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Zueignung

Ein Himmelsbild erglänzt aus grauen Zeiten,
Pallas Minerva priesen es die Alten;
Weisheit und Krieg umschließt ihr göttlich Walten,
Den Musen hold, der Helden kühnem Streiten.

Sie kor Dich in die Schar ihrer Geweihten;
Sie ist's, der Deine reinsten Opfer galten,
Sie hat Dir keine Gabe vorenthalten:
Der Geist steht Deinem Heldenmut zu Seiten.

Und Geistes Werke läßt Du Dich entzücken,
Die Wissenschaft, das heit're Spiel der Kunst,
Sie sonnen sich im Strahle Deiner Gunst.

Auch mich hat diese Sonne angeglüht,
Auch diese Blume ist in ihr erblüht:
Verschmäh' es Deine Hand nicht, sie zu pflücken.

 


Gedichte 2

 

Dame und Schleier
Dante
Macchiavelli
Mezzofanti
Napoleon
L. Sizinius Dentatus
Roms Triumphe
Lacrimae Christi
Die Kinder des Geistes

 
Der Sklave mit dem Fruchtkorb
Souvenir
Rätsel
Dem Olympier

 

Dame und Schleier
Gewidmet Joseph Reichsgrafen von Sickingen-Hohenburg.
1831


Es ist eine Dame gar wunderbar,
Sie stellet in ihrem Schleier sich dar;
Und möchtet ihr gerne die Dame bespäh'n,
So müsset ihr euch zuerst untersteh'n,
Den Schleier ihr zu lüften.

Die Dame, sie ist keine Puppe zart,
Sie ist von der eisernen Jungfrau Art;
Sie starret von Eisen, sie starret von Erz,
Weh' dem, den sie drücket an's mächtige Herz —
Wollt ihr den Schleier lüften?

Sie stammt von dem Riesen Hunderthand,
Viel tausend Paar Arme rührt sie gewandt;
Die Hände, sie spielen mit Donner und Blitz,
Mit Schwerterschneide, mit Lanzenspitz' —
Wollt ihr den Schleier lüften?

Die Riesin, sie hat ein gewaltig Haupt,
Von grünen Lorbeerkronen umlaubt,
Mit des Löwen Antlitz, des Stieres Genick
Mit des Fuchses Hohn, mit des Adlers Blick —
Wollt ihr den Schleier lüften?

Die Riesin, sie ist so furchtbar schön,
Gar mancher mag sich dran selig seh'n;
Erst wird euch so weh', dann auf ewig wohl,
Es ist wert, daß ein Held es drauf wagen soll —
Wollt ihr den Schleier lüften?

Und der Schlei'r ist geschaffen im Feenreich,
Keine Nebelkapp' ist an Zauber ihm gleich,
Der Geister Könige saßen zu Rat,
Eh' das Wunder sprang in die wirkliche Tat —
Wollt ihr den Schleier lüften?

Er ist kein toter Stoff, noch gewebt,
Ein Wettergewölk ist's, beseelt und belebt,
Hat Sinn und Verstand, und rührt daran wer,
Feu'r sprüht er und ehernen Hagel umher —
Wollt ihr den Schleier lüften?

Er zeigt sich von innen durchglänzend und licht,
Von außen wie Nacht so dunkel und dicht;
Hinaus sieht die Riesin, ihr seht nicht hinein,
Und mögt ihr so keck wie vorwitzig sein,
Müßt ihr den Schleier lüften.

Und sie späht und lauscht durch den Schleier hervor,
Wie durch magisches Hör- und Sehe-Rohr;
Nichts schleichet so heimlich, so stille nichts rauscht,
Was sie durch den Schlei'r nicht erspäht und erlauscht —
Wollt ihr den Schleier lüften?

Und der ihr die Sinne bewaffnet zuvor,
Ist, wollt ihr, selber ganz Aug' und Ohr;
Des Himmels Auge blickt klarer nicht her,
Die Hölle, sie hat kein leis'res Gehör —
Wollt ihr den Schleier lüften?

