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Quelle:

Gedichte
Schober Franz

Stuttgart und Tübingen 1842
Cotta'scher Verlag

Druck von Otto Wigand in Leipzig.

I.
Gedichte 1

 

Einer Freundin
Pilgerweise
Trost im Liede
Sehnsucht
Genügsamkeit
Das Friedensheer
Auch Du?
Ich bleibe hier
An eine junge Freundin
Der Springbrunnen
Liebesbedürfnis
Erkenntnis
Traum
Versöhnung
Nocturnen
Jägers Liebeslied
Der Pilger am See
An Marie
Schiffers Scheidelied
Resignation
Mondaufgang

Einer Freundin

mit Gedichten

Das Wort im innersten Gemüt geboren
Tritt scheu und zagend in die kalte Welt,
Dem klingt es so, dem anders in die Ohren,
Es reizt, beleidigt, überzeugt, gefällt,
Wird Stoff dem Weisen, Ärgernis dem Toren,
Bald hoch empor, bald tief herabgestellt,
Stets anders scheint's, und hat doch nie gelogen,
Durch seine Hörer wird es erst erzogen.

Ein tücht'ges Lob verbirgt oft seine Mangel,
Von einem großen Manne eingeführt
Wird's wohl empfangen, und der kleine Bengel
Stets aufgemuntert, immer cajoliert,
Nach ein'gen Jahren scheint er uns ein Engel;
Er ist gerühmt, zitiert und kommentiert,
Wills einer wagen, anders ihn zu finden,
Dem fehlt der Sinn, den Hohen zu ergründen.

Ein andres Wort, ganz schuldlos, im Entstehen
Kommt der Kritik zufallig in die Quer,
Zur Mode wird's, das arme Ding zu schmähen,
Verketzert ist's, es hebt sich nimmermehr;
Denn läßig wirft, nur im Vorübergehen,
Noch jeder einen Stein darauf, bis schwer
Verdammnis und Vergessenheit es decken;
Kein Gott vermag es wieder aufzuwecken.

So haben Worte Schicksal und Geschichte,
Die fast kein Wesen dieser Welt entbehrt,
Und wie dem Menschen, geht es dem Gedichte.
Der Zufall, mehr noch als der eigne Wert,
Bestimmt, ob er des Glückes Strahlenlichte,
Ob er der Nacht des Unglücks angehört.
Doch wollen wir zum Troste nicht vergessen:
So wird die äußre Geltung nur gemessen.

Denn wie es Menschen gibt, die unbekümmert,
Ob sie dem Throne fern, ob nah gestellt,
Ob das, was Glück die Welt benamst, zertrümmert
Rings um sie her in bunte Scherben fällt;
Wenn nur ein Lichtstrahl ihrem Leben schimmert,
Ein mildes Licht aus einer bessern Welt,
Wenn sie sich nur ein Herz, das sie verstanden,
Ein einz'ges liebevolles Herz verbanden.

So gibt's auch Worte, denen das Gedränge
Des literar'schen Marktes nicht gefällt,
So wenig wie das rauschende Gepränge,
Mit dem die Eitelkeit zur Schau sich stellt.
Sie sehnen sich ins Dunkel — in die Enge,
Das stille Herz ist ihre eigne Welt;
Sie leben nur: Um Mitgefühl zu werben,
Und wenn sie das erlangt, beglückt zu sterben.

Und haben sie sich einen Weg gefunden
Zu einer Brust, die für verschlossen gilt,
Die sich, vielleicht zum Schutz für manche Wunden,
Die ihr das Leben schlug, nur mehr verhüllt;
Und fühlen sie, daß sie vom Druck entbunden,
Ermutigt haben, oder Schmerz gestillt;
Dann kosten sie gedoppelt jene Freuden,
Um welche sie die Engel selbst beneiden.

Pilgerweise
Von Franz Schubert in Musik gesetzt

Ich bin ein Waller auf der Erde
Und gehe still von Haus zu Haus,
O reicht mit freundlicher Gebärde
Der Liebe Gaben mir heraus!

Mit offnen teilnahmsvollen Blicken,
Mit einem warmen Händedruck
Könnt ihr dies arme Herz erquicken,
Und es befrei'n von langem Druck.

