Herr du bist groß
"Herr, du bist groß!"— so ruf ich, wenn im Osten
Der Tag, wie eine Feuerros, erblüht;
Wenn, um den Reiz des Lebens neu zu kosten,
Natur und Mensch in junger Kraft erglüht.
Wo lässest du, o Herr, dich güt'ger sehen,
Als in des Morgens großem Auferstehen?
"Herr, du bist groß!" so ruf ich, wenn's von Wettern
Am Mittagshorizonte zuckend droht,
Und du mit deines Blitzes Flammenlettern
Auf Wolkentafeln schreibst dein Machtgebot.
Wo warst, o Herr, furchtbarer Du zu schauen,
Als im empörten Mittagswettergrauen?
"Herr, du bist groß!" so ruf ich, wenn im Westen
Der Tag sein Auge sanft bewältigt schließt;
Wenn's in den Wäldern schallt von Liederfesten,
Und süße Wehmut sich aufs All ergießt.
Wodurch, o Herr, stimmst du das Herz uns milder,
Als durch den Zauber deiner Abendbilder?
"Herr, du bist groß!" so ruf ich, wenn das Schweigen
Der Mitternacht auf allen Landen liegt,
Die Sterne funkelnd auf und niedersteigen,
Und sich der Mond auf Silberwölkchen wiegt.
Wann winkst du, Herr, erhabner uns nach oben,
Als wenn dich stumm die heil'gen Nächte loben?
Herr du bist groß in jeglichem Erscheinen,
In keinem größer, stets der größte nur;
Du führst im Staunen, Lächeln, Grau'n und Weinen,
In jeder Regung uns auf deine Spur.
Herr du bist groß! O laß mich's laut verkünden,
Und selbst mich groß in deiner Größ' empfinden!
Aschermittwoch
Schaurig aus den Türmen nieder
Dröhnt der Glocken dumpfer Klang.
Still, wie nie geweckt, ist wieder
Saus und Jubel und Gesang.
Und du sargst, o Mensch, bescheiden,
Deine Lust im Herzen ein:
Staub und Asche deine Freuden,
Staub und Asche deine Pein!
Deine Pein, dein Weh', dein Trauern,
Ob entsiegelt, ob geheim,
Es wird auch nicht ewig dauern,
In dir liegt des Trostes Keim.
Denke nur, daß du die Freuden
Dir mit Schmerz erkaufen mußt:
Staub und Asche deine Leiden,
Staub und Asche deine Lust!
Deine Lust genieß' in Wonne,
Gott will frohe Menschen seh'n;
Darum läßt er seine Sonne
Über unsern Häuptern steh'n.
Nur genieße sie bescheiden,
Nenne, was gelieh'n, nicht dein:
Staub und Asche deine Freuden,
Staub und Asche deine Pein!
Deine Pein ertrag' in Ruhe:
Ist sie Gottes Gabe doch;
Vor dem Kränzlein in der Truhe
Blüht wohl dir auch eines noch!
Also bleib' in Schmerz und Freuden
Eines Höhern dir bewußt:
Staub und Asche deine Leiden,
Staub und Asche deine Lust!
Am Krankenbette
Gott! da liegt er auf dem Lager,
Matt und traurig, bleich und hager,
Ganz ein Andrer, als zuvor;
Selbst der Sonne milden Schimmer
Tragen seine Augen nimmer;
Freundeswort verletzt sein Ohr.
Wermutstropfen muß er nippen
Mit den blassen, durst'gen Lippen,
Modrig weht es um ihn her;
Sein Gefühl ist abgestorben,
Und sein schöner Bau verdorben,
Kaum der Welt gehört er mehr.
O genug der Prüfung, Vater!
Sei sein Arzt und sein Berater,
Weck' ihm den erloschnen Blick!
Schenk' ihm einen Teil der Buße,
Und mit einem Geisterkusse
Küss' ihn in die Welt zurück!
Laß ihn diesmal noch in's Leben
Sein gesunknes Haupt erheben.
Ach, er ist ja immer dein!
Sieh! an seinen Blicken hangen
Andre Blicke noch mit Bangen,
Und er stirbt nicht sich allein!
Ach, es werde, was an Freuden
Wir vielleicht noch einst vergeuden,
Uns im voraus weggezahlt!
