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Quelle:

Ossians und
Sineds Lieder

Wien MDCCXCII
Gedruckt und verlegt durch Ignaz Alberti,
kaiserl. königl. privil. Buchdrucker


Band 2

Gedichte 1
 

Lied an Wien
Die Stimme des Volkes
Die Ruhe des Weisen
Der Blumenstrauß
Die Bilder der Weisen
An Gott
Auf den Frieden
An einen Freund
Auf den Tod eines Freundes
Horaz XXX. Ode im I. Buche
Wiegenlied
Charakteristik
Abendgedanken im Herbste
Trost an einen Freund
 

 
Anmerkung: Die Fußnoten stammen vom Autor.

 

Lied an Wien 1

Entfernt von dir, in Staub und Dampf gehüllet,
Den Schwall von Tausenden um sich,
Wenn Rosse brausen, Eisen klirret, Erz erbrüllet,
Denkt Joseph doch an dich,

An dich, wenn Schlaf und Rast am grauen Morgen
Von seinem Heldenlager fliehn,
In Mitte schwerer, endeloser Völker Sorgen
An dich, sein heimisch Wien!

Er denkt: O du der deutschen Städte Krone!
Glänzt irgend noch ein Edelstein,
Der soll von deinem Fürsten, deinem Freund' und Sohne
Dir eingesetzet sein!

Er denkt. Und eine sanfte Straße führet
Um dich in weiten Schranken her.
Nun fleugt das goldne Rad. Des Landmanns Achse spüret
Kaum halb die Lasten mehr.

Und ebne Pfade von den Toren leiten
Zur Straße deiner Wandler Fuß,
Die Pfade weiß, und für das Aug von beiden Seiten
Des holden Grüns Genuß.

Er denkt. Und an des Kaiserstroms Gestaden
Vom Wellentaue froh benetzt
Laubt sich ein Hain empor,2 ins Abendkühl zu laden
Die Menschheit, die Er schätzt,

Wenn sie nach langem, ernstem Taggeschäfte
Zum offnen, heitren Himmel ringt,
Dann der Geliebten Blick, des Freundes Anspruch Kräfte
Der müden wieder bringt.

So, Vindobona! Krone deutscher Städte!
So schmücket Joseph deinen Tag.
Wie, wenn auch deine Nacht des Herrschers Sorgen hätte? —
Ha, wenns ein Lied vermag,

Wenns Harfen können, Sined! o so feire
Der neuen Herrschersorgen Wert,
Die weitgestreute Flammenpracht, die diese teure
Gewünschte Nacht verklärt.

(Ja teuer und gewünscht! Theresen Namen
Macht sie dem schönsten Tage gleich,
Mit der auf dich Allvaters größte Segen kamen,
Beglücktes Österreich!)

Wie lieblich blinken wacher Lichter Reihen,
So weit der Blick sich weiden kann!
Der Sternenhimmel scheint sich seines Bilds zu freuen,
Und lächelt mild es an.

Und selbst auf engen, abgelegnen Stegen
Lustwandelt nun die Sicherheit.
Wie kann ihr arge List in Zukunft Stricke legen,
Die nur im Finstern dräut!

So, Kaiserstadt! so lebhaft stets umschwebet
Dein Angedenken Josephs Thron.
So ziert dich Der, der nur dem Untertane lebet,
Dein Fürst, dein Freund und Sohn.

O ruf aus aller deiner Kinder Kehlen:
Mein Kaiser, meine Lust und Zier!
So brennt die Nacht. So brennen Jener unsre Seelen,
Die Dich gebar, und Dir!

1) Als am Vorabende des Theresientages die neue Beleuchtung der Esplanade
und der Vorstädte begann.
2) Der herrliche Augarten.


Die Stimme des Volkes

Die Fürsten sprachen es im hohen Wien,
Und einer ihrer Boten nahm das Wort
Von ihrem Munde, blickte nicht zurück,
Verwandte sich zur Rechten nicht, und nicht
Zur Linken, ruhte niemals, bis sein Fuß
Das Tor der Söhne Lechs erreichte, wo
Theresien und Josephs Adler wehn.

Komm, Haupt der Starken! Deiner Gewaltigen
Ist viel; doch künftig sollen die Tausende
Theresien und Josephs alle,
Alle die Tausende dir gehorchen.

Komm! Joseph harret deiner im hohen Wien.
Dein Rat ist Licht, und Flamme dein Mut, und Stahl
Ist deine Treue, Menschenschonen
Wohnt dir im Herzen und Überzeugung

Auf deinen Lippen. Setze zum Herrscher dich
An seiner Linken in die Versammlung hin,
Auf deren Wink sich dreimalhundert
Tausend entblößete Schwerter heben.

