An S. den Tondichter
Apollos Wort war einst vor dir erklungen:
"Ich will zum heil'gen Sänger ein dich weihen,
Wenn du entsagst dem blüh'nden Lebensreihen,
Nur staunend singst, von ew'ger Gottlust trunken."
Er sprach's. Du warst in Andacht hingesunken,
Sein Wollen konnt' nur Müssen dir verleihen;
Im Leben solltest du zum Kind gedeihen,
Doch im Gesang hast Orpheus du erschwungen.
Gelöst dein irdisch Sein in Harmonien,
Entschwebest du aus der Begeist'rung Flügel
Zu des Olympos schneebedeckten Höhen.
Und wenn du schwebst voll trunkner Fantasien,
Entsinket dir des eignen Lebens Zügel,
Und süße Töne müssen dich verwehen!
An H.
Du ziehest hin in nie geschaute Fernen,
Zerflossen in ein immer schmachtend Sehnen,
Zu einen dort dich mit dem ewig Schönen,
Eilst du's zu finden in der Sonne Sternen.
Doch in der Sehnsucht mußtest du es lernen,
Dein Wesen mit den Welten zu versöhnen,
In deinem Innern sie, die Braut, zu krönen,
Nur so erreichend nie geschaute Fernen.
Und es gelang, Idee hast du geschauet,
Mit Götterschmuck vom Himmel ausgesendet,
Mit eigner Fülle von dir ausgespendet.
Das Brautlied klang, und ach! der Morgen grauet,
In heil'ger Nacht in Eins die Wesen sanken,
In eignem Tode neues Leben tranken!
Störung
Mich wiegte Fried' im Schoß mit zarter Schonung,
Ich konnte still die Wunderfabel träumen,
Von Todesruh' in lebenslauten Räumen,
Vom Reich des Ew'gen und der Zeit Mitthronung.
Da stört' ein Unhold die unschuld'ge Wohnung,
Wach fühlt' ich hoch den edlen Stolz sich bäumen;
Die milde Göttin konnt' nicht fürder säumen,
Sie wich und sprach mit himmlischer Betonung:
"Ich habe lang dein Fleh'n nicht wahrgenommen,
Ich wußte wohl, du trügst noch nicht mein Glück,
Nun wird's erfüllt, und ich muß von dir scheiden.
Es sollte sein! Tu', was du nicht kannst meiden,
Ich gehe froher, als ich jüngst gekommen,
Vielleicht kehr' ich dir sel'ger einst zurück."
Jünger und Meister
An J.
Der schlanken Palme himmelsehnend Ragen,
Der Eichenstärke erdenfroh Verbreiten,
Und aller Wesen eigne Trefflichkeiten
Will kühn der Mensch in Einen Busen tragen.
Und doch, der seelenvolle darf es wagen;
Fromm tritt er hin vor die von ihm Geweihten,
Das sanfte Herz will sich in Liebe weiten
Für alles Weh', das ihm die Fremden schlagen.
So dem du deines Wertes Zier verliehen,
Hast du geneiget mir und still verziehen,
Ob ich wohl möcht' in dich hinübergleiten.
Auch du sollst im Triumph in mir einziehen!
So, ist's gegönnt, im lieblichen Bemühen
Laß wechselnd uns als Meister, Jünger schreiten!
Lebensschärfe
An B.
Ich hätte dich, wie gern, ein göttlich Kind geheißen,
Vergnügt, nur mit dem Leben unschuldsvoll zu spielen,
Stets leicht gegönnten Eigensinnes Lust zu fühlen,
Nie kränkend, ungekränkt, in ewig gleichen Gleisen.
Die Welt verträgt dich nicht! Wer darf in eignen Kreisen
Sich froh bewegen, immer nah' geliebten Zielen?
Es treibt uns grausam aus den freundlichen Asylen,
Du siehst uns All' in Einen großen Rhythmus reißen!
Selbst willenlos, wer mag dir deinen Willen gönnen?
