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Herbei! Die Tafel ist gedeckt.
Beschickt mit bunten Liedern!
Wer mag, wenn ihm das Beßre schmeckt,
Das Mindre schnöd zergliedern?
 

Es drängt sich uns auf allen Wegen
So reich, so glänzend rings entgegen,
Daß, so zu sagen, auf den Bäumen
Gefühle blüh'n und Lieder keimen!
 

I.
Ländliche Gedichte

 
Vorfrühling
Mailied
Das Dorfkind
Im Dorfe
Vor'm Kirchlein
Die beiden Kirchlein
Die Linde
Vor der Mühle
Am Strome
Auf dem Wasser
Nach langem Regen
Auf der Weide
Morgengruß
Im Walde
Waldstimme
Das Kirchlein am Berge
Kein Echo

 
Auf der Alpe
Der Hirt am Berge
Tausch
In der Schenke
Der ernste Musikant
Die Begegnung
Bei der Rückkehr
Schluß

 

Vorfrühling

Welch' fernes Rauschen tönt von dort?
Es muß die Mühle sein;
Die Wellchen hüpfen lustig fort:
Das macht der Sonnenschein.

Er schmelzt' ihr Band von Eis entzwei,
Und wärmt sie, wie er kann;
Drum rauschen sie so frank und frei
Ihm ihren Dank hinan.

Und welch' ein sanftes Grün ist hier!
Es ist ein Gräschen nur;
Doch mehr, als Blüten, gilt es mir,
Dies erste Grün der Flur.

Es freut sich auch am Sonnenschein,
Wünscht auch den Winter fern,
Und hat, wenn noch so zart und klein,
Doch auch die Freiheit gern.

Und tief in meinem Herzen regt
Manch' alter Keim sich auch; —
Was ist es, was mein Herz bewegt,
Wie leiser Liedeshauch?

Ich such' umsonst nach Klang und Wort,
Es wird nicht klar in mir:
Das ferne Rauschen stört mich dort,
Das sanfte Grünen hier!

Mailied

Du bist doch treu,
Geliebter Mai!
Versprichst uns nie die Wiederkehr,
Und kommst doch immer wieder her.

Es ist ja nicht
Gesetz und Pflicht;
Und fiel's dir einmal ein, zu ruh'n,
Wir könnten nichts dawider tun!

Kaum aber fleh'n
Wir, dich zu seh'n,
So wirbelt schon ein Lerchlein wo:
"Der Frühling kommt! Seid frisch und froh!"

Kaum wünschten wir
Den Schnee von hier,
So fliegt er weg, wie leichter Flaum,
Und macht den jungen Halmen Raum.

Schon trägt das Land
Sein Festgewand,
Schon schrieb der Lenz in Wald und Trift
Sich lesbar ein mit Blumenschrift.

Zu schnell beinah,
Ist er uns da;
Es ist für's Herz ein großer Sprung,
Noch erst so alt und jetzt so jung.

Erst kalt und arm,
Nun reich und warm;
Erst seine Welt ein enges Haus,
Und jetzt in's Haus der Welt hinaus.

Drum bleib uns treu,
Geliebter Mai!
Denn doppelt freut und mehr entzückt,
Was unversprochen und beglückt.

Das Dorfkind

"Grüß' Gott, du liebes, schönes Kind!
Bist doch vom Dorfe nicht?
Dein Händchen ist so weich und lind,
So blühend dein Gesicht.

Und doch von diesem Dorfe? — Nein!
Das glaub' ich nimmermehr!
Du schlichst dich schelmisch nur herein,
Und gehst verstellt einher!" —

Wo, frag' ich, wo ist weit und breit,
In Stadt und Fürstenschloß,
Ein Bräutchen, das die Lieblichkeit
Je lieblicher umfloß?

Setzt ihr ein Diadem in's Haar,
Und sie ist Königin,
Und seufzend blickt der Helden Schar
Zur Unerreichten hin.

Und sie — sie wär' ein Dorfkind nur,
Gewiegt auf stillem Land,
Gesäugt an deiner Brust, Natur,
Geschmückt von deiner Hand?

