Das
Sonett 1
Ist das Sonett ein wonnevolles Kosen,
Süß hingehaucht von zarten Amoretten,
Die Arm in Arm, gewiegt aus Blumenketten,
Mit Immergrün sich werfen und mit Rosen:
So ist es auch das wildempörte Tosen
Der Kräfte, die, vom Nichts sich zu erretten,
Abstoßend sich fest an einander kletten,
Nach Schranken ringend in dem Schrankenlosen.
Schön ist das erste, bist du ihm ergeben,
Du wirst den Sinn der meisten wohl erfreuen,
Doch sei pikant und zierlich deine Dichtung.
Das zweit' ist rauh, doch tief sein innres Leben,
An seinem Born magst du die Kraft erneuen,
In dieser Zeit der künstlichen Vernichtung.
Das Sonett 2
Den bunten Ball zum Himmel auf zu senden,
Und doch die Haut im Schlage nicht zu ritzen,
Führt man in Rom ein Holz mit vierzehn Spitzen,
Schön mit Metall und Schnitzwerk an den Enden.
Ein solches fand ein armer Sohn der Wenden,
Wehrlos, verfolgt, unfähig sich zu schützen;
Er rafft' es auf, das Spielzeug sieht man blitzen
Als Morgenstern in seinen starken Händen.
Wußt' er den Tand zur Waffe zu gestalten
Und braucht' ihn nun gleich gut gesinnten Rittern,
Im ernsten Kampf für Gott und Recht zu streiten;
Müßt ihr's der schweren Faust nicht mißlich deuten,
Wenn hier und da die zarten Spitzen splittern:
Es gilt kein Spiel, es gilt nur Schädel spalten.
Das Sonett 3
Jungfrau Sonett! Opfer der Etikette,
Mein Herz hat immer Teil an dir genommen.
Dein steifes Wesen machte mich beklommen,
Dein zierlich Seufzen in dem Stahlkorsette.
Ein bißchen Klimpern, reichlich Toilette,
Tanzen, Französisch, Beten mit den Frommen,
Noch Blumensticken — und du schienst vollkommen.
Mich quält es, wie ich deine Schönheit rette.
Ich habe dich entführt, — Nun magst du leben
Frei, wie du willst! Nur reine Liebe, weben,
Und innrer Adel, deiner Sitte Schranken.
Sollt' auch dein Füßchen einmal straucheln, wanken,
Durchkletternd alle Schluchten der Gedanken,
Um ihretwillen sei der Fehl vergeben.
Weltformen
Wenn Most aus reifer Trauben Fülle strahlt,
So dünkt er süß und lieblich allen Zungen:
Doch von des eignen Geistes Kraft durchdrungen,
Faßt ihn der Gärung mächtige Gewalt:
Mit seiner Form ringt liebend der Gehalt,
Doch wenn er die sich sträubende bezwungen,
Steigt, wie die Göttin sich dem Meer entrungen,
Der Wein hervor in herrlicher Gestalt.
Als noch der reine Trieb die Menschen lenkte:
Wie süß und lieblich,war die goldne Zeit!
Dann faßte wild und mächtig sie die Gärung,
Als in sich selber sich der Geist versenkte:
Doch, wie er tobe, aus dem finstern Streit
Steigt noch die allumfassende Verklärung!
Schatzgräbers Begehr
Von
Franz Schubert in Musik gesetzt
In tiefster Erde ruht ein alt Gesetz,
Dem treibt mich's, rastlos immer nachzuspüren:
Und grabend kann ich Andres nicht vollführen,
Wohl spannt auch mir die Welt ihr goldnes Netz.
Wohl tönt auch mir der Klugheit seicht Geschwätz:
"Du wirst die Müh' und Zeit umsonst verlieren;"
Das hemme nicht mein emsiges Hantieren,
Ich grabe glühend fort, so nun, wie stets.