Warum gab Bardenkindern hohen Sinn,
Vielfarbigen Gedankenflug, Gefühl
Dem Guten und dem Schönen zart, und Ohr
Zu lernen jeden Laut, und Seelenlust
Gelernte Laute nachzubilden, und
Die Kunst mit Saitenklange jeden Laut
Tief zu begleiten in der Hörer Herz
Allvater? War es nicht, o Tugend! dich,
Dich, Tapferkeit! und dich, Verdienst! und euch,
Ihr guten Taten, die ihr immer seid!
Hier zu verewigen, hier Folger euch
Zu wecken? Risse sonst der Barde sich
Unaufgefordert, ungebeten hin
Zum Harfenspiele, wenn er Tugenden,
Und Tapferkeit, und grauendes Verdienst,
Und gute Taten angemerkt, verehrt,
Belohnet sieht? — Er kennet seine Pflicht,
Und achtet jeden andren Gegenstand
Zu niedrig für des Liedes Göttlichkeit. —
So war es, als der Bot sich flügelte
Theresien und Josephs Gnadenwink
Dem Helden hinzubringen, welcher weit
Vom hohen Wien den Söhnen Lechs gebot.
Das Volk vernahms, und so wie Kehl' auf Kehl'
Im frühbesonnten Hain' erwachet, bis
Allstimmig Ein Gesang zum Himmel steigt,
So wandelte die frohe Kunde fort,
Bis aller aller Gauen Stimmen nun
Zu Einem Rufe ward. So sprach der Ruf:

Der Mann, der früh sein Leben in blutigen
Gefilden furchtlos, Tod! dir entgegentrug
Gott, Fürsten, Vaterland im Herzen;
Der sich von Stufe zu Stufe fortschwang

Feind aller niedren Künste, bis endlich ihm
Auch Heere folgten, welche, von ihm beseelt,
Den Landmann schonend, Feinde schlugen,
Strenge gehalten ihn Vater nannten;

Der Held, so groß in jeglicher Wissenschaft,
In jeder Kunst des Friedens so tief genährt,
Als wär' er mit erzürntem Eisen
Niemals am Nacken des Feinds gehangen;

Der Held und Weise, welcher der Gottheit Furcht
Die erste Pflicht des Helden und Weisen nennt,
Der stets den leidigen Gefährten
Mancher Verdienste, den Hochmut, haßte,

Den Wert der Menschen fühlet, und offenes
Gespräches, heitrer Stirne, gefälliger
Gebärden ist, und dennoch—seltner,
Seltener Sterblicher! — ohne Neider;

Der Held und Weise, Tugend - und Menschenfreund
Ersteiget itzt — so will es Theresia,
So will es Joseph — itzt den höchsten
Glänzenden Gipfel der Kriegesehren. —

Dank, Erdegötter! Dank Euch, gekrönete
Verdienstekenner! daß Ihr den nützlichen,
Den treuen Diener, Teil an Euren
Sorgen zu nehmen, so weit hinaufruft! —

Und o wie muß er, wenn er herniederschaut,
Den Eifer segnen, der ihn geleitete,
Die Tugend segnen, die ihm jede
Steile des Lebens in Ebnen umschuf!

So sprach der Ruf. Und Sined riß sich hin,
Ergriff mit Herzenlust sein Harfenspiel,
Und sang aus Bardenpflicht den frohen Ruf
Unaufgefordert, ungebeten nach.


Die Ruhe des Weisen

Laß ihn ausglühn, o du
Deines erhabenen Arbeitfreunds
Würdiger Diener! den strebenden Geist!
Schon vom Morgenrot' her stemmet er sich
Mit Riesenkraft und Weisengeduld
Der drängenden Last der Völkersorgen entgegen.
Schon vom Morgenrot' her flammet in ihm
Für Wahrheit und Recht,
Für Menschenwohl und für Verdienstelohn
Allmächtiger Eifer empor.
Laß ihn ausglühn!

Siehe, dir winket der sinkende Tag
Unter dein kühlendes Laubdach.
Den rühmlichen Schweiß, welchen das Vaterland
Von der Stirne dir küßen soll,
Küßen die freundlichen Weste weg,
Die sich vom Ufer des Kaiserstroms
Zu deinem reizenden Hügel erheben.

