weiter
 

Es ist nicht, wie bei andern Dingen,
Zum Wehren oder zum Erzwingen:
Ist Stund' und Ort darnach, so klingt's,
Die Stimmung wehrt's, die Stimmung bringt's.

 

III.
Stimmungen, Tageszeiten

 
Regen und Sonnenschein
Gärtner "Tod"
Am Kamin
Mein Grab
Enttäuschung
Wald und Herz
Am Allerseelentage
Jugendtäuschung
Nächtliche Rast
Die Eintagsfliege
Die Schattenseite
Die Obligation
Außen und innen
Wehmut
Männerschmerz
Verschmähter Schmerz
Freier und Gatte
Herz und Auge
Tagtraum
Tageszeiten

 

Regen und Sonnenschein

Nicht gram bin ich dem Regen,
Er ist ja Gottes Segen;
Nur wüßt' ich wieder gern
An manchem Tag ihn fern.

Der helle Sonnenschimmer
Entzückt das Herz mir immer;
Doch kommt so mancher Tag,
Wo ich ihn missen mag.

O könnt' ich's nach Belieben
Austeilen und verschieben,
Wann heller Sonnenschein,
Wann Regen dürfte sein!

Wenn mir die Liebe lächelt,
Ihr Odem mich umfächelt,
Ihr Blick, ihr Gruß entzückt,
Bin ich genug beglückt!

Was kann mir da begegnen?
Da mag es regnen, regnen,
Mag trüb, mag frostig sein:
In mir ist Sonnenschein!

Doch ist es in mir trübe,
Vergaß mich Lust und Liebe,
Pocht schwer des Herzens Schlag:
Dann sei ein heitrer Tag!

Für tränennasse Augen
Mag Regenzeit nicht taugen:
Hab' ich es innen nicht,
Dann brauch' ich außen Licht.

Gärtner "Tod"

Einst setzte der Tod eine Pflanze
Auf einem Hügel sich ein;
Im ganzen Garten des Lenzes
Schien keine schöner zu sein.

Die Pflanze war ein Mägdlein,
Die Pflanze war mir lieb,
Und daß sie mir lieb gewesen,
Ich fühl' es, weil sie mir's blieb.

Der Tod, der emsige Gärtner,
Er war so treu bemüht,
Begoß sie täglich mit Tränen,
Bis sie ihm aufgeblüht.

Sie blühte so zart, so geistig,
So wehmutreich empor;
Ich stand, den Gärtner ahnend,
Oft ernst und sinnend davor.

Die Farben verschwammen immer
In milderes Ätherblau;
Auf zarteren Blättern wiegte
Sich immer klarer der Tau.

Sie neigte, gekost vom Weste,
Sich täglich mehr und mehr;
Ein Klingen, wie fernes Geläute,
Weht' um ihr Beetchen her. —

Und als ich kam eines Morgens,
Da war sie abgestreift;
Ich sagte: "Sie ist verblühet!"
Der Gärtner: "Sie ist gereift!"

Am Kamin

Das Feuer flackert im Kamin,
Und rötet mein Gesicht;
Es ist ein eigner, tiefer Sinn,
Der aus den Gluten spricht.

Gefühle tauchen wunderbar
Aus Flamm' und Rauch empor;
Und Manches seh' ich, wie es war,
Und wie ich es verlor.

Bezeichnen kann ich's nimmermehr,
Es gibt kein klares Bild;
Nur schwankend spielt es um mich her,
Und stimmt mich weich und mild. —

Doch horch! was braust, was summt so fein
Im lichten Funkenspiel? —
Es mag wohl eine Träne sein,
Die in das Feuer fiel!

Mein Grab

Im Tale da stehet ein Hügel,
Vom Monde matt beglänzt,
Ein Einsamer, einzelner Hügel,
Mit Hängebirken umkränzt.

Sie senken die Zweige nieder,
Und sehen einander an,
Als wollten sie etwas sich sagen,
Was keine Sprache kann.

Und einzelne Blumen sprossen
Am runden Rand hervor,
Als brächten sie eine Antwort
Aus tiefem Grund empor.

Und einzelne Tropfen sickern
Durch's Grüne, zur Quelle vereint,
Als wären's verstohlene Tränen,
Die jemand im Hügel weint.

Und durch das Gezweige flüstert
In langen Pausen der West,
Wie Seufzer aus einem Herzen,
Das jener Hügel preßt.

