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IX.
Methamorphosen

 


1.
Das Tier

Auf denn! ich will mich der Tiefe entringen,
      Oben ist's schöner, im luftigen Raum,
      Über des Lebens umdüsterten Traum
      Treibt mich's, die lustigsten Lieder zu singen.

Rastlos beweg' ich die farbigen Schwingen,
      O diese Wonne! ich fasse sie kaum
      Jetzt durch der Wolken duftigen Saum,
      Jetzt zu der goldenen Sonne zu dringen.

Kommt dann der Winter mit starrendem Eise,
      Eilig begeben wir uns auf die Reise,
      Viele Gesellen mit lautem Geschrei.

Suchen in schöneren Ländern uns Speise,
      Treiben dann, was uns gefällig, dabei,
      Denn wir sind Vögel — und Vögel sind frei!

2.
Die Pflanze

Nur zur Erde treibt mich's — Wurzeln schießen,
      Die begierig in die Tiefe schlagen,
      Doch im Dunkel faßt mich bald ein Zagen,
      Und des Tages Glück möcht' ich genießen.

Blätter fangen sehnend an zu sprießen,
      Schwanke, knospenvolle Stengel ragen,
      Endlich trinkt, die Blüte aufgeschlagen,
      Sonnenlicht und Himmelstau den süßen.

Von der Liebe stürmischen Gewalten
      So im Wechsel hin und her getrieben,
      Dürst' ich stets, noch inniger zu lieben,

Streb' ich überall mich fest zu halten.
      Will es endlich selig sich gestalten —
      Hat die innre Glut mich aufgerieben.

3.
Das Fossil

Dann will ich in den Abgrund mich versenken,
      Beginnend nun ein ernstes, stummes Walten.
      Die Kräfte alle will ich in mich falten,
      Mein höchstes Leben sei, mich zu beschränken,

Und der Natur tiefinnres Sein und Denken
      Das sei von mir in heiligen Gestalten
      Geheimnisvoll geprägt, die nie veralten.
      Mark will ich sein den riesigen Gelenken!

So wachs ich fort in ewigen Kristallen,
      Das Silber blüht, es glänzen Goldesmassen,
      Bald schein' ich im Demant mich zu verklären,

Und weil Gesetz und Regel tobt in Allen,
      Der Willkür nirgends Spielraum ward gelassen,
      So werden diese Formen ewig währen.

4.
Der Mensch

So bin ich alle Reiche denn durchgangen,
      Zur tiefsten Ruhe aus dem höchsten Streben,
      Ich lebt' es selber ohne Furcht und Beben,
      Wohin die kühnsten Geister selten drangen.

Nach neuem Streben will mich's nun verlangen,
      Ich sehe der Natur geheimstes Weben,
      Die Geister schaffend auf und niederschweben,
      Und keine Schranke hält mich mehr gefangen.

In höchster Willkür bin ich fortgedrungen,
      Zur tiefsten Sehnsucht hab' ich mich entzündet,
      Und wieder fest mich im Gesetz begründet.

Jetzt redet jedes Ding in hundert Zungen,
      Womit es seine Liebe mir verkündet:
      In mir sei Alles nun in Eins verbündet.