Und soll mich nie des Findens Wonne laben,
Sollt' ich mein Grab mit dieser Hoffnung graben:
Es löscht die Flammen doch, die marternd brennen.
Drum lasset Ruhe mir in meinem Streben!
Ein Grab mag man doch jedem gerne geben,
Wollt ihr es mir denn nicht, ihr Lieben, gönnen?
Am Teiche
Ein Wasserspiegel ist das Menschenleben,
Von Bäumen schön umkränzt und Blumenranken;
Wir sehn ihr Bild wie heilige Gedanken
Im Zauberschimmer auf der Fläche schweben.
Da treibt ein Kahn daher mit keckem Streben,
Roh bricht er durch der Klarheit Silberschranken:
Die Welle schäumt, die zarten Bilder wanken,
Und spielen in chaotischen Geweben.
Doch ob er auch das Konterfei verschwemme,
Fest stehn am Ufer doch die alten Stämme,
Und unbekümmert blühn die holden Rosen.
Drum halte die Idee — im wild'sten Tosen
Der Leidenschaft — vor der sie scheinbar schwindet:
Uns wird ein Ewiges in ihr verkündet.
Vorschau
In des Himmels hellen Heitern
Schwimmt die dunkle Kugel Erde,
Und der Menschen kleine Herde
Treibt's, ihr Dasein zu erweitern.
Sichten sieht man sie und läutern,
Daß das Glück gefunden werde;
Doch an Drangsal und Beschwerde
Will die Arbeit immer scheitern.
Nur der Geist, der sonnenhelle,
Schwebt empor zur Himmelsschwelle,
Daß er sich dem Licht geselle
Und der großen Schar verborgen,
Steht er über Not und Sorgen
Und erahnt den fernen Morgen.
Versäumtes Glück
Wenn in das Meer die Sonne will versinken,
Und nun, ihr Lebewohl der Welt zu sagen,
Die Purpurflammen um die Erde schlagen,
Strebt Alles, ihren letzten Kuß zu trinken.
Und wen geblendet ihrer Strahlen Blinken,
Wer kindisch, bei der Schwüle kleinen Plagen,
Zu Unmut sich vermaß, zu Spott und Klagen,
Beim Scheiden wird sie jedem herrlich dünken.
Da wissen wir es, daß an ihrem Blick
Zur Frucht der Erde Multerschoß erwarme,
Daß sie uns Licht, Gestalt und Farbe gab;
Da rufen die Verkannte wir zurück,
Da breiten wir wie trostlos unsre Arme; —
Doch unaufhaltsam schreitet sie hinab.
Rechtfertigung
"Wie konntest du, hör' ich die Freunde klagen,
Das stille Haus im Blütental verschmähen,
Das an der Brust der Lieben dich gesehen,
Mit Glück gekrönt seit deiner Kindheit Tagen?
Zum starren Fels den kecken Fuß zu tragen,
Wo des Gedeihens dürre Grenzen stehen,
Und Stürme nur, die über Gletscher wehen,
Um deines Herzens Leid und Jubel fragen?"
Dort in des Tals eintönigen Gewinden,
Wo ich nur mir und wieder mir begegnet,
Hab' ich zuletzt das eigne Ich verloren:
Hier, wo dem Blick die engen Schranken schwinden,
Seh' ich ein weites Land, von Gott gesegnet,
Vergesse mich und bin so neu geboren.
Macht des Erkennens
Du stehst am Ufer — und zu deinen Füßen
Dehnt sich die Welle ruhig und erhaben;
Den Himmel und der Erde süße Gaben
Siehst du, aus ihr, dich doppelt schön begrüßen.
Es reißt dich hin, die Schöne zu genießen,
Und dich berauscht in ihrem Schoß zu laben;
Du springst hinab? — der Strom wird dich begraben!
Und statt des Lichts dich Todesnacht umschließen.
Steh' fest und drück' das Bild in deine Seele,
So daß durch klares inniges Erkennen
Das Herrliche dir angeeignet werde;
Dann lebt in dir die reine Spiegelquelle,
Und wird — dein eigen — nie sich von dir trennen,
Und du bist Eins mit Himmel, Strom und Erde.