Nimm es, Vater, und ergänze
Mit den Blüten unsrer Kränze,
Was an seinem Kranze fehlt!
Vor'm Begräbnisse
Wer will, seh' ihn noch einmal an,
Er liegt so still, so hehr;
Wer will, seh' ihn noch einmal an,
Bald kann er's nimmermehr.
Bald tragen sie ihn fort und fort,
Und tragen ihn hinaus,
Zur Kirche fort, zum Friedensort,
In's allerletzte Haus.
Dann könnt ihr ihn nie — nie mehr seh'n,
Und grämtet ihr euch krank;
Bald mußt' er durch ein Pförtlein geh'n,
Das hinter ihm versank.
Wie wollt ihr dann, so oft, so gern
Noch Manches ihm gesteh'n;
Umsonst, umsonst — er ist zu fern,
Weit wär's, zu ihm zu geh'n!
Wie oft entsinnt ihr euch an Sprach'
Und Miene nicht mehr gut,
Ihr eilt zu ihm in's Schlafgemach,
Wo er nun nimmer ruht!
Ihr sprecht von seinem Sein und Tun
Mit "tut" und "ist" sogar,
Und denkt wohl nimmer, daß ihr nun
Müßt sagen: "tat" und "war!"
Und wenn ihr Abends um den Tisch
In stillem Kreise sitzt,
Dann ruft wohl Mancher froh und frisch:
"Still, still, wer pocht denn itzt?" —
""Wer sonst, als — er!""" so heißt es dann,
Bis Einer sich besinnt;
Da seh'n sich Alle schweigend an,
Und manche Träne rinnt.
Er war ein Mann voll Herz, Verstand,
Voll Lieb' und Freudigkeit;
Im Leben hatt' ihn kein's erkannt,
Und wie hätt's ihn gefreut.
Drum seht ihn jetzt noch einmal an,
Und kniet um ihn her!
Noch einmal küss't den Ehrenmann,
Bald könnt ihr's nimmermehr!
Karfreitag
Trauertücher hangen wieder
Von den Kirchenwänden nieder;
Dumpf ertönen Klagelieder!
Und auf hohen Leuchtern stehen
Kerzen, schaurig anzusehen
Mit der Flamme düstrem Wehen.
Weißbekreuzte Grabtalare
Über jeglichem Altare
Mahnen an das Kleid der Bahre.
Selbst der Türme rege Zungen
Sind, von starrem Weh' durchdrungen,
Stumm geworden und verklungen.
Und wie Wand und Lied und Kerzen,
Tuch und Glocken sind voll Schmerzen,
Spricht der Schmerz auch aus dem Herzen.
Heil'ger Schmerz, o sei willkommen,
Der du mild, zu ihrem Frommen,
Dich der Menschheit angenommen!
Wild im Taumel jagt das Leben,
Eitlem Flitter hingegeben,
Klein im Wollen, schwach im Streben.
Nur des Wahnes Münzen gelten,
Aufwärts blickt ein Auge selten
Zu dem Ernste jener Welten!
Drum willkommen, Zeit der Trauer,
Unterbrich des Leichtsinn's Dauer,
Lehr' uns wieder heil'gen Schauer!
Uns umrauschen, uns umklingen,
Uns gewaltsam auf sich dringen
Muß sich's, — soll es uns bezwingen!
Mahn' uns einmal doch im Jahre
An Vergänglichkeit und Bahre,
Daß die Brust vor Stolz sich wahre!
Zeig' am Grabe des Gerechten
Allen menschlichen Geschlechten,
Welche Fesseln sie umflechten.
Läutre durch den Ernst die Seelen,
Daß sie sich zu Kampfe stählen,
Und das beßre Teil erwählen.
Bald wird Osternfreude schallen
In den lichterfüllten Hallen,
Die jetzt Totenflör' umwallen.
Wahre Freud' entkeimt nicht Scherzen,
Wahre Freud' im Menschenherzen
Ist, wie er, ein Kind der Schmerzen!
Abendgebet
"Herr, bleib' bei uns, denn es will Abend werden!"
Die Sonne schien so freundlich und so hell.
Des Friedens Flamme brannt' auf unsren Herden,
Und unsre Stunden flossen leicht und schnell.