Die Riesin lechzet nach Kampf und Strauß,
Sie zieht frohlockend in's Feld hinaus;
Sie ziehet dahin, die Riesengestalt
Vom Zauberschleier umwebt und umwallt —
Wollt ihr den Schleier lüften?

Und hält sie Rast an erwählter Stätt',
Umziehet er schirmend ihr Riesenbett;
Sie träumet von Siegen, der schirmende wacht,
Und wahret sie treu vor den Tücken der Nacht —
Wollt ihr den Schleier lüften?

Und kommt sie geeilt an's ersehnte Ziel,
Und nahet die Stunde zum Kampfesspiel;
Umschirmt von ihm, füllt sie der Zeiten Rest
Sich rüstend und schmückend zum blutigen Fest —
Wollt ihr den Schleier lüften?

Und seid ihr so feig und erkühnt euch's nicht,
Sie selber tritt frei euch unter's Gesicht;
Denn schlägt ihr die Weltuhr zum Waffentanz,
Sie schreitet hervor im schrecklichen Glanz,
Den Schleier wohl gelüftet.

Und sie tanzet den Reigen mit Macht, mit Macht,
Aufspielend sich selber mit Pracht, mit Pracht,
Ihr bebet die Erde, der Weltbau dröhnt,
Ihre Donner, sie orgeln, und, hoch übertönt,
Schweigt die Musik der Sphären.

Ihr seid, wenn's gefällt und wenn's nicht gefällt,
Zu Hunderttausend als Tänzer bestellt;
Erst wird euch so weh', dann auf ewig wohl,
Das Männervolk, das mit ihr tanzen soll,
Es stirbt in ihren Armen!

Das Spiel ist geendet, der Kampf ist aus,
Sie kehrt siegjubelnd vom Feld nach Haus,
Mit frischen Lorbeerkronen geschmückt,
Von Weltenruhmes Strahlen umzückt,
Die Riesin mit dem Schleier!

Erahnt ihr das Urbild zum Contrefait?
Die Riesendame ist die Armee,
Die leichten Truppen ihr Schleier sind,
Und wen's trifft, der ist des Verderbens Kind:
Es lebe Dam' und Schleier!

Dante

So manches prächt'ge Denkmal hat der eitle Dünkel
Sich selbst erhöht, von Schmeichelei erhöh'n sich lassen;
Der engsten eine von Ravenna's engen Gassen
Birgt ärmlich, großer Dante, dein's im düstern Winkel.

So rief ich aus, in herbes Sinnen tief verloren.
Und sieh, urplötzlich wird es klar um mich und helle,
Von hehrem Glanz erfüllt strahlt sonnig die Kapelle,
Und Virgils Geist erschien, von meinem Gram beschworen.

Im Klang von Jenseits tönten mir die mächt'gen Worte:
"Was sollen Mausoleen ihm? Ist er nicht selber
Von einer ganzen Wunderwelt die Riesenpforte?

Er ist das Morgentor der Poesie der Christen,
Weih' du ihm alle Pracht der Säulen und Gewölber —
Er kann nur ihr, doch sie nicht sein Andenken fristen!"

Ravenna, im Monument Dante,
am 23. Mai 18. . .


Macchiavelli

"Die Erd' heischt Remus Blut von Romulus,
Und Rom entspringet ihren dunkeln Gründen;
Karthago taucht empor aus Meeres Schlünden,
Und Dido's Asche sühnt den Erebus.

Die Geisterfahrt geht durch den Tartarus,
Der Abgrund fordert gräulig seine Zölle:
Wohlan, so gib der Hölle, was der Hölle,
Um deines Himmels willen, Genius!

Zwar mehr nicht opf're, als du darfst und mußt,
Dein Dürfen zeigt dein Gott dir in der Brust,
Dein Müssen dir der Finger der Ananke.

So zahle dann vollgültig den Tribut,
Zum Ungeheuern habe Heldenmut,
Wird nur an's Licht gerissen der Gedanke."