Die Künste
Sonne ew'ger Poesie
Leuchtet aus das Leben nieder,
Und das Leben — strahlt sie wieder
In des Menschen Phantasie:
Herrlich wogt die Melodie,
Wie des Dichters hohe Lieder,
Und der Grazien reine Glieder
Webt das malende Genie.
Wie in Regenbogens Helle
Siehet man die sieben Künste,
Sieben Farben gleich erscheinen;
Doch die eingeweihte Seele
Siehet durch die Erdendünste
Schon den Strahl, wo sie sich einen.
Priesters Besitz
Das Höchste sehen und es nicht verlangen,
Hat mich der Geist der heil'gen Kunst gelehrt;
Wenn körperlos, von ihrem Hauch verklärt,
Mir himmlische Gestalten ausgegangen.
Der Wonne Tränen löschten das Verlangen,
Von Staunen wurde die Begier verzehrt,
Und meiner Seele ward die Kraft beschert,
Durch reine Liebe wahrhaft zu empfangen.
Drum glaube nicht, daß mich dein Reiz verblende,
Wenn du dein Schönstes mir gezeigt, o Leben!
Daß irdisch zu besitzen ich begehre;
Aus meiner Seele greifen tausend Hände,
Die es in ihre Tempelräume heben,
Und es ist mein, indem ich es verehre.
Todesweihe
Hast du des Todes Schauerbuch gelesen?
Hast du der Blitze Mörderlust empfunden?
Verstandest du die Stimme finst'rer Stunden,
Der Wut, des Hasses, der Vernichtung Wesen?
Sahst die Natur du bluten und verwesen,
Und grubst mit Wonne in den heißen Wunden?
Sind Gift und Pest dir treue Liebeskunden?
Fühlst du in Schmerz und Qual das Herz genesen?
Wo nicht — so magst du Ungeweihter zittern,
Du hast den höchsten Jubel nicht vernommen:
Der Liebe Jauchzen in Verzweiflungszähren,
Die Schrecken, die des Lebens Baum erschüttern,
Sie werden dich zermalmen! denn sie kommen,
Entfliehen kann man nicht, — doch sie verklären.
Palmenzweig
Kennst du die Luft? — Wo schmelzend Wohllaut weht,
Wo Rosen duftig glühn, und Lorbeern sprossen,
Da ruhet sie, aus Blumen hingegossen.
Im Schleierschmuck, brillantenübersät.
Doch kennst du auch der Tugend Majestät,
Die streng und heilig in sich selbst verschlossen,
Vom reinen Licht der Ewigkeit umflossen.
Die starre Dornenbahn geduldig geht? —
Zwei Herrscher sind sie von zwei Himmelsreichen, —
Sie schienen lange Zeit sich zu befeinden:
Der böse Schein soll länger nicht bestehn.
Sie werden froh und festlich sich vergleichen.
Und nur die beider Huld in sich vereinten,
Die sollen in den Friedenstempel gehn.
Grabesblüten
Ich laß mich gern in bunte Bilder wiegen,
Und dieses kleine, unruhvolle Leben
In leichtem Takt an mir vorüber schweben;
Doch wird es meine Schwermut nie besiegen.
Wie sollt' es auch, das spielende, genügen,
Dem ungeheuren, nimmersatten Streben?
Es soll mir nur Erinnrung freundlich geben:
An Sterne — die in mir begraben liegen.
So pflegen, heil'ge Blüten teurer Leichen,
Wir mit gemeinem Staub zu überschachten.
Bis endlich Gras und holde Blumen sprießen.
Die sollen unsrer Trauer Kränze reichen,
Daß, wenn die Kleinen sinnig wir betrachten,
Für Höhere Erinnerungstränen fließen.
Zuruf
Was soll die Trauer, Freund, was soll das Grübeln,
Womit du dir verkümmerst jeden Bissen?