Nun aber neigt die Sonne sich zum Sinken,
Der Tag verdämmert, trübe Stunden nah'n;
Kein Strahl des Lichtes will uns tröstlich winken,
Durch düstre Nebel schlingt sich unsre Bahn;
Wir steh'n gebeugt von Ahnung und Beschwerden, —
"Herr bleib' bei uns, denn es will Abend werden!"
"Herr, bleib' bei uns, denn es will Abend werden!"
Der Will' ist stark, allein das Fleisch ist schwach;
Den Stamm der Eiche kann der Sturm gefährden,
Der Blitz zerspaltet selbst ein ehern Dach.
Der Sturm, der uns ergreift, das ist die Sünde,
Der Blitz, der uns bedroht, das böse Wort
O gib, daß man nicht unbewacht uns finde,
Sei in der Zeit der Prüfung unser Hort!
Wir sind allein so scheu, so schwach auf Erden, —
"Herr, bleib' bei uns, denn es will Abend werden!"
"Herr, bleib' bei uns, denn es will Abend werden!"
Die Zeit des Lebens ist ein kurzer Tag;
Ob wir noch jetzt uns frisch und froh gebärden,
Bald hämmert leiser unsres Herzens Schlag.
Die Haare werden grau, die Augen trüber,
Die Sehnen schlaffer und die Wangen bleich;
Ein kaltes Lüftchen streicht an uns vorüber,
Und mahnt uns an den letzten Hammerstreich;
Die Zeit ist für uns abgerollt auf Erden: —
"Herr, bleib' bei uns, denn es will Abend werden!"
Gebet für das Vaterland
Segne das Vaterland!
Segn' es, o Herr, und laß ihm den Frieden,
Den dein Gesalbter ihm gnädig beschieden,
Stähl' ihm der Eintracht mächtiges Band!
Segne mein Vaterland!
Segne das Vaterland!
Wes' auch der Nord und der Süd sich erfreue,
Unser ist und bleibt doch die Treue,
Der grade Sinn und die kräftige Hand!
Segne mein Vaterland!
Segne das Vaterland!
Laß seinen Hügeln die goldenen Reben,
Seinen Tälern die Saat, seinen Städten das Leben,
Die segelnden Schiffe seinem Strand!
Segne mein Vaterland!
Segne das Vaterland!
Laß es der Kunst als Heimat gefallen,
Laß es von herzlichen Liedern erschallen,
Schütz' ihm des Wissens köstliches Pfand!
Segne mein Vaterland!
Segne das Vaterland!
Gib, daß noch lang auf des Fürsten Haupte
Grüne der Kranz, der üppig belaubte,
Den ihm die Liebe des Volkes wand!
Segne mein Vaterland!
Ostern
Ostern, o Stern!
Leuchtest du wieder
Freundlich hernieder,
Bliebst du auch diesmal der Erde nicht fern?!
Sei uns im frommen
Herzen willkommen!
Leucht' uns hinab in die Tiefen der Brust,
Wecke das Leben, belebe die Lust!
Ostern, o Stern!
Komm und erneue
Glauben und Treue,
Geh' uns voran auf dem Pfade zum Herrn!
Völker und Lande
Binde durch Bande
Gläubiger Einigung, liebender Kraft, —
Glaube nur schirmt uns in irdischer Haft!
Ostern, o Stern!
Quellen und Wälder
Triften und Felder
Blüten und Blumen verkünden dich gern!
Spielende Lichter,
Heitre Gesichter,
Tränen der Augen und Tränen der Flur
Grüßen in dir das Ersteh'n der Natur!
Sprenge die Riegel
Schwellender Flügel,
Blumen entsiegle den schlummernden Kern!
Und was du losen
Faltern und Rosen
Väterlich tust mit erquickendem Hauch,
Üb' es an unseren Herzen doch auch!
Einem Getäuschten
Ruhig, Freund! Was soll das Zagen?
Tränen führen an kein Ziel;
Träumend schwelgen, wach entsagen,
Ist ja dieses Lebens Spiel.
Wenn die Liebe dich betrogen,
Weine nicht, — sie tut es oft;
Dem nur bleibt sie treu gewogen,
Der sie nicht begehrt, noch hofft.