Heitre den denkenden Blick über den Kaiserstrom aus!
Siehe, dort lebt es im Dunkel der Espenau,
Lebet, und nahet, und tritt ins Helle der Flur.
Ein herrlicher Zug! Wie raget mit ästigem Haupte
Der Hirschmann in Mitte des braunen Gefolges!
Wie starret sein weidend Gefolg
Das trächtige Schiff an,
Welches auf gleitendem Silber des Isters
Ins fernere Grau Pannoniens hinschwindt!


Rufe nun auch herüber den Blick
Zu deinem Gestade! Wie lebt es auch hier!
Wie grünet die nährende Pflanze
Unter dem Schweiße des ländlichen Pflegers empor!
Nun lockert er Grund, nun ziehet er Furchen.
Nun tränket, nun pflückt er. —Doch nein!
Hier weile dein Blick nicht!
Bedarfst du denn Bilder der Arbeit?

Weide vielmehr am engeren Kreise das Aug,
In welchen die Liebe dich einschleust!
Siehe dein treues Gemahl, nur lebend für dich,
Für dich, du ihr einziger Stolz, ihr einziger langer Gedanke!
Siehe Kinder deines Herzen
An des Vaters Knieen klimmen,
Und in unschuldvoller Wette
Deinen Nacken nieder eifern!
Sei ganz Gatte, sei ganz Vater!

Oder behagt dir Gesang? Verwende das Ohr
Zu deinen dichtbewachsnen Irregängen,
Da wo Gebüsche jeder Art,
Gleich friedlichen Menschen,
Gezweig und Wipfel untereinander verstrecken.
Höre den lauten vielstimmigen Dank
Deiner gefiederten Zöglinge,
Welche vergnügt unter dem luftigen Giebel
Deine gefließene Vaterhand nährt.


Oder ergötzet dich mehr Menschengesang
Vom Harfenklange begleitet?
O so gönne dem Liede dein Ohr,
Welches Sined aus drängendem Herzen
Deiner edlen und fühlenden Seele,
Deinem Werte zum Opfer bringt!
Gönne dem Liede — Vielmehr stimme du selbst,
Dies bittet der Barde, sein Lied an!
Denn ihm werden seine Lieder
Dann erst hörenswürdig,
Wenn dein Mund sie wiederholt;
Dann erst sagt ihm seine Seele:
Sined! dieses Lied gelang.

Anmerkung: Dieses Lied ist dem geh. Haus-Hof –und
Staatsreferendar Freih. von Spielmann gewidmet.

 

Der Blumenstrauß

Eine Blume sah ich
Freund des Lenzes werden
In der Blumen Schar.
Schon im ersten Knospen
Zog sie meine Tritte,
Zog sie mein betrachtend Aug an sich.

Jeder Morgen fand sie
Sprossender und voller
Sich der Reife nahn.
Niemals hatte Meeltau,
Niemals Ungeziefer
Ihrer Jugend zartes Grün versehrt.

Immer sank von oben
Auf der Blume Busen
Sanfte Kühlung her,
Und von keiner andren
Blitzeten des Himmels
Tropfen heller in des Barden Aug.

"Wo, wo wächst die Blume
Würdig einst zu binden
Einen Strauß mit dir?
Eine wächst, o Blume!
Dir gewiß entgegen;
Aber weiß der Barde, wo sie wächst?"

Also sprach ich öfter,
Und des Lenzes Liebling
Schien mich zu verstehn;
Denn mir war, als wallte
Röte, wie betroffner
Sehnsucht, über seiner Blätter Schnee.

Tage sind hinüber,
Und nun weiß der Barde,
Wo die Blume wächst,
Die mit dir bestimmet
Einen Strauß zu binden,
Blume! zärtlich dir entgegenstrebt.

Ganz für dich geschaffen,
Und an deiner Seite
Noch einmal so schön. —
Heil der wachen Pflege
Treuer frommer Hände,
Die sie dir erzogen und dich ihr!

Blumen! eilt, vereinet
Eure Wohlgerüche,
Knüpfet euer Band!
Über eure Scheitel
Will der Himmel tauen,
Wenn sich heut in Gold der Abend bräunt.

Jünglingen und Mädchen
Bebt zum Ehrentanze
Schon der leichte Fuß.
Euer Glück zu feiren
Klingen Harfen, blinket
In der Opfermuschel Rebenblut.

Und das frohe Jauchzen
Von gekränzten Gästen
Überstimmt der Wunsch:
"Gib uns deinesgleichen
Edle zarte Blumen,
Neuverbundnes holdes Blumenpaar!"

Ließen meine Saiten
Ihn unaufgefangen
Diesen Wunsch vorbei?
Nein! Er riesle silbern
Von der höchsten nieder,
Brause durch die tiefste stark hinaus!