Und seh' ich von meinem Fenster
Bei'm Mondschein in's Tal hinab,
So dünket der einsame Hügel
Mich immer ein einzelnes Grab;

Ein Grab, in welchem ich selber,
Als jener, begraben bin,
Der ich einst war in der Jugend
Mit meinem glücklichen Sinn!

Enttäuschung

Oft ist es tief, recht tief im Herbste schon,
Und immer ist noch grün das Laub der Bäume,
Und manche Lerche singt mit muntrem Ton
Ein wahres Lenzlied noch in blaue Räume.

In langen Fäden zieht es durch die Flur,
Gleich Hülsen jüngst entpupptet Frühlingsfalter;
Kein Wölkchen auf der Stirne der Natur,
An ihrem Kleide keine Spur von Alter.

Man brauche nur zu schweigen, scheint es fast,
Nur nicht den Namen "Winter" auszusprechen,
Und er vergäße drauf, der frost'ge Gast,
Den schönen Frühlingstraum zu unterbrechen.

Er wird's, — so sagt uns noch die laue Nacht,
Mit froher Ahnung gehen wir zu Bette;
Doch treten wir an's Fenster, — spät erwacht,
So stürmt es draußen bunt schon um die Wette.

Der Baum im Gärtchen steht entlaubt, beschneit,
Die Erde deckt ein Tuch, die Sonn' ein Schleier;
Nein — er vergaß uns nicht, der Winter! Weit
Und breit begeht er seine Totenfeier. —

So ist es auch im Leben mit dem Schmerz:
Wir freu'n uns oft, er würd' uns übersehen;
Doch über Nacht befällt er unser Herz,
Daß wir beschämt ihm seine Macht gestehen.

Wald und Herz

In der Jugend, in der Jugend,
In der sel'gen Wonnezeit,
Hat das Herz nur eine Farbe,
Nur das Rot der Fröhlichkeit.

Gleitet auch ein Wölkchen drüber,
Flücht'ge Schatten wirft es nur;
Was emportaucht, bunt und wechselnd,
Kommt und schwindet ohne Spur.

Ja — im Lenz, im jungen Lenze
Hat, bei allem seinen Blüh'n,
Auch der Wald nur eine Farbe, —
Nur das frische, saft'ge Grün.

In dem frischen Grün verlieren
Sich die bunten Blümchen all',
Heidekraut und Moos und Beere,
Felsenkies und Wasserfall.

Aber wenn der Herbst sich meldet,
Schwindet bald das gleiche Grün,
Rot und gelb und hell und dunkel
Scheint sein welkend, Laub zu blüh'n.

Und so ist es mit dem Herzen,
Mit dem Rot der Fröhlichkeit;
Mit den wechselnden Gefühlen
Wechselt auch die Wonnezeit.

Sonst nur Lust, — nun Lust und Trauer,
Wehmut, Sehnen, Ernst und Scherz,
Und je bunter die Gefühle,
Um so herbstlicher das Herz!

Am Allerseelentage

Wenn einst ich im kühlen Grabe ruhe,
Eine arme Seele, wie sie's nennen,
Wird wohl dann auch über meiner Truhe
Solch' ein Lichtlein der Erinn'rung brennen?

Wird aus Wimpern treugebliebner Augen
Auch ein Tröpflein Tau herniederrollen,
Oder hat mein Rasen nichts zu saugen,
Als das karge Naß der feuchten Schollen?

Nein — vergessen wird mein Grab nicht bleiben,
Licht und Tau werd' ich denn doch wohl finden!
Wo der Mensch vergißt in seinem Treiben,
Pflegt ja die Natur noch zu empfinden.

Ja — sie wird durch eine Totengabe,
Daß sie meiner nicht vergaß, mir künden,
Tau mir sprengen, und auf meinem Grabe
Mir ein Irrlicht, als mein Bild, entzünden!

Jugendtäuschung

Wer von des Berges höchstem Gipfel,
Den grünen Wald sieht unten steh'n,
Der meint wohl, über all' die Wipfel
War's Kinderspiel hinwegzugeh'n.

Denn wie ein Teppich ausgespreitet,
Nachgiebig, weich, wie Eiderflaum,
So liegen sie vor ihm; — verleitet
Fühlt sich der Fuß, und hält sich kaum.

Und wer das Silberband des Flusses
Sich kräuselnd sieht vorüberdreh'n,
Verspürt die Lockung, leichten Fußes,
Wie spielend, drüber wegzugeh'n.

Er trägt das schwere Schiff hinunter,
Er trägt das leichte Blatt daher,
Wie trüg' er nicht ein Wesen munter,
Nicht halb so leicht, nicht halb so schwer?