Bist du aber doch erlesen,
Zu erfahren ihre Macht,
So erstreck' auf alle Wesen,
Was du Einem zugedacht!
Offne deiner Seele Tiefen,
Wie ein leuchtendes Gemach;
Alle Engel, die noch schliefen,
Ruf aus ihrem Schlummer wach!
Laß sie mit gelösten Schwingen
Flattern in die schöne Welt,
Laß sie auf zum Himmel dringen,
Droben ist kein Netz gestellt.
Wirf dich herzlich, unverdrossen,
Der Natur an's Mutterherz:
Das ist Allen aufgeschlossen,
Ein Asyl für jeden Schmerz.
Bei der Täuschung Rasenstellen
Bettet Liebe sich ihr Bett;
Wie den Schiffer auf den Wellen,
Trennt vom Trug sie nur ein Brett.
Ahnst du, daß sie dich berücke,
So entflieh' noch schnell genug:
Nur Natur ist ohne Tücke,
Nur dein Gott ist ohne Trug!
Genügsamkeit
Da sehnt sich unser rastlos Herz
Nach diesem und nach dem,
Und wenn es hat, wonach es rang,
Ist's ihm nicht angenehm;
Wie sich ein Kindlein hastig bückt,
Und mit Begier ein Blümchen pflückt,
Und das gepflückte dann verstreut,
Als hätt' es nie sich dran erfreut.
"Ach wenn nur wieder Frühling wär',
Nur wieder Frühling wär'!"
So seufzen wir zur Winterszeit,
Und wünschen uns ihn her.
Und wenn er kam, so hell und klar,
Und schöner, als er jemals war,
So geh'n wir, mürrisch, kalt und stumm,
In seiner Blütenwelt herum.
"Ach dieses Ziel nur noch erreicht!
Nur dieses Ziel erreicht!
Dann schlägt das Herz für alle Zeit
Befriedigt mir und leicht!"
Und hast du nun dies Ziel erreicht,
So schlägt das Herz dir doch nicht leicht,
So stehst du nur, dem Ziele nah',
Am Grabstein einer Hoffnung da.
Drum, lieber Gott, bewahre mich
Vor solchem Drang und Trieb!
Mach' Alles, was ich hab' und was ich bin
Mir dankenswert und lieb!
Kein Traumbild locke bunt mich an,
Das sich entfärbt, wenn ich's gewann;
Nicht sei, besäß' ich etwas gern,
Es mir nur schön, so lang mir's fern!
Ich wünschte mir nicht gar ein Glück,
Worüber nichts mehr steht,
Worüber keine Hoffnung mehr
Nach schönrem Ziele geht.
Mit Dank genießen, was du gibst,
Zum Zeichen, Herr, daß du mich liebst,
Das ist mein Glück, das ist mein Ziel:
Wer viel sich wünscht, genießt nicht viel!
Pfingsten
"Ich will,"— so spricht der Herr, — "zu euerm Segen,
Das Herz von Stein euch aus dem Busen heben,
Und euch dafür ein Herz von Fleische geben,
Und meinen Geist in seine Mitte legen.
Denn nicht auf Stein sei, wie in alten Tagen,
Mit Tinte fürder mein Gesetz geschrieben;
Von nun an in die Herzen meiner Lieben
Sei mit lebend'gem Geist es eingetragen!" —
Zu Pfingsten war's, wo sich in Feuerzungen
Aufs Haupt der Jünger dieser Geist ergossen,
Daß ihre Seelen freud'ger sich erschlossen,
Von hoher Lieb' und sanftem Mut durchdrungen.
Und was dem Volk des Herrn die Pfingsten waren,
Da sie die Erstlinge zum Opfer brachten,
Eh' auf zum Erntgeschäfte sie sich machten,
Das waren nachher sie der Jünger Scharen.
Denn als der Geist sich auf sie ausgebreitet,
Da sahn auch sie die Erntezeit erschienen,
Um Gott als Mäher seines Reichs zu dienen:
So bat sich jene Deutung neu gedeutet. —
Und was dem Volke Gottes einst die Pfingsten,
Als das Gesetz mit feuerigem Finger
Der Herr auf Stein schrieb Mose, seinem Jünger,
Das sind sie jetzt noch seiner Jünger jüngsten.