Doch rechnet nicht, daß ich euch's lohnen,
Mit Gegendienst vergelten soll;
Ich streue nur mit Blumenkronen,
Mit blauen, eure Schwelle voll;

Und sing ein stilles Lied zur Zither,
Das stammelnd mit dem Seufzer ringt,
Das euch wohl gar wie leichter Flitter,
Wie überflüss'ges Spielwerk klingt —

Mir klingt es süß, ich kann's nicht missen,
Und jedem Pilger ist es wert.
Doch freilich ihr — ihr könnt nicht wissen,
Was den beseligt, der entbehrt.

Vom Überfluß seid ihr erfreuet,
Und findet tausendfach Ersatz;
Ein Tag dem andern angereihet
Vergrößert euren Liebesschatz.

Doch mir — so wie ich weiter strebe
An meinem harten Wanderstab,
Reißt in des Glückes Lustgewebe
Ein Faden nach dem andern ab.

Drum kann ich nur von Gaben leben,
Von Augenblick zu Augenblick,
O wollet vorwurfslos sie geben!
Zu eurer Lust — zu meinem Glück.

Ich bin ein Waller auf der Erde,
Und gehe still von Haus zu Haus,
O reicht mit freundlicher Gebärde
Der Liebe Gaben mir heraus!

Trost im Liede
Von Franz Schubert in Musik gesetzt

Braust des Unglücks Sturm empor:
Halt' ich meine Harfe vor.
Schützen können Saiten nicht,
Die er schnell und leicht durchbricht;
Aber durch des Sanges Tor
Schlägt er milder an mein Ohr.
Sanfte Laute hör ich klingen,
Die mir in die Seele dringen,
Die mir auf des Wohllauts Schwingen
Wunderbare Tröstung bringen;
Und ob Klagen mir entschweben,
Ob ich still und schmerzlich weine,
Fühl ich mich doch so ergeben,
Daß ich fest und gläubig meine:
Es gehört zu meinem Leben,
Daß sich Schmerz und Freude eine.

Sehnsucht

Wie es nur beginnt zu tagen,
Wird in mir die Sehnsucht wach,
Vögel fliegen, Wolken jagen, —
Und mein Herz will ihnen nach.

Mittags lieg ich an der Quelle
An dem hellen Silberbach,
Welle sendet er auf Welle
Und mein Herz eilt jeder nach.

Seh ich dann den Abend glühen
Und das Licht stirbt allgemach;
Möcht ich mit der Sonne ziehen
Ihren goldnen Strahlen nach,

Nachts erglänzen tausend Sterne
An des Himmels blauem Dach,
Mächtig zieht mich's in die Ferne,
Ihrem süßen Schimmer nach.

Und dann hauch ich in die Saiten
Meiner Seele Schmerzens-Ach,
Schnell entflieht's in alle Weiten
Und mein Herze strebt ihm nach.

Genügsamkeit

"Dort raget ein Berg aus den Wolken her,
Ihn erreicht wohl mein eilender Schritt.
Doch dort ragen neue, und immer mehr —
Fort, da mich der Drang noch durchglüht."

Es treibt ihn vom schwebenden Rosenlicht
Aus dem ruhigen, heitern Azur. —
Und endlich — waren's die Berge nicht,
Es war seine Sehnsucht nur.

Und allgemach rings wird es öd und flach,
Und doch kann er nimmer zurück —
O Götter! gebt mir ein Hüttendach
Im Tal, und ein friedliches Glück! —

Das Friedensheer

Kennst du nicht des Friedens Ritter,
Nicht des Landmanns heitre Kraft,
Nicht das Sichelschwert der Schnitter,
Das durch Kämpfe Leben schafft?

Mutig auf die Festung Erde
Rücken sie zum Sturm herbei,
Die Parole ist: Es werde!
Segen! ist ihr Feldgeschrei.

Mit der Pflugschar, mit dem Spaten
Reißt die Schar sich Breschen auf
Und statt glühender Granaten
Wirft sie goldnen Samen drauf.

Von der Burg wird sie nicht weichen,
Bis in Blütenbrand sie steht,
Bis der Ähre Wucht, als Zeichen
Ihrer Übergabe weht.