Was frommt es dir, dem Unglück ganz zu wissen,
Und immer nur mit deinem Schmerz zu liebeln?
Die trocknen Augen reibst du so mit Zwiebeln,
Daß überflüss'ge Tränen sie vergießen,
Was dich auch drückt, was dir auch ward entrissen,
So rettest du dich nimmermehr von Übeln.
Wirf sie von dir die nichtige Beschwerde,
Beginne kräftig ein verjüngtes Leben.
Reichhaltig ist die mütterliche Erde;
Und kann die Ernte einmal sie versagen,
Der neuen Saat wird neue Frucht sie geben;
Willst du gewinnen, lerne zu entsagen.
Lebensweihe
Erhaben über ird'sche Nichtigkeiten,
Ward etwas in des Menschen Sein gelegt,
Das ihm der Gottheit Siegel aufgeprägt,
Ihn zugesellt der Schar der Eingeweihten.
Der Wonne Talisman zu allen Zeiten,
Hat es die Brust des Kindes schon bewegt,
Wie es den Mann aus jede Höhe trägt,
Der Kunst und Weisheit Rätsel ihm zu deuten:
Die Wahrheit ist ihm Aug', Begeistrung Flügel,
Die Liebe ist sein Herz, Schönheit sein Spiegel,
Sein Lebensodem ist Unsterblichkeit.
Wen dieser Strahl der Gottheit nicht durchdrungen,
Hat jedes Erdengut umsonst errungen,
Er welkt dahin, ein mattes Kind der Zeit.
Augenblicke in Elysium
Von
Franz Schubert in Musik gesetzt
Vor der in Ehrfurcht all mein Wesen kniet,
Jetzt schweb' hernieder, Urbild ew'ger Schöne!
Daß ich mein Aug' dich anzuschau'n gewöhne,
Mein Sinn ist klar, und heiter mein Gemüt.
Wenn mich selbst jetzt dein Glanzstrahl niederglüht,
Dann bin ich wert, daß mich dein Spott verhöhne!
Ich trank vom Quell der reinen Hippokrene,
Der mit Begeistrung meine Stirn umzieht, —
O! könnt' ich dieses Augenblicks Entzücken
So fest und tief in meine Seele drücken,
Daß es mich stets aus meiner Bahn umwehte! —
Doch kaum daß ich nur etwas weiter trete —
Verschwindet alle Pracht vor meinen Blicken.
Ja das ist deine finstre Macht, o Lethe! —
Der Jäger
Der Jäger dringt unmutig durch die Zweige,
Und lagert sich zur Rast auf's weiche Moos;
Doch seine Hand läßt das Gewehr nicht los,
Ob dennoch sich vielleicht ein Wild noch zeige.
Da naht die Sennin auf dem schmalen Steige,
Setzt sich zu ihm, spricht wenig, lächelt bloß,
Doch in dem klaren Auge, blau und groß,
War's grad' als ob sich ihm der Himmel neige.
Verwandelt ist sein Sinnen und sein Trachten,
Gebändigt ist in ihm der trotz'ge Riese,
Und seine Seele füllt ein süßes Schmachten,
Da liegt die Flinte, und der schönste Hase
Im nahen Busche, wie im Paradiese,
Spielt ungefährdet, wohlgemut im Grase.
Der Vogelsteller
Hab' ich dich Vogel! — doch ein Fädchen hangen
Seh' ich am Fuß dir — Kanntest du das Bauer, —
Die Qual der Knechtschaft schon? und warst nicht schlauer?
Und ließest dich zum zweiten Male fangen?
Wie kamst du aber los? vielleicht bezwangen
Nicht List, nicht Schlauheit deine Kerkermauer?
Befreite dich des Mitleids holde Trauer?
Der Rührung Zähre aus der Unschuld Wangen?
Sei's, wie es sei — sollst mich nicht härter finden.
Freu' dich des Lebens, flattre, Vogel, flattre!