Der Geist ist das Gesetz, der Geist der Liebe,
Der Geist der Duldung, der nicht sengt, nicht lärmet,
Nein, — der versöhnt, und heiligt und erwärmet,
Und Frieden gießt, wie Öl, ins Meer der Triebe!
Drum laßt, um würdig dieses Fest zu feiern,
Das Herz von Fleisch im Geiste fromm uns läutern,
Das Reich des Glaubens mutig uns erweitern,
Die schöne Deutung uns durch Lieb' erneuern!
An meinen Schutzengel
Engel, den mir Gottes Hand an die Wiege schon gesendet,
Daß er, wenn die Mutter schliefe, mein getreuer Wächter sei,
Engel, der du nie mir logst, wenn ich mich zu dir gewendet,
Bleib' in Leiden, bleib' in Freuden, auch noch ferner mir
getreu!
Warne mich durch Freundeshand, sprich mit mir im Abendwehen,
Lächle mir in klaren Nächten mild herab vom Sternenplan!
Laß im Sturm, im Orgelklang deine Stimme mich verstehen,
Sprich aus meiner Kinder Kosen, aus der Gattin Aug' mich an!
Und wenn einst die Stunde kommt, wo verweh'n des Lebens
Szenen,
Dann, o Engel, treuer Schützer bis zum Eingang in die Ruh',
Trockne mit der Rechten noch meiner Lieben heiße Tränen,
Und mit deiner Linken drücke freundlich mir die Augen zu!
Für einen Vater
Du bist Gatte, du bist Vater,
Mann, bedenke, du bist viel!
Und doch kann die Welt dich locken,
Ködern dich ihr eitles Spiel?
Und doch kannst dein Ohr du weiden
An des Leichtsinns Melodie'n?
Kannst noch jetzt, dich selbst vergessend,
An den alten Ketten zieh'n?
Nennst es schwer, dich zu bemeistern,
Abzusagen deinem Hang,
Und dich langsam zu gewöhnen
An des Joches sanften Zwang?
O komm' mit in deine Kammer,
Überschau' dein reiches Gut;
Sieh' die liebe, treue Gattin,
Wie sie von dir träumend ruht.
Deine Kinder sieh' daneben,
Wie sie schlummern unentweiht,
Übergossen von der Unschuld
Unnennbarer Fröhlichkeit!
Alle diese Leben wurzeln
Tief in deiner Brust allein;
Du kannst Schöpfer ihrer Freuden,
Schöpfer ihrer Leiden sein!
Hier in diesem engen Kreise
Hast du deine schöne Welt;
Siehst so klar vor deine Augen
Hier dein hohes Ziel gestellt!
Und doch könntest du es wagen,
Abzuschweifen, fehlzugeh'n?
Sprich, auf welchem Freudenbeete
Könnten schön're Blüten steh'n?
Mann, entsage deinem Schwindel,
Mach' nicht selber dich zum Spott!
Du bist Gatte, du bist Vater,
Mann, lobpreise deinen Gott!
Zur Erntezeit
Es wogt ein Meer mit goldnen Wogen,
Viel tausend Perlen schließt es ein;
Von solchem Reichtum angezogen
Stürzt sich das Volk der Taucher drein;
Bald müssen sich, des Inhalts wegen,
Die Wogen selbst gehorsam legen.
Das goldne Meer, die Felder sind es
Mit ihrer Körner Perlensaat,
Die bei dem Säuselhauch des Windes
Sanft überfluten ihr Gestad,
Und emsiger Schnitter Fuß bespülen,
Die, wie die Taucher, drinnen wühlen.
Die Zeit der Ausbeut' und der Ernte
Sie ist nun da, — sie blieb nicht aus;
Drum wer zu hoffen schon verlernte,
Der tret' hervor aus seinem Haus,
Damit ihm jedes Korn der Ähre
Für seine Hoffnung Trost gewähre!
Denn wer gesät, dem darf nicht bangen,
Ward nur die Saat mit Gott getan.
Wie manches Korn ist aufgegangen,
Was man verstreut auf flücht'ger Bahn,
Und hat in später Zukunft Tagen
Noch süße Frucht des Dank's getragen!
Und wenn's dem Guten mag gelingen.
Zu sä'n oft, ohne daß er's weiß,
Wie soll die Saat nicht Segen bringen,
Die wir erzieh'n mit frommem Fleiß?