Und von der Kindheit luft'gem Gipfel
Und von der Jugend Zauberstrand,
Betrachten wie der Zukunft Wipfel,
Des Lebens rauschend Silberband.

Wir wähnen, daß ein Spiel sich zeige,
Wir werfen uns verwegen drein.
Da brechen unter uns die Zweige,
Da sinken wir im Wirbel ein.

Nächtliche Rast

Es sitzt wohl oft ein Wandrer,
Ermattet und allein,
In einer Burgruine
Beim hellen Mondenschein.

Wie Würfel von den Händen
Des Tod's umhergesä't,
Liegt Quader rings um Quader,
Und Luft des Grabes weht.

Und düstrer Efeu webet
Sein grünes Leichentuch,
Und Eulen wiederholen
Eintönig ihren Spruch.

Der Wandrer, müd vom Weg,
Getrennt vom Vaterhaus,
Durchfrostet von Gewittern,
Sieht in die Nacht hinaus.

Und nichts um ihn ist freundlich,
Was tönt, das tönt so hohl,
Was rauscht, das rauscht so schaurig, —
Und dennoch ist ihm wohl!

Dem Wandrer in Ruinen
Ist meine Seel' oft gleich;
Das Bild des Lebens spiegelt
In ihr sich trüb und bleich.

Sie sieht verfall'ne Liebe,
Sieht eingesunknes Glück;
Erinnerungen tönen
Wie Seufzer ihr zurück.

Und nichts um sie ist freundlich,
Was tönt, das tönt so hohl.
Was rauscht, das rauscht so schaurig,
Und dennoch ist ihr wohl!

Die Eintagsfliege

Halt' ein, was willst du tun, sie morden?
Grausamer, weißt du, was du tust?
Ein Tag ist ihr zu Teil geworden,
Ein Tag des Leid's, ein Tag der Lust!

Was uns Jahrzehnte sind hienieden,
Die flüchtige Sekund' ist's ihr!
Ein Unmaß Zeit ist uns beschieden,
Bedenk', — mit Jahren prassen wir!

Und doch, wenn Jemand zu dir träte,
Zu dir, wenn längst dein Haar gebleicht,
Und dich um eine Stunde bäte:
"Gib, du bist alt — du gibst sie leicht!" —

Du würdest jammern, und dich sträuben,
Und klagen über Grausamkeit:
"Heb' dich hinweg, ich will noch bleiben,
Ich habe noch zum Tode weit!"

Und du willst diese Fliege morden,
Weil du in übler Laune bist,
Sie, welcher nur ein Tag geworden,
Der eine Sonn' ihr Dasein mißt?

O laß sie leben, laß sie schweben,
Bis ihre Feierstunde schlug:
Ihr Himmel ist ein Eintagsleben,
Ihr Paradies ein Abendflug.

Hast ohnehin dich schwer vergessen,
Nahmst doch (dir scheint's ein Augenblick)
Ihr nach dem Maß, das ihr bemessen,
Mehr als ein Jahr von ihrem Glück!

Die Schattenseite

Warum nur rauscht die trübe Woge
So bang an dieser Uferflur?
Der Rosenbusch an diesem Raine,
Der Rieselbach im Schattenhaine,
Was flüstern sie so traurig nur?

Um was nur klagt die Turteltaube,
Wenn in des Wald's verschwiegner Nacht
Der Ruf der Lieb' aus Laubesgittern
Ihr schwellend Flügelpärchen zittern,
Ein Kuß ihr Lied verstummen macht?

Und du, die sich begeistert hingibt
Dem süßen Lächeln ihrer Lust,
Und mich mit ihrer Wimper Beben
Bald sterben macht, bald wieder leben,
Was klagst du nur an meiner Brust?

Noch jünger, als der junge Morgen,
Noch klarer, als der klare Quell,
Begreifst du kaum des Lebens Tücken,
Man glaubte, mit so hellen Blicken
Sähst du die ganze Welt noch hell.

Mir selbst, der noch ein frisches Leben
In seinen Adern fließen spürt,
Mir ist oft wider mein Vermuten,
Als wollte mir die Seele bluten,
Von einem scharfen Dorn berührt.

Und doch kann ich den Dorn nicht nennen;
Auch nicht die Gegend, wo er sticht;
Auch wünscht' ich nicht, trotz aller Schmerzen,
Gezogen ihn aus meinem Herzen,
Denn lästig ist der Schmerz mir nicht.