O geht, ihr stolzen Frauen, nehmt
Natur, als Amm', ins Haus;
Gebt ihr das Kind und ruft beschämt:
"Ein Engel ward daraus!"

Im Dorfe

Der Tag ist heimgegangen,
Der Abend stellt sich ein,
Schon glüht auf allen Wangen
Sein stiller Widerschein.

Gestillt ist nun das Sehnen,
Verwunden ist der Schmerz,
Getrocknet sind die Tränen,
Befriedigt ist das Herz.

Der Tagsuhr rege Feder'
Ruht aus und stehet still;
Schon wallt und wandelt Jeder,
Wohin er eben will;

Der Hirte zu der Hirtin,
Der Weidmann ins Gebüsch,
Der Wandrer zu der Wirtin,
Der Ackersmann zu Tisch.

Gespräch' und Bilder spinnen
Von gestern neu sich fort,
Der Ernst erneut das Sinnen,
Die Lieb' erneut ihr Wort.

Da tönt, in Gottes Namen,
Der Vesperglocke Schlag,
Und schließt, als frommes Amen,
Den lieben, lauten Tag.

Vor'm Kirchlein

Schlichte Wände sonder Zier
Tief gefurcht schon dort und hier;
Nur die Scheiben klar und rein,
Und das Haupt im Sonnenschein.

Doch wie schlicht es außen steht
Innen Andacht und Gebet.
Treuer Glaub' und mildes Lied,
Das erbebt und mit sich zieht!

Wahrlich ganz des Dichters Bild,
Dem das Äußre wenig gilt!
Außen ernst, bescheiden, schlicht,
Nur das Auge frei und licht.

Nur das Haupt im Sonnenschein,
Schauend fromm ins Licht hinein;
Ach! und innen Glut und Klang,
Lieb' und Hoffnung und Gesang!

Die beiden Kirchlein

Auf der einen Seit' im Tale
Steht ein Kirchlein schmuck und klein;
Seines Glöckleins helles Klingen
Ladet laut zur Andacht ein.

Von den Bergen, aus dem Walde
Wandeln Beter nach dem Tal,
Um im Kirchlein auszuschütten
Ihrer Herzen Lust und Qual. —

Auf der andern Seit' am Berge
Steht ein Kirchlein schmuck und fein,
Seiner Glocke mächtig Klingen
Ladet ernst zur Andacht ein.

Aus dem Tale nach dem Berge
Steigen Beter rings hinan,
Um im Kirchlein auszuschütten,
Was ihr Herz erleichtern kann.

Und was jene drunten suchen
In der Dämmerung im Tal,
Suchen diese wieder oben
Auf dem Berg im Sonnenstrahl.

Und der Suchende wird finden,
Sei es Tal, sei's Bergesjoch,
Droben, denk' ich, über Wolken
Da begegnen sie sich doch.

Die Linde

Linde, liebe Linde!
In deinem Schattenraum
Da hatt' ich manchen guten,
Und manchen bösen Traum.

Oft kam ich als ein lauter,
Beglückter Mensch zu dir;
Oft sahst du einen stillen,
Verlornen Mann in mir.

Bald schienst du mir ein Festbaum,
Um den die Jugend tanzt;
Bald eine Gräberfreundin
Auf Hügelmoos gepflanzt.

Drum möcht' ich, daß die Stunden,
Die ich bei dir verlebt,
Vermählt dir könnten werden,
Und bleibend eingewebt!

Und wenn nur jede Freude,
Die ich bei dir gespürt,
Zu einer Blüte würde
Die deine Locken ziert;

Und wenn auch jede Trauer,
Die mich bei dir erfaßt,
Als falbes Blatt erschiene
An deinem grünen Ast:

Man könnte doch vor Blüten
Kein falbes Blättchen seh'n,
Und meine Linde würde
Beschneit im Sommer steh'n.

Vor der Mühle

Hämmernd steigt und fällt das Rad,
Flimmernd stäubt die Tropfensaat.

Leute gehen aus und ein,
Seh'n sich an und grüßen fein.