Drum ist wohl, was wir Mißjahr schelten,
Auf Feldern und im Herzen selten.
Und also erntet, was der Acker,
Und erntet, was das Herz gebracht,
Und kommt der Lenz, so werde wacker
Mit Gott die Aussaat neu gemacht,
Daß weder brach das Feld euch liege,
Noch eurer Herzen Kraft versiege.
Meteore
Es hat seit kurzer Frist der Himmel
Uns überrascht mit Meteoren,
Als hätt' in seinem Lichtgewimmel
So mancher Stern die Bahn verloren.
Und Viele bebten drob und dachten:
Ein Unglückszeichen ist es wieder!
Schon liefern sich die Sonnen Schlachten,
Und werfen uns die Toten nieder,
Bald wird die Erd' es nachtun wollen,
Und böses Unheil wird entbrennen,
Und büßen werden es die Tollen,
Die solche Warnung nicht erkennen! —
Nicht Unheil, denk' ich, mag's verkünden,
Wenn sich der Herr verklärt durch Wunder;
Der Segen kommt aus jenen Gründen,
Erstickt nur ihr des Unheils Zunder.
Dem Schuldbewußten weckt es Grauen,
Der Gute schaut es mit Entzücken,
Wenn Sterne wie die Tropfen tauen,
Und Pole sich mit Purpur schmücken.
Er denkt, es sein des Himmels Grüße,
Die er zur Erde niedersendet,
Verbürgend ihr durch Flammenküsse,
Daß er sich nicht von ihr gewendet!
Optische Täuschung
Wer von der Erde fester Scholle
Den Blick gen Himmel schweifen läßt,
Der meint, die Sonnenscheibe rolle;
Allein die Sonne stehet fest.
Und wer von seines Schiffes Borden
Die Ufer mißt mit starrem Blick,
Der wähnt, sie seien flott geworden,
Und fliegen hinter ihm zurück.
Was aber rollt, das ist die Erde,
Und was hinabfliegt, ist das Schiff.
Wir trügen uns, am schwanken Herde,
Nur selbst mit täuschendem Begriff.
So sieht der Mensch im Lebenskahne
Das scheinbar Wandelnde sich an,
Zu stolz und blöd, als daß er ahne,
Was wandelt, sei nur er im Kahn.
Wie viele Tiber-Helden fielen?
Die gelbe Tiber fließt ja noch;
Wo ist der Mann der Thermopylen?
Die Thermopylen stehen doch.
Kaum wird ein einzig Sternchen trüber,
Indes ein ganzes Volk zerfällt;
Die Welt nicht geht an uns vorüber,
Wir geh'n vorüber an der Welt!
Allerseelentag
Lichter flimmern gleich den Sternen
Auf des Kirchhofs stiller Flur,
Seufzer suchen in den Fernen
Lieber Toten teure Spur.
Wehmutstropfen tauen nieder
Auf das herbstlich fahle Kraut,
Und die Trauer findet wieder,
Was sie Gräbern längst vertraut.
Herzliche Gebete ringen
Aus der tiefsten Brust sich los,
Sehnsuchtsvolle Wünsche dringen
In der Hügel düstren Schoß.
Denkt nur an die Lieben alle,
Deren ihr so selten denkt,
Denen ihr im Lebensschwalle
Selten mehr ein Tränchen schenkt!
O gar dankbar sind die Toten,
Glaubt mir, treu und liebevoll,
Und gewißlich überboten
Wird von ihnen euer Zoll.
Wenns am Himmel Nachts dann flimmert,
Während ihr an Gräbern kniet,
Denkt, was über euch so schimmert,
Sei nicht, was das Auge sieht!
Sterne, meint ihr, sein es, Sterne,
Sanft gekost vom Hauch des Wind's;
Lichter sind es in der Ferne,
Stille Gräberlichter sind's.
Gräberlichter, von den Teuern,
Die ihr wähnt im Totenreich,
Angezündet nun zu Feuern
Der Erinnerung an euch.
Denn sie sind nicht tot, — sie schweben
Lebend dort, und sehn herab; —
Wir sind tot im Erdenleben,
Und die Erd' ist unser Grab.