Denn o was für einem
Luftgefilde gliche
Dieses Erderund,
Trüg' es allenthalben
Blumen, die dir glichen,
Neuverbundnes holdes Blumenpaar.


Dieses Gedicht wurde für den Vermählungstage des Freih. Joseph von Penkler mit
Josepha Freiinn von Toussaint gedichtet.
Der Bräutigam war ein würdiger Zögling des k.k. Theresianums.


Die Bilder der Weisen

Schön hast Du deinen Lehrer, deinen Freund
Bedacht, o junger Mann! Dir war bekannt
(Denn Sineds Lehren gruben tiefer sich
In keines Jünglings Herz) dir war bekannt,
Wie sehr der Vorwelt Lehrer Sined ehrt,
Mit welcher Ehrfurcht er vergangner Zeit
Erhabne Namen nennet, derer Geist
In hinterlaßnen Kunden ewig lebt,
Des Guten und des Schönen Urquell uns
Gefällig aufdeckt, und den Dürstenden
Mit jeder Weisheit Überflusse tränkt;
Mit welcher Lust er ihre Bilder sieht
Gerettet von der Kunst aus Grabesnacht,
Und niemals satt vom Schauen wird, und glaubt
Aus ihres Angesichtes Zügen selbst
Den Geist heraus zu sehn, der unsrer Zeit
So manches Denkmal seiner Würde ließ,
Und öfter fast es wagt um Unterricht
Ihn anzusprechen.


                                Ja, das wußtest du.
Du gingst, und suchetest so manches Bild,
So manche Glanzgestalt Ausoniens,
So manche Galliens und Belgiens,
Und unsres trauten Vaterlandes auf,
Die noch in Sineds Halle mangelten,
Und nun durch dich des Barden Augenlust,
Und seiner Ruhestunden Weide sind.


Schön hast du mich bedacht. Der Gabe Maß
Ist nicht des Nehmers Würdigung allein,
Ist auch des Gebers Würdigung. Und du,
Du schätzest, so wie Sined, Wissenschaft,
Und jeden Mund, durch den, seit Menschen sind,
Die Weisheit bis auf uns herunter sprach.


So kannt' ich dich von Knabenjahren, so
Des Fleißes Freund, von keiner Schwierigkeit
Geschreckt mit Augenblicken geizen, und
Als Jüngling frei von allen Sorgen, die
Der Venusiner Jünglingsorgen nennt,
Nach Unterricht' und Arbeit streben, um
Als Mann des großen Fürsten wert zu sein,
Der seinem Volke, der erstaunten Welt
Der Arbeitliebe glänzend Beispiel gibt.

Dieses Lied schenkte Joseph v. Retzer k.k. Bücherzensor und Hofsekretär bei der k.k.
böhm. österr. Hofkanzlei dem Barden.

 

An Gott
Aus dem Englischen
des Gentleman's Magazin
MDCCLXI


Zu dir, o Schöpfer, weis' und gut!
Mein steigend Lied erwacht;
Da jede Schönheit der Natur
Mich zu begeistern lacht.

Am Morgen, Mittag', Abend' hold
Erweckt sie mich zur Lust.
Von immer neuen Freuden pocht
Auf jeden Blick die Brust.

Du strahlst im Sterne, dessen Gold
Der Nächte Dunkel bricht.
Aurorens Rosenantlitz ziert
Durch dich ein blitzend Licht.

Der Waldsteig und die Wiese glänzt
In ungesehner Pracht;
Der öde Forst, der Schatten Graun
Verkündet Gottes Macht.

Der helle Bach, der murmelnd strömt,
Nennt murmelnd nichts, als ihn;
Er wäscht des Randes weiches Moos,
Und glitscht, ihn prellend, hin.

Von Zweig zu Zweig schallt unermüdt
Des Federvolks Geschwirr;
Dir jede frohe Kehle schwillt,
Und danket trillernd dir.

Laß diesen Anblick mein Geschäft
In ernsten Stunden sein!
Laß, Gott! dem Buche der Natur
Mich mein Entzücken weihn!

Dann übersteigt mein frühes Lied
Der Morgenlerche Schall,
Und singt mit dir den Abenddank,
O späte Nachtigall!

Auf den Frieden
MDCCLXIII.

Er fährt herab! des Himmels Kind,
Der Stifter goldner Zeit,
Er kommt, der Frieden! jauchze, Welt!
Ihr Völker, knieet hin!

Wie licht umher! — Sein Fittig trennt
Der Wolken schwere Nacht,
Die Mars im eisenen Gefild'
Aus ehernen Schlünden haucht.