Er ist so leis' und unterbrochen,
Er wogt so wechselnd her und hin,
Als wollt' er durch sein stilles Nagen
Mir nur, mich manchmal weckend, sagen,
Daß ich noch auf der Erde bin.

So ist's mit Bach und Busch und Taube,
So, Mädchen, auch mit unsrer Pein;
Soll's nicht wie Grau in Grau verschweben,
So muß im sonnenhellsten Leben
Auch eine Schattenseite sein.

Die Obligation

Von meinen Eltern empfing' ich
Eine Obligation;
Sie war so groß, — ich versprach mir
Die reichsten Zinsen davon.

Und nahm ich drauf auch zu leihen,
Und setzt' ich sie auch aufs Spiel,
Kein Abzug war zu merken,
Sie lautet' auf gar so viel.

Und als die Knabenjahre
Versanken hinter mir,
Als träumend der Jüngling schwärmte,
Da wagt' ich es oft mit ihr.

Da schnitt ich, — es ist nicht zu leugnen,
Wohl manchen Coupon mir ab,
Und tauscht' ihn für kleine Münze,
Die sich so bald vergab.

Und als mein Vater gestorben,
Als manche Hoffnung erblich,
Als Menschen mich mißverstanden,
Als Groll mein Herz beschlich;

Als selbst nicht immer die Muse
Mich mehr dem Drang entnahm,
Da wollt' ich sie fast zerreißen,
Bis tröstend die Liebe kam.

Ihr hab' ich sie nun verschrieben,
Sie soll haushalten damit,
Bis einst sie ein großer Wechsler
Vernichtet mit einem Schnitt.

Wollt ihr sie, Freunde, kennen,
Die Obligation?
Es ist mein eigenes Leben,
Dies Lied — ein Prozentchen davon.

Außen und innen

Munter jagt des Stromes Welle
Sich im bunten Wirbel hin;
Ihr Gesäusel, ihre Helle
Bürgt für lebensheitren Sinn!

Aber denke dich hinunter,
Und was erst gelächelt, droht;
Nimmer dünkt sie mehr dich munter,
Denn ihr Grund verbirgt den Tod!

Ja du bist mein Bild, o Welle,
Wie ich fühle, wie ich bin!
Außen Wirbeltanz und Helle,
Ein gepriesner leichter Sinn.

Aber ach! im Herzen drinnen,
Wenn es unbelauschter schlägt,
Da wlll's nicht so fröhlich rinnen,
Als es sich von außen regt.

Innen gar ein nächtig Streben,
Außen ewig Morgenrot;
Wie die Wellen — oben Leben,
Aber unten ach! — der Tod!

Wehmut

Es muß ein traurig Leben sein,
So gänzlich ohne Tränen,
So fremd mit jeder süßen Pein,
So fremd mit sel'gem Sehnen.

Wer Alles hat, und nichts vermißt,
Der hat auch nichts zu hoffen,
Ihm liegt, was zu genießen ist,
So nüchtern deutlich offen.

Ihn überrascht kein Stündchen mehr
Mit ungeahnten Wonnen;
Er schöpfte ja schon, ahnend, leer
Der Freude kühlen Bronnen.

Er kennt die hellen Morgen nicht
Mit ihren kühnen Planen;
Er kennt kein dämmernd Abendlicht
Mit seinem süßen Ahnen.

Er kennt sie nicht, die liebe Nacht
Mit ihren Sternenschiffern,
Er hat aus aller Lust und Pracht
Nichts weiter zu entziffern.

Da lob' ich mir die süße Pein
Der Wehmut und der Tränen.
Sie wiegen mild die Herzen ein
Mit Ahnen und mit Wähnen.

Sie schaukeln uns so sanft dahin
Vom Leide zu der Freude;
Sie teilen schonend unsern Sinn
Im Leben unter beide.

Damit der Mensch in Lust und Schmerz
Das Maß nicht überschritte,
Erhält die Wehmut ihm das Herz
Grad in der rechten Mitte.

Männerschmerz

Du klagst mir, Bruder, daß die Liebe
Wie jeder andre Traum zerstiebe,
Daß Treue bricht, wie andrer Tand;
Du bist entgegen mir gekommen,
Hast mir das Wort vom Mund genommen,
Weil leider! ich ein Gleiches fand.

Jedoch du weinst!? Hast du vergessen,
Daß Tränen, wie dem Aug' sie nässen,
Zu weibisch sind für einen Mann? —
Du siehst mich an, als könnt' im Leben
Es weiter keinen Sturm mehr geben,
Der Männer tiefer beugen kann.