Und dann geht ein fröhlich Plündern,
Geht das Beutemachen los!
Frauen, Greisen selbst und Kindern
Strömt die Gabe in den Schoß.

Diesem Siege folgt kein Klagen,
Tränen diesem Landsturm nicht;
Reuig wird kein Herz verzagen,
Wenn es sein Tedeum spricht.

Auch Du?

Die liebe Rose sah ich steh'n,
Das holde Kind der Sonne,
Wie schwoll, bei ihrer Düfte Weh'n,
Mein Herz in süßer Wonne.

Wie hing mein Aug' an ihrem Bild,
Das in der Luft sich wiegte,
Das sich so lebensfrisch, so mild,
In's Grün der Blätter schmiegte.

Doch da sie traut sich nun erschloß,
Wie ward mir weh zu Mute,
Als auch in ihrem goldnen Schoß
Die Schmerzensträne ruhte,

Tobt denn des Kummers wilder Brand
Auch in den schönsten Herzen? —
Dann, eitle Freude, sei verbannt,
Seid mir willkommen, Schmerzen!

Ich bleibe hier

Welle springt über Wies, über Feld:
"Hei! ich beschau' mir die liebe Welt,
Bis wo in's Meer die Sonne "fällt,
     Komm! wandre mit mir."

Welle, wie gern durchzög ich die Welt!
Aber erklär's, was mich bindet und hält,
Was höher als Sehnsucht das Herz mir schwellt.
     Ich bleibe hier.

Lüftchen säuselt durch Wald, durch Moos:
"Sieh! ich bin frei, bin ledig und los,
Küsse das Veilchen, die Nelk' und die Ros.
     Komm! flattre mit mir."

Süß ist die Freiheit, der Unbestand!
Süßer als Freiheit: ein liebes Band;
Lüftchen, du hast ja kein Heimatland; —
     Ich bleibe hier.

Schwalbe, sie zwitschert, die nimmer ruht:
"Fliehe die Erde, nipp' nur die Flut,
Über den Wolken, da träumt sich's gut,
     Komm! schwebe mit mir."

Hold ist, o Schwalbe! dein luftig Revier,
Lieblich die Wolken, des Himmels Zier,
Aber die Erde' dünkt trauter mir:
     Ich bleibe hier!

An eine junge Freundin

Sechszehn Lenze schmücken deine Locken
Mit der Jugend holdem Rosenkranz,
Diese Jugend ist ein heitrer Tanz;
Schweb ihn sorglos hin, genieß ihn ganz!
Doch er rauscht vorbei, — die Reigen stocken,
Die Musik verhallt, der Glanz entflieht! —
Eine ew'ge Jugend aber blüht
In des Geistes Frische, im Gemüt,
In des Strebens unverdrossner Lust,
Wer noch strebt, ist jung! — In deiner Brust
Ruht der Wunderkeim der Ewigschönen:
Halte sie mit Geistesarmen fest,
Möge sie der Trennung Schmerz versöhnen,
Wenn die Andre treulos dich verläßt!

Der Springbrunnen

Die klare, bergentsprungne Welle
     Strömt aus dem enggeschloßnen Rohr
     Mit ungestümer Hast empor,
Daß sie dem Himmel sich geselle.

Ob sie sich hoch und höher bäumet,
     Gehemmt vom eigenen Gewicht
     Sinkt sie zurück und fällt und bricht
Ins Becken, wo sie tost und schäumet.

Doch sänftigt sie der Ruhe Zügel,
     Daß sie als Fläche glänzt und lacht,
     Dann strahlt des Himmels ganze Pracht
Vereint mit ihrem hellen Spiegel.

Liebesbedürfnis

Wie magst du kalt und scheu entweichen,
Wenn ich die Bruderhand dir reichen,
Die deine traulich fassen will?
Sei mild und halte freundlich still.

Die Wangen schrecken dich, die bleichen,
Und auf der Stirn das finstre Zeichen?
Es ist kein Fluch, kein Sündermal,
Es ist die Furche nur der Qual!

Kennst du ihn nicht den herben Kummer,
Der in der Nacht statt Friedensschlummer
Dir Schauder auf das Lager gießt,
Gift in den Trank, den du genießt?