Und am Allerseelentage
Denken sie an uns zugleich:
Wie für sie hier eure Klage,
Tönt dort ihr Gebet für euch.
Auf dem Kirchhofe
Im Frühlingsschmucke liegt das stille Feld;
Glück auf zur Saat, die Furche steht schon offen!
Die Sonne Gottes glänzt am Himmelszelt,
Und läßt euch lächelnd ja das Beste hoffen!
Hinunter mit dem Korn! Der Mutter Schoß
Verbürgt ihm eine sichre Ruhestätte.
Warum verzögert ihr sein schönes Los,
Warum mißgönnt ihr ihm das weiche Bette?
Hinunter mit dem Korn! Was soll es hier?
Soll's denn für euer blödes Mitleid büßen?
Es sehnt sich nach der Aussaat, glaubt es mir:
Verspätet Korn wird später reifen müssen.
Was weint ihr denn? Ich kann euch nicht versteh'n;
Warum zerfließt ihr denn in Jammerlaute? —
Habt ihr wohl je den Sämann weinen seh'n,
Wenn er sein Korn der Erde anvertraute?
Grablied
Steig' hinunter in die Erde,
Ruh' im Frieden Gottes aus;
Zweifel, Kummer und Beschwerde,
Flieh'n vor diesem letzten Haus.
Nimm ein freundlich Angedenken
An die Lieben mit hinab,
Die dich weinend seh'n versenken
In das stille, tiefe Grab.
Laß uns nicht verlassen stehen
Bis zur späten Wiederkehr,
Schweb' im leisen Abendwehen
Als ein Schutzgeist um uns her!
Zeig' uns, daß der Tod auf Erden
Nur ein düstres Märchen ist;
Daß erst die geboren werden,
Die des Grabes Wieg' umschließt.
Reich' uns aus dem ew'gen Leben
Die verjüngte Geisterhand,
Daß wir ahnend uns erheben
In das wahre Vaterland!
Laß den Gang zu deinem Grabe
Stets ein heilig Fest uns sein,
Das uns stärke, das uns labe,
Wenn wir ringen mit der Pein!
Wenn sich böse Stimmen regen,
O so ruf uns warnend zu:
"Von der Höhe kommt der Segen,
"In der Tiefe wohnt die Ruh'."
Weihnacht
Als ich ein kleines Kind noch war
Voll unbewußter Fröhlichkeit,
Da freut' ich mich von Jahr zu Jahr
Auf dich, o stille Weihnachtzeit!
Da sah ich Wochen lang vorher
Am hellen Tag, im süßen Traum,
Wohin ich sah, nichts Andres mehr,
Als dich, du schöner Weihnachtbaum!
Warum die Zeit, warum der Baum
Mir eben gar so wohlgefiel,
Ich wüßt' es nicht, ich ahnte kaum
Den Ernst im heitren Kinderspiel.
Die Jugendzeit sie ist dahin,
Die Fröhlichkeit sie ist verrauscht,
Und älter — kälter hat mein Sinn
Mit Ernst das heitre Spiel vertauscht.
Und doch, wenn durch die Mitternacht
Die Glocke schallt dem Christ zur Ehr',
Und Lichtlein glüh'n in stiller Pracht,
Da wird noch jetzt das Herz mir schwer.
Da wird das Herz vor Wehmut schwer,
Und lebt zurück in's Kinderglück,
Und ahnt den hoben Ernst nunmehr,
Der dort als Spiel erschien dem Blick.
Nun winkt, an bunten Flitter's Statt,
Des Glaubens Frucht in heil'ger Ruh',
Der Liebe Stern, der Hoffnung Blatt,
Von dir, o Weihnachtbaum, mir zu.
Und was mich einst als Kind erfreut,
An dir, o stille Weihnachtzeit,
Ich fühl's mit jedem Jahr erneut,
Es ist: "Die Glaubensfröhlichkeit!"
Am Geburtstage
meines Kindes
Es war an diesem Tage,
Wo mir mit Schmerz und Klage
Mein Weib dies Kind gebar!
Wie leicht, trotz aller Liebe,
Daß nur die Mutter bliebe,
Bracht' ich's zum Opfer dar.
Du hast das Kind gegeben,
Und nahmst die Mutter nicht:
Du gabst ihm, Herr, das Leben
O gib ihm auch das Licht!