Ermanne dich, ich mag's nicht leiden,
Seh' ich so schnell sich Den bescheiden,
Der noch sein Teil zu fordern hat;
Es gibt noch ernstren Ernst hienieden,
Als Liebeszwist und Liebesfrieden,
Es ist der Will', — es ist die Tat!

Woll' Edles, tue Tücht'ges, lebe!
Zerreiß dies blendende Gewebe,
Was doch nur hemmt, wie jedes Netz,
Und mache, was nur soll begeistern,
Erheitern, bilden, — doch nicht meistern,
Dir nicht zum drückenden Gesetz.

Wohl hat's mir auch das Herz erschüttert,
Durch jeden Nerv mir nachgezittert,
Doch nicht vergaß ich, wer ich bin;
Ich wendete mein Aug' auf Höhen,
Wo ernstere Gestalten stehen;
Vor diesen beug' ich meinen Sinn!

Was man nicht klagt, was man mit Grauen
Nur läßt aus hohlen Augen schauen,
Das ist's, was Männerherzen bricht;
Was wir uns nur mit Tränen sagen,
Und uns, die Hand' uns schüttelnd, klagen,
Ist, Bruder, lang das Schlimmste nicht!

Verschmähter Schmerz

Du blutest, Armer, und erfüllst mit Klagen
Den treuen Kreis, der tröstend dich umgibt,
Du meinst, es könne Niemand schwerer tragen,
Die größte Qual sei: Lieben ungeliebt!

Ich will nicht rechten, Freund, mit deinem Leide,
Denn Leid ist Leid, und Leid ist ehrenwert;
Doch wenn ich sage, daß ich dich beneide,
So sag' ich auch, was meine Brust beschwert.

Ich liebt' und ward geliebt; ich hab's genossen
Das süße Glück, das deine Brust nur ahnt;
Die goldne Pforte war mir aufgeschlossen,
Zu der du noch den Weg dir nicht gebahnt.

Ich warf den trunknen Blick in jenes Eden,
Und drohend steht der Dämon jetzt davor;
Spricht man von Schmerz, ich darf ein Wörtchen reden,
Du hast noch nicht gehabt, was ich verlor.

Schwer ist vermissen, doch verlieren schwerer,
Schmerz ist Entbehrung, doch Verlust ist Qual;
Im herbsten Schmerze will ich sein dein Lehrer,
Wo nicht, so komm', — ich lasse dir die Wahl!

Weil ich die Luft mit Jammer nicht erfülle,
Weil ich's verschließe vor der öden Welt,
Weil fester, als mein Kern, die grüne Hülle,
Glaubst du vielleicht, ich sei gar wohl bestellt!?

Wollt' ich es tun, gerecht mit lautem Munde
Könnt' ich verklagen meines Schicksals Lauf;
Du zeigst den Menschen offen deine Wunde,
Ich halte nur verschämt die Hand darauf.

Freier und Gatte

Du hattest einen Freier, schöne Braut,
Er ist als Gatte dir nun angetraut;
Verkenne nicht den Freier, den du fandest,
Und nicht den Gatten, dem du dich verbandest.

Der muntre Freier war — der Liebestraum,
Er schwebt' um dich, gehüllt in Silberflaum,
Der Hoffnung Grün, der Freude Blumenglocken,
Der Sehnsucht Immergrün in seinen Locken.

Sein Kleid war —Morgenrot, sein Odem —Duft,
Sein Seufzen — Melodie, sein Zürnen — Lust,
Er tauchte seinen Pinsel stets in Wonne,
Und malte dir ein Land voll Schmelz und Sonne.

Dein Gatte, schöne Braut, — o blick' ihn an, —
Es ist das — Leben, gar ein ernster Mann;
In dunklem Mantel tritt er dir entgegen,
Du weißt nicht, ob er Fluch verbirgt, ob Segen.

Ein Blumenkranz umschlingt sein Haupt,— doch sind
Auch Totenglocken drunter, süßes Kind;
Sein Wort ist—kurz, gemischt aus Kraft und Milde,
Und seine Hand malt ernstere Gebilde.

Doch zage nicht, — viel steht in deiner Macht;
Denn herzlich ist sein Lachen, wenn er lacht,
Und süß sein Wort, wenn du es weißt zu mildern,
Und schöne Szenen steh'n auf seinen Bildern.

Es ist zuletzt nur Probe, — glaub' ihm's nicht,
Blick' ihm voll Lieb' und Zutrau'n in's Gesicht.
Zerreiße kühn der Ahnung düstren Schleier,
Und mache deinen Gatten dir zum Freier.