Kennst du das namenlose Sehnen
Der Seele nicht? das unter Tränen
Um einen Freund — um Liebe fleht,
Und hoffnungslos in sich vergeht? —

Die Blüten haben sie entblättert,
Den Baum der Kraft in mir zerschmettert,
Der, wie des Glückes Unterpfand,
So schmuckbekrönt in Fülle stand.

Und zitternd nur die grauen Äste,
Der stolzen Hoffnung Überreste
Streck' ich dir Hülfe flehend zu —
O sei ihr holder Schutzgeist du!

Noch grünen in der Tiefe Augen,
Die gierig Tau und Strahlen saugen,
Wenn sie die Hand der Liebe pflegt, —
Auf deine Seele sei's gelegt!

Wenn aus dem Stamm, so hart umrindet,
Auf dein Geheiß der Keim sich windet,
Dann wirst du fühlen, wie sich's lohnt,
Wie Seligkeit auf Erden wohnt.

Der frische Kranz der grünen Blätter
Umsäuselt dankbar seinen Retter,
Mit süßerm Klange ruft dich nicht
Der Engel zu dem Gnadenlicht.

Drum folge deinem reinsten Triebe,
Gewähre mir den Kuß der Liebe!
Vom Dunkel nicht der Nacht geschreckt,
Das eine Sternenwelt bedeckt.

Erkenntnis

In stiller Nacht sah ich sie gehen,
In weißes Gewand gehüllt
Die hohe Gestalt,
Sah sie schweben
Durchs monddurchglänzte Silbernetz
Zitternder Birken,
Sah ihrer dunkeln Augen
Heilig Leuchten, sehnend Winken.
Leuchten sie mir?
Winken sie mir?
Ich wußt' es nicht, doch sie zogen mich nach,
Unaufhaltsam nach mit Zaubergewalt.
Und sie floh nicht, sie wich nicht,
Litt, daß ich nahte,
Daß ich der lichtumfloßnen Züge
Erhabene Bildung
In glühender Ahnung
Innig erfaßte. —
Weile, weile, Göttergestalt!
Bis der feurige Strahl des nahenden Tags
Die Stirne dir küßt,
Mit Rubinentau
Schmücket den Lilienkranz
Um dein schwarzes Haar;
Daß er die schwankende Ahnung
Wandle in selige Schau,
Mit Besitz es kröne
Das heiße, halbgestillte Verlangen:
Daß ich es habe dein Bild,
Und halte auf ewig;
Daß ich zum Tempel mein Sein
Um das Heilige wölbe. —
"Laß mich der Nacht!
Geheimnis mir selbst,
Sehnsucht mein Leben,
Laß mich der Nacht!" —
Aber ich faßte sie bebend
Und hielt sie liebvoll umschlossen,
Bis die Sterne sanken, die Nacht entwich,
Bis den Purpurpforten das Licht entfuhr.
Scheu verbarg sie sich wohl
Vor den Aufgangsschauern des Tags,
Still geschmiegt an die Brust mir.
Doch als der Nachtigall lockendes Flöten begann,
Und bei der Wärme schmeichelndem Nahen
Die Blumen alle die duftigen Kronen erschlossen,
Da erhob auch sie ihr Auge
Und staunte umher —
Und über ihr Antlitz ergoß sich milde Verklärung.
In der Freude der spielenden Welt,
In meinem trunkenen Blick
Erkannte sie sich, —
Und sank an mein schlagendes Herz.
Und keine Sehnsucht war mehr,
Und kein Geheimnis:
Als das unsrer ewigen Liebe!

Traum

Du Leben laß mich! bändige den Strom,
Der immer enger, wilder mich umringt,
Und grausam mich von meiner Liebe trennt.

Du nimm mich auf, des Traumes kühler Dom,
Der mir nur Schatten — aber Balsam bringt
Für meine Brust, die schmerzhaft pocht und brennt.

Hier darf ich ohne Zagen dir begegnen,
Und ohne Vorwurf in dein Antlitz schauen,
Du Engelsbild! vor dem mein Wesen kniet.