Indessen, daß um ihn ein Meer
Von Harmonien strömt,
Löst sich der Länder Klageton
In lindernd Schweigen auf.

Ihm schwimmt sein seligstes Gefolg
In hellen Kreisen nach. —
Schon tritt der Fuß des Himmlischen,
Und jede Spur wird Lenz.

Zur Seite lacht der Überfluß,
Und leert sein Füllhorn aus.
Der Landmann siehts, und schafft das Schwert
Zur Sichel wieder um.

Der Handel, den der Krieg vertrieb,
Zieht in die Mauern ein,
Und, wo Gewalt im Tore stand,
Da wachet nun das Recht.

Wo Mordsucht Leich' auf Leiche warf,
Da wallet schon die Saat;
Wo furchtbar schnob ein riesig Roß,
Da blöken Herden itzt. —

Dort mit erloschner Fackel stürzt
Der Krieg unmächtig fort.
Ein leiser Westwind trägt uns noch
Sein letztes Knirschen her. —

Nun wird dies Knirschen tief versenkt
In Deutschlands Jubelschall:
"Theresen Heil! Heil, Friedrich, dir!"
Europa tönt es nach.

Sie ziehn in Myriaden aus
Zum fürchterlichsten Krieg';
Es frißt das Schwert, es schwelgt der Tod!
Ihr, Nationen! bebt!"

Sie bieten sich versöhnt die Hand,
Die Menschenliebe siegt.
Schon winken sie dem Frieden zu.
Ihr, Nationen! dankt!—

O Krieger, derer kühner Arm
Im finstern Felde stritt,
Hängt nun der Waffen blanken Schmuck
Im Ehrentempel auf!

Wie groß muß Deutschlands Ruhm durch euch
Bei fremden Völkern sein!
Hat euch gleich Friedrich oder Daun
Den Helden weg geführt.

Nun ladet euch das Vaterland
Zur wohlverdienten Ruh.
Gemahl und Eltern, Sohn und Freund
Denkt nur Umarmungen.—

Ihr aber, derer rühmlich Haupt
Im schönsten Tode sank,
Ruht, Helden! ruht! um euer Grab
Soll steter Zephyr wehn!

Brown und Schwerin, und hundert noch!
Euch nennt die spätste Zeit.
Ihr herrscht den Mut aus Urnen selbst
In deutscher Kämpfer Herz.

Der Wahlplatz, der euch bluten sah,
Wird Enkeln heilig sein!
"Die Tapfern!" denkt der Wandersmann,
Und fühlt: "Hier sanken sie!"

Das Feld, das Kleisten bluten sah,
Wird Dichtern heilig sein!
"Hier fiel der Dichter und der Held!"
Das Echo feufzt es nach.

Er sang den Frühling. Musen, hört!
Ein Dichter fleht euch an!
Laßt steten Frühling um das Grab
Des Helden — Dichters blühn!
 

An einen Freund
über die Poesie
MDCCLXIV

Immer locken sie mich die viel zu gefälligen Musen.
                    Immer schleichet ihr Reiz
Tief in mein übelverwahrtes Gemüt! In Mitte der Arbeit,
                    Unter der Schüler Gedräng'
Hebt sich ihr Ruf: Wann stimmst du sie wieder die müßige Leyer,
                    Welche Phöbus dir gab?
Gab er zum Schweigen sie dir, und weckt den Kützel der Saiten
                    Zephyrs Fittig allein?
Sterblicher, denke zurücke! Du warst ein flatternder Jüngling,
                    Keiner Gottheit geweiht;
Phöbus zeigte dich uns, und sprach: Im Chore der Sänger
                    Werde sein Namen genannt!
Sprachs, und gab dir die Leyer. Da ward im Chore der Sänger
                    Auch dein Namen genannt;
Und manch jugendlich Lied, gleich Morgenstrahlen im Lenze,
                    Ging in der Seele dir auf.
Aber nun hängt sie dahin. Nur selten tändelt ein Finger
                    Über die Saiten herab!
Siehe, schon kehret der Herbst. Du wirst nun wieder dein eigen,
                    Ferne vom Staube der Stadt.
Hören die Buchen kein Lied, und kein Lied der trunkene Weinberg,
                    Und die Gefilde kein Lied? —