Du magst der Menschen Freundlichkeit verkünden,
Und seh'n, daß dich kein andrer Feind ergattre.
Wen einmal nur die Menschen erst bedenken,
Beschenkte, mag ein jeder gern beschenken.
In der Heimat
Ich zog durch Deutschlands männerstolze Gauen,
Ich schiffte ahnungsschauernd übers Meer,
Mir lag es auf der Brust so bang und schwer,
Und drüben hieß es, in den Mutterauen,
Da werd' ich Freud' und Frieden wiederschauen.
Ich spähte emsig suchend wohl umher,
Doch blieb das wunde Herz des Trostes leer —
Und Sehnsuchtstränen fühlt' ich niedertauen.
In der Erinnerungsträume buntem Neigen
Sah blaue Berge ich gen Himmel steigen,
Sah sich ein Stromtal üppig abwärts neigen,
Sah eine Stadt am lieben Blumenstrand,
Und fühlte mich, wenn dann das Bild verschwand,
Im Vaterland selbst fremd und unbekannt.
Der Treulosen
Natur, sagst du, hat dich von mir geschieden?
Kannst du das Unnatürlichste so nennen?
Meineide, die auf deiner Seele brennen,
Und dich betrügen um des Lebens Frieden?
Beim großen Gott! es ward auch mir beschieden,
Das Wort der ew'gen Mutter zu erkennen,
Jetzt ruft es auch in mir: du sollst dich trennen!
Doch bebt mein Herz und meine Pulse sieden.
O Mädchen, sprich! was konnte dich betören,
Dem feigen Aberglauben preisgegeben,
Mein Glück — ich sag' es kühn — dein's zu zerstören?
Als wir in Götterlust verbunden waren,
Ein Herz, ein Sinn, ein Glaube und ein Leben —
Das war Natur, du wirst es noch erfahren.
Liebesunmut
Groß zu handeln, tief zu denken,
Fördert nicht in Liebessachen;
Du mußt tändeln, scherzen, lachen,
Willst du Kypris' Tauben lenken.
Unterhalten und Beschenken
Sind die einz'gen Zauberdrachen,
Mädchenherzen zu bewachen,
Die erpicht sind, dich zu kränken.
Keine bat noch tief empfunden,
Wie sie krampfhaft sich auch brüsten;
Zeitvertreib ist ihr Gelüsten,
Auch wenn sie dein Herz verwunden,
Drum: Verliebten Scherz getrieben,
Freunde! nur nicht ernsthaft lieben!
An eine schöne Freundin
1.
Die Weisheit scheint den Menschen zu verhöhnen
Mit doppelsinniger Orakelkunde,
Aus alter Tempel, heil'ger Bücher Munde
Hört man den Ruf: "Kenne dich selbst" ertönen:
Und wieder spricht der Geist: "Um zu versöhnen
Der Erde Nacht, und daß dein Herz im Bunde
Mit höhern Geistern reife und gesunde,
Vergiß dich selbst, und lebe ganz im Schönen."
Wenn nun wir andern armen Erdensöhne
Unschlüssig sind, um was es hier sich handelt,
Erklärst du leicht und ohne Streit die Frage,
Du suchst dein Selbst, und findest so das Schöne,
Denn beide sind bei dir in Eins verwandelt,
Zwei Fliegen triffst du so mit einem Schlage.
2.
Verzeihe mir, daß ich zu scherzen wage,
Wo hoher Ernst die Feder mir geschnitten,
Ich hab's gelernt vom höchsten Geist der Briten,
Der tolle Späße mischt mit tiefer Klage.
Es sind zu ernst der Erde Schmerzenstage,
Zu ernst der Wust von Sorgen, Pflichten, Sitten,
Nur von der Laune und dem Witz bestritten,
Stellt sich ins Gleichgewicht des Lebens Waage.
Gern hing' ich, seh' ich den Pedanten schreiten,
Ihm den Papierzopf in den steifen Nacken;
Er weiß es nicht, was seine Künste schaden.