Hier lästert keine Welt auf den Verwegnen
Den's mit der Liebe heiligstem Vertrauen,
Zum holden Urbild seiner Seele zieht.

Hier, wo des ew'gen Frühlings Blüten regnen,
Wo unverwelklich in den dunkeln Auen
Das Veilchen und die sanfte Rose blüht,

Hier lagre dich in deiner ganzen Milde,
Die mich in süßen Spielen unterweist,
Wie sich die Unschuld auf der Erde lohnt,

Die, in der Schönheit reinem Spiegelschilde,
Mir ahnend noch viel Größeres verheißt,
Als hier auf diesem armen Sterne wohnt.

Und mich laß nur zu deinen Füßen liegen,
Die ganze Welt, ich achte sie für nichts,
Wenn so mein Auge in dem deinen ruht.

Ich sauge Seligkeit aus deinen Zügen,
Und in der Himmelsklarheit des Gesichts
Lern ich: was wahrhaft ist, was schön und gut.

Versöhnung

Wie trotzig, Kind! kannst du dich stellen,
Und bist doch lieblich, selbst im Zorn.
Wenn Rosen noch so heiter schwellen,
Es hat doch jede ihren Dorn.
Und willst du sie zu eilig brechen,
Dich rasch bemeistern ihrer Glut,
Sieh, Freund, dich vor! sie werden stechen,
Und ohne Schonung fließt dein Blut.
Doch bleiben sie auch im Verletzen
Der Anmut und der Liebe Bild;
Sie werden doppelt uns ergötzen,
Wenn süßer Duft den Schmerz vergilt.

Nocturnen

1.
Die Fluren stehn in Trauer,
Das süße Licht verschwand;
Die Nacht gießt ihre Schauer
Auf das entschlafne Land.

Den sterndurchwirkten Schleier
Entfaltet sie, und ruft
Die Geister zu der Feier
Aus Wasser, Meer und Luft.

Da wimmeln aus den Falten
Des Mantels sie hervor,
Viel seltsame Gestalten,
Das ist der Träume Chor.

Es schweben Ungeheuer,
Mit Engeln bunt vermengt,
Was nur dem Herzen teuer,
Was nur die Brust beengt.

Allein wo Lieder tönen,
Wo Liebeslaute ziehn,
Da sammeln sich die Schönen,
Die Ungeheuer fliehn.

So soll dies Lied denn Wache
An deinem Lager sein,
Daß dir ein Traumbild lache
Wie Paradiesesschein.

Kein Unhold wird dich stören,
Dies Lied wehrt seiner Macht.
Willst du es auch nicht hören —
Es bringt dir gute Nacht.

2.
Wie holde Blumendüfte
Durchs Dunkel kosend ziehn,
So schwingen durch die Lüfte
Sich meine Melodien.

Die Pfade, die er wähle,
Zeigt ihm kein freundlich Licht,
Doch trifft der Ton die Seele,
Und irrt im Dunkel nicht.

Er schwebet leis' und leiser
Ans Fenster dir heran,
Die Liebe ist sein Weiser,
Die Sehnsucht seine Bahn.

Hörst du sein zartes Klopfen,
Bescheiden ist sein Laut,
Wie still ein Himmelstropfen
Auf Rosen niedertaut.

O! schnell ihn zu erhören.
Das Fenster aufgemacht,
Er will nicht lange stören,
Er sagt nur gute Nacht.

3.
Du schlummerst auf schwellendem Pfühle,
Ein holdes entzückendes Bild,
Umgaukelt vom wonnigen Spiele
Des Traumes, so selig, so mild!

Als strahlte die heilige Stille
Der Mainacht elysisches Glück
Von deiner lieblichen Hülle,
Von deiner Schönheit zurück;

Als wäre das Mondlicht dein Lächeln,
Der Flimmer der Sterne dein Scherz,
Dein Sehnen der Lüfte Fächeln,
Die Düfte der Blumen dein Schmerz;

Als wäre die ganze Feier
Der bräutlich geschmückten Natur
Ein Spiegel, ein seelengetreuer
Deines inneren Friedens nur;

Du hast ja auch Friede nieder-
Gelächelt in diese Brust,
Nun kehrt er dankbar wieder
Im Schlafe dir unbewußt.