Doch der Lärm ist allzugroß:
Halbe Reden hört man bloß. —

Wie die Mühl' ist auch die Welt,
Deren Triebrad steigt und fällt;

Deren Hebel pochend glüh'n,
Daß die Speichen Tropfen sprüh'n.

Menschen gehen aus und ein,
Sehn sich an und grüßen fein.

Doch der Lärm erstickt das Wort:
Unverständigt zieh'n sie fort!

Am Strome

Du stiller Strom, ich steh' an dir,
Nicht wie ich immer stand;
Mein Innres hat sich heute mir
Ganz wunderbar gewandt.

Sonst immer rot und immer froh,
Und heute trüb und blaß,
Und heute — wie nur kam es so? —
Wohl gar mein Auge naß!?

Ja, eine Perle schwimmt im See
Des Auges voll und klar,
Als wär' sie das verschmolzne Weh'
Von einem langen Jahr.

O Träne, nieder in die Flut,
Fall' ungeseh'n hinab,
Und find' in ihrer Wellen Hut
Die Wiege, wie das Grab! —

Sie fiel — o Gott! — es ist vorbei;
Die Welle nahm sie mit!
Mein Aug' ist wieder hell und frei,
Und flügelleicht mein Schritt.

Mein Busen hebt sich wieder froh,
Der böse Zwist verklang,
Die trübe Kummerwolke floh: —
Es war ein Übergang!

Auf dem Wasser

Laßt den Kahn sich freundlich wiegen
In des Wassers sichrer Hut,
Laßt die Hand' im Schoße liegen:
Denn von selbst gehorcht die Flut.

Flieh' von Westen fortgetragen,
Fliehe, kleines Freudenhaus!
Laßt ihm, Freunde, sein Behagen,
Hebt das müß'ge Steuer aus!

Aber in des Kahnes Herzen
Pflanzt es auf wie einen Mast;
Pflückt dann, im Vorüberscherzen,
Blumen des Gestad's in Hast!

Und zu duft'gen Ketten windet
Die erhaschten Blumen dann,
Und die duft'gen Ketten bindet
An des Mastes Wipfel an!

Ähnlich einem Blumenzelte
Gleite so der Nachen fort;
Freud' und Fried' und Freiheit gelte
Jedem drauf als Losungswort!

Schwäne mit erhabnen Hälsen
Folgen uns in ernster Ruh',
Und des Ufers alte Felsen
Nicken unsrer Jugend zu.

Feierliche Wipfel flüstern
Manchen Geistergruß uns nach;
Oft auch dünkt es uns im Düstern,
Daß die Vorwelt mit uns sprach.

Näher rückt man stets und näher,
Untergehen Groll und Harm,
Alle Busen pochen höher,
Und es schlingt sich Arm in Arm.

Und in schweigendem Gebete
Preist dich, Welle, jede Brust,
Als der Leiden stillen Lethe,
Als Mnemosyne der Lust!

Nach langem Regen

Des Himmels letzte Träne rann
Aus seinem Augensterne,
Er sieht uns wieder lächelnd an,
Als tät' er's so recht gerne.
Noch einmal pustet er sich aus,
Und reibt die nassen Hände,
Zieht einmal noch die Stirne kraus,
Und jetzo hat's ein Ende.

Und Alles in der weiten Welt
Erkennt sein froh Erheitern;
Die goldne Saat auf ihrem Feld,
Die Flur mit ihren Kräutern.
Die Vögel rütteln Schwing' und Hals
Von Tropfen rein und trocken,
Die Bäume sonnen ebenfalls
Am Spätrot ihre Locken.

Die Blümlein ducken stracks empor,
Und zeigen ihre Farben,
Und reih'n statt derer sich im Chor,
Die siechten oder starben.
Und Nebel kommen weiß und weich
Aus Wald und Tal gezogen,
Und teilen Silberschiffen gleich
Der Lüfte blaue Wogen.

Der Fischlein Heer im Flutenhaus
Beginnt gestärkt sein Schalten,
Und guckt bald hier, bald dort heraus,
Ob Alles noch im Alten.
Und stimmbegabte Frösche bläh'n
Und mühn sich um die Wette,
Und buntgeschuppte Nattern dreh'n
Der Leiber schnelle Kette.