Saug' ich so aus der Distel Süßigkeiten,
Wie müssen erst der Jugend Rosenbacken
Unwiderstehlich mich zum Scherze laden!
Einer Schauspielerin
Als Nelke hab' ich dich zuerst gesehen,
Und wünschte schnell, die würzige zu pflücken,
Doch sie entschwand urplötzlich meinen Blicken —
Und hoch als Lilie sah ich nun dich stehen.
Ich trat hinzu, um ihre Gunst zu flehen —
Da sah ich nur ein Veilchen schüchtern nicken,
Und wollt' ich freudig mich nach diesem bücken —
Schienst du als Winde schlau dich wegzudrehen.
Halt ein! Vergebens fliehst du kleine Lose,
In tausend Blumen stets dich zu erneuen,
Ich kenne dich — du bist schön ausgefunden.
Verwandle dich, du bleibst doch stets die Rose,
Hast Reiz und Duft wie sie, um zu erfreuen:
Ein Dörnchen auch wie sie, um zu verwunden.
Das Bad
O Helios im gold'nem Sonnenrade,
Ich spotte dein, samt deinen Feuerblitzen:
Im Grottenquell die Nymphe wird mich schützen,
Mit leisem Flügelschlag, im kühlen Bade. —
Doch angelangt am blumigen Gestade,
Sah ich am Bach ein Göttermädchen sitzen. —
Ihr rauscht der Hain, die weiße Hand zu stützen.
Drängt sich die Flur, den Fuß küßt die Najade.
Was blieb nun mir? der in dem Wahn gekommen,
Daß er hier Ruh' und Schattenkühle findet,
Da Alles ihr sich dienstbar zugewendet?
Hier ward die Ruhe mir erst weggenommen.
Und in der Brust ein Feuer angezündet,
Das weder Bad noch kühler Schatten endet.
An die Kokette
Schwerter zum stoßen gut, zum hau'n und schlitzen,
In Gift getaucht, daß nie die Wunde heile,
Stilette, Lanzen, Hellebarden, Beile,
Der Kolben Wucht, der Morgensterne Spitzen,
Und die von ferne schon Vernichtung blitzen,
Wurfspieße, Schlendern, Katapulten, Pfeile,
Pechkränz' und der Granaten Donnerkeile,
Pistolen, Flinten, Mörser und Haubitzen:
Furchtbare Waffen sind's — ich sag' es offen:
Einst bangte manchmal mir in ihrer Nahe!
Jetzt lach' ich ihrer tödlichen Gewalten.
Denn da der Strahl mich deines Aug's getroffen,
Und ich mich dennoch unverwundet sehe:
Muß ich für hieb- und kugelfest mich halten.
Mit einem Kreuze
Laß dir ein Kreuz, des Leidens Abbild, reichen;
Und aller Schmerz, den jemals du empfunden,
Sei zauberisch an dies Symbol gebunden,
Er soll von dir dich durch Betrachtung weihen.
Auch ist ein Kreuz des Glaubens schönes Zeichen;
Den Glauben an dein Herz soll es bekunden,
Und deinen Geist, der, wie ich dich gefunden,
In mir erstand und nimmer wird erbleichen.
Und wie der Freund, sollst du dir selbst vertrauen!
Erforsche dich, und folge deinem Drange.
Ist es in dir erst klar und licht geworden,
Wirst du auch Licht rings um dich her erschauen,
Und wenn dein Selbst den hohen Sieg errang,
Bedeute dir das Kreuz: des Siegers Orden.
An Friederike
Du kommst aus meiner Heimat Blütenhainen,
Dem Lande meiner Liebe, meiner Trauer,
In das mir des Geschickes dunkle Mauer
Den Rückweg hemmt, mit trotzigem Verneinen.