Also locken sie mich die viel zu gefälligen Musen;
                    Hör' ich ihr Locken, o Freund!
Fruchtbar ist unsere Gegend an Dichtern. Sie kommen und singen:
                    Phöbus hat uns gesandt.
Kehret ein Sieger vom Felde des Todes, vermählen sich Fürsten,
                    Schwärzet die Parze den Thron,
O dann strömen Gedichte, dann bringen gebärende Pressen
                    Prächtige Bogen zur Welt!
Frostig schielet der Wiener nach ihnen, und gähnt und liest: Ode.
                    Gähnt und leget sie weg.
Handelt er allzeit gerecht? Dies wirst Du besser entscheiden;
                    Aber er handelt nun so.
Freund! ich liebe mir Beifall und Lob, und ist es ein Fehler,
                    Freund! ich will ihn gestehn.
Misch' ich mich nun in die dichtenden Haufen, o welch ein Verhängnis
                    Ist mir mit ihnen bestimmt!
Gestern erschien ich, und morgen ergreift mich die zierliche Jungfer,
                    Oder der blonde Friseur,
Schneidet manch Dreieck aus mir, und wickelt das Haar der Coquette,
                    Oder des Stutzers darein;
Oder ich werde bei Tafeln der Großen mit Zucker gefüllet,
                    Und den Kindern geschickt;
Oder man bringt mich im alten Papiere zum riechenden Krämer,
                    Und macht Tüten aus mir.
Glücklich noch, wenn den Tabak in mir ein Dichter sich kaufet
                    Und ein Beispiel sich nimmt!
Freund! und folg' ich ihr dennoch der Stimme der lockenden Musen?
                    Handeln sie billig mit mir?
Suche nicht: hör' ich Dich sagen: das Lob, und den Beifall der Menge!
                    Hat denn die Menge Geschmack?
Immer sei dir genug, wenn Weise dich lesen und loben,
                    Ist schon der Weisen nicht viel.
Freund! ein beträchtlicher Teil der Weisen liebet die Reime,
                    Ist schon der Weisen nicht viel.
Und ich liebe sie nicht, und ist auch dieses ein Fehler,
                    Den auch will ich gestehn.
Griechenlands Dichter, und Latiens Dichter! euch bin ich es schuldig!
                    Ihr verwöhntet mein Ohr!
Ewige Priester der Musen! ihr Zierden der Vorwelt! ihr habt wohl
                    Niemals an Reime gedacht.
Mitten im Strome von euren entzückenden Harmonien,
                    Denk' ich auch nicht an sie.
Und so sieht man mein Lied mit Erbarmen, und seufzet: Er reimt nicht!
                    Seufzet, und leget es weg.—
Freund! ich will dem Apoll ein niedliches Opfer entrichten,
                    Wenn sein Einspruch es fügt,
Daß sich ein leichter Franzos ihn helleren Tagen der Zukunft
                    Reimlos zu dichten erkühnt.
Wagt er den Schritt, und hat sein Paris ihn gelobt und vergessen,
                    Wird es den Deutschen dann kund,
O dann wird es zur Mode gewiß! Du kennest die Deutschen,
                    Ganz zum Folgen gemacht.
Welch ein Zeitpunkt für mich! dann schweb' ich auf Flügeln des Ruhmes
                    Über mein ruhend Gebein,
Horche vom Äther herab, und höre die Reime verachten,
                    Horch' und höre mein Lob,
Und mein freier Gefang, dem Nasen sich itzo noch rümpfen,
                    Steiget gepriesen empor.
Tage der Zukunft, erscheint! Indessen will ich mich trösten,
                    Denn Du lies'st mich ja, Freund!

 

Auf den Tod eines Freundes
MDCCLXII.

Er ist hinüber zu den Unsterblichen,
Unwiederbringlich menschlicher Zärtlichkeit!
Er ist hinüber! Keine Tränen
Weinen, o **! dich uns zurücke!

Sanft, wie die Quelle, die durch die Wiese schleicht,
Nie trug sie brausend schwimmender Schlößer Last,
Nie schwoll sie schäumend über Blumen,
Die sich am nüchternen Rande spiegeln:

Sie würzt die Fluren heimlich und unbelobt,
Nur Wandrern findbar, welche der Durst gereizt,
Dann selber sanft noch, wann ihr Lauf sich
Weit in den Ozean hin verlieret:

So floß, o Freund! dein Leben. Unangemerkt
Dem lauten Haufen feiler Verewiger,
Dem schielen Auge kleiner Richter,
Tatst du der Ewigkeit wertre Taten,

Als mancher, welchen rauschender Beifall bläht.
Dich wies kein Finger, wenn du vorübergingst,
Doch kannten dich gewählte Freunde,
Freunde, von dir, ach! zu früh verlassen!