Schon tut sich Fenster auf und Tor,
Erst prüft die Hand besonnen,
Dann wagt sich Kopf und Fuß hervor,
Und endlich ist's gewonnen.
Zum Himmel, der's so gut gemeint,
Blickt man empor vom Neuen;
Man hat mit ihm sich ausgeweint,
Man will mit ihm sich freuen!

Auf der Weide

O treib' nur dein läutendes Völkchen,
O treib' es nur, Hirte, nach Haus;
Hast du schon das deine zu Hause,
Dann treib' ich erst meines hinaus.

Wie munter die Lämmer des Hirten,
Und meine wie träg und wie stumm!
Und meine doch gehn erst zur Weide,
Die seinigen kehren schon um.

Meine Lämmer sind die Gedanken,
Die treib' ich am Abend ins Tal,
Damit sie den Unmut verlernen,
Und spielen im sonnigen Strahl.

Wohlauf, meine lieben Gedanken,
Und schweift nach Belieben umher,
Durchstreift in behaglichem Fluge
Der Wiesen balsamisches Meer!

Durchscherzet die Erlen am Bache,
Durchplätschert die Wellen des Stroms,
Erfreut euch auf luftigem Felse
Des heiteren, himmlischen Dom's!

Wohlauf, meine lieben Gedanken,
Und weidet euch satt an dem Glück,
Und kehrt in die Hürde des Busens
Nicht träg und nicht stumm mir zurück!

Morgengruß

Es war in frühester Frühe,
Noch still lag Alles umher,
Die Sonne stieg mit Mühe
Durchs wogende Nebelmeer.

Noch sah man keinen Wipfel,
Noch keinen fernen Pfad,
Vom Berge noch keinen Gipfel,
Im Tale noch keine Saat.

Die Dämpfe schweiften und streiften
Bald auf-, bald niederwärts,
Aus ihren Fittichen träuften
Den Blumen Demanten ins Herz.

Da zuckt' es mit einem Male
Durch mich und durch Alles um mich,
Und regsam wurd' es im Tale,
Die Höhen ermunterten sich.

Da kam ich zu einer Fichte,
So schlank, wie ich keine noch sah;
Drum stand sie im werdenden Lichte
Zuerst auch vergoldet da.

"Frisch auf, du luftige Leiter,
Wozu denn sähst du hervor?"
So rief ich und kletterte heiter
Zum goldigen Wipfel empor.

Da saß ich auf kühliger Warte,
Ein König des kommenden Tag's,
Und sah ihm entgegen und harrte
Des reichen Rubinen- Ertrag's;

Und harrte der blitzenden Perlen,
Womit er die Blätter stickt,
Der Rosen, womit er der Erlen
Erhobene Häupter schmückt.

Da harrt' ich — und jetzo kam er,
Und neigte sich meiner Macht,
Und hob sich in wundersamer,
Äonen durchblitzender Pracht.

Und meiner Rolle vergaß ich,
Daß ich sein Beherrscher sei,
Und laut ihn preisend saß ich,
Und grüßt' ihn mit heiliger Scheu.

Und wie ich so sang, ihn zu grüßen,
Da flattert's um mich her mit Ein's;
Viel trauliche Vöglein ließen
Ihr Liedchen ertönen in mein's!

Im Walde

Du Wald mit deinem Schweigen,
Du lauschiges Blätterzelt,
Was könnte wohl dir noch fehlen
Zum lieblichsten Plätzchen der Welt?

Die klarste der Felsenquellen
Beperlet dein üppiges Moos,
Die Weste ringen wie Seufzer
Aus deinen Busen sich los.

Die lustigen Vöglein wohnen
In deinem gastlichen Haus:
Ja selbst deine Schatten streust du
Auf dankbare Blümchen aus.

Was fehlte zum schönsten Plätzchen
Dir, welches so lieblich ist?
Vielleicht, daß du so verborgen,
Daß du so einsam bist?