Herz und Auge

Wissen willst du, Weibchen, wissen,
Was dich mir am meisten schmückt,
Was mich zu dir hingerissen,
Was mich noch an dir entzückt?

Was mich stärker, sichrer bindet,
Als der Jugend holder Schein,
Der beim ersten Hauch erblindet,
Und beweist: er sei nicht dein?

Nun so wisse, — nicht die Locken:
Denn ein Winter bleicht auch sie;
Nicht dein Blut: — einst wird es stocken;
Nicht der Züge Harmonie;

Nicht der Wuchs, der lieblichschlanke:
Denn selbst Fichten krümmen sich;
Nicht der lockende Gedanke,
Daß du Weib bist, — fesselt mich!

Was mich fesselt, hält für immer, —
Ist dein Herz, ist dein Gefühl!
Alles Andre — schnöder Flimmer,
Alles Andre — täuschend Spiel!

Wo der Mann, der allerfahrne,
Blind vor Klarheit, irrt und fehlt,
Hat, durchs Herz gewarnt vorm Garne,
Engelklug das Weib gewählt!

Wo der Mann im wilden Sturme
Trostlos zu vergehen glaubt,
Hat durchs Herz dem Kummerwurme
Gläubig sie das Gift geraubt.

Rauh ist des Verstand's Getriebe,
Pflegsam blickt das Herz hervor;
Liebreich schlingt der Kinder Liebe
An dem Herzen sich empor.

Also nur das Herz? — Von allen
Andern Gaben, die du pflegst,
Könnte sonst mir nichts gefallen?
Nichts mich fesseln, was du hegst?

Eines noch, mein Kind, — dein Auge:
Denn es ist des Herzens Bild,
Ist der Born, aus dem ich sauge,
Was dein Herz für meines fühlt!

Nicht als eine helle Scheibe
Acht' ich's, die sich leuchtend dreht;
Nicht als Teil von deinem Leibe,
Dessen Anmut es erhöht;

Nein, — als Bild nur deiner Jugend,
Einst als ihren letzten Rest;
Nein, — als Spiegel deiner Tugend,
Die es nicht verkennen läßt!

Nur zwei Gaben im Vereine
Kleiden drum dich gar so wohl:
Dieses Herz, — das engelreine,
Dieses Auge, — sein Symbol!

Tagtraum

My eyes make pictures, when they are shut.
                                            S.T.Colorigde


Nur meine Augen brauch' ich zuzudrücken,
So träum' ich oft bei Tage manchen Traum. —
So saß ich jüngst, umschwärmt von Frühlingsmücken,
Auf jungem Rasen unter'm Blütenbaum.

Wohlwollend schien die Sonn' auf mich, die Weste
Durchsäuselten erquickend mir das Haar,
Und manche Last, die mich seit langem preßte,
Schmolz mir wie Eis vom Herzen wunderbar.

Die Bächlein des Gefühl's, die Adern, hüpften
Mir wieder leichter, frei ward' Aug' und Ohr,
Und gaukelnde Erinnerungen schlüpften,
Gleich frisch entpuppten Faltern leis' hervor.

Gewiegt von stillem Wohlbehagen nickte
Ich mit dem Haupte, senkt' es nach und nach,
Schloß Aug' um Aug' nachgebend zu, und blickte
So still nach innen, träumend, — und doch wach.

Da überkam mich einer der Gedanken,
Die ich oft denk, und oft belächeln muß:
"Wie wär's, wenn plötzlich sänken all' die Schranken,
Die starr und spottend hemmen meinen Fuß?

Wenn all' die Band', ererbte wie erstrebte,
Freiwilliges wie aufgedrungnes Erz,
Abfielen plötzlich, und ich frei nun lebte,
Und sagen könnt': Hier ist mein ganzes Herz!

Wenn mir kein Schatten von Erinnrung bliebe,
Kein ferner Nachhall einer frühern Zeit;
Nicht eine Ahnung einst geliebter Liebe,
Nicht eine Spur von einst erlittnem Leid.

Wenn ich mit dem Bewußtsein meiner Freiheit,
Weltbürger, fessellos, voll Kraft und Mut,
Hinauslief in die Fremd', in weite Neuheit,
Fort über Berg und Tal und Eis und Flut.

Und wenn ich so vielleicht in blauer Ferne
Zuschifft' auf ein Atlantis, sehnsuchtsfrei,
Bestrahlt vom Schimmer unbekannter Sterne,
Von nichts zu nichts,— wie wäre mir dabei?