Jägers Liebeslied
Von Franz Schubert in Musik gesetzt

Ich schieß' den Hirsch im dunklen Forst,
Im stillen Tal das Reh,
Den Adler in dem Klippenhorst,
Die Ente auf dem See.
Kein Ort, der Schutz gewähren kann,
Wenn meine Flinte zielt;
Und dennoch hab' ich harter Mann
Die Liebe auch gefühlt! —

Hab oft hantiert in rauher Zeit,
In Sturm und Winternacht,
Und übereist und eingeschneit
Zum Bett den Stein gemacht.
Auf Dornen schlief ich wie auf Flaum,
Vom Nordwind ungerührt,
Doch hat der Liebe zarten Traum
Die rauhe Brust gespürt.

Der wilde Falk war mein Gesell,
Der Wolf mein Kampfgespann;
Es fing der Tag mit Hundgebell,
Die Nacht mit Hussa an.
Ein Tannreis war die Blumenzier
Auf schweißbeflecktem Hut,
Und dennoch schlug die Liebe mir
Ins wilde Jägerblut.

O Schäfer auf dem weichen Moos,
Der du mit Blüten spielst,
Wer weiß, ob du so heiß, so groß
Wie ich die Liebe fühlst.
Allnächtlich überm schwarzen Wald,
Vom Mondenschein umstrahlt,
Schwebt königsgroß die Lichtgestalt,
Wie sie kein Meister malt.

Wenn sie dann auf mich niedersieht.
Wenn mich der Blick durchglüht,
Dann weiß ich, wie dem Wild geschieht,
Das vor dem Rohre flieht.
Und doch! mit allem Glück vereint
Das nur auf Erden ist;
Als wenn der allerbeste Freund
Mich in die Arme schließt!

Der Pilger am See
Von Franz Schubert in Musik gesetzt

Du lächelst aus der Felsenwiege,
Geheimnisvoller Alpensee,
Und weckst durch deine holden Züge
Zu neuer Qual das alte Weh.

Was soll dein liebesüßes Werben,
Das mich im Wellenschlag umrauscht?
Ich weiß es ja, daß nur Verderben
In deinen kühlen Armen lauscht.

So blickten ihre lieben Augen,
So himmelspiegelnd — blau und klar!
Der Brust die Seele zu entsaugen,
Die ihr nun folgt unwandelbar.

Drum irr' ich nun — von ihr geschieden —
Von meinem Selbst — durch Schicksalshohn,
Hier ohne Leben, ohne Frieden,
Den Schemen gleich am Acheron.

O singet, silberne Sylphiden,
Im lispelnden Sirenenchor
Dem Sehnsuchtskranken — Lebensmüden
Die eigene Geschichte vor!

Ich kann den Schmerzenszug verstehen,
Der bang durch euren Wohllaut bebt,
Ich habe selber diese Wehen,
Die Seligkeiten selbst erlebt.

An Marie

Winter war's da ich gekommen,
Und nun blüht die Frühlingslust,
Auch von meiner starren Brust
Ward der kalte Druck genommen,
Und das harte Eis zerbrach;
Denn ich sah dich Teure wieder
Und die Schmerz- und Wonnelieder
Meiner Jugend wurden wach,
Wurden wach, um nie zu sterben,
Denn ich will das Glück erwerben,
Daß mir einst dein Bild genaht,
Wills erwerben durch die Tat.
Ob du andern bist, ob mein,
Dennoch sauge ich die Strahlen
Deiner Schönheit gierig ein,
Wie des Frühlings Liebesschein,
Und in allen Lebensqualen
Wird dies Licht mir angehören,
Wird mir Trost und Lust verleihn;
Deine Ruhe kann's nicht stören,
Nein zum Heil muß dir's gedeihn,
Mit Bewußtseinsglück dich krönen,
Daß ich dir es nicht verhehle,
Daß mein Schicksal zu versöhnen,
Du der milde Engel bist;
Sei dafür aus ganzer Seele
Mir gesegnet und geküßt,
Und in diesen Weihetönen
Dulde freundlich, daß des Schönen
Erstes Palmenblatt dir sprießt.