Vielleicht, daß außer dem meinen
Kein Fuß noch je dich betrat?
Daß nie ein fühlendes Wesen,
Sich deiner Stille genaht? —

Nein — nein — das fehlt dir nimmer,
Dort steh'n ja, — man merkt es kaum,
Zwei eng verschlungene Namen
Geschnitten in einen Baum.

Und seine Blätter flüstern,
Und seine Krone rauscht:
"Ich habe zwei liebende Menschen
In ihrem Glücke belauscht!"

Waldstimme

Da schleich' ich einsam durch den Wald,
Und ruf ins Laub hinein;
Und horch! von ferne tönt's zurück! —
Das kann kein Echo sein!

Die Antwort tönt ja heller nach,
Als ich den Ruf getan;
Ach! so erwidert nur ein Mund,
Der mehr als äffen kann.

"Ich liebe!" — hörst du? — ""Ich lieb' auch!""
So schallt es mir zurück;
O teilt euch, Bäume! Blätter, weicht,
Laßt freie Bahn dem Blick!

Und wer es sei — ich will sie sehn
Die ferne Pythia!
Umsonst! die Blätter weichen nicht,
Die Bäume steh'n noch da.

Ich rufe wieder — und umsonst!
Der süße Laut verscholl,
Der, wie ein Balsam, durch das Ohr
In meine Seele quoll!

Ich rufe wieder, — und umsonst!
Verklungen und verhallt! —
Wann, Stimme, schallst du wieder mir,
Und ach! in welchem Wald?

Und eben dein so süßer Klang,
Du süße Stimm', allein,
Vermag willkomm'ne Antwort mir
Auf meinem Ruf zu sein!

Das Kirchlein am Berge

Am Berge steht ein Kirchlein,
Vergessen steht es da,
Der Menschenwelt so ferne,
Dem Himmelszelt so nah'.

Auf seiner Pforte Stufen,
Die grünes Moos bedeckt,
Ruht selten nur ein Jäger,
Vom Wetter hingeschreckt.

Die rost'gen Glocken hangen
Seit Langem stumm in Sturm;
Der sie noch manchmal läutet,
Der Glöckner, ist der Sturm.

Die Blitze nur verschonen
Das stille Gotteshaus,
Und wählen sich die Wipfel,
Die es umrauschen, aus.

Wohl mocht' es Zeiten geben,
Wo mancher laute Zug
Mit Sang und Klang sein Opfer
Herauf vom Thale trug.

Jetzt wallen keine Beter
Den Waldpfad mehr empor;
Verscheuchte Vögel singen
Ihr Liedchen auf dem Chor.

Die Zeiten sind verklungen,
Verhallt ist Sang und Wort,
Der Geist der Andacht aber
Der webt im Kirchlein fort.

Und sollt' es mit den Jahren
Auch ganz in Trümmern geh'n,
Noch um die Trümmer würde
Der Geist der Andacht weh'n.

Und überwüchs' auch Rasen,
Schon wuchernd Schutt und Sand,
So sagte jedes Gräschen,
Daß hier ein Kirchlein stand!

Kein Echo

Es war so schön am Berg, die Luft so klar,
Und jeder Atemzug ein Lebensjahr,
Und jeder Blick auf Tal und Höhn umher,
Um eine starke Lebensfessel mehr.

Dem engen Busen ward das Herz zu weit,
Ausströmen wollt' es seine Seligkeit,
Und das, wofür die Arme sind zu arm,
Den Lippen anvertrauen voll und warm.

Und laut hinaus, was nur der Mund vermag,
Rief ich's vom Berg mit heißem Herzensschlag,
Weit über alle Wipfel, alle Höhn, —
Naturlaut, dacht' ich, muß Natur versteh'n.

Und atemstill und lauschend stand ich da, —
Jetzt muß es widertönen, fern und nah',
Muß mir's beweisen, das es mich verstand,
Daß ich ein Ohr für meinen Jubel fand.

Ich lausch' und lausche; — ruhig bleibt's um mich,
Kein Echo kommt, — kein Lüftchen reget sich; —
Fort, fort! hinab! die Gegend hab' ich satt,
Die für mein warm Gefühl kein Echo hat.