Wir pflegten's unter Sorgen,
Es wuchs von Dir geborgen,
Ein fröhlich' Bäumchen, auf;
Und in der Krankheit Tagen,
Und wenn wir schlummernd lagen,
Sah mild Dein Auge drauf!
Oft küßten wir's mit Beben,
Als wär's für lange nicht:
Du gabst ihm, Herr, das Leben,
O gib ihm auch das Licht!
Nun ist's ein muntrer Junge,
Der Hand und Fuß und Zunge
Schon frisch und fröhlich rührt,
Und auch im kleinen Herzen
Von Freuden und von Schmerzen
Schon mehr als Ahnung spürt;
Es ist der Blüte Streben,
Die ihr Gehäus zerbricht! —
Du gabst ihm, Herr, das Leben,
O gib ihm auch das Licht!
Laß sich sein Herz gestalten,
Sich seinen Sinn entfalten
Zu Deinem Ruhm und Preis,
Daß, er nicht einst vergebens
Hinwelk' am Baum des Lebens,
Wie ein verkümmert Reis.
Die Tugend sei sein Streben,
Sein Anker sei die Pflicht! —
Du gabst ihm, Herr, das Leben,
O gib ihm auch das Licht!
So laß ihn uns zur Freude,
So, Herr, zum Trost im Leide,
Im Alter uns zum Stab!
Die Hoffnung, einst ihn droben
Zu seh'n, von Dir erhoben,
Begleit' uns in das Grab!
Dir bleib' er übergeben,
Verlaß ihn, Vater, nicht:
Du gabst ihm ja das Leben,
O gib ihm auch das Licht!
Rat
Wenn sich ein Wetter nähert
Mit schwerem Donnergang,
Wozu das helle Läuten,
Wozu der Glockenklang?
Es bannt ja nicht das Wetter,
Es macht die Luft nicht frei,
Es lockt vielmehr die Wolken,
Und führt den Schlag herbei.
Seid lieber still und ruhig,
Und wartet, was da kommt,
Und läßt der Himmel schlagen.
So weiß er, daß es frommt.
So — wenn am Seelenhimmel
Ein drohend Wetter graut,
Wozu das helle Weinen?
Wozu der Jammerlaut?
Das kann den Sturm nicht bannen,
Das macht die Brust nicht frei;
Sei lieber still und ruhig,
Es geht vielleicht vorbei.
Neujahrslied
Wieder ging ein Jahr dahin
Unter Freuden, unter Leiden!
Vater, laß es zum Gewinn
Für uns, deine Kinder, scheiden!
Hat's auch Trübes viel gebracht:
Was Du tust, ist gut gemacht!
Darum laßt mit Gottvertrau'n
Und mit fromm ergebnen Heizen
Uns noch einmal überschau'n,
Was es gab an Lust und Schmerzen;
Laßt uns, unter Dank und Fleh'n,
Hoffend in die Zukunft seh'n!
Manches ging an uns vorbei,
Manches hat uns hart geschlagen,
Manche Brust ward wieder frei,
Manche drückten neue Plagen!
Möge kommen, was da kommt,
Herr, Du weißt, wozu es frommt!
Manche Locken sind gebleicht,
Manche Brüder sind geschieden,
Manche, die ihr Ziel erreicht.
Ruh'n schon aus in Deinem Frieden;
Nah' und ferne, dort und hier,
Dir, o Herr, gehören wir!
Dein sei jede Stund' im Jahr,
Dein sei jeder Wunsch der Seele!
Gib, daß in der Welt Gefahr
Nie dein Schutz und Schirm uns fehle!
Diese Hoffnung leucht' uns vor
An des neuen Jahres Tor.
Laß', o Herr, wie wir zum Preis
Gläubig jetzt vereint uns sehen,
Noch denselben Brüderkreis
Dankend übers Jahr hier stehen,
Und wie heute hoffend fleh'n:
"Herr, Dein Wille soll gescheh'n!"
Einst, wenn diese Zeit verrann,
Wird ein großes Neujahr kommen!
Ew'ger Vater, ruf uns dann
Gnädig hin in's Reich der Frommen,
Daß, von Schmerz und Trennung frei,
Unser Glück vollkommen sei!
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