Wie du dich regst, rührst schmerzlich du an wunde Seelen:
So gleichst du, wie du bist, nur einer schweren Schuld.
Auf Armer Großmut — wirst du fröhlich sünd'gen können?
Drum muß jed' Herz sich mannhaft zur Entsagung stählen,
Künft'ger Erfüllung froh in hoffender Geduld.
An J.
bei Rücksendung seiner Naturpoesien
Du sangst uns frohe Mär' belohnter Minne,
Die zur Natur ein Mensch gewagt zu tragen,
Wie liebend er, die Arm' um sie geschlagen,
Ward Herz an Herz ihr tiefes Leben inne.
Du bist's. Du hast beschauungsheißer Sinne
Ihr Bild erforscht mit sehnsuchtsvollen Fragen,
Bis du in Frühlings liebsel'gen Tagen
Die Braut erwarbst zum ewigen Gewinne.
Wie mich die schön gelungne Tat erfüllet,
Die ich zu tun mich selber schon gegürtet,
Wenn nicht geführt, wohin ich nicht gewillet:
Will mich ein holder Schmeichelwahn betören,
Vergessend, was Geschick mir aufgebürdet,
In deinem Sang den eignem Sieg zu hören!
Romulus
dem Herkules einen Altar stiftend
"Starker Held! du bist verherrlicht,
Deine Kraft trug dich empor,
Und du sitzest unter Göttern,
Sterbliche verehren dich!
Aber die gemeinen Scharen
Staunen dumpf und blöd dich an,
Und du hörest nicht die Hymnen,
Die sie singen dir zum Preis.
Ich begreife deine Größe,
Ich bin heldenstark, wie du,
Ich begreife deine Größe,
Meine Huld'gung ehrt dich!
Darum sei dein Dienst gestiftet,
Nicht um Opfer dieses Volks,
Nur zum Denkmal, wie geachtet
Romulus den Herkules!
Und komm' ich einst aufgefahren,
Wie du auffuhrst, zum Olymp:
Biete du mir deine Rechte,
Führe ein mich im Olymp!"
Smollis
Das hell kristallige Gefäß,
Mit Süß' und Kräftigem bescheret,
Ward zur Verbrüderung geleeret.
Das hell kristallige Gefäß,
Hat still des Bundes Sinn gelehret:
Verklärung milder Kraft mahnt es,
Das hell kristallige Gefäß,
Mit Süß' und Kräftigem bescheret.
Erwartung
Schnell herum, schnell herum,
Zeitenrad!
Heut' soll ein Glückslos
Der Abend mir bringen.
Doch kommst du auch, kommst du auch,
Glückeslos?
Du Quell holder Wonne,
O wolle mir fließen!
Wiederkehr
Kam über Meer
Geschwommen her
Auf glücklichem Schiff
Der Freund mir.
"Willkommen!"
In Arm genommen.
Sonst nichts geredet,
Und nichts gefragt;
Daß er gesund,
Daß er getreu,
Gab ja der frische warme Kuß,
Mehr als ich fragen konnte,
Ein Mund-und Herzvoll Antwort!
Schwanenlied*
"Wie klag' ich's aus
Das Sterbegefühl,
Das auflösend
Durch die Glieder rinnt?
Wie sing' ich's aus
Das Werdegefühl,
Das erlösend
Dich, o Geist, anweht?"
Es klagt', es sang
Vernichtungsbang,
Verklärungsfroh,
Bis das Leben floh.
Das ist des Schwanen Gesang!
*In Musik gesetzt von Franz Schubert.
Der Schweigende
Was zwingt ihr mich? Ihr wollt mein Herz erfahren?
Gebt mir der Engelstimmen klares Läuten,
Der Himmelsharfen Sonnenstrahlen-Saiten,
Ich werd' mein Heil'ges feiernd offenbaren.
Mit diesen Stoffen kann ich nicht gebaren;
Die Seele bricht an starr gedrehten Häuten,
Der rauen Kehle soll sie wund entgleiten —
O laßt der zarten mich die Qual ersparen.