Zerspränge nicht von ungeheurer Leere
Mein ödes, armes, fesselloses Herz?
Sucht' es nicht Etwas auf dem weiten Meere,
Um sich daran zu binden, — einen Schmerz?

Nein— nein — laßt mir die Bande, die mich binden,
Ich will nicht frei, ich will gebunden sein:
So viele Fesseln dieses Herz umwinden,
Gerade so viel wert ist sich's allein!

Fort, böser Traum." — Da öffnet ich die Augen,
Der Tagtraum war entfloh'n, — wie war ich froh!
O süßer, heim'scher Lenz, du magst mir taugen!
Sei's, wie es sei, o wär's nur immer so!

Tageszeiten

                        1.
                    Morgens

Freundlich schaut der goldne Morgen
Zu den Fenstern mir herein;
Rasch entflieh'n die nächt'gen Sorgen
Vor dem hellen Sonnenschein.

Lachend liegt der Au'n und Felder
Taugestickter Teppich da;
Purpur kränzt das Haupt der Wälder,
Aufersteh'n ist fern und nah'.

Ströme schlingen ihre Bänder
Feuriger das Land entlang;
Berge tragen goldne Ränder,
Täler atmen Jubelklang.

Und die Stadt, die türmerreiche,
Taucht aus Nebel, der sie barg,
Wie wenn eine Königsleiche
Wieder aufständ' aus dem Sarg.

Ihrer Häuser Giebel blitzen,
Laut wird ihr erwachtes Herz,
Tief aus ihren stillsten Sitzen
Wogt und schallt es himmelwärts.

O wie klar, wie allverständlich
Liegt das Leben da vor mir;
Ist sein Licht doch so unendlich,
Ach — und dennoch irren wir.

Kommt heraus ihr Seelen alle,
Die ihr hadert mit der Welt;
Seht euch um in ihrer Halle,
Wenn der Morgennebel fällt!

Hört ihr eine Stimme schallen,
Die nicht Freudenton euch scheint?
Seht ihr eine Träne fallen,
Außer, wie sie Wonne weint? —

Drum hinweg mit diesen Falten,
Die auf euren Stirnen steh'n!
Rüstig mit verjüngtem Walten
Laßt an's Tagewerk uns geh'n!

                        2.
                  Unter Tags

Buntes Treiben, wechselnd Streben
Jagt sich in der lauten Welt;
Darin liegt ja grad das Leben,
Und warum es uns gefällt.

Wechsel heißt die mächt'ge Feder,
Die das Rad der Freude treibt;
Sperrt dem Menschen alle Räder,
Wenn ihm nur dies eine bleibt.

Gerne will er heute klagen,
Und ein Sohn der Schmerzen sein, —
Denn er weiß, umwölkten Tagen
Folgt zuletzt doch Sonnenschein.

Gerne trägt er Dornen heute, —
Lacht ihn doch die Hoffnung an,
Daß, wer heut ihm Dornen streute,
Morgen Rosen streuen kann!

Leidensmonden, Trauerjahre
Werden ihm ein Augenblick, —
Denn er weiß, in ihrer Bahre
Wiegt ihm Gott ein neues Glück!

Und so klammert er die Arme
Mächtig um die Gegenwart, —
Weil er weiß, daß mit dem Harme
Schwesterlich die Lust sich paart.

Also schwelgt er, glutbeseelet,
Dankbar an dem kargsten Gut;
Was der Freud' an Dauer fehlet,
Das ersetzt er durch die Glut.

Also täuscht in Lust und Leide
Durch den Wechsel er das Herz,
Macht sich lang die kurze Freude,
Macht sich kurz den langen Schmerz.

So erringt er jenen Frieden,
Der, was kommt, mit Dank empfaht:
Ist, was immer wächst hienieden,
Doch von Gott gesäte Saat!

                        3.
                    Abends

Stiller Engel, kehrst du lächelnd wieder
Mit dem Silberstern im duft'gen Haar,
Mit dem purpursäumigen Gefieder
Und dem dunkelblauen Augenpaar.

Sei willkommen, Engel, sei willkommen,
Fürchte nicht bei mir gestört zu sein!
Meines Herdes Flamm' ist längst verglommen,
Und die Liebe zog ins Hüttchen ein!

Tritt herein zu ihr, du Engel Abend,
Ihr, ich weiß, ein längst geliebter Gast;
Sprich mit ihr, dein Wort ist ihr so labend,
Und so lieb die Weise, die du hast!

Rede sie zurück in jene Tage,
Wo sie Kind noch, wo sie sprachlos war;
Plaudre dann mit ihr von jeder Klage,
Jedem Traume, jeglicher Gefahr.

