach Wahrheit strebt,
Göttliches im Geist erlangen;
Du, der für das Gute lebt,
Im Gemüte Gott empfangen;
Ganz ist der mit Gott verwebt,
Dem die Schönheit ausgegangen.

Dem ist schön des Himmels Zelt,
Dran die goldnen Sterne prangen:
Dem ein Weib, das üppig schwellt,
Augenschmelz und Purpurwangen;
Dem Geweihten ist's die Welt,
Von dem Geist des Herrn umfangen.