Auf der Alpe

Wenn ich im tiefen Tale stehe,
Und schwindelnd auf zur Alpe sehe,
Die weiß hineinragt in das Blau,
Dann will es drückend mich beengen,
Dann treibt mich ein unendlich Drängen
Empor aus diesem Nebelgrau.

Dort, wo in unermeßner Weite
Nichts über mir, nichts mir zur Seite,
Nichts höher gegenübersteht;
Wo all' die Höh'n, die ich erstiegen,
Demütig mir zu Füßen liegen,
Dort möcht' ich hinknie'n im Gebet!

Dort, über'm düstren Talgewimmel,
Dort fühlt' ich näher mich dem Himmel,
Nichts liegt dort zwischen ihm und mir;
Kann's irgendwo im Erdenleben,
So muß das Herz sich dort erheben,
Dort bin ich groß, — klein bin ich hier!

Und in der Seele den Gedanken
Macht' ich mich auf, klomm ohne Wanken
Den steilen Schwindelpfad hinan,
Setzt' über schwarze Todesschlüfte,
Und grub mir in den Schnee der Klüfte
Mit sichrem Fuß die schmale Bahn.

Jetzt auf des Kammes höchster Spitze,
Schon weithin über'm Wolkensitze,
Stand ich im Morgensonnenschein;
Die Berge, die mir Riesen schienen,
Wenn ich vom Tal aus sah zu ihnen,
Sie schrumpften hier zu Zwergen ein.

Rund um mich her das luft'ge Freie,
Von mir bis in des Himmels Bläue
Nicht eine Zwischenstufe mehr. —
Doch herbe Täuschung! Statt erhoben
Fühlt' ich gedrückter bald mich oben,
Und höhnend hing der Himmel her.

Mir war's, als hört' ich zürnend rufen:
"Hinab! Hier fehlen dir die Stufen!
Glaubst du der Himmel sei so nah'?
Bleib' du in deiner Tiefe drunten:
Denn fühlt dein Herz sich klein dort unten,
Noch kleiner wahrlich fühlt sich's da!"

Der Hirt am Berge

Ich steh' am Bergeshange,
Die Herde weidet und springt;
Der Hirte lehnt an dem Felsen,
Und sieht hinunter und singt.

Und was er singt in die Weite,
Es ist nicht Silbe, nicht Wort;
Es klingt nur so aus dem Innern
In spielenden Tönen fort. —

Ich aber verstehe den Hirten,
Und weiß auch das Wort dafür:
Er lehnt in seinen Gedanken
Wohl nicht an dem Felsen hier.

Er steht vor dem Hüttchen der Hirtin,
Und sagt ihr's innig bewußt:
"Du bist mein einziger Kummer,
Du bist meine einzige Lust!"

Tausch

Sie steht am Fels, an dessen Rand
Verlorne Röslein blüh'n;
Vergebens streckt und bückt sie sich,
Da hilft ihr kein Bemüh'n.

Der Jüngling schleicht herbei, — "Mein Kind,"
So ruft er leis' ihr zu, —
"Bemüh dich nicht! Ich seh' dir's ab,
Ein Röslein möchtest du!?

Du sinnig liebes Kind, du langst
Mit Recht nach jenem hin:
Nur was wir mühsam uns gepflückt,
Erfreuet unsern Sinn!

Und das du Rosen pflücken gehst,
Auch daran tust du recht:
Die Rosen, wie die Mädchen, sind
Ein kurzes Tagsgeschlecht!"

Er stützt sie, daß sie pflücken kann,
Er pflückt wohl halb mit ihr. —
"O keinen Dank, mein liebes Kind,
Bleib' mir nur gut dafür!" —

Sie geht; er sieht ihr lange nach, —
Sie wendet oft sich um,
Sieht für geschenkt das Röslein an,
Und gab ein Herz doch drum!

In der Schenke

"Wirtin, eure Schenke scheint
Eben nicht die beste;
Stuhl' und Tische gnug umher,
Aber keine Gäste!"

""Lieber Herr, das macht die Zeit,
Diese läßt uns keine;
Mehr vom Weinen lebt man itzt,
Als man lebt vom Weine.