Ihr höret die zerrissenen Gesänge,
Euch dünkten hell die tief gedämpften Klänge,
Besiegt der Elemente trotz'ge Strenge;
Doch mich ergreift nur namenlose Bänge,
Wenn ich für's Heilige sie kaum bezwänge,
Ihr Trotz das Allerheiligste verschlänge.
Blinde Freude
Von Schrecken des All-Ungetüms durchzückt,
Wenn sie aus seiner ganzen Unform drohten,
Müßte der Mensch vom ersten Blick ertoten,
Im Innersten entmutet und entquickt.
Der kaum ein halbes Riesenglied erblickt,
Birgt schreckgebleicht sich in der Erde Schlünden,
Bis er den Unhold durch ein scheu ergründen
Ausfand, zur Obermacht emporgerückt.
Noch zog er nicht den ersten frohen Atem,
Neu steht ein furchtbar Bild am Horizont;
Er sieht es und die Freude blieb' erstickt.
Doch schon so nah ist ihm ihr Kelch geboten!
Er faßt ihn mit krampfhaftem Zug der Hand,
Und stürzt ihn aus, die Augen zugedrückt!
Menschenweisheit
Des Buches Geist erschien beschworen,
Ich fragte — die Weisheit war verloren.
"So fragt' ich schon die Scharen Geister,
Und keiner war der Antwort Meister.
Von unfruchtbaren nichtigen Dingen
Verstehst du viel zu sagen und singen.
Und könnt ihr nicht, was not tut, geben,
Wie mögt ihr nur die Stimm' erheben?" —
""Ach Bruder Geist, nicht zürne mein,
O glaub', uns quält dieselbe Pein!
Was not tut, geben kann ich nicht,
Doch Geben — süße leere Pflicht!
Was not tut, war dem Zeus versagt,
Der ob dem tiefen Sturze klagt.
Was not tut, selbst entbehren wir,
Wie wünscht' und gönnt' ich's dir und mir!
Was not tut, geben kann ich nicht,
Doch Geben — süße leere Pflicht!""
Der Zauberer
Ich ward umsonst steinaltergrau,
Kenn' nicht des Glückes ew'gen Bau!
So sprach der Magus. Was er sprach,
Zur Stund' das wehe Herz ihm brach.
Sein Geist zerfloß in's weite All,
Bis sich erfüllt der Zeiten Fall.
Dann neu gedichtet zur Gestalt,
Nach eitler Arbeit stirbt er alt.
So ewig durch Tod und Geburt
Jagt ihn des Dämons Rute fort.
Orientierung
Die gelehrte Welt —
So lang' ich draußen war,
Schien sie herrlich bestellt;
Drinnen werd' ich gewahr,
Wie's ihr eben aller Orten fehlt!
Theorie und Praxis
Habet Praxis, ihr geht sonst unter,
Die Theorie schafft euch nicht Raum;
Sie wirkte das Leben freilich bunter,
Doch webt sie ewig nur am Saum!
Der Empfängliche
Nichts taugt bös Urteil,
Noch weniger Verachtung;
Es ist nur in dem Schwur Heil:
Dem Schönen fehlt die Betrachtung!
Lüge der Sprache
Ich klopfte an der Sprache Pforten,
Und fragte nach guten getreuen Worten;
Doch wie dir das Wort vom Munde geflogen,
Glaube sicher, du hast gelogen.
Zwergentrost
Laßt Götter euch und Hero'n nicht grämen,
Das Große ist nur als Hyperbel zu nehmen.
Exegese
Die Sphinx ist gar kurios ein Tier,
Kein Wort im Búffon steht von ihr;
Damit ist nur, wie's klar erscheint,
Lajus natürliche Tochter gemeint.
Empfindsame Ehrenrettung
Ach sanfte Menschheit, du humane,
Wer hat die grassen Bösewichter
Dir aufgebürd't? — Die bösen Dichter,
Zur Zeit der Trau'rspiel' und Romane.