Mezzofanti

Gäste vereinte der Saal von mancherlei Völkern und Sprachen,
Wie sie des Reisens Lust sandte und Krieg und Verkehr.
Hier beweiset der Deutsche, dort debattieret der Brite,
Und der Franzose schwatzt neben dem Slaven, der scherzt.

Murrend schmaucht der Magyare den bösen römischen Tobak,
Und der Zinganen Jargon raunt vom Orchester hervor.
Von Europas Zungen die letzt' auch sieht sich vertreten,
Babylons Sprachengewirr stellet im Kleinen sich dar.

Siehe, da wandelt ein bleicher Priester von Einem zum Andern,
Wechselnd mit Allen Gespräch, wie es die Stunde gewährt.
Wüßte nicht Jeder zuvor, daß Bolognas Sohn der Abbate,
Jeder schwür' einen Eid: "Das ist mein Kompatriot!"

Alle Nuancen, alle Vertraulichkeiten der Sprachen
Meistert er, samt dem Akzent, bis zum gemeinsten Dialekt.
"Wessen Landes und Stammes? von welcher Gegend und Ortschaft?
Vom Gebirge? vom Tal? unteren, obern Gebiets?"

Und nur der Auskunft bedarf's und es strömt ihm der Idiotismus
Wie das klassische Wort reißend vom kundigen Mund.
Ostern feierte man; mir schwant' es wie Pfingsten, ich schaut', ob
Feurige Zungen ihm nicht flammeten über dem Haupt! —


Napoleon
an seine Geschichtsschreiber

Der hat mich "böse" gescholten,
Und der mich "gut" taxiert;
Das hat dem Völkchen gegolten,
Es hätt' mich charakterisiert.

Kennt ihr zu mir den Schlüssel?
Er hat einen krausern Bart
Als der Höll- und Himmelschlüssel,
Die sind zu simpel von Art.

Sie müßt ihr zusammenschweißen
In's Kreuz und in die Quer',
In Gold zugleich und Eisen,
Unter Klang meiner Zaubermär'.

L. Sizinius Dentatus
Nach dem Lateinischen

Von der Medaille Schrift und von der Historie Griffel
Roms Achilles und Roms Tapferkeit bist du gefei'rt!
Trauernd umstehen Tugend und Glorie den Hügel des Helden,
Und das Göttinnenpaar mischet die Tränen des Grams.

Aber du lächelst aus Wunden, gefärbt von verschwendetem Blute,
Stumm ist ihr Mund, doch rot sind ihre Lippen und blüh'nd.
Fama, die Tuben hinweg! Gib Zungen der Menge der Wunden,
Und den Sizinius redet der zahllosen Mund!

Roms Triumphe

Erst fünftausend erlegter Feinde verlieh'n des Triumphes
Pomp. Der Triumphe sind siebenmal fünfzig gefei'rt.
Zähl' eine Million und siebenmal hundert und fünfzig
Tausend erschlagener Männer, oft würdig des Siegs.
Aber ein einziger Triumphator, der einzige Cäsar.

Eine Million und mehr sand't er zum Orkus hinab.
Blutrot schmückete Rom der Purpur. Bald schoß und zerriß er:
Fahl und in Fetzen schlug er um der Bettlerin Leib! —

Lacrimae Christi
Nach dem Lateinischen

Reisend betrat Sarmaziens Sohn Roms heilige Schwelle;
Christi Tränen, vernimmt staunend er, seien da Wein.
Und er begehret des Tranks zu kosten, des bittern, so meint er:
Wunder! der Tränenquell trank sich gar lieblich und süß.
Und seinen Norden beseufzend: O Himmel, rief er, wie Schade,
Daß in Sarmazien nicht unser Erlöser geweint!

Die Kinder des Geistes

Von der Erzeuger Leib entsprießen die leiblichen Kinder,
Aus sich selber erzeugt geistige Kinder der Geist.
Söhnen und Töchtern verleiht der gereifte das fröhliche Dasein,
Und wie Minerva dem Zeus springen sie ihm aus dem Haupt;
Söhne, geschmeidig und stark, zu Schimpf und Ernste des Lebens,
Töchter, anmutig und zart, übend der Schönheit Magie;
Teu'r dem Erzeuger und wert oft der Welt und fernen Geschlechtern,
Die in Jahrtausenden noch preisen den Vater im Kind.