Ihre Lieblingsliedchen, ihre Eide,
Ihre Scherze ruf ihr dann zurück,
Mahne sie an die geringste Freude,
Mahne sie an das geheimste Glück!

Doch wenn Wehmut über sie nun käme,
Mal' ihr dann die sel'ge Gegenwart,
Stell' ihr vor, wie der umsonst sich gräme,
Der in Freuden künft'ger Freuden harrt.

Reiße dann vor ihr den Flor der Jahre,
Zeig' es ihr das spätgeträumte Ziel,
Noch der Wiege näher, als der Bahre,
Noch dem Ernste ferner, als dem Spiel.

Ach und wenn sie immer ernst noch bliebe,
Ernster würde — bis zur Trauer ernst,
O auch dann verlaß nicht meine Liebe,
Gib ihr Tränen, eh' du dich entfernst.

Gönn' ihr einen Aufblick nach den Räumen,
Deren goldbeschwingter Sohn du bist,
Leihe Flügel ihren wachen Träumen,
Weil sie denn nur träumend glücklich ist.

Gib es ihr zurück, ihr süß' Behagen,
Ihres Himmels heitren Widerschein,
Gib den Frieden ihr, denn — wie sie sagen
Sollst du ja ein Friedensengel sein!

                        4.
                     Nachts

Der Tag, er war so jung, so schön,
Schritt lächelnd über Tal und Höh'n
In seinem goldnen Frieden;
Da kam zuletzt die böse Nacht,
Die hat ihn blaß und kalt gemacht,
Bis er in Gram verschieden.

Wie war so frisch die Blume da,
Aus jeder ihrer Knospen sah
Ein reiches Blütenleben;
Nun ist sie welk, nun ist sie fahl,
Kann kaum mehr auf zum Mondenstrahl
Die Blätterflüglein heben.

Es war so hell das Sternlein hier,
Das zwischen diesen Türmen mir
Allnächtlich winkt' hernieder;
Nun muß sein Schein verloschen sein,
Denn alle Sternlein zieh'n herein,
Nur dies erscheint nicht wieder.

Auch ich bin wie der Tag so stark,
Hab' wie die Blume Farb' und Mark,
Und wie das Steinlein — Feuer,
Und doch hat bald, o bald vielleicht
Auch mich die dunkle Nacht erreicht
Mit ihrem Grabesschleier.

Dann ist's vorbei mit deinem Tun,
Mein Herz, mit deinem Nimmerruh'n,
Mit deinem Weltdurchmessen;
Sobald die Augen abgeglüht,
Durch die sich oft dein Sturm verriet.
Dann bist auch du vergessen.

Wergessen armes, junges Herz
Mit deiner Lust, mit deinem Schmerz,
Mit deinem Müh'n und Zagen:
Ob ernst und still dein Hammer schlug,
Ob er gepocht in wildem Flug,
Darnach wird Niemand fragen!

Sie gehen ruhig hin und her,
Was kümmert sie der Hügel mehr,
Der dich empfing, als Beute?
Sie leben friedlich unter sich,
Und kein Gedenken ist an dich,
Wie sehr dich's auch erfreute! —

Und dennoch mühst du dich so viel,
Als gält' es gar ein fernes Ziel,
Gar wünschenswerte Kränze!
Du brichst dir ab, du zehrst dich auf,
Beirrst dich selbst in deinem Lauf,
Zertrittst die eignen Lenze.

Verächtlich siehst du Rosen an,
Und wählst die Dornen dir, im Wahn,
Sie würden einst wohl blühen!
Du sammelst Kohlen ein, und meinst,
Sie würden doch hienieden einst,
So Gott will, noch verglühen!

Auf ferne Zukunft gründest du
Die Schlösser deiner Freud' und Ruh',
Und wohnst im Haus der Träume;
Und mit dir teilt der Liebe Geist,
Damit du nicht verlassen seist,
Allein die öden Räume.

Ja sie allein, die Lieb' allein
Heißt dich, mein Herz, geschäftig sein.
Und noch nicht stille stehen;
Sie scheint noch vor des Grabes Rand,
Mit einem Kranz in ihrer Hand,
Entgegen mir zu sehen!

Sie sieht auf mich, sie lächelt mir,
Es treibt mich fort und hin zu ihr
Durch Nacht und Sturm zu wandern,
Und ob mir nichts hienieden grünt.
Wenn ich mir diesen Kranz verdient,
Dann brauch' ich keinen andern.