Andenken an M. den
Dichter
1.
Ein Seher hatte uns an sich gewunken,
Die Lichtwelt schien vor seinem Geist erschlossen;
Es war, der Götterumgang einst genossen,
Olympischer Erinnerungen trunken,
Die bald in hellen bunt schimmernden Funken
Das Leben mit Verklärung übergossen,
Bald mild in heil'gen Sehnsuchtstränen flossen
Um jene Höh'n, aus denen er gesunken.
Doch wir, die staunend seinen Wundern horchten,
Mit frommer Scheu den Gottgesandten forchten,
Der freud'gen Botschaft mußten wir uns freuen.
Und schon, zum ringen ird'schen Schmerzensolde,
Ward still, aus lichten Wissens Flammengolde,
Am Dichterthron geschmiedet ihm von Zweien.
2.
Wenn Genien zur Erde niedersteigen,
Kann Göttliches sie nicht den Göttlichen bieten?
Wohl blühen da der Liebe seltne Blüten,
Die hehrer Himmelsblumen Gleichnis zeigen.
Die machen auch die Höh'n wie gern sich eigen,
Ihr Duft stillt ihrer Herzen heimlich Blüten;
Bald soll die schmale Flur, wo sie gerieten,
Erweitert durch die Wüsten alle reichen.
So sah'n wir auch dein Herz zu Herzen neigen,
Die Welt zum Freundschaftstempel ein dich weihen,
Als Priester dich das Heiligtum behüten.
Und in der Freunde reich geschlungnem Reigen,
Die in dir, mit dir für das Schöne glühten,
Gabst du die letzte Stelle nicht den Zweien.
Schmerz der Freiheit
Nach Freiheit ja begehr' ich sehr,
Doch nur, um mich zu binden mehr.
So wer mich ganz in Fesseln schlüge,
Nach Freiheit ich nimmer Verlangen trüge.
Euch soll ich gebunden mich bekennen,
Und ihr laßt unselig umher mich rennen?
O des Freien heimlich beseufztes bekennen Los,
Zu schweifen aller lieben Bande los!
Und welch' Band, es wär' ein liebes nicht?
So's nur wahrhaft bindet, und nie bricht!
Die Hände streck' ich, unstete Füße —
Wo bist du, Fessel, die mich selig schließe?
Krönung
Ich komme just von der Krönung,
Ich hab' meinen Freund gekrönt
Als meinen Genius Salvator
Er glaubt, ich hab' ihn gehöhnt.
Ich führt' ihn zur Stätt', wo dorten
Meines Lebens Trümmer ruh'n;
Ich hieß ihn sich amüsieren,
Ich hätt' indessen zu tun.
Ich baut' aus den edelsten Trümmern
Ihm einen olympischen Thron,
Aus den Dornen, die mir da blühen,
Flocht' ich ihm die Retterkron'.
Aus ewiger Herzenswunde
Färbt' rot ich ihm den Purpur,
Und meine stürzenden Tränen,
Sie gaben Perlen zur Schnur.
Ich führt' ihn darauf zu Throne,
Ich beugte vor ihm die Knie,
Auf die Brust legt' ich meine Hände,
Und wehe fühlt' ich wie nie.
Ich holt' einen tiefen Seufzer
Zum Gruß dem Gekrönten mein;
Der schalt sich mystifizieret,
Und bald war ich allein.
Prometheus
Ich bin eine Art Prometheus
Am Felsen Kaukasus.
Ein anderer ist eine Espece
Von meinem Herkules.
Der jagte den Gei'r mir auf vom Fraß,
Somit ging er fürbaß.
Dann umgewandt: Vergilt mir es —
So sprach mein Herkules.
Hervor aus Klagen, so wie Gestöhn,
Bedankte ich mich schön.
Er wollt' auch meine Freundschaft zum Dank,
Mein Haupt, ihn Ohnmacht, sank.
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