Der Sklave mit dem Fruchtkorb
Nach dem Spanischen

Du gabst sie mir zu tragen,
Ich segne diese Früchte
Mit einem guten Segen,
Die Hölle segnet mit:

Sie mögen euch zerplagen,
So dich wie dein Gezüchte,
Bis zu dem hold'sten Grinsen,
Das je der Gifttod schnitt! —

Souvenir
An G.

Dieweil du nun von hinnen gehst,
Möcht' ich, so du es nicht verschmähst,
Wie es geziemt, dir schenken,
Solid ein Angedenken.

Es ist etwas, wer's mit sich nähm',
Dem fiel' es wohl sehr unbequem,
Drum ist es dir vorausgesandt,
Wohin du ziehst, in's welsche Land.

Dort wirst du's treffen sicherlich,
Und glaube mir, es harrt auf dich,
Wie Leid und Freud' dein warten,
In Welschlands schönem Garten.

Nichts Mind'res ist es, ich bekenn's,
Denn die Gebirg' Italiens,
Die auf zum Himmel ragen,
Und das Gewölbe tragen.

Gedenk', wirst du auf ihren Höh'n,
In ihren Tälern dich ergeh'n,
Der Berge fern im Norden,
Und deiner Freunde dorten.

Rätsel

Ich kenne ein Kleid für Mann oder Weib,
Gemessen an einem Riesenleib;
Ein Mantel ist's mit einem Hut zugleich,
Und der ihn besitzt, der ist steinreich.

Er ist mit sinniger Kunst gemacht,
Wohl war es ein Künstler, der ihn erdacht;
Des Nutzens mit der Schönheit Gesetz
Siehst hier du verschlungen im Liebesnetz.

Er ist feuerfest und ist wasserdicht,
Sein Stoff vom Pflanzen- und Tierreich nicht;
Der stammet aus der Fossilien Reich,
Am ersten ist er dem Steinflachs gleich.

Und von welchem das Maß genommen ist,
Der Riesenmensch trug ihn zu keiner Frist;
Er schenkt' ihn einem Glückspilz von Zwergen,
Der konnt' sich samt seiner Sippschaft drein bergen.

Die nisteten sich gar manierlich ein,
Sie teilten das Ganze in Fächer klein,
Sie legten auch lustige Leitern an,
Hinauf und herunter zu steigen daran.

Denn er ist starr, und ist schwer an Gewicht,
Sie alle sie regen und rücken ihn nicht;
So steht er denn ruhig an seiner Stätt',
Als ob man ihn gebaut, nicht geschneidert hätt'.

Und so steht er durch Jahrhunderte schon,
Herbergend so manche Generation;
Die Zwerge sie leben, die Zwerge sie sterben,
Der Riesenrock dauert von Erben zu Erben.

Dem Olympier

Und Wissenschaft und Freundschaft,
Die auserkornen Zwei,
Die waren in Gemeinschaft
Deiner Seele Feldgeschrei.

Du hast das Wissen geschmecket,
Und ach, wo sind die Musen?
Du hast die Freundschaft geschmecket,
Und wo ist Freundesbusen?

Ein Olymp jungkräftiger Geister
Umragte dich im Chor,
Ein jeder war Jünger und Meister,
War Freund den Freunden zuvor.

Dem Olymp nicht fehlten die Musen,
Sie liebten es, da zu sein,
Keine Muse fehlte den Musen,
Sie weilten da alle Neun.

Da kommt aus den Wolken gefahren
Ananke's Riesenarm,
Faßt dich bei den Lockenhaaren,
Entraubt dich dem Genienschwarm.

Fern über der weiten Wüste
Läßt er dich sinken zu Erd';
Du wandertest durch die Küste,
Und bist nun heimgekehrt.

Doch wo ist das Göttergewimmel?
Du fandst den Olymp verheert!
Wer baut dir neu deinen Himmel?
Ananke hat ihn zerstört! —