Schon lange drangst du, von der Natur geführt,
Tief in der Wesen innre Geheimnisse.
Was ist, und wächst, und fühlt, und denket,
Lehrte sie dich in geweihten Stunden.

Von ihr gelehret, tratst du zur Jugend hin.
Ich sah, wie Bienen, blühende Jünglinge
Von deinen Lippen Honig saugen,
Und für die Lehre dir Herzen schenken.

Freund! rührt ein Wunsch dich deiner Verlassenen!
Von jenen Höhen, wo dich die Tugend krönt,
O senke deinen Blick zur Stätte,
Welche verkläret dich einst zurückgibt!

Hier stehn sie! zärtlich fühlende Lehrlinge!
Vom Auge redet dankender Schmerz herab,
Vom Auge, welches dich bald oben,
Bald in dem Schoße der Erde suchet.

Verlangst duTränen auch von der Freunde Schar? —
O nein! wir Freunde liebten dich männlicher.
Gewiß dich wieder einst zu finden,
Wollen wir männlicher dich verlieren.

Horaz XXX. Ode im I. Buche

Königin von Gnidos und von Paphos,
Venus! laß dein Cypern und besuche
Glyceren geschmückten Giebel, welcher
Dich mit einer Weihrauchwolke lädt!

Laß mit dir den raschen Knaben eilen,
Und die Charitinnen ohne Gürtel,
Und die Nymphen und den Götterboten,
Und die Jugend, nur durch dich beliebt.


Wiegenlied

Sei willkommen, holder Engel!
In der ersten Lebensblüte.
Kleines, allerliebstes Wesen!
Sei dem Freunde deines Vaters
Tausend, tausendmal willkommen!
Edler Hauch der Gottheit! lerne
Deiner zarten Körperhülle
Nach und nach dich zu gewöhnen!
Blicke bald nach deiner Mutter,
Die auf deinen Wangen lächelt:
Blicke bald nach deinem Vater,
Der in deinem Auge lebet;
Schmiege dich bald an den weichen
Busen, dem du dich entwandest,
Und umschling mit frohem Stammeln
Deiner Mutter sanften Nacken.
Wann nun dein bemühter Vater
Dem Gedränge seiner Pflichten
Auf ein Weilchen nur entschlüpfet,
Und sich deiner Mutter nahend
Dich von ihrem Halse fordert,
Damal sträube dich ein wenig
(Denn dies müßen junge Schönen),
Bis er mit Gewalt dich raubet.
Aber dann, o Engel! küß' ihm
Seine männlichbraunen Wangen,
Küß' ihm weg den Philosophen,
Küß' ihm weg den Staatsgelehrten,
Küß' ihm alles aus der Seele,
Was ihm noch vom Krieger anhängt,
Daß er nichts als Vater bleibe.—
Doch ich singe schon zu lange.
Du beginnest einzuschlummern.
Sollte dies mein Liedchen wirken? —
Ja! dies wirken manche Lieder.—
Schlummre süß, mein holder Engel!


Charakteristik
deutscher Schriftsteller
MDCCLXVII.


Wem einst der milden Vorsicht Hand
Mit Klopstocks Schöpfekraft auch Winkelmanns Verstand,
Abts Nachdruck, Lessings Witz, und Cramers Leichtigkeit,
Und Wielands Phantasie, und Rabners Scherz verleiht;
Kleists Aug, Gleims Zärtlichkeit, und Gellerts Unschuld schenkt;
Wer scharf wie Kästner, tief wie Moses denkt;
An Munterkeit noch Hagedornen gleicht,
Und nie von Geßners Einfalt weicht,
Den Tempel des Geschmacks betritt auf Ramlers Spur,
Der ist ein Wunder der Natur!


Abendgedanken im Herbste
MDCCLXIII.

Kind Nature keeps a School
To teach her sons herself.
                               
Young.

Dort liegt sie fern in Dampf gehüllt,
Des Zwanges Vaterland,
Der Freiheit Grab, der Moden Nest,
Des Stutzers Paradies.

Dort liegt sie fern die laute Stadt,
Indessen, daß um mich
In feierlichster Einsamkeit
Ein heilig Schweigen herrscht.

Umflossen von der reinsten Luft
Lieg' ich in Schatten hier,
Die würtlich ein vertrauter Baum
Auf meine Glieder streut.

Vor mir eröffnet sich das Buch
Der lehrenden Natur;
Ich Schüler blick' es an, und schon,
Schon les' ich stammelnd: Gott!