Schiffers Scheidelied
Von Franz Schubert in Musik gesetzt

Die Wogen am Gestade schwellen,
     Es klatscht der Wind im Segeltuch,
Und murmelt in den weißen Wellen;
     Ich höre seinen wilden Spruch:
Er ruft mich fort, es winkt mir der Kahn,
Vor Ungeduld schaukelnd, auf weite Bahn.

Dort streckt sie sich in öder Ferne,
     Du kannst nicht mit, siehst du, mein Kind.
Wie leicht versinken meine Sterne,
     Wie leicht erwächst zum Sturm der Wind,
Dann droht in tausend Gestalten der Tod,
Wie trotzt ich ihm, wüßt ich dich in Not?

O löse deiner Arme Schlinge
     Und löse auch von mir dein Herz;
Weiß ich es denn, ob ich's vollbringe
     Und siegreich kehre heimatwärts?
Die Welle, die jetzt so lockend singt,
Vielleicht ist's dieselbe, die mich verschlingt.

Noch ist's in deine Hand gegeben,
     Noch gingst du nichts unlösbar ein,
O trenne schnell dein junges Leben
     Von meinem ungewissen Sein,
O wolle, wolle, bevor du mußt,
Entsagung ist leichter als Verlust!

Und laß mich im Bewußtsein steuern,
     Daß ich allein auf Erden bin,
Dann beugt sich vor dem Ungeheuern,
     Vorm Unerhörten nicht mein Sinn.
Ich treibe mit dem Entsetzen Spiel
Und stehe plötzlich vielleicht am Ziel.

Denn hoch auf meiner Maste Spitzen
     Wird stets dein Bild begeisternd stehn,
Und, angeflammet von den Blitzen,
     Mit seinem Glanz den Mut erhöhn;
Und brausen die Winde auch noch so bang,
Sie übertäuben nicht deiner Stimme Klang.

Und kann ich dich nur sehn und hören,
     So hat's mit mir noch keine Not,
Das Leben will ich nicht entbehren,
     Und kämpfen werd ich mit dem Tod.
Wie würde mir je eine Welt zur Last,
Die Engel so schön wie dich umfaßt?

Auch du sollst nicht mein Bild zerschlagen,
     Mit Freundschaftstränen weih es ein,
Es soll in Schmerz- und Freudetagen
     Dein Trost und dein Vertrauter sein.
Ja bleibe, wenn mich auch alles verließ,
Mein Freund im heimischen Paradies.

Und spült dann auch die falsche Welle
     Mich tot zurück zum Blumenstrand,
So weiß ich doch an lieber Stelle
     Noch eine, eine treue Hand,
Der weder Verachtung noch Schmerz es wehrt,
Daß sie meinen Resten ein Grab beschert.

Resignation

Breite deiner Sehnsucht Arme
     Flehend aus, wie zum Gebet,
     Daß ein Herz, das dich versteht,
Traut an deiner Brust erwarme.

Schreit ein Engel durch die Erde,
     Teile Liebesgaben aus,
     Spendend geh von Haus zu Haus,
Daß dir treue Liebe werde.

Ach umsonst! dein Herz, es bricht
     An dem ungestillten Triebe,
     Tröste dich mit ewger Liebe,
Denn auf Erden lebt sie nicht.

Mondaufgang
Als ich nach langem Studium der Philosophie
zu dem der Kunst und Poesie übergegangen war.

Versink nur, hohe Sonne,
Im ungemeßnen Meer,
Versink in Glutenwonne!
Mir wird das Herz nicht schwer.

Es haben mich geblendet
Die Strahlen deines Lichts,
Mein Aug', umher gewendet,
Es sah, vor Sehen, nichts.

Nun kommen schon im Kreise
Die Sterne allgemach,
Und endlich schreitet leise
Der Mond wohl selber nach,

Und gießt auf Tal und Hügel
Den hellen Silberschein,
Und wiegt im weichen Flügel
Die ganze Erde ein.

Es trinken alle Wesen
Sein weißes Sühnungsblut,
Die Welt scheint mir genesen,
Und alles lieb und gut.

Ich steh im Land der Dichtung,
Das Alte ist mir neu;
Ich fühle meine Richtung,
Und bleib ihr selig treu.