Dein Gruß versetzt mich in den Kreis der Meinen,
Ich fühle süß des Wiedersehens Schauer,
Und zaubrisch, über langer Jahre Dauer,
Hebt mich im Flug dein freundliches Erscheinen.
Ich danke dir! und wenn uns alles Schöne
Ein Gruß erscheint aus bessern Himmelswelten,
So kann man's zwiefach von der Freundschaft sagen.
O möchten dir des Freundes Weihetöne
Als solche Ahnung schönrer Heimat gelten!
So weiß ich meine Schuld nur abzutragen.
An Nina
Zur
Vermählung
Dort wo der See so tief, die Flut so klar,
Erhebet still, im goldnen Frühlingsscheine,
Ein Eiland seine dunklen Blütenhaine,
Gekrönt von einem heiligen Altar.
Dort landet selig ein beglücktes Paar,
Bekränzt im süßen innigen Vereine,
Mit Blumenketten die geweihten Steine
Und bringt der Freude reine Opfer dar.
Das Ufer dehnt sich weit in blauer Ferne;
Dort steht ein Freund, und blicket, ach so gerne!
Zur Insel hin, in Wehmut tief versenkt.
Es kann sein Herz die Frage nicht vermeiden:
Ob wohl die Freundin, bei der Insel Freuden,
An den Verlaßnen in der Ferne denkt?
An Hedwig
Bei
der Abreise
Hinüber in dein schönes Wiegenland
Enteilst du, auf der Lieb' und Freiheit Schwingen;
Die holden Lieder laß dir wieder singen,
Wodurch das Kind einst Schlaf und Ruhe fand!
Ich sehe dich von dort zurückgewandt,
Geheiligt, wie aus einem Tempel dringen;
Licht ist's um dich, und ernste Töne klingen;
Es knüpft sich dir zum Heil ein würd'ges Band.
Bin ich dann fern und meine Brudergrüße
Ertönen heute dir zum letzten Mal:
Wird dir mein Bild — wird deins mir je entschwinden?
O, daß doch jeder unsre Neigung wisse!
Hienieden ist's des Himmels Segenstrahl,
Läßt er den Freund, der uns erkannt, uns finden.
Gastein
Leb wohl, Gastein! mit deinen Herrlichkeiten:
Den Wunderquellen, die dem Fels entsprüh'n,
Den Firnen und dem dunklen Waldesgrün, —
Aus deinen Nebeln sah ich Engel schreiten,
Wohlthätig der Gelähmten Fuß zu leiten,
Sah Rosen über Todesschlünden glüh'n,
Und um den Hüttenplatz der Menschen Müh'n
Sich tollkühn mit den Katarakten streiten.
Wenn deine Flut, als heilverkündend Zeichen
Für Leidende: daß ihre Schmerzen weichen,
Erstorbne Blumen wunderbar belebt,
So gib auch mir: daß freundlich im Gemüte
Die hingewelkte frechzertretne Blüte
Der Hoffnung neu die süße Krone hebt!
Der gelbe Baum
Schon ist es Herbst, doch grün noch rings die Flur;
Nur einer Pappel hohe Äste ragen
Gelb strahlend, wie aus purem Gold geschlagen,
Stolz in des Himmels ruhigen Azur.
Wahnwitz'ger Tor! was gabst du der Natur
Dies reiche, schimmervolle Kleid zu tragen?
Ruft keine Ahnung durch dein Wohlbehagen:
Du seist ein Midas unter Pflanzen nur?
Du stehst allein aus dünkelhaftem Triebe;
Für eitlen Schmuck hast du des Herzens Liebe,
Für Gold hast deine Jugend du verkauft.
Noch werden, die du prunkend übersehen,
Die Büsche, kosend, blätterfreudig stehen,
Wenn nicht'ge Reue schon dein Haar zerrauft!
Eisblumen
Es klirrt der Frost, Dezemberstürme tosen,
Allein die Wärme, drin ich wählig sitze,
Webt aus die Fenster, mit gefäll'gem Witze,
Kristallgebild' von Blumen, Ranken, Moosen.