Hättet Ihr's geseh'n, wie ich,
Da ich jung gewesen,
Wie's mein Vater sel'ger sah,
Und von einst gelesen!

Da, da war der Raum zu klein
Und der Wein zu wenig,
Wenn sich einfand, was gestreng,
Und was untertänig.

Unter'm roten Lämpchen dort
Vor'm Marienbilde,
Saß der Pfarrer lobesam
Mit der Ratsherrngilde.

Hier der Schreiber aus dem Amt,
Drüben Scherg' und Bader,
Und hier Bauer und Soldat,
Und dabei der Hader.

Freude hieß die Kellnerin,
Und der Schild "zur Treue."
Blieben heute Gäst' uns aus,
Kamen morgen neue.

Da war noch die Talerzeit,
Jetzo trägt's nur Heller! —
Denkt Euch, Herr, die säßen hier,
Und ihr findet's völler!"" —

"Liebe Frau, das denk' ich auch,
Seh' sie auch schon sitzen;
Seh' sie ihr bedachtes Haupt
Auf die Hände stützen!

Hör' sie reden und sich freu'n,
Loben und bekritteln,
Und im Traume manchen Zwist
Künft'ger Zeit vermitteln.

Und zu ihnen setz' ich mich; —
Wie sie schau'n und staunen,
Und, mich messend, dies und das
In das Ohr sich raunen!

Bald doch sind wir in's Gespräch
Tief hinein gekommen,
Und da bin ich, als Prophet,
Freundlich aufgenommen.

Sie berichten mir, was war,
Ich, — was kommen werde;
Sie vergangnes Leid, — und ich
Künftige Beschwerde.

Sie den Keim und ich die Frucht,
Schuld — sie, ich die Sühne:
So durchwandern wir der Welt
Lust'ge Trauerbühne.

So versinken wir, und geh'n
Unter im Gespräche: —
Dank für die Gesellschaft, Frau,
Zählt sie mit zur Zeche!"

Der ernste Musikant

Es war in einer Schenke;
Viel Zecher rings herum,
Der Eine machte Schwänke,
Die Andern saßen stumm.

Man sah wohl an den Mienen
Sein Handwerk jedem an:
So saß ich unter ihnen,
Ein abgeschiedner Mann.

Da schlendert' es zur Türe
Mit Flöt' und Geig' herein;
Es waren ihrer Viere,
Sie spielten viel und fein.

Der Eine mit der Flöte,
Der trank nach jedem Lauf;
Ihm stieg, als Morgenröte,
Der Wein im Antlitz auf.

Er blies nur, um zu trinken,
Und trank nur, weil er blies,
Nach seinem Gutbedünken
War er im Paradies.

Der Geiger zog den Bogen,
Als schnitt' er Butterbrot;
Er schlug durch Dreh'n und Wogen
Das Flötensolo tot.

Und flogen so die Finger
Den Schwindelsteg empor,
Da war der Tonbezwinger
Ganz Wollust und ganz Ohr.

Der alte Bratschenspieler
Bewegte kaum die Hand;
So recht ein ruhig kühler
Gewohnheitsmusikant.

Der Vierte bei dem Basse
Der brummte nur so drein,
Als goß' er in die Masse
Der Lust den Ernst hinein!

Er macht der Walzer Zungen
Mit einem Klapse schwer;
Die Andern sind die Jungen,
Der alte Herr ist — er!

Das scheint er auch zu fühlen
Er würdigt seinen Baß,
Und mitten unterm Spielen
Wird oft das Aug' ihm naß.

Und als ich drum ihn fragte,
Da er zu sammeln kam,
Stand er verblüfft und wagte,
Die Antwort nicht vor Scham.

Und als ich wieder fragte,
Warum sein Auge feucht,
Da lächelt' er, und sagte:
"Man spielt sich oft nicht leicht!

Mein Weib liegt auf dem Laden,
Ich seh' es nimmermehr!
Drum spiel' ich, Euer Gnaden,
Heut' Walzer etwas schwer!"

Die Begegnung

Es war in der Fremdenstube, —
Nichts ahnend trat ich hinein;
Da saß abseits in dem Winkel
Ein schönes Mädchen allein.