Gott in des Westes kühlem Wähn,
Der säuselnd mich umschleicht,
Itzt durch die Blumen scherzt, und itzt
Im Schilf' harmonisch seufzt;

Gott im Gemurmel jenes Bachs,
Der mir den Schlummer lobt,
Und arbeitsam auf buntem Kies'
In hellen Kreisen eilt;

Gott in dem Vogel, dessen Ruf
Die treue Gattin lockt;
Gott in der Blume, deren Schmelz
Der Künste Witz beschämt;

Gott in der Pracht des Schmetterlings;
Gott in der Biene Fleiß;
Im Zwitschern der Zikade Gott;
Im Grillenliede Gott;

Nur ihn im Apfel, dem der Herbst
Die keusche Wange färbt;
Ihn in der Traube, die den Schweiß
Des braunen Winzers krönt.

Ihr Türme, derer glänzend Haupt
Provinzen überschaut!
Paläste von Porphyr und Erz,
Verzeiht, ich seh' euch nicht!

Ihr Wagen, derer goldne Last
Stolz durch die Gauen rollt!
Ihr Saitenspiele voll der Kunst,
Verzeiht, ich hör' euch nicht!

Ihr Speisen, die ein fremder Koch
Dem eklen Gaume würzt!
Ihr Wässer, die die Mode brennt,
Verzeiht, ich riech' euch nicht!

Die Szene, die mich hier umgibt,
Die läutert mein Gefühl.
Ich atme jede Sorge weg,
Und finde mich verjüngt.

Ich seh' in der Geschöpfe Zier
Die Spuren jenes Geists,
Der, was ich seh', und was ich bin,
Vom Nichts zum Dasein rief.

Beglückt in sich, auch einsam Herr,
Auch ohne Welten Gott,
Der war er stets, so lang er war,
Und konnt' es ewig sein.

Doch Herr und Gott war nicht genug;
Auch Schöpfer wollt' er sein.
Er wollte — Schon gebar das Nichts,
Und Wesen keimten auf.

Da spannt' er seinen Himmel aus,
Und teilte Wasser ein;
Da hingen Sonnen durch den Raum,
Und Erden drehten sich.

Da schwollen Berge wolkenan,
Da brachen Flüße los.
Das Leben kam. Die Pflanze ward.
Es ward das Tier — und ich.

Doch Tier und Pflanze, Fluß und Berg
Und Erde denket nicht.
Der Mensch nur denket. Denkt er auch
Der Schöpfung großen Plan? —

Herr der Geschöpfe, Gottes Bild
Behauptet er sein Recht?
Verkennt er seinen Adel nicht,
Und sinkt zum Tier' herab?

Vergällt er sich das Leben nicht,
Das ihm zum Glücke ward?
Glänzt nicht die Schönheit der Natur
Ihn unbemerkt vorbei? —

O Erster, dessen Hauch ich bin,
Mein Schöpfer und mein Ziel!
Lass meine Sinne dich, nur dich
In deinen Werken sehn!

Laß — doch ein frischer Lüftchen kommt,
Und Hesper winkt nach Haus.
O Gegend meinem Denken hold!
Oft wirst du noch besucht.


Trost an einen Freund
MDCCLX

Freund! findet mein Lied Dich vielleicht im melancholischen Zimmer
      Vom nächtlichen Flügel des Kummers umrauscht,
Wenn itzo Dein suchendes Aug vergeblich ins Vaterland hinstarrt,
      Und selbes durch Nebel der Schwermut nur flieht.
Freund! oder beschäftiget Dich beim wurzelforschenden Buxtorf
      Ein heischernes Ajin, ein würgendes Chet;
So laß itzt den schweizerschen Mann mit seiner bärtigen Weisheit!
      Der Mann ist kein Schweizer, wie Geßner es ist.
O laß ihn, und höre mir zu! Mich sendet auf Schwingen der Ode
      Die Dichtkunst an ihren Geweihten, an dich.
Sie war es die Göttin, die längst den zärtlichen Naso getröstet,
      Als donnernd ein eisenes Schicksal ihn traf;
Als ferne vom feineren Rom er stumm und seelenlos hinsaß,
      Langschnurige Scythen und Bessen um ihn.
Da rührte sie plötzlich sein Herz. Es schmolz in Lieder. Da sang er
      Selbst getischen Stirnen die Runzeln hinweg.
Freund! fasse die Leyer, und sing! Vielleicht daß mancher Lateiner
      Dem Reize der deutschen Camönen erliegt;
Sing mächtig die Stunden heran, die Dich uns wieder gewähren!
      Schon seh' ich sie werden, und kommen, und sein.
Dann soll mir ein festlicher Lied in Deiner Umarmung gelingen
      Ganz Trieben beruhigter Freundschaft gestimmt.