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Gedichte 4
 

Kolumbus
Rätsel
Österreichs Lerchen
Der rote Tiroler Adler

Kolumbus

Ausgezogen nach Land, hat Land gefunden die Taube
In dem alten Bund, und in dem neuen zumal.
Ein unschuldiger Vogel flog sie über die Sündflut,
Aus der Arche ein Tier, treu dem Instinkt der Natur.
Von des Ararats Höh'n bringt sie dem Vater der Völker
Ölbaums grünen Zweig, Fried' ihm bedeutend und Heil. —

Und es geschah und auf's neu' zog aus nach Lande die Taube
Über des Atlas Flut und der Vergessenheit Flut,
Wogen die eine wälzend unendlich ergoßnen Gewässers
In unermeßlicher Kluft zwischen dem Ost und dem West,
Finsternisqualme die andre zwischen der Menschheit Gedächtnis
Und dem entrückten West, welcher in Nacht ihr verschwand —
Weil auf's neue hereingebrochen die Gräu'l der Verwüstung
Über der Erde Geländ und in der Sterblichen Geist!

Aber das Tier nunmehr nicht konnt' es so Großes vollbringen,
Nicht die Seele des Tiers und nicht der Fittig des Tiers.
War ja die Menschheit der Tat entsunken so wie dem Gedanken;
Nur ihr Genius selbst konnt' es vollbringen und tat's!
Himmelab senkt' er auf Erden eingefleischt sich hernieder
In Kolumbus Gestalt — wo ist des Atlas Flut?
Wo ist die Flut der Vergessenheit? wo sind des Gewässers
Wogen? die Qualme wo nächtiger Finsternis?

Nacht ist verwandelt in Helle und Bahn ist der Ozean worden,
Seit die Taube zog hin nach dem West und zurück!
Denn wie der göttliche Geist die Gestalt erkoren der Taube,
Hat sich der Genius Taube* mit Namen genannt.

*
Colomba=Columbus

Rätsel

Ein Schiff fährt durch das unendliche Meer,
Es ist nur vom eignen Gewichte schwer;
Es fährt um zu fahren, es trägt keine Last,
Es ist sich selbst Volk, Gut und Ballast.

Und das Meer ist nicht naß, doch enthält es Naß,
Oft entbindet sich draus in Fülle das,
Und wenn sich alles entbände frei,
So würde die Sündflut wieder neu.

Des Schiffes Segel, die sind beseelt,
Und offen steht ihm die ganze Welt;
Ihm droht keiner Szyll' und Charybde Geheul,
Es segelt dahin in mutwilliger Eil'.

Und Schiff an Schiff zu Flotten geschart,
Geht jährlich im Herbst nach Süden die Fahrt,
Und im Lenz da kehren die Flotten zurück,
Bewillkommend grüßt sie des Menschen Blick.

Österreichs Lerchen

Austriens Lerchen entwandte die frevelnde Hand der Empörung,*
Aber sie flohen empor, fliegend bis in den Olymp.
Unter der Sterne Klang erhoben die singenden Lerchen,
Von den Musen beschirmt, magischen Feiergesang,
Sangen, erinnernder Kehle, die heimischen** Sänge von Siegfrieds
Achilleischem Los und von der Rache Kriemhilds.,
Sangen vor seligem Kreise der unsterblichen Götter,
Die mit entzücktem Ohr lauschten dem neuen Gesang.
Göttliche Huld erblühte auf Jovis heiterem Antlitz,
Laut aufschrie sein Aar, ahnend des Gottes Beschluß.
Und es sandte den Blick der Vater der Götter und Menschen
Hin auf Austriens Flur, hin auf des Austriers Burg:

"Weil du solches getan, und den Mund geöffnet dem Sänger,
Und geöffnet dein Herz milde dem Hauch des Olymps —
Will ich die Anwartschaft, für der Lerchen bescheidene Vögel,
Auf meines Adelars Zwillingezucht dir verleih'n,
Welche die Obmacht bringt und erhält, wie lang ich sie schenke:
Würdig der Herrschaft ist, welchen das Schöne beherrscht!
Löst sich Germaniens Reich, sei der Doppelaar dir beschieden
Für und für, und du schaust, Austria, das Ende der Zeit!" —

Sieh, und es horstet der Doppelaar auf Austriens Burgschloß,
Riesig und prächtig sein Nest, kaiserlich wie er es liebt.

*
Die Kuenringer empörten sich gegen Friedrich II. von Babenberg,
und hatten sich des Staatssiegels bemächtigt, daher Friedrich das bisherige
österreichische Wappen mit den Lerchen umänderte.

**
Nach der Annahme gelehrter Forscher soll das Lied der Nibelungen am Hofe
und unter dem Schutze Leopold des Glorreichen zu Wien gedichtet worden sein.


Der rote Tiroler Adler

Adler! Tiroler Adler!
Warum bist du so rot?

Ei nun, das macht, ich sitze
Am First der Ortlesspitze,
Da ist's so sonnenrot.
Darum bin ich so rot.

Adler! Tiroler Adler!
Warum bist du so rot?

Ei nun, das macht, ich koste
Von Etschlands Rebenmoste,
Der ist so feuerrot,
Darum bin ich so rot.

Adler! Tiroler Adler!
Warum bist du so rot?

Ei nun, das macht, mich dünket,
Weil Feindesblut mich schminket,
Das ist so purpurrot,
Darum bin ich so rot.

Adler! Tiroler Adler!
Darum bist du so rot?

Vom roten Sonnenscheine,
Vom roten Feuerweine,
Vom Feindesblute rot —
Davon bin ich so rot! —