Mir war's wie eine Erscheinung,
Der Gruß erstarb mir im Mund,
Sie blickte mich an, — es drang mir
Zu tiefst in des Herzens Grund.

Ich weiß nicht, wohin mir die Fassung
Bei'm Blick des Mädchens entfloh:
Ich sah noch nie so ein schönes,
Oder nie ein schönes noch so.

Dieser Zug unsäglicher Wehmut,
Diese Mahnung ans Welken im Blüh'n,
Ließ, was ich gedämpft schon glaubte,
Vom Neuen die Brust mir durchglüh'n.

Wir verloren kein Wort mit einander,
Ein Blick war's und ein Versteh'n,
Es glich im ersten Erkennen
Einem letzten Wiederseh'n. —

Da trat ein Mann in die Stube,
Ein blasser, verkümmerter Mann;
Er herrschte das sinnende Mädchen
Mit kurzem Machtwort an.

Sie folgt' ihm mit einem Blicke,
Den ich so ganz verstand; —
Da rollte vor's Haus ein Wagen,
Und Mann und Mädchen entschwand. —

Ich träumte von diesem Mädchen
Wohl manche — manche Nacht;
Sie hat wohl in ihren Träumen
Gewiß auch an mich gedacht!

Und wenn ich nun so erwachte,
Da focht es immer mich an,
Als wär' es mit diesem Träumen
Denn doch nicht abgetan.

Bei der Rückkehr

Nur wenig Jahre sind entschwunden,
Seit ich die Stadt nicht wieder sah;
Nun ich mich freudig heimgefunden,
Wie ganz verändert steht sie da!

Wie aufgewachsen aus der Erde,
Hub Haus an Haus sich fremd hinan,
Zu manchem einst mir lieben Herde
Trat ich, ein unbekannter Mann.

Und Mancher, den ich kennen sollte,
Ging stumm und kalt an mir vorbei;
Von Manchem, den ich grüßen wollte,
Vernahm ich, daß er nicht mehr sei.

Und liebe Plätze, traute Stellen,
Mir heilig durch Erinnerung,
Wie weggewaschen von den Wellen,
Vermodert, was ich kannt' als jung.

Mit frohem Herzen, leichtem Fuße
War ich genaht dem lieben Ort,
Und schritt mit meinem besten Gruße,
Jetzt, ohn' ihn anzubringen, fort.

Ging fort, hinaus, wie ein Verbannter,
Hinaus zum nahgelegnen Wald;
Vielleicht, daß dort noch ein Bekannter,
So dacht' ich, Gruß mit Gruß bezahlt.

Und da war Alles noch geblieben,
Da nichts verändert, nichts gestört,
Noch Alles so, wie's einer lieben
Erinn'rung ewig angehört.

Die abenteuerlichen Föhren,
Der Fels mit seinem Hut von Moos,
Die Quelle mit den Finkenchören,
Die Grotte mit dem Westgekos.

Dieselben Pfade längs den Hecken,
Dieselben Bäume darüber her,
Dasselbe Flüstern, Rauschen, Necken,
Ich hört', ich sah nichts Fremdes mehr.

Und meinen Gruß rief ich entgegen
Der teuren Sippschaft dieses Hain's,
Und fühlte tief den ganzen Segen
Des seligsten Zuhausesein's.

Schluß

Als ich hinausgetreten
In Gottes freie Natur,
Da sah ich anfangs Hütten,
Und Kirchlein und Dörfer nur.

Ich stand und schwärmt' im Tale,
Blieb vor der Mühle steh'n,
Ließ meine Tränen im Lethe
Des Stromes uutergeh'n;

Trieb meine Gedanken zur Weide,
Trug in den Wald mein Glück,
Und kehrt' am Ende wieder
Zum lieben Menschen zurück.

Doch wenn ich umher nun blicke,
Was da noch blüht und webt,
Und klingt und girrt und säuselt,
Und allenthalben lebt:

Da will mich der Stoff schier erdrücken,
Denn was mich da letzt und labt,
Das hätte ja Alles auch noch
Ein Recht auf ein Lied gehabt.