So malt Erinnerung dem Frendelosen,
Daß sie den Armen vor Verzweiflung schütze,
Des Lebens Frost zum Hohn, mit edler Hitze
Aus seine Kerkerwand geträumte Rosen.
Doch will der Frühling sich erst niedersenken,
Mit echter Blumen Schmuck die Flur zu kränzen,
Sind jene Pflanzengeister schnell zerronnen.
Drum laß dich von Erinnrungen nicht kränken,
Und eifre nicht, denn deine Augen glänzen;
Die Armen schmelzen ja vor diesen Sonnen.
Einem Freunde
mit
einem Pelze
Es ist kein schlechter Brauch der Orientalen,
Daß sie sich Ehr- und Freundschaftspelze schenken,
Die glattgeschornen Langebärte denken.
Und süße Kerne ruhn in ihren Schalen.
Die Ehrfucht mag im glatten Felle prahlen,
Die Freundschaft will das Nützliche bedenken,
Das Gute fördern, Schlimmes abseits lenken:
Wie Pelze schützen vor des Frostes Qualen.
Ein Pelz ist stattlich, dieser wär' es auch,
Wär' er nicht überschwenglich reich an Jahren,
Und weil an Jahren reich, so arm an Haaren.
Doch wärmt er traulich, wie der Freundschaft Hauch,
Auch ist das Beste immer nicht das Neue;
Ob alt, ist er so alt nicht als die Treue.
An den schwedischen Maler
Gustav Wilhelm Palm
Wohl ist die Kunst das selige Organ,
Das alle Völker liebevoll verbindet,
Vor dem die frostige Vereinzlung schwindet,
Und der Begränzung kümmerlicher Wahn.
Das Meere überschwimmt, als Liederschwan,
Gebirg und Strom, als Iris, überwindet;
Die Sprache spricht, die jedes Herz empfindet,
Und der die Geister alle untertan:
Doch bleibt dem teuren Land, das uns geboren,
Das unser Kinderfuß zuerst betrat,
Ein heiliges Gefühl stets unverloren.
Drum fühlen wir uns doppelt zugewendet
Dem, der uns zwiefach als Gesandter naht:
Vom Vaterland und von der Kunst gesendet.
An Carl Maria von Weber
nach
der ersten Aufführung des "Freischütz" in Wien,
mit einem Kranze
Wohl kann die Zeit der Wahrheit sich entwöhnen;
Doch hat sie sich zur leeren Form verflacht,
Dann tritt der Genius aus mit Göttermacht,
Und Alles huldigt dem verkannten Schönen.
So tratst du auf mit deinen reinen Tönen,
Und wie aus einer dumpfen Nebelnacht
Erschien ein neuer Tag, du schlugst die Schlacht —
Dich mußte Sieg, du Wahrheitsstreiter, krönen!
Der Liebe gabst du ihre Stimme wieder,
Das Graun der Unterwelt enthülltest du,
Und zeigtest uns des Himmels hohen Glanz.
Zum Herzen dringen deine wahren Lieder,
Wir jubeln freudig dir und dankbar zu.
Und reichen dir gerührt den Weihekranz.
An Cornelius mit Overbeck
in
München 13. August 1831
Ein Moses bist du, der in weiter Wüste
Das Wasser aus dem harten Fels geschlagen,
Mit Wundern stilltest du des Volkes Klagen,
Mit Götterspruch sein kindisches Gelüste.
Und von des Sinai Granitgerüste
Hast du das heilige Gesetz getragen,
Es wird, als ew'ge Norm, der Erde sagen:
Daß deine Stirn Jehova selber küßte.
Auch Aaron geht verklärt an deiner Seite,
Der Bruder in dem heiligen Gewande,
Des Priesterstab in Blüten sich erneute.
Dein starker Arm zerbrach des Volkes Bande,
Das er mit sanftem Liebesanhauch weihte!
Ihr beide führt es zum gelobten Lande.
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